Baurecht

Baugenehmigung für Kartoffellagerhalle, Belange des Naturschutzes, Dienende Funktion, Erschließung, Wirksamkeit eines Bebauungsplans

Aktenzeichen  M 1 K 18.4937

Datum:
10.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 15178
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 10
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. a
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5

 

Leitsatz

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.  

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung zur Errichtung einer landwirtschaftlichen Halle auf dem Vorhabensgrundstück. Die Ablehnung der begehrten Baugenehmigung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Dem Bauvorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 68 Abs. 1 Halbs. 1 BayBO.
I. Das Vorhaben ist gem. Art. 55 Abs. 1 BayBO baugenehmigungspflichtig. Hierzu ist nichts anderes in Art. 56 bis 58, 72 und 73 BayBO bestimmt.
II. Das Vorhaben ist nicht genehmigungsfähig, weil es nicht im Einklang mit den im Baugenehmigungsverfahren nach Art. 60 Satz 1 BayBO zu prüfenden Vorschriften steht. Die geplante Halle stellt angesichts ihrer Größe einen Sonderbau gemäß Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 BayBO dar.
Das Vorhaben stimmt nicht mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB überein, Art. 60 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO. Es spricht einiges dafür, dass dem Vorhaben das Bauverbot aus Nr. 9 Buchst. a) des Bebauungsplans Nr. entgegensteht (1.). Das Vorhaben ist auch bei Beurteilung nach § 35 BauGB planungsrechtlich unzulässig (2.) und nicht mit Vorschriften des Naturschutzrechts vereinbar (3.).
1. Vorliegend spricht einiges dafür, dass das klägerische Vorhaben der Festsetzung Nr. 9 Buchst. a) des Bebauungsplans Nr. 28 „… Holz“ der Beigeladenen widerspricht, § 30 Abs. 1 BauGB.
Der Bebauungsplan weist sowohl in dessen ursprünglicher Fassung als auch in dessen 1. Änderung von 2016 für das Vorhabensgrundstück eine Fläche für Landwirtschaft aus. Ferner sind nach Nr. 9 Buchstabe a) der Ursprungsfassung bzw. Buchstabe B) Nr. 7 der Änderungsfassung bauliche Anlagen nur innerhalb der durch Nr. 2 der Festsetzungen der Ursprungsfassung festgesetzten „Sondergebiete Erholung“ zulässig. Bauliche Anlagen auf Grundstücken außerhalb der „Sondergebiete Erholung“ – zu denen das Vorhabensgrundstück zählt – sind folglich unzulässig.
Derartige Festsetzungen, insbesondere ein Bauverbot auch für landwirtschaftliche Gebäude, können im Bebauungsplan aus städtebaulichen Gründen getroffen werden. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB können Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung festgesetzt werden. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. a BauGB können Flächen für die Landwirtschaft festgesetzt werden. Zwar ermächtigt § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. a BauGB allein nicht zum Ausschluss baulicher Anlagen, die der Landwirtschaft dienen. Aufgrund des § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB kann jedoch auch für Flächen für die Landwirtschaft festgesetzt werden, dass sie von Bebauung freizuhalten sind; eine solche Festsetzung schließt auch bauliche Anlagen aus, die im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB einem landwirtschaftlichen Betrieb dienen (BVerwG, B.v. 17.12.1998 – 4 NB 4/97 – juris Rn. 8 ff.; BVerwG, B.v. 27.1.1999 – 4 B 129/98 – juris). Allerdings setzt eine wirksame städtebauliche Planung voraus, dass hinreichend gewichtige städtebauliche Allgemeinbelange für sie bestehen. Diese städtebaulich beachtlichen Allgemeinbelange müssen umso gewichtiger sein, je stärker die Festsetzungen eines Bebauungsplans die Befugnisse des Eigentümers einschränken oder Grundstücke von einer Bebauung ganz ausschließen, denn das durch Art. 14 GG gewährleistete Eigentumsrecht gehört in hervorgehobener Weise zu den von der Bauleitplanung zu berücksichtigenden Belangen. Auch eine Festsetzung, die auf überplanten Außenbereichsflächen jede Bebauung ausschließt, schränkt die Eigentumsbefugnisse weitgehend ein. Diese einschneidende Folge ist nur verhältnismäßig, wenn für die Regelung gewichtige Belange sprechen (BayVGH, U.v. 17.3.2015 – 15 N 13.972 – juris Rn. 16 m.w.N.).
