Baurecht

Aufhebung des Vergabeverfahrens wegen Verlustes der Zuständigkeit

Aktenzeichen  Z3-3/3194/1/20/03/15

Datum:
23.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 55877
Gerichtsart:
Vergabekammer
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VOL/A § 20 EG Abs. 1 lit. b, lit. d
BayÖPNVG Art. 9 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Verliert der bisherige Aufgabenträger im öffentlichen Personennahverkehr aufgrund einer Übertragung einzelner Aufgaben des allgemeinen öffentlichen Personennahverkehrs auf eine kreisangehörigen Gemeinde nach Art. 9 Abs. 1 BayÖPNVG seine Zuständigkeit i. S. d. Art. 2 lit b) und c) der VO (EG) 1370/2007 stellt dies regelmäßig einen Aufhebungsgrund i. S. d. § 20 EG Abs. 1 lit. b) oder d) VOL/A (a. F.) für vom bisherigen Aufgabenträger begonnene Vergabeverfahren dar. (amtlicher Leitsatz)
2. Dies gilt auch dann, wenn die Übertragungsverordnung noch vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit angegriffen werden könnte. (amtlicher Leitsatz)
3. Der Verlust der Zuständigkeit, einen öffentlichen Auftrag zu vergeben, ist sowohl eine wesentliche Änderung der Grundlagen des Vergabeverfahrens gem. § 20 EG Abs. 1. lit b VOL/A als auch ein schwerwiegender Grund gem. § 20 EG Abs. 1. lit d VOL/A, wenn dieser Verlust nicht bei Beginn des Vergabeverfahrens bereits erkennbar war. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Aufhebung der von den Antragsgegnern vorgenommenen Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens wird zurückgewiesen.
2. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung, dass die Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens rechtswidrig gewesen ist, wird zurückgewiesen.
3. Der hilfsweise gestellte Antrag festzustellen, dass die Antragsgegner verpflichtet waren, das Verfahren zur Vergabe der vertragsgegenständlichen Linienverkehre in einen rechtsfehlerfreien Stand zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen, wird zurückgewiesen.
4. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung angefallenen Auslagen der Antragsgegner zu tragen.
5. Für das Verfahren wird eine Gebühr i. H. v. … Euro festgesetzt.
Auslagen sind nicht angefallen.
6. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Antragsgegner wird für notwendig erklärt.

Gründe

I.
Die Antragsgegner, vertreten durch die A.er Tarif- und Verkehrsverbund GmbH schrieben Personenbeförderungsleistungen mit Omnibussen nach dem PBefG gem. Art. 5 Abs.1 VO (EG) Nr. 1370/2007 i. V. m. der RL 2004/18 aus.
Bezüglich der streitgegenständlichen Vergabe erfolgte bereits am 04.02.2015 unter der Nummer 2015/S 2…5eine Vorinformation gem. Art. 7 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007/EG /§ 8 a Abs. 2 Satz 2 PBefG. Hierin wurde unter Punkt II. 1.1) die Vergabe der …-Regionalbuslinien 27, 51, 52, 54, 56, 57, 58, 59, 420, AST 420, 459 als Linienbündel „L. Nord“ angekündigt. Weiter wurde unter Punkt II.1.5) eine Beschränkung der Vergabe an Subunternehmer auf 30% der Leistung gemessen an den Fahrplankilometern festgelegt.
Nachdem die Antragsgegner die Vorabbekanntmachung veröffentlicht hatten, rügte die Antragstellerin am 25.02.2015 unter anderem, dass die Bieter nur bis zu 30% der Leistung gemessen an den Fahrplankilometern an Subunternehmer vergeben können. Die VOL/A EG nach der das Vergabeverfahren durchgeführt werde, lasse den Einsatz von Subunternehmern uneingeschränkt zu. Da man einen höheren Einsatz von Subunternehmern beabsichtige, müsse man befürchten, bis ins Jahr 2024 vom Markt ausgeschlossen zu werden.
Auch liege für das Vergabeverfahren nicht die erforderliche Vergabereife vor. Vorliegend sei Gegenstand der ausgeschriebenen Leistung auch die Erbringung der Verkehrsdienstleistung auf der Linie 420. Hinsichtlich dieser bestehe bereits eine bestandskräftige personenbeförderungsrechtliche Liniengenehmigung nach § 42 PBefG für den Zeitraum vom 01.10.2009 bis zum 30.09.2017. Ohne eine wirksam erteilte Genehmigung dürfe und könne der obsiegende Bieter die ausgeschriebene Verkehrsdienstleistung nicht erbringen.
Die Antragsgegner teilten am 03.03.2015 mit, die Vergabebekanntmachung im Hinblick auf die Rüge betreffend der Unmöglichkeit der Leistung anzupassen, um die dargelegten Auswirkungen der bestandskräftigen personenbeförderungsrechtlichen Liniengenehmigung zu vermeiden. Bei der Beschränkung des Subunternehmereinsatzes auf 30% bleibe es aufgrund der anwendbaren Regelung des Art. 4 Abs. 7 VO (EG) Nr. 1370/2007. Auch werde durch die bereits in der ersten Vertragsperiode angekündigte Ausschreibung im offenen Verfahren ein Höchstmaß an wettbewerblichen Chancen eröffnet und somit den Vorgaben der Vergabekammer Südbayern entsprochen.
Im Anschluss daran veröffentlichten die Antragsgegner die Vergabe des Linienverkehrs auf den …-Regionalbuslinien 27, 51, 52, 54, 56, 59, 459 (Linienbündel „L. Nord 01“) sowie optional zusätzlich die Regionalbuslinien 420 sowie AST 420 im Rahmen einer europaweiten Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften unter der Nummer 2015/S 047-081632 am 07.03.2015. Die Leistung soll im Rahmen eines Offenen Verfahrens nach den Vorgaben der VOL/A für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis 30.04.2017 vergeben werden. Die Vergütung soll nach Ziffer III.1.2) monatlich abgerechnet und in Form von monatlichen Abschlägen gezahlt werden. Nach Ziffer II.1.8) und II.1.9) der Bekanntmachung erfolgt keine Aufteilung in Lose. Nebenangebote sind nicht zugelassen.
