Baurecht

Antragsbefugnis für Normenkontrollantrag gegen Bebauungsplan

Aktenzeichen  1 NE 18.1303

Datum:
26.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24979
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Eine Antragsbefugnis eines Grundstückseigentümers im Normenkontrollverfahren ist nicht gegeben, wenn er eine Überschwemmungsgefahr für sein Grundstück bzw. eine Gefährdung durch ablaufendes Niederschlagswasser befürchtet, das Grundstück aber deutlich höher als das Baugebiet liegt, so dass mit Überschwemmungen nicht gerechnet werden kann, und damit eine Beeinträchtigung durch das Entwässerungskonzept des Bebauungsplans ausgeschlossen erscheint. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldnerinnen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerinnen begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen den am 30. Mai 2018 bekannt gemachten Bebauungsplan „Südlich der Z* …straße“ der Antragsgegnerin.
Mit der Planung wird am südwestlichen Ortsrand von S* … auf einem nach Südosten geneigten, bisher landwirtschaftlich genutzten Hang auf einer Fläche von etwa 0,6 ha ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt, das mit (Wohn) Gebäuden mit maximal 2 Vollgeschossen bebaut werden kann. Angrenzend liegt oberhalb des neuen Baugebiets im Norden das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück der Antragstellerinnen, Z* …straße *. Die Erschließung des Baugebiets erfolgt über die Z* …straße und endet im neuen Baugebiet mit einer kleinen Wendeanlage.
Am 21. Juni 2018 stellten die Antragstellerinnen einen Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan (1 N 18.1302) und beantragten gleichzeitig,
den Bebauungsplan der Antragsgegnerin „Südlich der Z* …straße“, bekannt gemacht am „29.“ Mai 2018, durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag der Antragstellerinnen außer Vollzug zu setzen.
Die Antragsgegnerin habe unmittelbar nach Bekanntmachung des Bebauungsplans mit der Durchführung von Erschließungsmaßnahmen in dem vom Umgriff des Bebauungsplans erfassten Areal begonnen. Der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung sei zur Abwehr schwerer Nachteile im Sinn des § 47 Abs. 6 VwGO geboten. Die Antragstellerinnen könnten geltend machen, durch den Bebauungsplan in eigenen Rechten verletzt zu sein. Der Bebauungsplan führe zu einer erheblichen Einschränkung der Nutzung ihres Grundstücks, insbesondere im Hinblick auf die aus der Flächenversiegelung drohenden Folgen (erhöhte Überschwemmungsgefahr). Es sei ein verstärktes Ablaufen von Oberflächenwasser im Hangbereich zu befürchten mit der Folge von Überschwemmungen, was gerade im Hinblick auf die zunehmenden Starkregenereignisse beachtlich sei. Eine Versickerung des Niederschlagswassers sei in dem vom Bebauungsplan erfassten Bereich nicht möglich. Darüber hinaus seien die zur Bebauung vorgesehenen Grundstücke nur unzureichend erschlossen, so dass vor allem größere Fahrzeuge gefährliche Wendemanöver durchführen müssten. Nicht zuletzt stelle sich die geplante Höhenentwicklung der Bebauung im Verhältnis zum Gebäude der Antragstellerinnen als rücksichtslos dar und berücksichtige auch nicht die Ausgestaltung der vorhandenen Bebauung an der Z* …straße, so dass sich die Grundstückssituation für die Antragstellerinnen nachhaltig verschlechtere. Außerdem bestehe in Bezug auf die Außenbereichslage der Grundstücke ein klarer Wertungswiderspruch. Die topographische Situation finde keinen Niederschlag. Der angefochtene Bebauungsplan sei unwirksam, er stelle insbesondere eine Gefälligkeitsplanung dar. Der Bebauungsplan sei weiter unter Verstoß gegen die in § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB genannten Umweltschutzgüter zustande gekommen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei nicht durchgeführt worden. Auch der Geltungsbereich der §§ 13a, 13b BauGB sei nicht eröffnet. Die vorgesehene Bebauung verschlechtere die Situation der bereits bebauten Grundstücke durch die geplante Höhenentwicklung und die Verschlechterung der Lärmsituation durch den zu erwartenden Verkehr. Die vorgesehenen Schutzmaßnahmen bezüglich der Niederschlagswassersituation, gerade bei Starkregenereignissen, reichten nicht aus, um die Beeinträchtigung der „südlichen“ Anlieger zu vermeiden.
Die Antragsgegnerin beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Es werde bereits nicht dargetan, warum die Antragstellerinnen durch den Vollzug des Bebauungsplans so beeinträchtigt würden, dass aus diesem Grunde der Erlass einer einstweiligen Anordnung dringend geboten sei. Aufgrund der Tatsache, dass das Grundstück der Antragstellerinnen deutlich höher als das Baugebiet liege, könne mit Überschwemmungen schon gar nicht gerechnet werden. Die Verkehrszunahme aus dem kleineren Baugebiet sei keinesfalls unzumutbar. Eine erdrückende Wirkung der Bebauung liege nicht vor. Für den Vortrag zur Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans wird auf den Schriftsatz vom 24. Juli 2018 verwiesen.
Mit Beschluss vom 16. August 2018 hat der Senat die Grundstückseigentümerin der neuen Bauflächen beigeladen, die konkrete Bauabsichten geäußert hat.
Ergänzend wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Normaufstellungsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist unzulässig, weil den Antragstellerinnen die auch für die einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO notwendige Antragsbefugnis fehlt.
Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Erforderlich, aber auch ausreichend für die Antragsbefugnis ist, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird. Der Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks ist dann antragsbefugt, wenn er eine mögliche Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen kann. Drittschützenden Charakter hat das Abwägungsgebot allerdings nur hinsichtlich solcher privater Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Deshalb muss ein Antragsteller, der in einem Normenkontrollantrag eine Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen will, einen eigenen Belang als verletzt bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Nicht jeder private Belang ist in der Abwägung zu berücksichtigen, sondern nur solche, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2011 – 4 CN 1.10 – BVerwGE 140, 41; B.v. 10.2.2016 – 4 BN 37.15 – ZfBR 2016, 376). Die Prüfung, ob das der Fall ist, ist allerdings nicht unter Auswertung des gesamten Prozessstoffes vorzunehmen, und sie darf nicht in einem Umfang und in einer Intensität erfolgen, die einer Begründetheitsprüfung gleichkommt. Allerdings darf das Gericht auf der Grundlage des wechselseitigen Schriftverkehrs darüber befinden, ob es einen abwägungserheblichen Belang des Antragstellers geben kann (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.2015 – 4 BN 30.14 – BauR 2015, 967).
Nach diesen Maßgaben ist eine Antragsbefugnis der Antragstellerinnen nicht gegeben. Sie befürchten eine Überschwemmungsgefahr für ihr Grundstück bzw. eine Gefährdung durch ablaufendes Niederschlagswasser. Die Antragsgegnerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass das Grundstück der Antragstellerinnen deutlich höher als das Baugebiet liege, so dass mit Überschwemmungen nicht gerechnet werden könne. Dies ergibt sich auch aus dem Höhenplan mit Geländeschnitten, der Bestandteil des Bebauungsplans ist. Weiter fällt der Hang, auf dem die Bebauung geplant ist, nach Südosten ab. Das Grundstück der Antragstellerinnen grenzt im Norden an das Plangebiet an, wobei es sich im Hinblick auf die beiden angrenzenden Grundstücke um das westlichere handelt. Eine Beeinträchtigung durch das Entwässerungskonzept des Bebauungsplans erscheint damit ausgeschlossen. So wird auch zur Begründung ausgeführt, dass die vorgesehenen Schutzmaßnahmen nicht ausreichten, um die Beeinträchtigung der „südlichen“ Anlieger zu vermeiden.
Angesichts der Situierung und Höhenlage des Wohnhauses der Antragstellerinnen erweist sich die zugelassene Bebauung den Antragstellerinnen gegenüber auch nicht als rücksichtslos. Die Bebauung des Plangebiets ist der Hanglage angepasst. Es ist weder substantiiert vorgetragen noch erkennbar, dass von dieser Bebauung eine erdrückende Bebauung ausgehen kann (vgl. BayVGH, B.v. 28.8.2013 – 1 NE 13.1558 – juris Rn. 5). Der Umstand allein, dass ein bisher unbebautes Grundstück künftig bebaut werden darf, macht das Interesse des Nachbarn an der Erhaltung dieses Zustandes, z.B. wegen der Ortsrand- und Aussichtslage, noch nicht zu einem abwägungserheblichen Belang (vgl. BVerwG, B.v. 22.8.2000 – 4 BN 38.00 – NVwZ 2000, 1413). Das vorgetragene Interesse, dass der Bebauungsplan die Struktur der angrenzenden Bebauung aufnimmt und fortsetzt, wird bereits nicht näher erläutert und ist auch nicht erkennbar schützenswert (vgl. BayVGH, U.v. 14.3.2017 – 1 N 15.705 – juris Rn. 16, bestätigt durch BVerwG, B.v. 15.8.2017 – 4 BN 22.17 – juris Rn. 27).
Ein abwägungserheblicher privater Belang lässt sich auch nicht mit der aufgrund des Bebauungsplans zu erwartenden Verkehrszunahme begründen. Ist der Lärmzuwachs nur geringfügig und wirkt er sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück aus, muss er nicht in die Abwägung eingestellt werden und die Antragsbefugnis entfällt (vgl. BVerwG, B.v. 24.5.2007 – 4 BN 16.07 u.a. – BauR 2007, 2041 m.w.N.). Die Verkehrszunahme durch die Ausweisung von lediglich fünf Bauparzellen ist lediglich geringfügig; dabei ist auch zu berücksichtigen, dass für die An- und Abfahrt nicht nur die Z* …straße, sondern auch die W* …straße in Betracht kommt (vgl. BayVGH, B.v. 30.12.2015 – 1 NE 15.1881 – juris Rn. 5; HessVGH, U.v. 7.4.2014 – 3 C 914/13.N – BauR 2014, 2082). Die ruhige Wohnlage, die einem an den bisherigen Außenbereich angrenzenden Grundstück im allgemeinen faktisch zukommt, begründet als solche keine Antragsbefugnis; denn einen Rechtsanspruch oder auch nur ein schutzwürdiges Interesse auf Beibehaltung dieser Außenbereichslage gibt es nicht (vgl. BVerwG, U.v. 21.10.1999 – 4 CN 1.98 – NVwZ 2000, 807). Mit dem Vortrag, dass die zur Bebauung vorgesehenen Grundstücke nur unzureichend erschlossen seien, so dass vor allem größere Fahrzeuge gefährliche Wendemanöver durchführen müssten, wird ein städtebaulicher Belang der Antragstellerinnen weder dargelegt noch ist dieser erkennbar.
Haben die Antragstellerinnen nach alldem keine materiell-rechtliche Position, die ihnen eine Antragsbefugnis vermittelt, so können sie unabhängig davon auch nicht Verstöße gegen formelles oder materielles Recht geltend machen.
Die Antragstellerinnen haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldnerinnen zu tragen (§ 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten, soweit solche überhaupt angefallen sind, selbst trägt (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 u. 8 GKG.


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