Baurecht

Baugenehmigung, Nachbarschutz, Wohngebiet, Bescheid, Verletzung, Vollziehung, Anfechtungsklage, Wohnhaus, Bauvorhaben, Gebietserhaltungsanspruch, Nachbarklage, Immissionsschutz, Innenbereich, Vorhaben, aufschiebende Wirkung, Art der baulichen Nutzung, baulichen Nutzung

Aktenzeichen  RO 2 S 22.657

Datum:
31.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 12068
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert wird auf 6.250,– € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich als Nachbarn gegen die Baugenehmigung für einen Wohnkomplex mit 10 Wohneinheiten und 20 Tiefgaragenstellplätzen.
Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. 1134/5 der Gemarkung H. (alle folgenden FlNrn. ohne nähere Angabe ebenda). Es hat eine Fläche von ca. 170 qm und ist mit einem Wohnhaus bebaut, das Bestandteil eines Reihenhauskomplexes auf den FlNrn. 1134/3 bis 1134/8 ist.
Nordwestlich des Grundstücks der Antragsteller befindet sich das Baugrundstück FlNr. 1133/23. Es hat eine Fläche von ca. 948 qm. Das Baugrundstück liegt nach Nordwesten versetzt zum Grundstück der Antragsteller. Zwischen dem Baugrundstück und dem antragstellerischen Grundstück verläuft auf der FlNr. 1134 ein ca. 98 m langes und 3,7 m breites Grundstück, das in der Internetanwendung „Bayern-Atlas“ der Vermessungsverwaltung als Fläche des Straßenverkehrs ausgewiesen ist und dessen Eigentumsverhältnisse nicht weiter bekannt sind. Das Grundstück dient offensichtlich der Erschließung der südlich des Baugrundstücks gelegenen Reihenhäuser.
Am 1.4.2021 gingen bei der Stadt H. die Antragsunterlagen der Beigeladenen bzgl. der Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau einer Wohnanlage mit zehn Wohneinheiten sowie einer Tiefgarage mit 20 Stellplätzen auf dem Grundstück FlNr. 1133/23 ein. Gegenstand der Planunterlagen – zuletzt in der Fassung vom 19.6.2021 – ist ein 24,35 m x 14,30 m großes Gebäude, das über ein Erd-, Ober- und Dachgeschoss verfügt. Die Wandhöhe beträgt 5,97 m, die Firsthöhe 10,14 m. Im Dachgeschoss sind auf der Südseite zwei Loggien geplant, auf der Nordseite vier Gauben.
Mit Beschluss vom 6.4.2021 erteilte der Bau- und Umweltausschuss der Stadt H. das gemeindliche Einvernehmen zu dem Bauvorhaben der Beigeladenen. Am 11.5.2021 gingen die Antragsunterlagen zur Durchführung des bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens beim Antragsgegner ein.
Zur lärmtechnischen Beurteilung der von den geplanten 20 Stellplätzen ausgehenden An- und Abfahrtsbewegungen erfolgte durch den Antragsgegner eine Beteiligung des Sachgebiets Immissionsschutz. Der Umweltschutzingenieur des Antragsgegners forderte insbesondere schallabsorbierende Wände im Bereich der Tiefgaragenabfahrt. Die Eingabepläne wurden nach den vom Umweltschutzingenieur des Antragsgegners geforderten Umplanungen entsprechend abgeändert.
Mit Bescheid vom 12.8.2021 erteilte das Landratsamt Regensburg antragsgemäß die Baugenehmigung.
Am 8.9.2021 ließen die Antragsteller durch ihren Bevollmächtigten hiergegen Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg erheben. Über die Klage, die unter dem Aktenzeichen RO 2 K 21.1801 geführt wird, ist bislang nicht entschieden.
Mittels Baubeginnanzeige zeigte die Beigeladene dem Antragsgegner am 10.2.2022 den Beginn der Bauarbeiten zum 16.2.2022 an.