Der Zuschlag erfolgt nach Ziffer IV. 2.1) auf das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die Kriterien:
1. Gesamtausgleich je Fahrplankilometer Gewichtung 95
2. Garantierte Zeit der Bereitstellung Ersatzfahrzeuge Gewichtung 5
Im Punkt III.1.4) der Vergabebekanntmachung vom 07.03.2015 wird im Punkt 2 vorgegeben, dass
„Die Bieter bis zu 30% der Leistung (gemessen an den Fahrplankilometern) an Subunternehmen vergeben können. …“
Diese Vorgabe wird unter Punkt 2.3.2 der Leistungsbeschreibung im Punkt 2.3.2.1 wiederholt. Auch der zwischen den Parteien zu schließende Verkehrsvertrag, der Bestandteil der Vergabeunterlagen war, regelt unter § 5 Abs. 1 Satz 1 folgendes:
„Der Auftragnehmer kann mit Zustimmung des Auftraggebers im Sinne des Art. 4 Abs. 7 der VO (EG) Nr. 1370/2007 bis zu 30% der vertragsgegenständlichen Leistung an Subunternehmer vergeben.“
Punkt II.1.5) der Bekanntmachung weist darauf hin, dass die Regionalbuslinie 420 und der AST-Verkehr 420 optional vergeben wird. Weiter wird unter Punkt II.2.1 und 2.2) hinsichtlich der Option unter Punkt 2 folgendes ausgeführt,
„Für die …-Regionalbuslinie 420 liegt eine Liniengenehmigung mit einer Laufzeit bis 30.09.2017 vor. Der zugrundeliegende öffentliche Dienstleistungsauftrag läuft am 31.12.2015 aus. Die zuständige Genehmigungsbehörde, Regierung von S.., wurde darüber informiert. Es wurde der Widerruf der Liniengenehmigung durch die Regierung von S.. gemäß § 25 Abs. 1 Nr. PBefG angeregt. Die Vergabestelle hat weder Kenntnis darüber, ob die Regierung von S.. bis zum 01.01.2016 die Genehmigung widerrufen wird bzw. ob der Altkonzessionär wegen der Beendigung des öffentlichen Dienstleistungsauftrages die Erbringung von der Betriebspflicht beantragen wird.
Der AST-Verkehr 420 wird nach derzeitigem Kenntnisstand genehmigungsrechtlich als Annex der Liniengenehmigung für die …-Regionalbuslinie 420 behandelt.
Aufgrund dieses Sachverhalts hat der Bieter zwei Kalkulationsblätter für folgende Optionen abzugeben:
a) Fortbestehen der Liniengenehmigung des Altkonzessionärs für die …-Regionalbuslinie 420 (Option 1)
b) Wegfall der Liniengenehmigung des Altkonzessionärs für die …-Regionalbuslinie 420 (Option 2)“
Als Schlusstermin für die Anforderung der Vergabeunterlagen wurde der 15.04.2015, für die Abgabe von Angeboten der 07.05.2015 benannt.
Da die Antragsgegner den Rügen der Antragstellerin in der Vergabebekanntmachung nicht abhalfen, wandte sich diese, ohne nochmals gerügt zu haben, durch ihren Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 17.03.2015 an die Vergabekammer Südbayern und beantragte, die Antragsgegner gemäß § 115 GWB unverzüglich über den Nachprüfungsantrag zu informieren. Weiter wurde beantragt:
1. Die Antragsgegner werden vorbehaltlich einer dauerhaften Aufgabe des Beschaffungswillens angewiesen, das Verfahren zur Vergabe der vertragsgegenständlichen Linienverkehre in den rechtsfehlerfreien Stand zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
2. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.
3. Die Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.
Für den Fall, dass die Antragsgegner das Verfahren ohne Ausspruch der Vergabekammer freiwillig und umgehend in einen rechtsfehlerfreien Stand zurückversetzen, sowie für den Fall, dass die Antragsgegner dauerhaft vom Beschaffungsvorhaben Abstand nehmen, werde hilfsweise beantragt, wie folgt zu erkennen:
4. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegner verpflichtet waren, das Verfahren zur Vergabe der vertragsgegenständlichen Linienverkehre in rechtfehlerfreien Stand zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
5. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin durch diese wird für notwendig erklärt.
6. Die Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Die Vergabekammer Südbayern sei gemäß § 106a Abs. 3 GWB und § 104 GWB zuständig, da die Antragsgegner bayerische Gebietskörperschaften mit Sitz im Regierungsbezirk S.. seien. Die Antragsgegner seien zudem als Gebietskörperschaften auch öffentliche Auftraggeber gemäß § 98 GWB. Auch betreffe die streitgegenständliche Leistung Dienstleistungen im Bereich der Personenbeförderung und es handle sich um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag in Form eines entgeltlichen Beschaffungsvertrags gemäß § 99 Abs. 1, 4 GWB. Der maßgebliche Schwellenwert gemäß § 2 Nr. 3 VgV sei überschritten.
Die Antragstellerin sei auch antragsbefugt i. S. d. § 107 Abs. 2 GWB. Sie erbringe auch im räumlichen Zuständigkeitsgebiet der Antragsgegner mit Bussen Dienstleistungen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV)und würde dies auch in Zukunft gerne tun. Deshalb habe sie ihr Interesse am Auftrag durch Teilnahme am Wettbewerb bekundet. Sie sei zudem einer Verletzung ihrer Rechte nach § 97 Abs. 1 GWB aufgrund der Nichtbeachtung von Vergabevorschriften durch die Antragsgegner ausgesetzt. Um eine reelle Zuschlagschance zu haben, beabsichtige sie, mehr als 30% der Fahrplankilometer auf Subunternehmer zu übertragen. Durch die Beschränkung der Subunternehmerquote auf 30% werde die Antragstellerin daher ihrer Zuschlagschance beraubt. Zudem könne die Antragstellerin aufgrund des Verbots der Parallelbedienung keine Liniengenehmigung für die ausgeschriebenen Linien 420/AST 420 erhalten, da diese für die fragliche Laufzeit des öffentlichen Dienstleistungsauftrags bereits einem anderen Verkehrsunternehmen erteilt sei. Auch hätte die Antragstellerin bei einer längeren Laufzeit bessere Chancen.
Der Antrag sei auch begründet, da die Beschränkung der Übertragung des Auftrags auf Subunternehmer in Höhe von 30% der Fahrplankilometer unzulässig sei. Die VOL/A-EG lasse den Einsatz von Nachunternehmen uneingeschränkt zu (EuGH, Urt. v. 18.3.2004, Rs. C-314/01; VK Bund, Beseht, v. 30.8.2013 -VK 2-70/13). Der EuGH halte im benannten Urteil fest, dass ein Verbot der Subvergabe gegen die europäischen Vergaberichtlinien verstoße. Dem stehe Art. 4 Abs. 7 VO (EG) Nr. 1370/07 auch nicht entgegen.
Die VO (EG) Nr. 1370/07 sei vorliegend gemäß Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1370/07 gar nicht anwendbar. Die VO (EG) Nr. 1370/07 enthalte sektorspezifisches Vergaberecht, welches jedoch ausweislich Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1370/07 subsidiär zum allgemeinen Vergaberecht sei.
Der Art. 5 Abs. 1 S. 2 VO (EG) Nr. 1370/07 laute:
„Dienstleistungsaufträge oder öffentliche Dienstleistungsaufträge gemäß der Definition in den Richtlinien 2004/17/EG oder 2004/18/EG für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen werden jedoch gemäß den in jenen Richtlinien vorgesehenen Verfahren vergeben, sofern die Aufträge nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen im Sinne jener Richtlinien annehmen.“
Die Norm eröffne den Anwendungsbereich der Verordnung demnach nur für Dienstleistungskonzessionen. Die angegriffene Vergabe weise keinerlei Risiko für den zukünftigen Auftragnehmer auf. Ausgeschrieben würden Bruttoverträge. Auch die Antragsgegner gingen nicht davon aus, dass es sich bei den Leistungen um Dienstleistungskonzessionen handele. Der siegreiche Bieter werde von den Antragsgegnern schlicht ein Entgelt für die Erbringung einer Leistung erhalten. Dabei handle es sich nicht um ein Verwertungsrecht, sondern um einen klassischen öffentlichen Dienstleistungsauftrag.
Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass Art. 4 Abs. 7 VO (EG) Nr. 1370/07 nur 5% Eigenerbringung verlange. Selbst wenn man entgegen obiger Ausführungen von der Anwendbarkeit der Verordnung auf „allgemeine Vergaben“ ausgehen wolle, fordere der Art. 4 Abs. 7 VO (EG) Nr. 1370/07 lediglich, dass der Betreiber verpflichtet werde, „einen bedeutenden Teil der Leistung“ selbst zu erbringen. Die Antragsgegner forderten jedoch eine Selbsterbringungsquote in Höhe von 70% der Leistung. Dies sei kein „bedeutender Teil“, sondern bereits ein „weit überwiegender Teil“. Von einem „bedeutenden Teil“ sei schon ab 5% Eigenerbringung auszugehen. Die Rechtsprechung zur VO (EG) Nr. 1370/07 gehe davon aus, dass ein „angemessener Gewinn“, wie ihn die VO (EG) Nr. 1370/07 Verkehrsunternehmen zugestehe, bei 3% des Auftragswerts bereits erreicht sei. Folglich sei jedenfalls bei 5% Eigenerbringung gemessen am Verkehrsvolumen die Bedeutsamkeitsschwelle überschritten. Im Vergleich hierzu forderten die Antragsgegner mit 70% eine vierzehn Mal so hohe Eigenerbringung, mithin 1400% der europarechtlich vorgesehenen Quote. Dies stelle einen schwerwiegenden und diskriminierenden Eingriff in die Rechte der Antragstellerin dar, beschränke den Wettbewerb und verstoße mithin gegen § 97 GWB.
Der Nachprüfungsantrag sei deshalb begründet. Darüber hinaus werde zur weiteren Begründung Akteneinsicht in die zugrunde liegenden Unterlagen beantragt.
Mit Schreiben vom 17.03.2015 leitete die Vergabekammer entsprechend dem Nachprüfungsantrag gegenüber den Vertretern der Stadt A., dem Landkreis A. per Telefax das Vergabenachprüfungsverfahren ein und forderte sämtliche die Vergabe betreffenden Unterlagen an.
Die Antragsgegner legten über die A.er Verkehrs- und Tarifverbund GmbH am 25.03.2015 die Vergabeakten vor. Darüber hinaus nahm der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegner mit Schreiben vom 23.03.2015 Stellung zum Nachprüfungsantrag und beantragte,
1. der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung angefallenen Kosten der Antragsgegner zu tragen.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Antragsgegner wird für notwendig erklärt.
Anders als die Antragstellerin meine, sei die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 auf die hier bekanntgemachte Vergabe eines Öffentlichen Dienstleistungsauftrages zur Durchführung von Linienverkehren auf den …-Regionalbuslinien 25, 51, 52, 54, 56, 59, 420, AST 420 und 459 sehr wohl anwendbar. Es treffe zwar zu, dass es sich bei dem mit der Auftragsbekanntmachung vom 07.03.2015 bekanntgemachten Auftragsgegenstand nicht um die Vergabe einer Dienstleistungskonzession sondern um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag handle. Demgemäß sei auch ein Offenes Verfahren veröffentlicht worden. Infolgedessen kämen vorliegend nicht die Regelungen des Art. 5 Abs. 2 bis 6 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 zur Anwendung, die die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen regeln. Dieses Vorgehen stehe im Einklang mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007, wonach Dienstleistungsaufträge oder öffentliche Dienstleistungsaufträge gemäß der Definition in den Richtlinien 2004/17/EG oder 2004/18/EG für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen gemäß den in jenen Richtlinien vorgesehenen Verfahren vergeben werden. Art. 5 Abs.1 letzter Satz der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 regle in diesem Fall, dass die Absätze 2 bis 6 des Artikels 5 nicht anwendbar seien.
Im Übrigen gelte jedoch die Verordnung unverändert und unmittelbar. Dies folge daraus, dass die Verordnung am 03.12.2009 in Kraft getreten und seitdem gemäß Art. 288 Unterabsatz 2 AEUV unmittelbar geltendes Recht sei (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 02.03.2011 – Az.: VII-Verg 48/10). Das bedeute auch, dass mit Ausnahme der Absätze 2 bis 6 des Artikels 5 die übrigen Bestimmungen der Verordnung auch bei der Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages, der nach den europäischen Vergaberichtlinien vergeben werde, unmittelbar anzuwenden seien. Demgemäß sei auch die Regelung nach Art. 4 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 als unmittelbar geltendes Recht im Falle der Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages, der keine Dienstleistungskonzession darstelle, anwendbar. Nach Art. 4 Abs. 7 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 sei mit den Unterlagen des wettbewerblichen Vergabeverfahrens und den öffentlichen Dienstleistungsaufträgen transparent anzugeben, ob und in welchem Umfang eine Vergabe von Unteraufträgen in Frage komme. Eine Einschränkung des Bestimmungsrechts erfolge lediglich durch Art. 4 Abs. 7 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007. Danach sei der mit der Durchführung betraute Betreiber verpflichtet, einen bedeutenden Teil selbst zu erbringen. Hierbei handle es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff und die Festlegung des Umfangs der Vergabe von Unteraufträgen liege im Ermessen der zuständigen Behörde. Davon haben die Auftraggeber Gebrauch gemacht. Die insofern erfolgten Überlegungen seien in dem internen Aktenvermerk unter Nr. 5 dokumentiert und sachgemäß sowie ermessensfehlerfrei. Unabhängig davon werde darauf hingewiesen, dass in der Literatur die Auffassung vertreten werde, dass der Leistungsanteil bedeutend sei, der ca. 20 bis 30% des Wertes der Dienste betrage. Art. 4 Abs. 7 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 sei auch auf den hier zu vergebenden öffentlichen Dienstleistungsauftrag anwendbar. Der Verordnungsgeber verwende in Artikel 4 einheitlich den Begriff „öffentlicher Dienstleistungsauftrag“. Art. 2 Buchst. i der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 bezeichne den Begriff „öffentlicher Dienstleistungsauftrag“. Diese Definition erfasse sowohl den öffentlichen Dienstleistungsauftrag, wie er in den europäischen Vergaberichtlinien definiert sei, als auch eine Dienstleitungskonzession oder sonstige rechtsverbindliche Akte, die die in der Definition beschriebene Übereinkunft bekunden. Daher beschreibe Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 die Anforderungen an den Inhalt eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages zur Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsdiensten unabhängig davon, ob es sich dabei um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag i. S. d. europäischen Vergaberichtlinien oder um eine Dienstleistungskonzession handle.
