Baurecht

Aufhebung einer verfügten baurechtlichen Beseitigungsanordnung

Aktenzeichen  W 4 K 17.738

Datum:
3.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 55255
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 1, Art. 2 Abs. 1
BauGB § 35 Abs. 2, Abs. 3

 

Leitsatz

1. Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde dann, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt dann vor, wenn das Vorhaben Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund der übereinstimmenden Erklärungen der Parteien ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) entschieden werden.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Landratsamtes A. vom 22. Mai 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde dann, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.
1.1. Die streitgegenständliche Anlage ist eine bauliche Anlage im Sinne von Art. 76 Satz 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 BayBO. Denn bei der „Holzlege“ handelt es sich, wie der Ortstermin der Kammer bestätigt hat, um eine mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlage.
1.2. Die streitgegenständliche bauliche Anlage der Kläger steht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Denn sie ist bauplanungsrechtlich nicht genehmigungsfähig.
Die hier in Streit stehende Anlage ist auch unstreitig eine bauliche Anlage im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB, da ihr bodenrechtliche Relevanz zukommt. Die planungsrechtliche Zulässigkeit der Anlage beurteilt sich vorliegend nach § 35 BauGB, da sich das Baugrundstück außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans und im Außenbereich befindet. Da die Anlage zudem auch nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt, wie sich das Gericht aufgrund der Gegebenheiten vor Ort überzeugen konnte und auch die vorliegenden Lichtbilder und Übersichtskarten (vgl. nur Blatt 15 und 17 der Behördenakten) zeigen, richtet sich deren planungsrechtliche Beurteilung nach § 35 BauGB.
Da hier kein privilegiertes Vorhaben gemäß § 35 Abs. 1 BauGB vorliegt, da die bauliche Anlage insbesondere weder einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb (vgl. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) noch einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient (vgl. § 35 Abs. 1 Nr. 2 BauGB), richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit innerhalb des Regelungsregimes des § 35 BauGB nach dessen Absatz 2. Danach können sonstige Vorhaben im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt dabei u.a. dann vor, wenn das Vorhaben Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB).
Aufgrund des durchgeführten Augenscheins über die baulichen und örtlichen Gegebenheiten vor Ort und der vorliegenden Lichtbilder kommt das Gericht zur Überzeugung, dass die bauliche Anlage jedenfalls die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt.
Die natürliche Eigenart der Landschaft ist dabei vor allem dann beeinträchtigt, wenn ein Vorhaben der naturgemäßen Nutzungsweise der Landschaft widerspricht und deshalb an diesem Standort wesensfremd ist. Im Außenbereich ist naturgemäß insbesondere die der Landschaft entsprechende – also vor allem land- oder forstwirtschaftliche – Bodennutzung und daneben die der Allgemeinheit zugängliche Erholungsmöglichkeit maßgeblich (vgl. hierzu in st. Rspr. BVerwG, B.v. 29.4.1968 – IV B 77.67 – DVBl. 1969, S. 261 ff.; BVerwG, U.v. 6.6. 1975 – IV C 15.73 – juris Rn. 22). Die natürliche Eigenart der Landschaft ist dabei bezogen auf das Baugrundstück zu prüfen. Wenn dieses selbst als Teil der Landschaft noch in der Lage ist, die Freiraumfunktion des Außenbereichs zu erfüllen, ist der Belang regelmäßig beeinträchtigt (vgl. hierzu nur BVerwG, U.v. 25.1.1985 – 4 C 29.81 – juris).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben beeinträchtigt die streitgegenständliche Anlage die natürliche Eigenart der Landschaft. Der Anlage kommt, wie sich das Gericht vor Ort überzeugen konnte, eine Fremdkörperwirkung zu. Das Grundstück bzw. der Bereich, auf dem sich die bauliche Anlage befindet, ist nicht dem angrenzenden Bebauungszusammenhang zuzurechnen, sondern ist selbst noch Teil der Landschaft mit ihrer Freiraumfunktion (vgl. hierzu auch die im Rahmen des Augenscheins angefertigten Lichtbilder). Die bauliche Anlage stellt somit einen ersten Schritt einer weiteren Bebauung in die freie Natur hinein dar, so dass der Anlage darüber hinaus auch eine negative Vorbildwirkung zu attestieren ist.
