Baurecht

Baugenehmigung für Betriebsleiterwohnung an landwirtschaftlichem Nebengebäude

Aktenzeichen  M 1 K 16.2513

Datum:
11.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Wenn nach den vorgelegten Unterlagen nicht beurteilt werden kann, ob ein Vorhaben rentabel ist, von einem vernünftigen Landwirt errichtet würde und damit dem Betrieb „dient“, geht dies zu Lasten des Bauantragstellers. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die als Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zulässige Klage ist unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Es bestehen bereits Zweifel an der Bestimmtheit des Bauantrags, in dessen Text (ausgefülltes Formular) von 164 m² Wohnfläche und 74 m² Gewerbefläche die Rede ist, was sich aber aus den Plänen so nicht nachvollziehen lässt. Als „gewerbliche“ Flächen könnten allenfalls die Flächen im Dachgeschoß für das Praktikantenzimmer mit Bad und Büro gemeint sein, das betrifft aber nicht 74 m², sondern nur 45,86 m². Die textliche Beschreibung des Vorhabens und die zeichnerische Darstellung stimmen somit nicht überein. Sieht man hiervon ab und nimmt an, dass die entsprechende Anpassung des Textes des Bauantrags aufgrund der langen Verfahrensdauer übersehen wurde, ist das Vorhaben aber nicht genehmigungsfähig.
Das Vorhaben der Errichtung einer Betriebsleiterwohnung mit Praktikantenzimmer an dem bestehenden landwirtschaftlichen Gebäude auf dem Grundstück FlNr. 68 Gem. … ist städtebaulich unzulässig, weil das Baugrundstück im planungsrechtlichen Außenbereich liegt (§ 35 BauGB), das Vorhaben nicht privilegiert ist im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB und es als sonstiges Vorhaben öffentliche Belange beeinträchtigt, § 35 Abs. 2, Abs. 3 BauGB.
1. Eine Bebauung im Außenbereich ist ausnahmsweise zulässig, wenn es sich um ein gemäß § 35 Abs. 1 BauGB privilegiertes Vorhaben handelt, dem öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Das ist hier nicht der Fall. Das Vorhaben des Klägers ist nicht privilegiert im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1, § 201 BauGB, denn es dient nicht seinem landwirtschaftlichen Betrieb.
Bei der Auslegung des Begriffs „Dienen“ in § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist davon auszugehen, dass der Außenbereich gemäß § 35 BauGB grundsätzlich von Bebauung freigehalten werden soll. Dafür, dass ein Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb „dient“, reicht es nicht aus, dass es nach den Vorstellungen des Landwirts für seinen Betrieb förderlich ist. Andererseits kann nicht verlangt werden, dass das Vorhaben für den Betrieb schlechthin unentbehrlich ist. Die bloße Förderlichkeit einerseits und die Unentbehrlichkeit andererseits bilden den äußeren Rahmen für das Merkmal des Dienens. Die Ausfüllung des Rahmens richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Um zu bestimmen, was „zwischen förderlich und unentbehrlich“ für ein „Dienen“ zu fordern ist, kommt es maßgeblich auf die Sichtweise eines „vernünftigen Landwirts“ an. Voraussetzung für eine Privilegierung ist, dass ein „vernünftiger Landwirt“ – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 3.11.1972 – 4 C 9.70 – BVerwGE 41, 138 ff. – juris Rn. 19; U.v. 19.6.1991 – 4 C 11.89 – NVwZ-RR 1992, 401 – juris Rn. 22; BayVGH, U.v. 30.11.2006 – 1 B 03.481 – BRS 70 Nr. 91 – juris; U.v. 28.8.2012 – 15 B 12.623 – juris).
Nach der Stellungnahme des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Rosenheim vom 21. Juni 2013, die insoweit auch vom Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird, bewirtschaftet der Kläger zwar einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb mit Schafhaltung. Den Anforderungen an ein „Dienen“ i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB genügt das streitige Bauvorhaben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 11. Oktober 2016 aber nicht.