Gemäß Artikel 1 Abs. 1 sei es Zweck der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007, festzulegen, wie die zuständigen Behörden unter Einhaltung des Gemeinschaftsrechts im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs tätig werden können, um die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu gewährleisten, die unter anderem zahlreicher, sicherer, höherwertiger oder preisgünstiger seien als diejenigen, die das freie Spiel des Marktes ermöglicht hätte. Demgegenüber verfolgten die europäischen Vergaberichtlinien den Zweck, zur Sicherstellung eines freien Dienstleistungsverkehrs Beschränkungen des Zugangs zur öffentlichen Auftragsvergabe aufzuheben. Aufgrund dieser unterschiedlichen Zielsetzung sei des dem Verordnungsgeber gestattet, Einschränkungen hinsichtlich des Anteils der Unterauftragsvergabe zu ermöglichen.
Der Vertreter der Antragstellerin bekräftigte und untermauerte mit Schriftsatz vom 07.04.2015 seine Rechtsauffassung. Auf den Inhalt des Schriftsatzes wird verwiesen.
Der Antragstellerin wurde am 14.04.2015 Einsicht in die Vergabeakten gewährt. Zudem wurden mit Schreiben vom 14.04.2015 alle Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 29.04.2015 in die Regierung von Oberbayern geladen, wobei die Vergabenachprüfungsverfahren Z3-3-3194-1-10-02/15, Z3-3-3194-1-11-02/15, Z3-3-3194-1-12-02/15 sowie Z3-3-3194-1-20-03/15 verbunden wurden.
Am 17.04.2015 äußerte sich der Vertreter der Antragstellerin fristgerecht zur gewährten Akteneinsicht und sah sich darin bestätigt, dass die Antragsgegner im Vergabevermerk keine hinreichenden Gründe für die vorgenommene Beschränkung der Subvergabe dokumentiert hätten. Auch lasse sich aus der Dokumentation zur vorgenommenen Beschränkung entnehmen, dass diese gerade keine ermessensfehlerfreie Abwägung vorgenommen hätten. So fehle eine Betrachtung der zu betrachtenden Kriterien des Streckennetzes, der Personenkilometer und der Einnahmen gänzlich. Die vom Verordnungsgeber im Erwägungsgrund 19 festgelegten Ermessensdirektiven seien nicht beachtet worden. Lediglich auf Seite 14 des Vermerks finde sich als Motivation der Mittelstandsschutz. Dieser sei aber wie schon vorgetragen nur vorgeschoben.
Ebenfalls am 20.04.2015 äußerte sich der Vertreter der Antragsgegner zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 07.04.2015 und wies darauf hin, dass die dortigen Ausführungen im Wesentlichen darauf basierten, dass diese die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 für nicht eröffnet halte. Ein solches Verständnis werde aber bereits durch den Art. 1 derselben nicht gedeckt. Gänzlich abwegig sei es, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung den Anwendungsbereich der gesamten Verordnung steuere. Die Auffassung werde auch nicht durch die angeführte Formulierung in Art. 4 Abs. 7 Satz 2 der Verordnung gestützt, da ein Betreiber auch dann nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 betraut werde, wenn die Vergabe von den EU-Richtlinien erfasst werde. Auch im Hinblick auf die Beschränkung der Subvergabe sei nicht erkennbar, warum eine Differenzierung vorgenommen werden sollte. Sowohl die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 als auch die EU-Vergaberichtlinien eröffneten die Möglichkeit der Beschränkung.
Durch den Vorsitzenden der Vergabekammer Südbayern wurde in der Folge am 20.04.2015 die Frist zur Entscheidung gem. § 113 GWB bis zum 29.05.2015 verlängert.
Am 24.04.2015 wiesen die Antragsgegner den Vorwurf zurück, dass keine ermessensfehlerfreie Entscheidung im Hinblick auf die Abwägung zur Höhe der Beschränkung der Subvergabe getroffen worden sei. Ziel der Antragsgegner sei gewesen, Bieter, die sich bisher lediglich als Subunternehmer am Vergabeverfahren beteiligten zur selbstständigen Abgabe eines Angebotes zu bewegen. Für den Fall, dass sich kleinere Unternehmen aufgrund der Größe Ihres Betriebes hierzu nicht in der Lage sähen, sei die Möglichkeit der Abgabe eines Angebotes in Form von Bietergemeinschaften eröffnet. Auch habe man – unabhängig davon, dass diese keine bindende Wirkung hätten – nicht gegen die im Erwägungsgrund Nr. 19 festgeschriebenen Ermessensdirektiven verstoßen, da sich diese hierzu nicht äußerten.
Im weiteren Verlauf teilten die Antragsgegner mit Schreiben vom 28.04.2015 mit, dass streitgegenständliche Vergabeverfahren gemäß § 20 EG Abs. 1 Buchst. b) VOL/A am 27.04.2015 aufgehoben zu haben.
Die Stadt G. habe nach Einleitung des Vergabeverfahrens beim Landratsamt A. die Übertragung der ÖPNV-Aufgabe „Stadtbusvergabe G.“ nach Art. 9 BayÖPNV für das Gebiet der Stadt G. zum nächstmöglichen Zeitpunkt beantragt. Damit erfasse die beantragte Übertragung den überwiegenden Teil der …-Regionalbuslinien des Linienbündels „L. Nord“, der Gegenstand des Vergabeverfahrens sei. Da der Landkreis A. spätestens zum 01.01.2016 nicht mehr die Zuständigkeit für die von der Aufgabenübertragung erfassten …-Regionalbuslinien besitzen werde, müsse der Gegenstand des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens angepasst werden. Neben der erheblichen Reduzierung des Leistungsvolumens einerseits sei zudem eine verkehrliche Abstimmung der verbleibenden …-Regionalbuslinien mit den von der Stadt G. nach der Aufgabenübertragung zu organisierenden Linienverkehren notwendig.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin reagierte hierauf am 28.04.2015, indem dieser gegenüber den Antragsgegnern die Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens rügte, da die Voraussetzung hierfür nicht vorliege. Bisher liege lediglich ein Antrag auf Übertragung der Aufgabenträgerschaft vor. Eine Entscheidung über diesen Antrag sei bisher aber noch nicht getroffen worden und auch zeitnah nicht absehbar. Infolgedessen sei eine wesentliche Änderung der Grundlagen des Vergabeverfahrens bislang noch nicht eingetreten, was § 20 EG Abs. 1 Buchst. b) VOL/A aber voraussetze. Maßgeblich sei hier der Zeitpunkt der Aufhebung. Zudem werde bezweifelt, dass der … die beabsichtigte Antragstellung der Stadt G. für die Übertragung der Aufgabenträgerschaft nicht bereits vor der Einleitung des Vergabeverfahrens kannte, bzw. kennen musste.
Die mündliche Verhandlung fand am 29.04.2015 in den Räumen der Regierung von Oberbayern statt, in deren Verlauf die Sach- und Rechtslage erörtert wurde. Beide Parteien erhielten im Hinblick auf die erfolgte Aufhebung des Vergabeverfahrens Schriftsatzfrist bis zum 20.05.2015. Die Antragsgegner wurden zudem gebeten, spätestens bis zum 05.05.2015 den Antrag der Stadt G., der zur Aufhebung des Vergabeverfahrens geführt hat und etwaige damit zusammenhängende Entscheidungen von zuständigen Gremien vorzulegen.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin änderte Punkt 1 des Nachprüfungsantrages vom 17.03.2015 ab. Nunmehr wurde beantragt, die von den Antragsgegnern vorgenommene Aufhebung aufzuheben und das Vergabeverfahren der verfahrensgegenständlichen Linienverkehre in rechtsfehlerfreien Stand zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen. Alle übrigen Anträge des Nachprüfungsantrags vom 17.03.2015 sollten bestehen bleiben. Die Antragsgegner beantragten weiter die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags. Im Übrigen wird auf das Protokoll verwiesen.