Gemessen daran hat die Beigeladene im Rahmen der „Gemeinsamen Planung der Gemeinden …, … bei M* … und … für ein überörtliches Erholungsgebiet“ (im Folgenden: Gemeinsame Planung) hinreichend gewichtige städtebauliche Belange angeführt, die derartige Festsetzungen rechtfertigen. Nach Ziffer 6. (Seite 38) der Gemeinsamen Planung leiten sich die Festsetzungen des Bebauungsplans aus den dort dargestellten Zielen ab.
Nach Ziffer 4.5 (Seite 33) der Gemeinsamen Planung soll in den an das … Holz anschließenden Ackerzonen, zu denen das Vorhabensgrundstück zählt, die intensive landwirtschaftliche Nutzung Vorrang haben. Durch die Festsetzung des Bauverbots kann sichergestellt werden, dass nur die landwirtschaftliche Urproduktion zulässig ist (Spannowsky in BeckOK BauGB, Spannowsky/Uechtritz, 53. Edition 2022, § 9 Rn. 38). Dies wird dadurch untermauert, dass das Vorhabensgrundstück als Fläche für Landwirtschaft ausgewiesen ist. Die Beigeladene verfolgt ferner das gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. a BauGB berücksichtigungsfähige Ziel des Schutzes besonders wertvoller Biotope und der Lebensräume seltener Pflanzen und Tiere durch die festgesetzte Freihalteplanung, Ziffer 4.2 (Seite 28) der Gemeinsamen Planung. Dies kann durch die Sicherung unbebauter Außenbereichsflächen erreicht werden. Die Beigeladene konnte ferner den Aspekt der Naherholung, § 1 Abs. 6 Nr. 3 BauGB zur Begründung heranziehen. Die planenden Gemeinden beabsichtigten vorrangig die Schaffung eines überörtlichen Erholungsgebiets und die Steigerung der Attraktivität des Plangebiets zur Naherholung der Einwohner der umliegenden Gemeinden und der nördlichen Münchner Stadtteile, Ziffer 4.1 (Seite 28) der Gemeinsamen Planung. Dies zeigt auch die Herausnahme des Geltungsbereichs des Bebauungsplans Nr. 28 A aus dem Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 28 und der damit verbundenen Schaffung eines Fuß- und Radwegs mit Grünstreifen sowie die Ausweisung von Sondergebieten Erholung.
Die Festsetzungen zum Bauverbot beanspruchen auch nach Änderung der Ursprungsfassung des Bebauungsplans weiterhin Geltung. Zwar enthält die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 28 weiterhin die Formulierung, dass bauliche Anlagen nur innerhalb des Sondergebiets Erholung zulässig sind, das nunmehr nicht durch den Bebauungsplan Nr. 28, sondern durch den Bebauungsplan Nr. 28 B ausgewiesen ist. Gleichwohl hat die Beigeladene durch die Formulierung „Fortgeltende Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 28“ unter Buchstabe B) des Bebauungsplans ihren planerischen Willen hinreichend deutlich gemacht, dass sich an der Zulässigkeit baulicher Anlagen lediglich im Geltungsbereich des Sondergebiets Erholung nichts ändern sollte. Hintergrund für die Ausgliederung des Sondergebiets Erholung aus dem Bebauungsplan Nr. 28 in den eigenständigen Bebauungsplan Nr. 28 B war, dass der Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 28 B noch weiterzuentwickeln sei, wohingegen der Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 28 im Wesentlichen abgeschlossen sei, vgl. Ziffer B. 3 der Begründung und zusammenfassenden Erklärung zur 1. Änderung. Davon sollte die Festsetzung des Bauverbots im übrigen Planbereich des Bebauungsplans Nr. 28 unberührt bleiben. Ferner nimmt die zeichnerische Festsetzung Bezug auf die Herausnahme des Geltungsbereichs des Bebauungsplans Nr. 28 B, das Sondergebiet Erholung ist folglich jedenfalls in grauer Farbe weiterhin in der 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 28 enthalten.