Am 3.3.2022 ließen die Antragsteller durch ihren Bevollmächtigten den vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellen. Es wird darin auf die Klagebegründung vom 26.10.2021 im Verfahren RO 2 K 21.1801 verwiesen. In dieser wird ausgeführt, dass durch die Größe und Position des Baukörpers eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots eintrete. Es solle eine Wohnanlage mit 10 Wohnungen und einer Tiefgarage mit 20 Stellplätzen realisiert werden. Das Gebäude weise eine Firsthöhe von 10,14 m auf und eine Länge von 24,35 Metern. Das Gebäude stelle daher einen derart massiven Baukörper dar, womit das antragstellerische Wohngebäude „eingemauert“ bzw. „erdrückt“ werde. Ferner sei das Rücksichtnahmegebot verletzt, da sich direkt vor den Fenstern des antragstellerischen Gebäudes die Tiefgarageneinfahrt mit erheblichem Gefälle von 13 Grad befinde. Gerade zu Stoßzeiten morgens und abends sei hier mit nicht unerheblichem Verkehrsaufkommen verbunden mit erheblichem Lärm und Abgasen zu rechnen. Die Verletzung des Rücksichtnahmegebotes komme für solche Grundstücke in Frage, die im Einwirkungsbereich etwaiger Immissionen liegen. Es sei hier davon auszugehen, dass die Vorgaben der TA Lärm und TA Luft nicht mehr eingehalten werden. Der Antrag wird ferner damit begründet, dass der Bescheid des Antragsgegners vom 12.8.2021 rechtswidrig sei, weshalb kein öffentliches Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen könne. Zudem würde die Vollziehung der Baugenehmigung schwerwiegende, ggf. irreparable Folgen (vollendete Tatsachen) zu Lasten der Antragsteller bewirken, denn mit dem Bau sei zwischenzeitlich begonnen worden. Den Antragstellern sei nicht zuzumuten, die vollständige Errichtung des Bauvorhabens abzuwarten.
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beantragen die Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 8.9.2021 gegen den Bescheid des Landratsamts Regensburg vom 12.8.2021 (Az.: S. 43-2021-0934-BAVV) anzuordnen.
Das Landratsamt beantragt für den Antragsgegner,
den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, die streitgegenständliche Baugenehmigung verletze die Antragsteller nicht in sie schützenden Rechten. Das Baugrundstück befinde sich im unbeplanten Innenbereich. Im bauplanungsrechtlichen Innenbereich messe die Rechtsprechung Nachbarschutz nur dem hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung bestehenden Gebietserhaltungsanspruch sowie dem Gebot der Rücksichtnahme bei. Die nähere Umgebung sei hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung als faktisches Wohngebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 4 BauNVO zu qualifizieren. In einem faktischen allgemeinen Wohngebiet seien nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO Wohngebäude und damit auch das streitgegenständliche Bauvorhaben, das insgesamt 10 Wohneinheiten beinhalte, allgemein zulässig. Insofern sei keine Verletzung des drittschützenden Gebietserhaltungsanspruchs gegeben. Im drittschützenden Gebot der Rücksichtnahme würde den anderen genannten Einfügekriterien des § 34 Abs. 1 BauGB im Hinblick auf den Nachbarschutz zur Geltung verholfen. Das Maß der baulichen Nutzung habe für sich genommen selbst keinen drittschützenden Charakter. Eine tatsächliche Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme in baulicher Hinsicht setze voraus, dass ein Bauvorhaben für den Nachbarn derart erdrückend oder einmauernd ist, dass es ihm förmlich die Luft zum Atmen nehmen würde. Die Rechtsprechung nehme eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme durch eine erdrückende Wirkung beispielsweise bei einem elf- bzw. zwölfgeschossigen Gebäude in naher Entfernung zu einem zweieinhalb geschossigen Wohnhaus an. Der Abstand im genannten Beispiel der beiden Gebäude habe an der engsten Stelle rund 15 m betragen. Für ein Gebäude mit einer absoluten Höhe von 12,75 m habe der BayVGH eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme verneint. Von einer erdrückenden Wirkung sei daher vorliegend nicht auszugehen. Im Hinblick auf das Gebäude der Antragsteller weise das streitgegenständliche Bauvorhaben der Beigeladenen einen Abstand von