Am 05.05.2015 kamen die Antragsgegner der Bitte der Vergabekammer Südbayern um Übermittlung des Antrags der Stadt G. vom 01.04.2015 sowie der damit zusammenhängenden Schreiben nach, die in der Folge an die Antragstellerin weitergeleitet wurden.
Durch den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wurde in der Folge mit Schreiben vom 20.05.2015 weiter die Auffassung vertreten, dass die durch die Antragsgegner vorgenommene Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens rechtswidrig und daher durch die Vergabekammer aufzuheben sei. Für die auf § 20 Abs. 1 lit. b) EG VOL/A gestützte Entscheidung fehlten die Voraussetzungen. Auch lägen die Voraussetzungen des BayÖPNVG nicht vor. Der § 9 des BayÖPNVG sehe lediglich die Übertragung einzelner Aufgaben des ÖPNV vor. Eine durch die Kammer avisierte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof werde begrüßt. Die Frage, ob eine Beschränkung der Subvergabe über Art. 4 Abs. 7 VO (EG) Nr. 1370/2007 geschehen dürfe, sei von grundsätzlicher europarechtlicher Bedeutung. Zwar habe die Vergabekammer keine Vorlagepflicht, jedoch ein Vorlagerecht. Eine Vorlage liege daher im pflichtgemäßen Ermessen der erkennenden Kammer. Die Antragstellerin sei der Meinung, dass dieses vorliegend auf Null reduziert sei. Es werde daher beantragt,
das Verfahren durch Beschluss auszusetzen und beim Europäischen Gerichtshof die Vorabentscheidung über dies vorzulegenden Fragen zu beantragen.
Am 20.05.2015 nahm der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegner zum Antrag der Antragstellerin, die vorgenommene Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens aufzuheben und das Vergabeverfahren der verfahrensgegenständlichen Linienverkehre in rechtsfehlerfreien Stand zurück zu versetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer Südbayern zu wiederholen, Stellung und vertrat die Meinung, dass dieser Antrag unbegründet sei.
Die Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahren sei gemäß § 20 EG Absatz 1 Buchst. b) VOL/A rechtmäßig erfolgt, da sich die Grundlagen der Ausschreibung durch den Antrag der Stadt G. vom 01.04.2015 wesentlich geändert hätten. Gemäß Art. 9 Abs. 1 BayÖPNVG hätten die Landkreise den kreisangehörigen Gemeinden oder deren Zusammenschlüssen durch Verordnung einzelne Aufgaben des allgemeinen öffentlichen Personennahverkehrs auf deren Verlangen zu übertragen, wenn die Nahverkehrsbeziehungen im Wesentlichen auf das Gebiet einer Gemeinde oder eines Zusammenschlusses von Gemeinden beschränkt sei. Nach dem Wortlaut der Vorschrift bestehe auf Seiten der Gemeinde G. ein Rechtsanspruch gegenüber dem Landkreis A. auf Übertragung. Der Landkreis A. sei rechtlich nicht in der Lage, den Übertragungsantrag abzulehnen.
Mit Vorlagebeschluss vom 05.06.2016 wurde das streitgegenständliche Verfahren dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung der VO (EG) Nr. 1370/2007 mit folgende Fragen zur Vorabentscheidung nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorgelegt.
a. Kommen bei einem Vergabeverfahren nach Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 in Verbindung mit der Richtlinie 2004/18/EG bzw. der Richtlinie 2014/24/EU grundsätzlich nur die Vorschriften dieser Richtlinien zur Anwendung, so dass von den genannten Richtlinien abweichende Vorschriften in der VO (EG) Nr. 1370/2007 unangewendet bleiben müssen?
b. Richtet sich demnach die Zulässigkeit der Vergabe von Unteraufträgen bei einem Vergabeverfahren nach Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 in Verbindung mit der Richtlinie 2004/18/EG bzw. 2014/24/EU ausschließlich nach den vom Gerichtshof zur Richtlinie 2004/18/EG entwickelten Regeln und nach der Regelung des Art. 63 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU oder kann ein öffentlicher Auftraggeber abweichend davon auch bei einem derartigen Vergabeverfahren gem. Art. 4 Abs. 7 VO (EG) Nr. 1370/2007 eine prozentuale Eigenerbringungsquote (gemessen an den Fahrplankilometern) für die Bieter festschreiben?
c. Ist für den Fall, dass Art. 4 Abs. 7 VO (EG) Nr. 1370/2007 auf Vergabeverfahren nach Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 in Verbindung mit der Richtlinie 2004/18/EG bzw. 2014/24/EU anwendbar ist, der öffentliche Auftraggeber im Hinblick auf den Erwägungsgrund 19 der VO (EG) Nr. 1370/2007 bei der Festlegung der Selbsterbringungsquote frei, so dass die Forderung einer Selbsterbringungsquote von 70% gemessen an den Fahrplankilometern durch den Auftraggeber gerechtfertigt sein kann?
Das Verfahren wurde bis zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV des Gerichtshofs der Europäischen Union über diese Frage ausgesetzt.
Mit Beschluss vom 07.08.2015 wurde die Stadt G., deren Interessen im streitgegenständlichen Vergabeverfahren von der Entscheidung der Vergabekammer in erheblicher Weise berührt sein könnten, beigeladen.
Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 27.10.2016 (C‑292/15) entschieden:
1. Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates ist dahin auszulegen, dass bei der Vergabe eines Auftrags für den öffentlichen Personenverkehrsdienst mit Bussen Art. 4 Abs. 7 der Verordnung auf den Auftrag anwendbar bleibt.
2. Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1370/2007 ist dahin auszulegen, dass er einen öffentlichen Auftraggeber nicht daran hindert, einem Betreiber, der mit der Verwaltung und Erbringung eines öffentlichen Personenverkehrsdienstes mit Bussen wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden betraut ist, eine Selbsterbringungsquote von 70% aufzuerlegen.
Mit Schreiben vom 08.11.2016 erklärten die Antragsgegner, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs die Rechtsauffassung der Antragsgegner vollumfänglich bestätigen würde. Die vorgenommene Beschränkung der Subuntemehmerqoute sei daher rechtmäßig erfolgt mit der Folge, dass der hierauf bezogene Nachprüfungsantrag unbegründet sei.
Darüber hinaus sei im Amtsblatt des Antragsgegners zu 2 am 03.12.2015 die Verordnung zur Aufgabenübertragung nach Art. 9 Abs. 1 BayÖPNVG auf die Beigeladene bekannt gemacht worden. Zum 01.01.2016 seien die Vereinbarungen zwischen dem Antragsgegner zu 2 und der Beigeladenen zur Aufgabenübertragung in Kraft getreten.