2. Selbst bei zu Gunsten des Klägers unterstellter Unwirksamkeit der Festsetzung des Bauverbots und damit verbundener Beurteilung „im Übrigen“ (vgl. § 30 Abs. 3 BauGB) nach § 35 BauGB ist das Vorhaben planungsrechtlich unzulässig. Es ist nicht gemäß § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert (a)). Als sonstiges Vorhaben beeinträchtigt es öffentliche Belange (b)), und die Erschließung ist nicht gesichert (c)).
a) Das Vorhaben stellt kein gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiertes Vorhaben dar, weil es nicht einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient.
Nach ständiger Rechtsprechung dient ein Vorhaben nur dann einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, wenn ein vernünftiger Landwirt unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs dieses Vorhaben mit etwa dem gleichen Verwendungszweck und mit in etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde (st. Rspr seit BVerfG, U.v. 3.11.1972 – 4 C 9.70 – juris). Bei der Auslegung des Merkmals „dienen“ ist der Grundgedanke des § 35 BauGB, dass der Außenbereich grundsätzlich nicht bebaut werden soll, zu beachten; durch ihn wird die Privilegierung eingeschränkt. Es reicht deshalb nicht aus, dass ein Vorhaben nach den Vorstellungen des Landwirts für seinen Betrieb förderlich ist. Andererseits kann nicht verlangt werden, dass das Vorhaben für den Betrieb schlechthin unentbehrlich ist. Die bloße Förderlichkeit einerseits und die Unentbehrlichkeit andererseits bilden den äußeren Rahmen für das Merkmal des Dienens. Das Bauvorhaben muss zudem durch die Zuordnung zu dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt und nach seinen Dimensionen auf die betrieblichen Bedürfnisse abgestimmt sein. Das Merkmal des Dienens ist zu verneinen, wenn das Vorhaben zwar nach seinem Verwendungszweck gerechtfertigt ist, nach seiner Gestaltung, Beschaffenheit oder Ausstattung aber nicht durch diesen Verwendungszweck geprägt wird. Der eigentliche Zweck des Erfordernisses des „Dienens“ liegt darin, Missbrauchsversuchen begegnen zu können. Nicht der behauptete Zweck des Vorhabens, sondern seine wirkliche Funktion ist entscheidend. Es sollen Vorhaben verhindert werden, die zwar an sich objektiv geeignet wären, einem privilegierten Betrieb zu dienen, mit denen aber in Wirklichkeit andere Zwecke verfolgt werden (BayVGH, U.v. 30.11.2006 – 1 B 03.481 – juris Rn. 18).
Daran gemessen dient das geplante Vorhaben dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers nicht. Zwar hat das zuständige AELF in seiner Stellungnahme vom 21. September 2017 einen grundsätzlichen Bedarf für die beantragte Lagerhalle festgestellt. Die Kammer hat entgegen dieser Einschätzung jedoch bereits angesichts der Dimensionen des Vorhabens Bedenken hinsichtlich einer dienenden Funktion. Die geplante Halle mit einer Breite von 28,53 m, einer Länge von 59,25 m und einer Höhe von 10,35 m bis 12,89 m auf einer Gesamtfläche von knapp 1.800 m² zuzüglich Bürogebäude, Technik, Waschraum, Lager und Fahrzeugwaage erscheint angesichts des vom Kläger selbst erwähnten derzeitigen Kartoffellagerbedarfs, der sich aus der Bewirtschaftung von 4,55 ha Ackerfläche ergibt, deutlich überdimensioniert. Nach der Stellungnahme des AELF können in der geplanten Halle Kartoffeln einer Anbaufläche von 40 ha problemlos gelagert werden. Ein derartiger Bedarf entstünde erst bei der Ausweitung des Kartoffelanbaus auf 1/3 der Flächen des Klägers. Zwar ist auch die künftige Ausrichtung des klägerischen Betriebs berücksichtigungsfähig. Der Kläger hat insoweit überzeugend dargelegt, dass der Kartoffelanbau für ihn aus ökonomischen Gründen in Zukunft eine größere Rolle spielen soll (vgl. Ziffer 3 des Betriebsentwicklungsplans). Eine dienende Funktion des Vorhabens kann daraus gleichwohl nicht gefolgert werden. Der Kläger führt selbst aus, dass die Annahme- und Verladetechnik überbetrieblich zugänglich gemacht werden soll, damit auch kleinere Landwirte ohne eigenes Lager ihre Kartoffeln auf dem Vorhabensgrundstück umschlagen können. Ferner sei denkbar, freie Lagerkapazitäten während der Erntezeit zu vermieten. Dem liegt bereits eine konkrete Kalkulation von ca. 12.000 € zusätzlichen Einnahmen pro Jahr zugrunde, eine entsprechende Fahrzeugwaage ist mitgeplant. Der Kläger geht damit selbst bei deutlicher Erweiterung des eigenen Kartoffelanbaus von für seinen Betrieb überdimensionierten Maßen der geplanten Halle aus. Ein vernünftiger Landwirt würde sich – auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs, insbesondere des im Landschaftsschutzgebiet befindlichen Außenbereichs – auf das zur Verwirklichung seines künftigen Betriebsziels notwendige Maß beschränken. Gewerbliche Fremdvermietungsinteressen widersprechen der funktionalen Zuordnung des Vorhabens zum Betrieb des Klägers.