mindestens 12 m auf (gemessen vom südöstlichen Gebäudeeck des Bauvorhabens). Vergleiche man dies mit der o. g. Rechtsprechung des BayVGH, so sei ein Einmauerungseffekt im vorliegenden Falle zweifelsfrei ausgeschlossen, weshalb sich die Antragsteller insoweit nicht auf das Gebot der Rücksichtnahme berufen könnten. Zudem könne ein Einmauerungseffekt bei logischer Betrachtungsweise nur dann vorliegen, wenn sich die beiden relevanten Gebäude zumindest teilweise gegenüberliegen. Im vorliegenden Fall liege jedoch das Grundstück der Antragsteller circa 6,70 m in Richtung Osten versetzt, weshalb allein insoweit eine erdrückende Wirkung des Bauvorhabens ausgeschlossen sei. Außerdem spreche weiterhin gegen die Annahme einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme in baulicher Hinsicht, dass das Bauvorhaben die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenregelungen des Art. 6 BayBO vollumfänglich auf dem Baugrundstück selbst einhalte. Zur Thematik der Lärmimmissionen wird ausgeführt, dass stellplatzbedingte Lärmimmissionen nicht bereits dann das Gebot der Rücksichtnahme in drittschützender Weise verletzten, wenn sie für den betroffenen Nachbarn als lästig empfunden werden; vielmehr müsse eine unzumutbare Betroffenheit beim Nachbarn zu bejahen sein. Es könne der ständigen Rechtsprechung des BayVGH im Hinblick auf § 12 Abs. 2 BauNVO entnommen werden, dass die stellplatzbedingten Zu- und Abfahrtsgeräusche regelmäßig als sozialadäquat hinzunehmen und insoweit als nachbarrechtlich verträglich anzusehen seien. Durch die vorliegend vom Umweltschutzingenieur geforderten Umplanungen, insbesondere mit der schallabsorbierenden (innen) Schallschutzwand der Tiefgarage, seien entsprechende Maßnahmen ergriffen worden, um unzumutbare Beeinträchtigungen der Nachbarn und damit auch der Antragsteller, hervorgerufen durch den Zu- und Abfahrtsverkehr, auszuschließen. Die entsprechende fachliche Einschätzung sei vollumfänglich korrekt. Auch vor dem Hintergrund, dass beim Ausfahren aus der Tiefgarage aufgrund der Steigung von 13 Grad sicherlich mehr Motorkraft aufgewendet werden müsse, als bei einem ebenerdigen Parkhaus, was zwangsläufig zu höheren Lärmimmissionen führe, sei die geforderte und der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugrunde gelegte Schallschutzwand imstande, entsprechende Lärmimmissionen zu Lasten der Antragsteller abzuschwächen. Es sei angemerkt, dass die gesamte Tiefgarageneinfahrt und damit der Bereich, der ein Gefälle / eine Steigung aufweise, entsprechend den der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugrundeliegenden Planunterlagen von der Schallschutzwand abgegrenzt werde und damit gerade die beim Ausfahren aus der Tiefgarage aufgrund der Steigung zwangsläufig entstehenden Lärmimmissionen in einer im Hinblick auf die Antragsteller das Gebot der Rücksichtnahme wahrenden Art und Weise abgeschirmt würden. Ein Rückstau von Fahrzeugen im Bereich der Zufahrt und damit im Bereich des Gebäudes der Antragsteller sei nicht zu erwarten, da der ein- und ausfahrende Verkehr mittels einer Ampelanlage gesteuert werde und dabei die von der … straße kommenden und in die Tiefgarage einfahrenden Fahrzeuge Vorrang hätten. Durch die Ampelregelung trete ein Rückstau im Fall der Fälle nur im Bereich der Tiefgarage (unterirdisch) auf, wodurch etwaige entstehende Immissionen bei den Antragstellern (oberirdisch) und deren schutzbedürftigen Räume – auch aufgrund der Schallschutzwand – (zumindest in unzumutbarer Art und Weise) nicht auftreten würden. Es sei zu berücksichtigen, dass alle 20 Stellplätze ausnahmslos in der unterirdischen Tiefgarage untergebracht werden könnten und dagegen keine oberirdischen Stellplätze erforderlich bzw. geplant seien. Tiefgaragen hätten aus der Natur der Sache heraus bereits den Vorteil, dass viele der geräuschintensiven Bestandteile des Stellplatzverkehrs, namentlich vor allem das Starten des Motors, Schlagen von Autotüren etc., nahezu vollständig abgeschirmt würden und daher grundsätzlich bereits rücksichtsvoller in Bezug auf die Nachbarschaft seien als die Anordnung von oberirdischen Stellplätzen. Dass vorliegend ausnahmsweise etwas anderes