Die Vergabekammer hat daraufhin mit Schreiben vom 03.11.2016 die Beteiligten zu einer zweiten mündlichen Verhandlung am 14.11.2016 geladen.
Die Beigeladene teilte zum aktuellen Sachstand der beabsichtigten Direktvergabe an die G.er Verkehrsgesellschaft mbH als interner Betreiber mit, dass der Antragsgegner zu 2 mit Verordnung vom 16.11.2015 der Beigeladenen die Zuständigkeit für die Planung, Organisation und Sicherstellung des allgemeinen öffentlichen Personennahverkehrs deren Stadtgebiet übertragen habe. Zur Regelung des Näheren sei zusätzlich eine Vereinbarung und eine Zweckvereinbarung abgeschlossen worden. Zusätzlich habe die Beigeladene mit der Antragsgegnerin zu 1 am 17 12.2015 ebenfalls eine Zweckvereinbarung abgeschlossen. Die Übertragung der Aufgabenträgerschaft auf die Beigeladene sei am 01.01.2016 in Kraft getreten. An diesem Tage habe die Beigeladene auch die Vorinformation zur beabsichtigten Direktvergabe an einen internen Betreiber gemäß Art. 5 Abs. 2 VO(EG) Nr. 1370/2007 an das Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union versandt. Die Beigeladene habe in der Zwischenzeit außerdem die gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung der G.er Verkehrsgesellschaft mbH vorgenommen, so dass sie über sie die Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausüben könne. Der Betrauungsakt für die Direktvergabe an den internen Betreiber liege im Entwurf vor. Er werde zum Jahresende vom Stadtrat der Beigeladenen beschlossen werden, und dann nach Ablauf der Jahresfrist durch Bekanntgabe an die Geschäftsführung der G.er Verkehrsgesellschaft mbH vollzogen und außenwirksam werden.
Die Antragstellerin habe die Vorabbekanntmachung der Beigeladenen zum Anlass genommen, durch eine neu gegründete Firma gemeinsam mit einer Tochter der Regionalbus A. GmbH einen eigenwirtschaftlichen Antrag gemäß § 12 Abs. 6 PBefG für den Stadtverkehr in G. zu stellen. Mit Bescheid vom 16.09.2016 habe die Regierung von S.. den eigenwirtschaftlichen Antrag abgelehnt, da ohne eine allgemeine Vorschrift ein eigenwirtschaftlicher Betrieb des Stadtverkehrs nicht möglich sei, kein Rechtsanspruch auf Erlass einer allgemeinen Vorschrift bestehe, die Voraussetzungen für den Erlass einer allgemeinen Vorschrift wegen einer Einzelfallregelung nicht gegeben seien, und letztlich auch, weil nur ein Bruchteil der 1,0 bzw. 1,2 Mio. Euro Ausgleichsmittel auf den Ausgleich von Durchtarifierungs- und Harmonisierungsverlusten aus der Anwendung des AW-Gemeinschaftstarifs entfallen würde. Die Finanzierung von Betriebsleistungen über eine Allgemeine Vorschrift sei nach Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 jedoch nicht zulässig. Abschließend sei im Zusammenhang mit dem eigenwirtschaftlichen Antrag noch darauf hinzuweisen, dass der gemeinschaftliche Antrag von Teilen eines mutmaßlichen Kartells gestellt worden sei, gegen welches vom Bundeskartellamt und Staatsanwaltschaft A. auch wegen vermuteter Absprachen im Wettbewerb ermittelt werde.
Die Antragstellerin beantragt hilfsweise zu den bereits gestellten Anträgen festzustellen, dass die Aufhebung rechtswidrig gewesen ist.
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert.
Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
1. Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags
1.1 Zuständigkeit
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
Die sachliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus § 104 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bzw. § 1 Abs. 1 und 2 der Verordnung zur Regelung von Organisation und Zuständigkeiten im Nachprüfungsverfahren für öffentliche Aufträge (BayNpV). Die örtliche Zuständigkeit ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BayNpV gegeben, da die Vergabestelle ihren Sitz im Regierungsbezirk S.. und damit im Zuständigkeitsbereich der Kammer hat.
Vorliegend beabsichtigten die Antragsgegner gemäß der Vergabebekanntmachung für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis 30.04.2017 einen Dienstleistungsvertrag im Sinne des § 99 Abs. 1, 4 GWB über die Erbringung der Personenbeförderung mit Omnibussen für die vertragsgegenständlichen …-Regionalbuslinien 27, 51, 52, 54, 56, 59, 459 (Linienbündel „L. Nord 01“) sowie optional zusätzlich die Regionalbuslinien 420 sowie AST 420 zu vergeben. Dieser Dienstleistungsauftrag hätte auch ohne Zweifel den Schwellenwert des § 2 Abs. 1 Satz 1 VgV i. V. m. der Verordnung (EU) Nr. 1336/2013 der Kommission vom 13. Dezember 2013 zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG, 2004/18/EG und 2009/81/EG des Europäischen Parlaments in Höhe von 207.000 Euro überschritten.
Die Richtlinie 2004/17/EG ist nach § 2 Abs. 2 VgV im Streitfall nicht anzuwenden, da die Antragsgegner keine Sektorenauftraggeber sind, sondern als Antragsgegner im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB einzustufen sind. Das OLG Düsseldorf hat dazu bereits in seinem Beschluss vom 21.07.2010 – VII-Verg 19/10 ausgeführt, dass als Sektorenauftraggeber nur anzusehen ist, wer Verkehrsleistungen selbst erbringt. Die bloße Organisation solcher Dienstleistungen, wie vorliegend, macht den Auftraggeber nicht zu einem Sektorenauftraggeber. Einer dahingehenden Annahme widersprechen Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und b, Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 2004/17 sowie die Bestimmungen in den Anhängen IV und V, in denen durchweg davon die Rede ist, dass nur solche Auftraggeber der Sektorenrichtlinie unterliegen, die Verkehrsleistungen als solche „erbringen“ oder „ausführen“. In diesem Sinn ist auch § 1 Satz 2 SektVO richtlinienkonform zu verstehen (vgl. OLG Düsseldorf, 07.11.2012, VII-Verg 11/12).
Der vorliegende Auftrag unterfällt nach Auffassung der erkennenden Kammer Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der unmittelbar geltenden VO Nr. 1370/2007. Es soll – wie außer Streit steht – zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen ein Dienstleistungsauftrag im Sinn der Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 1370/2007 gemäß der Definition in der Richtlinie 2004/18/EG vergeben werden. Der Weg zu den Nachprüfungsinstanzen ist damit gem. § 102 GWB in unmittelbarer Anwendung uneingeschränkt eröffnet.
Etwas anderes würde sich auch nicht für den Fall ergeben, dass es sich um eine Vergabe nach Art. 5 Abs. 2 bis 6 der VO (EG) 1370/2007 handelt. Zwar erfolgt im Falle des Art. 5 Abs. 1 S. 2 VO ein Rechtsschutz nach Maßgabe der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG (sowie der nationalen Umsetzungsgesetzgebung), während in den Fällen des Art. 5 Abs. 2 bis 6 VO der Rechtsschutz in Art. 5 Abs. 7 VO geregelt ist. Im letztgenannten Fall rechtfertigt sich die Zuständigkeit der Vergabekammer dann aber aus einer analogen Anwendung des § 102 GWB. Auf die Ausführungen des OLG Düsseldorf im Beschluss vom 02.03.2011, VII-Verg 48/10 wird diesbezüglich verwiesen.