Die Tatbestandsvoraussetzungen der verfügten Beseitigungsanordnung liegen damit vor.
1.3. Die Beseitigungsanordnung lässt schließlich auch keine Ermessensfehler der Behörde erkennen.
Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Beseitigung von Anlagen anordnen. Der Behörde ist mithin Ermessen eingeräumt. Nach Art. 40 BayVwVfG hat die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Um das Ermessen pflichtgemäß ausüben zu können, ist es dabei zunächst erforderlich, dass die Behörde den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt vollständig ermittelt, damit sie alle die Ermessensausübung tragenden Gesichtspunkte in die Entscheidungsfindung einbeziehen kann. Sodann hat die Bauaufsichtsbehörde die für und gegen ein Einschreiten sprechenden Gesichtspunkte sachgerecht abzuwägen. Dabei ist zunächst zu beachten, dass bei der Entscheidung, ob gegen eine keine formelle Bestandskraft genießende und materiell illegale Anlage eingeschritten wird, dem der Bauaufsichtsbehörde nach Art. 76 Satz 1 BayBO eingeräumten Ermessen die Tendenz zu eigen ist, die im öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung baurechtmäßiger Zustände grundsätzlich gebotene Pflicht zu verwirklichen. Die Verhinderung und grundsätzlich auch Beseitigung von „unheilbar“ rechtswidrigen Anlagen liegt im besonderen Interesse der Allgemeinheit an einer geordneten baulichen Entwicklung (vgl. hierzu nur Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand März 2018, Art. 76 Rn. 209 m.w.N.). Ist die Beseitigung das einzige Mittel, um einen baurechtsmäßigen Zustand herzustellen, liegt die Beseitigung in diesen Fällen im öffentlichen Interesse, weil nur auf diesem Weg dem wilden Bauen begegnet werden kann.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn nur ganz geringfügig von den öffentlich-rechtlichen Vorschriften oder den erlassenen Anordnungen abgewichen wird, etwa durch ein unbedeutendes Überschreiten der genehmigten Maße (Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand März 2018, Art. 76 Rn. 210). Ein solcher Fall ist vorliegend schon angesichts der Größe der Anlage (21 m Länge, 2 m Tiefe und 2 m Höhe) nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist die Beseitigungsanordnung auch nicht etwa deswegen ermessensfehlerhaft, weil das Landratsamt A. in der Nachbarschaft vergleichbare bauliche Anlagen gleichheitswidrig dulden würde. Entgegen der Ankündigung der Kläger wurden solche angeblich geduldeten Anlagen in der Nachbarschaft nicht benannt und sind auch nicht ersichtlich. Soweit sich die Kläger auf entsprechend erteilte Befreiungen in der Nachbarschaft berufen, liegt mangels vergleichbarer Sachverhalte keine Ungleichbehandlung vor. Denn die insoweit in Bezug genommenen Anlagen liegen – anders als die streitgegenständliche Anlage – nicht im Außenbereich, sondern im beplanten Bereich. Schließlich führt auch der Einwand, die Anlage bestehe seit 15 Jahren, zu keinem anderen Ergebnis. Denn allein das langjährige Bestehen einer illegal errichteten Anlage führt nicht dazu, dass eine Beseitigungsanordnung deswegen ermessensfehlerhaft wird. Dass sich die Kläger in sonstiger Weise auf schutzwürdiges Vertrauen berufen könnten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Schließlich verstößt die angegriffene Beseitigungsanordnung auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Da die bauliche Anlage aus bauplanungsrechtlichen Gründen nicht genehmigungsfähig ist, können auf andere Weise als durch ihre Beseitigung rechtmäßige Zustände nicht hergestellt werden.
Die Beseitigungsanordnung ist damit insgesamt rechtmäßig.
2. Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung und der Kostenentscheidung im angegriffenen Bescheid sind Rechtsmängel weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Klage war daher vollumfänglich abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 159 Satz 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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