gelten solle, sei nicht ersichtlich. Das Bauvorhaben weise eine Wandhöhe von 5,97 m sowie eine Giebelhöhe von 4,13 m auf. Die Dachneigung betrage ausweislich der Planunterlagen 30 Grad. Ausgehend hiervon betrage die Abstandsflächentiefe an der südlichen und nördlichen Außenwand gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 1 bis 3, Abs. 5 BayBO 3,00 m (rechnerisch 2,94 m, aber Mindestabstandsflächentiefe von 3,00 m). An den giebelseitigen westlichen und östlichen Außenwänden betrage die Abstandsflächentiefe entsprechend den genannten Normen 3,00 m bzw. im Bereich des Giebels 4,04 m. Da das Bauvorhaben im Norden einen Grenzabstand von rund 6 m, im Süden von mindestens 3,65 m, im Westen 4,04 m sowie im Osten mindestens circa 6,90 m habe, könnten demzufolge sämtliche Abstandsflächen auf dem Baugrundstück selbst eingehalten werden, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO. Darüber hinaus sei die Lärmschutzwand der Tiefgaragenabfahrt unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO nicht abstandsflächenpflichtig, weshalb es insoweit unschädlich sei, dass diese näher als 3 m an der Grundstücksgrenze liege. Im Ergebnis seien die nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts vollumfänglich eingehalten und gewahrt. Nach alledem und unter Verweis auf die Klageerwiderung vom 10.1.2022, die Bestandteil der Antragserwiderung sei, seien die Antragsteller durch die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht in nachbarschützenden Vorschriften des öffentlichen Baurechtes verletzt. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei daher abzulehnen. Es sei noch darauf hinzuweisen, dass der Verweis des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller auf § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO und etwaige unbillige Härten zu Lasten der Antragsteller im Rahmen der vorstehenden Verwaltungsstreitsache, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 212a Abs. 1 BauGB, nicht von Belang sei, da die in Bezug genommene Norm eine Sondervorschrift für die aufschiebende Wirkung im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO sei. Eine Baugenehmigung zähle hierzu nicht.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Klageverfahren sowie auf die beigezogenen Behördenakten im genannten Baugenehmigungsverfahren Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Der Antrag gem. § 80a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 212a Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB), gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 8.9.2021 gegen die mit Bescheid vom 12.8.2021 erteilte Baugenehmigung, ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat Erfolg, wenn das Aussetzungsinteresse des Nachbarn das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des streitgegenständlichen Verwaltungsakts bzw. das Vollzugsinteresse des Bauherrn überwiegt. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung sind maßgeblich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen. Denn an der Umsetzung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts besteht in der Regel kein schutzwürdiges Interesse. Dabei kommt es im Rahmen einer Nachbarklage nicht darauf an, ob eine erteilte Baugenehmigung in objektiver Hinsicht umfassend rechtmäßig ist. Ein Nachbar kann eine Genehmigung vielmehr nur dann mit Erfolg anfechten, wenn die Genehmigung ihm zustehende subjektiv-öffentliche Rechte verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Maßgeblich ist daher, ob der Nachbar in subjektiven Rechten verletzt wird, d.h. ob die Baugenehmigung gegen Vorschriften verstößt, die zumindest auch seinem Schutz dienen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 8/84 – juris). Eine Rechtsverletzung kommt nur insoweit in Betracht, als die Baugenehmigung überhaupt Regelungs- bzw. Feststellungswirkung entfaltet. Umgekehrt besteht bei einer voraussichtlich rechtmäßigen Baugenehmigung in der Regel kein Grund, die aufschiebende Wirkung anzuordnen und von der gesetzlichen Wertung des § 212a BauGB abzuweichen. Sind die Erfolgsaussichten nicht hinreichend abschätzbar, findet eine reine Interessenabwägung statt.