Eine Ausnahmebestimmung des § 100 Abs. 2 GWB liegt nicht vor.
1.2 Antragsbefugnis
Die Antragstellerin ist antragsbefugt.
Gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.
Vorliegend hat die Antragstellerin durch die Rüge vom 25.02.2015, der Einreichung des Nachprüfungsantrages vom 17.03.2015 sowie des Antrags die durch die Antragsgegner vorgenommene Aufhebung des Vergabeverfahrens aufzuheben, da diese rechtsfehlerhaft erfolgt sei, ihr Interesse am strittigen Auftrag in ausreichender Weise dargelegt. Jedenfalls für ihren Hauptantrag auf Aufhebung der Aufhebung des Vergabeverfahrens ist sie damit antragsbefugt.
1.3 Formerfordernis
Der Nachprüfungsantrag vom 17.03.2015 genügt den Anforderungen an den § 108 Abs. 1 und 2 GWB.
1.4 Erfüllung der Rügeobliegenheit
§ 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB gibt vor, dass ein Nachprüfungsantrag unzulässig ist, wenn mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind. Diese Frist ist vorliegend im Hinblick auf die Bekanntmachung vom 07.03.2015 zu beachten, da auf diese unter Punkt VI. 4.2) hingewiesen wurde. Anders verhält es sich im Hinblick auf die Vorbekanntmachung vom 04.02.2015, da hier ein entsprechender Hinweis fehlt.
Unabhängig davon wurde die 15 Tagesfrist aber von der Antragstellerin eingehalten, da die Antragsgegner mit Schreiben vom 03.03.2015 den Rügen der Antragstellerin vom 25.02.20145, die diese aufgrund der Veröffentlichung der Vorbekanntmachung vom 04.02.2015 vortrug nicht abgeholfen haben, die Antragstellerin aber schon am 17.03.2015 den streitgegenständlichen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Südbayern einreichte.
Auch ist die Antragstellerin ihrer Rügeobliegenheit im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB fristgerecht nachgekommen. Die Antragsgegner veröffentlichten vorliegend am 04.02.2015 unter Punkt Il. 1. 3) in der Vorabbekanntmachung nach Art. 7 Absatz 2 der Verordnung 1370/2007 i. V. m. § 8 a Abs. 2 PBefG die Durchführung eines offenen Verfahrens für die Verkehrsleistungen der … Regionalbuslinien 27, 51,52, 56, 57, 58, 59, 420 und AST 420 sowie 459 mit Wirkung zum 01.01.2016 bis 30.04.2017 gemäߧ 3 EG Abs. 1 VOL/A vergeben zu wollen.
Die Antragstellerin wandte sich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB mit Schreiben vom 25.02.2015 gegen mehrere Vorgaben, die die Vorabbekanntmachung enthielt und ist damit ihrer Rügeverpflichtung fristgerecht nachgekommen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin diese Rügen nach Veröffentlichung der Bekanntmachung vom 07.03.2015 aus der die Vergabe der oben genannten Regionalbuslinien hervorging nicht nochmals wiederholte, ehe sie einen Nachprüfungsantrag einreichte.
Das Oberlandesgericht München entschied mit Beschluss vom 22.06.2011 – Az.:Verg 6/11 zwar, dass „eine reine Vorinformation grundsätzlich noch kein Beginn eines Ausschreibungsverfahrens ist, weil nur eine geplante Ausschreibung angekündigt wird (OLG München, B. v. 12.11.2010 – Az.: Verg 21/10)“. Es führt aber darüber hinaus weiter an, dass im dort zu entscheidenden Vergabenachprüfungsverfahren, in dem es um die Rechtmäßigkeit einer Direktvergabe ging, die Verordnung 1370/2007 die Veröffentlichung der Vergabe ein Jahr zuvor vorsieht, weshalb die europaweite Bekanntmachung als erster Schritt des Ausschreibungsverfahrens anzusehen und letztlich Teil der Vergabehandlung selbst (OLG Düsseldorf, B. v. 3.3.2011 – Az.: Verg 48/10) sei.
Die Vergabekammer Südbayern schließt sich dieser Sichtweise an. Hinsichtlich des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens bleibt infolgedessen festzustellen, dass die Antragstellerin die am 25.02.2015 vorgetragenen Rügen nach Bekanntgabe der Vergabe nicht nochmals wiederholen musste.
Darüber hinaus wandte sich die Antragstellerin auch gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB unverzüglich gegen die vorgenommene Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens, indem diese nach einer entsprechenden Mitteilung der Antragsgegner vom 28.04.2015 gegenüber diesen am selben Tag eine Rüge vorbrachte.
2. Begründetheit des Nachprüfungsantrags
a) Der Antrag auf Aufhebung der von den Antragsgegnern vorgenommenen Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens war abzulehnen.
Die Aufhebung des Vergabeverfahrens ist rechtmäßig nach § 20 EG Abs. 1 b) oder d) VOL/A erfolgt. Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung einer Aufhebungsentscheidung im Nachprüfungsverfahren ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Zumindest zu diesem Zeitpunkt war die Aufhebung von den Aufhebungsgründen des § 20 EG Abs. 1 b) oder d) VOL/A gedeckt.
Nach § 20 EG Abs. 1 b) VOL/A kann ein Vergabeverfahren ganz oder bei Vergabe nach Losen auch teilweise aufgehoben werden, wenn sich die Grundlagen des Vergabeverfahrens wesentlich geändert haben. Für eine wesentliche Änderung der Grundlagen ist eine derartige Änderung erforderlich, dass eine Auftragsvergabe auf der Grundlage der bisherigen Vergabeunterlagen für den Auftraggeber oder die Bieter unzumutbar geworden ist (OLG Düsseldorf, B. v. 03.01.2005 – Az.: VII – Verg 72/04; OLG München, B. v. 04.04.2013 – Az.: Verg 4/13)
Nach § 20 Abs. 1 d) VOL/A kann ein Vergabeverfahren aus einem sonstigen schwerwiegenden Grund aufgehoben werden, wenn Gründe vorliegen, die mit den Aufhebungsgründen des § 20 Abs. 1 a bis c) VOL/A vergleichbar sind und die die Durchführung des Verfahrens und die Vergabe des Auftrags selbst ausschließen. Im Einzelnen bedarf es für die Feststellung eines schwerwiegenden Grundes einer Interessenabwägung, für die die Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls maßgeblich sind (BGH, B. v. 20.03.2014 – Az.: X ZB 18/13).
Nach Art. 9 Abs. 1 BayÖPNVG haben die Landkreise den kreisangehörigen Gemeinden oder deren Zusammenschlüssen durch Verordnung einzelne Aufgaben des allgemeinen öffentlichen Personennahverkehr auf deren Verlangen zu übertragen, wenn die Nahverkehrsbeziehungen im Wesentlichen auf das Gebiet einer Gemeinde oder eines Zusammenschlusses von Gemeinden beschränkt sind.