Auch das Argument des Klägers, dass das Vorhabensgrundstück durch die Nähe zur Autobahn besser verkehrlich erreichbar und näher an den vorhandenen Flächen sei, schlägt nicht durch. Insoweit drängt sich die Vermutung auf, dass der Vorhabensstandort nur deshalb gewählt wurde, um einen zügigen Abtransport zum Endabnehmer, nicht jedoch zur bestehenden Hofstelle, zu ermöglichen. Dies führt jedoch zu einer Zersplitterung des Betriebs durch einen zusätzlichen Standort. Die Kammer ist ferner nicht der Auffassung, dass das Vorhabensgrundstück im Vergleich zu anderen Grundstücken des Klägers näher an den vorhandenen Anbauflächen liege. Der vom Kläger vorgelegte Betriebsentwicklungsplan samt den darin aufgeführten übrigen Flächen (Anlage 5 des Betriebsentwicklungsplans) legt nahe, dass andere Grundstücke des Klägers zur Realisierung seines Vorhabens besser geeignet sind. Ein vernünftiger Landwirt würde unter Beachtung des Gebots der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs die Halle auch angesichts des vorhandenen, ca. sechs Kilometer südlich gelegenen Aussiedlerhofs gerade nicht auf dem Vorhabensgrundstück errichten. Es weist mangels räumlicher Nähe zu den Schwerpunkten der betrieblichen Abläufe, insbesondere zur Hofstelle, keine funktionale Beziehung zum Betrieb auf. Zwar ist der beabsichtigte Standort keine Frage des „Dienens“, hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals kann der beabsichtigte Standort indes ein bestätigendes oder abweisendes Indiz im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung sein (BVerwG, U.v. 19.6.1991 – 4 C 11/89 – juris Rn. 24; BayVGH, U.v. 11.4.2017 – 1 B 16.2510 – juris Rn. 14).
Das Vorhaben mag nach dem soeben Erwähnten für den landwirtschaftlichen Betrieb allenfalls förderlich sein, ist diesem jedoch nicht in der von der Rechtsprechung geforderten besonderen Weise dienlich.
b) Das Vorhaben ist als sonstiges Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig, weil es öffentliche Belange des Naturschutzes gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB beeinträchtigt. Derartige Belange des Naturschutzes sind insbesondere bei Vorhaben beeinträchtigt, die – wie hier – in den durch Naturschutz- oder Landschaftsschutzbestimmungen geschützten Gebieten oder Objekten liegen (Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 15. Aufl. 2022, § 35 Rn. 83), gleichwohl ist maßgebend, ob die Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Sinne der §§ 1 und 2 BNatSchG negativ betroffen werden (BVerwG, U.v. 13.4.1984 – 4 C 69/80 – juris Rn. 14).