Hiervon ausgehend ergibt die gebotene Interessenabwägung des Gerichts ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides bzw. ein Überwiegen des Vollzugsinteresses der Beigeladenen. Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nach Aktenlage spricht einiges dafür, dass der angefochtene Bescheid des Landratsamts Regensburg vom 12.8.2021 die Antragsteller nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Auf eine Abwägung der Vollzugsfolgen kommt es daher nicht maßgeblich an.
Nach summarischer Prüfung verletzt das Bauvorhaben bzw. die ihr zugrunde liegende Baugenehmigung die Antragsteller nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten.
Das Bauvorhaben verletzt nicht den Gebietserhaltungsanspruch der Antragsteller. Der Gebietserhaltungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet (§ 9 Satz 1 Nr. 1 BauGB, § 1 Abs. 3 BauNVO) das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung zur Wehr zu setzen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – juris Rn. 13; B.v. 27.8.2013 – 4 B 39/13 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 10.8.2016 – 9 ZB 16.944 – juris Rn. 11; B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 29). Derselbe Nachbarschutz besteht auch im unbeplanten Innenbereich, wenn die Eigenart der näheren Umgebung als faktisches Baugebiet i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht (vgl. BVerwG, U. v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – juris Rn. 13). Die nähere Umgebung entspricht hier nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten einem allgemeinen Wohngebiet (WA) im Sinne des § 4 BauNVO. In einem allgemeinen Wohngebiet sind nach § 4 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BauNVO Wohngebäude allgemein zulässig. Auf die Anzahl der Wohneinheiten kommt es dabei nicht an. Auch ein Mehrfamilienhaus entspricht der Nutzungsart des allgemeinen Wohngebiets.
An der zulässigen Nutzungsart „Wohnen“ ändert auch nichts der Umstand, dass in dem Gebäude zehn Wohneinheiten errichtet werden sollen. Insbesondere stellt das als Mehrfamilienhaus mit zehn Wohneinheiten geplante Bauvorhaben keinen qualitativen Fremdkörper in der umgebenden Bebauung dar. Abgesehen davon, dass insofern bereits von Antragstellerseite substantiierte Darlegungen hierzu fehlen, ergibt sich für die Kammer nach Aktenlage nicht, dass das Bauvorhaben außer Proportion zur Umgebungsbebauung steht und gleichsam mit einem Umschlagen von „Quantität in Qualität“ einhergeht, das möglicherweise nachbarschützende Belange der Antragsteller beeinträchtigen könnte. Dabei kann dahinstehen, ob neben dem Gebietserhaltungsanspruch aus § 34 Abs. 2 BauGB zusätzlich ein aus § 34 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO abzuleitender sogenannter „Gebietsprägungsanspruch“ besteht (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 22.6.2021 – 9 ZB 21.492 – juris Rn. 8; B.v. 4.3.2021 – 15 ZB 20.3151 – juris Rn. 16; B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 9). Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind Vorhaben im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Dabei stellt § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO grundsätzlich auf die Art der baulichen Nutzung im Sinne der Baunutzungsverordnung und nicht auf das Maß der baulichen Nutzung ab (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.1995 – 4 C 3.94 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 5.11.2019 – 9 CS 19.1767 – juris Rn. 15). Die Anzahl der Wohnungen in einem Gebäude ist im Rahmen einer Beurteilung nach § 34 BauGB kein Kriterium, das die Art der baulichen Nutzung prägt (vgl. BVerwG, B.v. 24.4.1989 – 4 B 72.89 – juris Rn. 7; BayVGH, B. v. 22.6.2021 – 9 ZB 21.492 – juris Rn. 12 für den Neubau von 55 Mietwohnungen mit Tiefgarage und Freizeitanlagen; B.v. 2.11.2020 – 1 CS 20.1955 – juris Rn. 4). Das Baugesetzbuch und die Baunutzungsverordnung kennen im Rahmen der Beurteilung nach § 34 BauGB keine Unterscheidung zwischen Wohnen in Einfamilienhäusern und Wohnen in Mehrfamilienhäusern. § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO stellt nicht auf das Maß der baulichen Nutzung ab; auf die Ausmaße des Gebäudes kommt es daher nicht an (vgl. NdsOVG, B.v.28.5.2014 – 1 ME 47/14 – juris Rn. 14). Zudem ergibt sich schon nicht ausreichend, dass eine homogene, überwiegend aus Einfamilienhäusern bestehende Bebauung in der näheren Umgebung erkennbar wäre.