Die Stadt der G. hat mit Antrag vom 1. April 2015 an den Landkreis A. beantragt den „Stadtbusverkehr G.“ für das Gebiet der Stadt G. nach Art. 9 Abs. 1 BayÖPNVG auf diese zu übertragen.
Im Amtsblatt des Landkreises A. wurde am 3. Dezember 2015 die Verordnung zur Aufgabenübertragung nach Art. 9 Abs. 1 BayÖPNVG auf die Stadt G. vom 16.11.2015 bekannt gemacht. Die Verordnung ist am 1. Januar 2016 in Kraft getreten.
Der Landkreis A. hat der Stadt G. durch diese Verordnung die Zuständigkeit für die Planung, Organisation und Sicherstellung des allgemeinen Personennahverkehrs im Stadtgebiet G. übertragen.
Für die von der Übertragung betroffenen Linien wurden zusätzlich eine Vereinbarung und eine Zweckvereinbarung abgeschlossen (Bekanntmachung der Regierung von S.. vom 1. Dezember 2015; Gz.: 2.3621.1-1/201) Die Regierung von S.. hat die Verordnung und die Zweckvereinbarungen mit den dazugehörigen Anlagen mit Schreiben vom 20.11.2015 (Gz. : 2-3621. 1-1/201) gemäß Art. 12 Abs. 2 des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit (KommZG) genehmigt. Die Rechtsakte traten gemäß Art. 13 Abs. 4 KommZG ebenfalls zum 1.1.2016 in Kraft.
Die Antragstellerin hat die Übertragungsverordnung bis dato nicht gem. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO im Wege des Normenkontrollverfahrens angegriffen. Die Verordnung regelt – solange sie nicht aufgehoben wird – die Zuständigkeit der Antragsgegner bzgl. der Vergabe der streitgegenständlichen Linien. Da die Auftraggeber ihre Zuständigkeit für die Planung, Organisation und Sicherstellung des allgemeinen Personennahverkehrs im Stadtgebiet G. verloren haben, durften sie ein entsprechendes Vergabeverfahren rechtmäßig aufheben, da ihr entsprechender Beschaffungsbedarf entfallen war. Die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob die Übertragung rechtmäßig i. S. d. Art. 9 Abs. 1 BayÖPNVG erfolgt ist, spielt ungeachtet der ungeklärten rechtlichen Frage, ob die Vergabekammer im Nachprüfungsverfahren zu einer Inzidentkontrolle untergesetzlicher Rechtsnormen befugt wäre (siehe dazu Portz/St. in Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht § 157 GWB Rn. 35), für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahren keine Rolle.
Da die Übertragung von Linien auf die Stadt G. den überwiegenden Teil des Linienbündels „L. Nord“ umfasst, haben sich die Grundlagen des Vergabeverfahrens wesentlich geändert. Die Antragsgegner haben die Zuständigkeit verloren, den streitgegenständlichen Auftrag zu erteilen. Der Verlust der Zuständigkeit, einen öffentlichen Auftrag zu erteilen, führt regelmäßig zur einer wesentlichen Änderung der Grundlagen eines Vergabeverfahren.
Für eine Aufhebung nach § 20 EG Abs. 1 b) VOL/A können nur Gründe angeführt werden, die dem Ausschreibenden nicht bereits vor Einleitung der Verfahrens bekannt waren. Erst nachträglich, das heißt nach Beginn der Vergabeverfahren bekannt gewordene Gründe berechtigen zur Aufhebung wegen der wesentlichen Änderung der Vergabeunterlagen (OLG Celle, B. v. 13.01.2011 – Az.: 13 Verg 15/10; OLG Düsseldorf, B. v. 26.06.2013 – Az.: VII-Verg 2/13).
Auch ein schwerwiegender Grund i. S. d. § 20 EG Abs. 1 d) VOL/A darf nicht vom Auftraggeber verursacht worden sein. Ein zur sanktionslosen Aufhebung der Ausschreibung Anlass gebendes Fehlverhalten der Vergabestelle kann danach schon deshalb nicht ohne weiteres genügen, weil diese es andernfalls in der Hand hätte, nach freier Entscheidung durch Verstöße gegen das Vergaberecht den bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bestehenden Bindungen zu entgehen. Das wäre mit Sinn und Zweck des Vergabeverfahrens nicht zu vereinbaren (OLG Frankfurt, B. v. 04.08.2015 – Az.: 11 Verg 4/15).
Vorliegend ist allerdings weder substantiiert vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass die Antragsgegner die Bekanntmachung bereits in Kenntnis eines unmittelbar bevorstehenden Antrags der Stadt G. auf Übertragung der Zuständigkeit veröffentlicht hätten und damit Gründe angeführt hätten, die bereits vor Einleitung des Vergabeverfahrens bestanden haben.
Das Vergabeverfahren konnte demnach nach § 20 EG Abs. 1 b) oder d) VOL/A rechtmäßig aufgehoben werden.
b) Der hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung, dass die Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens rechtswidrig gewesen ist, war ebenfalls zurückzuweisen, da die Aufhebung – wie oben gezeigt von den Aufhebungsgründen des § 20 EG Abs. 1 b) oder d) VOL/A gedeckt und damit rechtmäßig war.
Zudem ist für diesem Antrag bereits das Bestehen eines Feststellungsinteresses zweifelhaft, da offensichtlich weder eine Wiederholungsgefahr besteht noch der Antragstellerin durch die Aufhebung ein Schaden entstanden ist, da ein Angebot nicht abgegeben wurde.
c) Der hilfsweise gestellte Antrag festzustellen, dass die Antragsgegner verpflichtet waren, das Verfahren zur Vergabe der vertragsgegenständlichen Linienverkehre in einen rechtsfehlerfreien Stand zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen, war abzulehnen.
Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 27.10.2016 (C‑292/15) entschieden, dass
1. Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates ist dahin auszulegen, dass bei der Vergabe eines Auftrags für den öffentlichen Personenverkehrsdienst mit Bussen Art. 4 Abs. 7 der Verordnung auf den Auftrag anwendbar bleibt.
2. Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1370/2007 ist dahin auszulegen, dass er einen öffentlichen Auftraggeber nicht daran hindert, einem Betreiber, der mit der Verwaltung und Erbringung eines öffentlichen Personenverkehrsdienstes mit Bussen wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden betraut ist, eine Selbsterbringungsquote von 70% aufzuerlegen.
Die Antragsgegner haben daher in den Vergabeunterlagen rechtmäßig eine Selbsterbringungsquote von 70% gefordert.
3. Kosten des Verfahrens
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist.
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 128 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 25.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und im Einzelfall auf 50.000 Euro erhöht werden kann. Im Einzelfall kann, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden.
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Sie wird vorliegend auf … € festgesetzt.
Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft mit den festgesetzten Kosten verrechnet.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten der Antragsgegner wird als notwendig angesehen.
Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragsgegner beruht auf § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG.
Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB von ihr nicht erwartet werden kann. Zur Durchsetzung ihrer Rechte sind die Antragsgegner hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen.


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