Das Vorhaben beeinträchtigt das in § 1 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG festgesetzte Ziel, Natur und Landschaft derart zu schützen, dass die biologische Vielfalt – die nach der Definition in § 7 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG die Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten einschließlich der innerartlichen Vielfalt sowie die Vielfalt an Formen von Lebensgemeinschaften und Biotopen umfasst – auf Dauer gesichert ist. Nach den Stellungnahmen und der Aussage des Vertreters der unteren Naturschutzbehörde in der mündlichen Verhandlung würde durch das Vorhaben eine künstliche Geländeerhebung und damit eine Ansitzwarte für Greifvögel geschaffen. Dies führe zu einem erhöhten Prädationsdruck auf lokale Populationen geschützter Arten. Das Gericht schließt sich dieser fachlichen Einschätzung an und befürchtet jedenfalls für die Feldlerche eine erhebliche Bedrohung durch Greifvögel sowie einen Verlust von Lebensraum durch die großflächige Versiegelung auf dem Vorhabensgrundstück. Das von der Beigeladenen vorgelegte „Feldlerchen-Monitoring“ (vgl. Anlage 15 der Beigeladenen, Abbildung 2) belegt das Vorkommen einer Feldlerchenpopulation sowohl im Bereich des Vorhabensgrundstücks als auch südlich davon. Die Feldlerche ist in der Roten Liste von 2021 in der Kategorie 3 aufgeführt und damit als „gefährdet“ eingestuft. Es bestehen für das Gericht keine Zweifel an den Ausführungen des Vertreters der unteren Naturschutzbehörde. Die Ausführungen waren sowohl in den Stellungnahmen als auch in der mündlichen Verhandlung detailliert, nachvollziehbar, in sich widerspruchsfrei und wurden auch von der Klagepartei nicht substantiiert erschüttert.
Ob im Umgriff des Vorhabensgrundstücks auch eine Population von Grauammern vorkommt, wie dies im Rahmen der mündlichen Verhandlung angesprochen wurde, kann deshalb dahinstehen.
c) Das Vorhaben ist schließlich nicht gesichert erschlossen i.S.d. § 35 Abs. 1, 2 BauGB.
Die Anforderungen an die ausreichende Erschließung richten sich nach den jeweiligen Gegebenheiten, also nach den Auswirkungen und Bedürfnissen des gegenständlichen Vorhabens; gewisse Mindestanforderungen müssen aber dennoch erfüllt werden (BVerwG, U.v. 13.2.1976 – IV C 53/74 – juris). Zu den Mindestanforderungen gehören bei sonstigen Vorhaben im Außenbereich neben der wegemäßigen Erschließung auch die Strom- und Wasserversorgung sowie die Abwasserbeseitigung (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 139. EL August 2020, § 35 Rn. 74).
Es bestehen bereits Bedenken bezüglich der wegemäßigen Erschließung des Vorhabensgrundstücks. Der Beklagte weist zurecht darauf hin, dass durch das Vorhaben Schwerlastverkehr zu erwarten ist, was eine erhebliche Beanspruchung des mit Gras bewachsenen südlich des Vorhabensgrundstücks verlaufenden Feldwegs bedeutet.
Jedenfalls die Wasserversorgung sowie die Abwasserbeseitigung sind nicht gesichert. Ausweislich der Planunterlagen soll unmittelbar südlich an die Halle anschließend ein Raum für „Umkleide/Waschen“ entstehen. Ferner sind nach dem Betriebsentwicklungsplan (Seite 6) sanitäre Anlagen für Saisonarbeitskräfte geplant, sodass eine derartige Erschließung notwendig ist. Hinsichtlich der Wasserversorgung kommt der Zweckverband Wasserversorgungsgruppe …-Süd unter dem 20. März 2017 zu dem Ergebnis, dass ein Anschluss des Vorhabensgrundstücks an die öffentliche Wasserversorgungsanlage nicht möglich ist. Ferner ist es nach den Ausführungen des Abwasserzweckverbands vom 21. März 2017 nicht durch die öffentliche Kanalisation erschlossen. Die Kammer sieht keine Veranlassung, an diesen Angaben zu zweifeln. Die wassermäßige Erschließung ist schließlich auch nicht durch alternative Maßnahmen sichergestellt. So hat der Kläger weder in den Planunterlagen noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung dargelegt – und folglich auch keine derartige wasserrechtliche Erlaubnis für das Zutagefördern von Grundwasser beantragt -, dass die Wasserversorgung etwa durch Entnahme von Brunnenwasser gesichert ist. Ebenfalls wurden mobile Sanitäranlagen weder beantragt noch genehmigt.
Unerheblich ist ferner, ob der Beklagte bei anderen Vorhaben in der Nähe des Vorhabensgrundstücks von einer gesicherten Erschließung ausgegangen ist.