Eine Verletzung unmittelbar drittschützender Rechte aufgrund der Kubatur des Bauvorhabens liegt nicht vor. Die konkreten Ausmaße des Gebäudes betreffen Bestimmungen zum Maß der baulichen Nutzung. Diese vermitteln jedoch grundsätzlich keinen Drittschutz; ein solcher kann allenfalls im Rahmen des Rücksichtnahmegebots von Bedeutung sein (dazu unten; vgl. etwa BayVGH, B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12).
Nach summarischer Prüfung werden durch das streitige Vorhaben auch die unmittelbar drittschützenden Regelungen über die Einhaltung von Abstandsflächen in Art. 6 BayBO nicht verletzt.
Das Bauvorhaben weist ausweislich der genehmigten Planunterlagen eine Wandhöhe von 5,97 m und eine Giebelhöhe von 4,13 m auf; die Dachneigung beträgt 30 Grad. Die nach Art. 6 Abs. 4, Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO erforderliche Abstandsflächentiefe wird von dem Gebäude ausweislich der genehmigten Planunterlagen an allen Seiten, insbesondere aber an der den Antragstellern zugewandten Gebäudeseite eingehalten. In diesem Zusammenhang kann ferner offen bleiben, ob die Antragsteller überhaupt z.B. Miteigentümer des südlich an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücks FlNr. 1134 sind, nachdem die diesem Grundstück zugewandte Gebäudeseite die erforderliche Abstandsfläche einhält.
Dies gilt auch für die bei der Tiefgarageneinfahrt im südöstlichen Bereich befindliche Lärmschutzwand, die ebenfalls Gegenstand des Bauvorhabens ist. Diese weist eine Höhe von 1,5 m und zum antragstellerischen Grundstück hin eine Länge von 14,29 m auf. Die Lärmschutzwand hält nach Süden hin die nach Art. 6 Abs. 4, Abs. 5 Satz 1 BayBO geltende Mindestabstandsflächentiefe nicht ein. Die Kammer neigt vorliegend jedoch dazu, die Lärmschutzwand als nicht abstandsflächenpflichtig anzusehen. Es handelt sich bei der Lärmschutzwand nicht um ein Gebäude. Demnach ist für eine Abstandspflicht der Lärmschutzwand Voraussetzung, dass es sich um eine bauliche Anlage handelt, von der Wirkungen wie von Gebäuden ausgeht (vgl. Art. 6 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BayBO). Ob eine Anlage oder Einrichtung gebäudeähnliche Wirkungen hat, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Abstandsflächenrechtes bestimmen. Von Bedeutung ist dabei nicht nur die Größe der Anlage, sondern auch das Material, aus dem sie besteht, und ihre Zweckbestimmung (BayVGH, B.v. 12.11.2001, Az.: 2 ZB 99.3484 – juris Rn. 11). Bauliche Anlagen, die eine Nutzung vergleichbar mit den in Art. 6 Abs. 7 Satz 1 BayBO genannten Anlagen aufweisen, sind anders zu beurteilen als bauliche Anlagen mit Aufenthaltsfunktion (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 14 CE 13.928 – juris Rn. 14).