Geht man zugunsten des Klägers davon aus, dass er sich auf den in der mündlichen Verhandlung geschilderten Betriebszuschnitt (abgesehen von saisonbedingten Schwankungen im Tierbestand) nunmehr festgelegt hat, fehlt es hierzu an einer Wirtschaftlichkeits- oder Rentabilitätsberechnung unter Berücksichtigung der Kosten für das streitige Bauvorhaben mit 120.000 Euro Baukosten. Es kann deshalb nicht beurteilt werden, ob ein vernünftiger Landwirt an der Stelle des Klägers das Vorhaben verwirklichen würde. Vorgelegt wurde lediglich ein Investitionskonzept vom … Dezember 2013 zu einer Betriebsgröße von 75 Milchschafen, 17 Stück Nachzucht und 3 Mastfärsen. In diesem Investitionskonzept wird von einem Unternehmensgewinn von 12.970 Euro einschließlich des Ertrags aus Forstwirtschaft und Jagd ausgegangen. Abgesehen davon, dass der aktuelle Betriebszuschnitt von dem im Investitionskonzept dargestellten abweicht, bleiben darin vor allem die Baukosten für die streitige Errichtung einer weiteren Betriebsleiterwohnung auf der FlNr. 68 vollkommen unberücksichtigt. Es kann somit nicht beurteilt werden, ob das Vorhaben rentabel ist, von einem vernünftigen Landwirt errichtet würde und damit dem Betrieb „dient“. Da der Kläger hierfür darlegungspflichtig ist, geht der fehlende Nachweis zu seinen Lasten.
Auch als Wohnung für die Tochter des Klägers kann das Vorhaben seinem landwirtschaftlichen Betrieb nicht zugeordnet werden. Nach den Erklärungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist und bleibt er der Betriebsleiter, auch wenn seine Tochter im Laufe des Jahres 2017 die Landwirtschaftsprüfung ablegt. Die Tochter hat im maßgeblichen Zeitpunkt ihre landwirtschaftliche Ausbildung nicht abgeschlossen. Eine Übergabe des Hofs an sie ist nach den Einlassungen des Klägers in absehbarer Zeit nicht vorgesehen. Dass sie in seinem Betrieb faktisch aushilft oder mitarbeitet (0,5 AK laut dem Investitionskonzept vom …12.2013), ändert hieran nichts. Darlegungen zur Rentabilität einer Betriebsleiterwohnung, deren Baukosten auf 120.000 Euro beziffert werden, zur Unterbringung einer halben Arbeitskraft fehlen. Es ist zu bezweifeln, ob ein vernünftiger Landwirt eine entsprechende Investition tätigen würde. Der Wohnbedarf der Tochter des Klägers als Betriebshelferin könnte das Vorhaben im Übrigen auch deshalb nicht rechtfertigen, weil der Kläger über eine weitere Wohnung an der Hofstelle in der S.-straße … verfügt, die nach Aktenlage derzeit landwirtschaftsfremd durch den Sohn des Klägers genutzt wird. Der Sohn hat nach den Ausführungen des Klägers einen Gewerbetrieb. Der von ihm genutzte Wohnraum auf der Hofstelle müsste zunächst der Landwirtschaft wieder zugeführt werden, bevor neue Genehmigungen im Außenbereich gerechtfertigt sein könnten.
Auf die vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Rosenheim zuletzt in den Mittelpunkt gestellte Frage, ob bei einem Betrieb mit 120 Milchschafen und Nachzucht eine Entfernung von circa 600 Metern zwischen Schaftstall und Betriebsleiterwohnung zumutbar sei, kommt es nach allem nicht entscheidungserheblich an. Die als wünschenswert bezeichnete gerichtliche Klärung unterbleibt deshalb. Hingewiesen sei lediglich darauf, dass auch die vom Kläger übersandte Stellungnahme des Landesverbands Bayerischer … e.V. vom … August 2016 lediglich dringend zu einer Betriebsleiterwohnung am Stall rät, diese aber nicht als erforderlich bezeichnet.
2. Auch als sonstiges Vorhaben im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 2 BauGB ist die geplante Betriebsleiterwohnung auf dem Grundstück FlNr. 68 Gem. … bauplanungsrechtlich unzulässig, weil sie öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt. Zum einen führt das Vorhaben zur Entstehung einer Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB), zum anderen zu einer Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.


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