3. Das Vorhaben ist schließlich auch nicht mit Vorschriften des Naturschutzrechts vereinbar.
Die in der Baugenehmigung nach Art. 60 Satz 1 Nr. 3 BayBO i.V.m. Art. 18 Abs. 1 BayNatSchG zu prüfenden Voraussetzungen für eine Erlaubnis gem. § 5 Abs. 1, 3 der Verordnung des Landkreises … über das Landschaftsschutzgebiet „… Moos und … Gfild“ (LSG-VO) liegen nicht vor. Die untere Naturschutzbehörde hat ihr Einvernehmen unter dem 27. Oktober 2017 deswegen zu Recht verweigert (vgl. zur diesbezüglichen Konzentrationswirkung der Baugenehmigung BayVGH, B.v. 24.3.2020 – 1 ZB 18.69 – juris Rn. 4).
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) LSG-VO bedarf der Erlaubnis, wer beabsichtigt, bauliche Anlagen aller Art zu errichten, zu ändern oder ihre Nutzung zu ändern, wozu insbesondere land- und forstwirtschaftliche Betriebsgebäude gehören. Dies gilt auch dann, wenn sie einer baurechtlichen Genehmigung nicht bedürfen. Die Erlaubnis ist gemäß § 5 Abs. 3 LSG-VO unbeschadet anderer Rechtsvorschriften zu erteilen, wenn das Vorhaben nicht geeignet ist, eine der in § 4 LSG-VO genannten Wirkungen hervorzurufen oder diese Wirkungen durch Nebenbestimmungen ausgeglichen werden können.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Vorhaben ist geeignet, eine der in § 4 LSG-VO genannten Wirkungen hervorzurufen, weil es jedenfalls dem besonderen Schutzzweck des Landschaftsschutzgebiets gemäß § 3 Nr. 1 LSG-VO zuwiderlaufen würde. Gemäß § 3 Nr. 1 LSG-VO ist es Zweck des Landschaftsschutzgebiets „… Moos und … Gfild“, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes zu erhalten und wiederherzustellen, insbesondere die Niedermoorflächen mit ihren Pfeifengrasstreuwiesen, Feuchtwiesen, sonstigen Wiesen, Röhrichten, Quellbächen, Gebüschen, Erlenbruchwäldern und Waldinseln, die Restbestände des Lohwaldgürtels sowie die der Münchner Heide, mit ihrem artenreichen Mager- und Trockenrasen als Lebensräume einer vielfältigen Pflanzen- und Tierwelt zu sichern und zu entwickeln sowie das Vorfeld der Naturschutzgebiete „… Heide“ und „… Lohe“ vor negativen Einflüssen zu schützen. Mit dem Vorhaben geht ein erheblicher Eingriff in Lebensräume bedrohter Arten einher (s.o.). Zudem würde die Zulassung des Vorhabens zu einer großflächigen Versiegelung auf dem Vorhabensgrundstück führen, was dem Schutzzweck zuwiderläuft.
Ferner würde das Vorhaben den in § 3 Nr. 2 und Nr. 3 LSG-VO bestimmten Zwecken zuwiderlaufen. Gemäß § 3 Nr. 2 LSG-VO ist es Zweck des Landschaftsschutzgebiets, die Vielfalt, Eigenart und Schönheit des Landschaftsbildes zu bewahren, insbesondere die charakteristische Niedermoorlandschaft mit ihren Flachmoorresten, ehemaligen Torfstichen und Moosbachen, sowie die Wald- und Heideflächen der Schotterebene als typische Bestandteile einer naturnahen Kulturlandschaft zu erhalten und in ihrer Entwicklung zu fördern; gemäß § 3 Nr. 3 LSG-VO ist die besondere Bedeutung des Gebietes für die Naherholung zu gewährleisten und den Erholungsverkehr zu ordnen und zu lenken, wobei die landwirtschaftlichen Belange angemessen zu berücksichtigen sind. Die über 400 m von der nächsten Bebauung geplante Kartoffellagerhalle mit einer beachtlichen Länge von knapp 60 m und einer maximalen Höhe von knapp 13 m stellt einen gewichtigen Eingriff in diese schützenswerte Landschaft und eine erhebliche Beeinträchtigung insbesondere der Erholungsfunktion der Umgebung dar und wäre als Fremdkörper in dem besonders sensiblen, mit Ausnahme des südlich gelegenen Kieswerks unbebauten Landschaftsbereich weitreichend sichtbar. Angesichts der fehlenden Privilegierung (s.o.) sind insoweit keine landwirtschaftlichen Belange einzustellen.
4. Nach alledem war die Klage abzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entsprach der Billigkeit, dass der Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt, weil diese einen Antrag stellte und sich somit einem Prozessrisiko aussetzte.
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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