Nach teilweiser Rechtsprechung und Literatur kann einer Lärmschutz- oder Sichtschutzwand im Allgemeinen nur dann Abstandsflächenrelevanz beigemessen werden, wenn eine solche mindestens 2 m hoch ist (vgl. BayVGH, U.v. 30.3.2001 – 26 B 97.174 – juris Rn. 19; B.v. 17.3.2000 – 26 ZS 99.3064 – juris Rn. 19; U.v. 26.10.1995 – 26 B 95.1282 – juris Rn. 16; Kraus in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Art. 6 Rn. 40, Jäde in PdK Stand Feb. 2015, Nr. 1.2 zu Art. 6 BayBO; Dirnberger in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiss, Die neue BayBO, Stand Okt. 2018, Art. 6 Rn. 26: „grober Anhalt: nicht unter 1,80 m“). Nach anderer Rechtsprechung (vgl. z.B. BayVGH, B. v. 8.4.1998 – 2 B 92.151) gibt es keine Mindesthöhe, auch bei einer Höhe von 1,5 bis 2 m könne eine gebäudegleiche Wirkung vorliegen (allerdings zu einer 2 m hohen und 60 m langen Wand und unter Bezugnahme auf eine mittlerweile überholte Kommentierung). Die Kammer kommt in Anbetracht einer Höhe von nur 1,5 m und einer Länge von 14,29 m im südlichen Bereich vorliegend zu der Einschätzung, dass die Lärmschutzwand keine Wirkungen „wie ein Gebäude“ hat, wobei auch die Wertung des Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO im Hinblick auf die Schutzzwecke des Abstandsflächenrechts zu berücksichtigen ist, auch wenn einer Lärmschutzwand diese Privilegierung nicht zugutekommt (vgl. OVG Münster, B.v. 2.12.2003 – 10 B 1249/03 – juris Rn. 5).
Es ergibt sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für die Kammer auch nicht, dass das Bauvorhaben gegen das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstößt.
Das in bestimmten Tatbestandsmerkmalen des Bauplanungsrechts verankerte Gebot der Rücksichtnahme vermittelt im unbeplanten Innenbereich entweder durch das Merkmal des „sich Einfügens“ im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB oder durch das Merkmal der „unzumutbaren Belästigungen oder Störungen“ im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO drittschützende Wirkung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – NVwZ 2005, 328; BayVGH, B.v. 15.1.2018 – 15 ZB 16.2508 – juris Rn. 16; B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 4).
Eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme aus § 34 Abs. 1 BauGB ergibt sich vorliegend nicht, wie von Antragstellerseite behauptet, aus einer „einmauernden“ oder „erdrückenden“ Wirkung des Vorhabens gegenüber den Antragstellern. Der BayVGH hat dazu Folgendes ausgeführt (B.v. 15.10.2019, 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 20):
Eine solche rücksichtslose abriegelnde oder erdrückende Wirkung in Folge des Nutzungsmaßes eines Bauvorhabens kann ungeachtet des grundsätzlich fehlenden Nachbarschutzes bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung als unzumutbare Beeinträchtigung nur bei nach Höhe und Volumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht kommen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – DVBl. 1981, 928 = juris Rn. 32 ff.: elf- bzw. zwölfgeschossiges Gebäude in naher Entfernung zu zweieinhalb geschossigem Wohnhaus; BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – DVBl. 1986, 1271 = juris Rn. 15: grenznahe 11,5 m hohe und 13,31 m lange, wie eine „riesenhafte metallische Mauer“ wirkende Siloanlage bei einem sieben Meter breiten Nachbargrundstück; jeweils m.w.N. vgl. auch BayVGH, B.v. 15.1.2018 – 15 ZB 16.2508 – juris Rn. 19; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 27; B.v. 6.4.2018 – 15 ZB 17.36 – juris Rn. 28 ff.; B.v. 13.4.2018 – 15 ZB 17.342 – juris Rn. 19; B.v. 5.4.2019 – 15 ZB 18.1525 – BeckRS 2019, 7160 Rn. 17; VGH BW, B.v. 16.2.2016 – 3 S 2167/15 – juris Rn. 38; SächsOVG, B.v. 4.8.2014 – 1 B 56/14 – juris Rn. 16 ff.; B.v. 16.6.2015 – 1 A 556/14 – juris Rn. 15, 16; B.v. 25.7.2016 – 1 B 91/16 – juris Rn. 13 ff.). Das Vorhaben muss dem benachbarten klägerischen Gebäude förmlich „die Luft nehmen“, weil es derartig übermächtig ist, dass das Wohngebäude auf dem Nachbargrundstück nur noch oder überwiegend wie von einem „herrschenden“ Gebäude dominiert und ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird (jeweils m.w.N. vgl. BayVGH, B.v. 13.4.2018 a.a.O.; B.v. 5.4.2019 a.a.O.). Insbesondere besteht für die Annahme einer erdrückenden Wirkung eines Nachbargebäudes grundsätzlich dann kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes oder wenn die Gebäude so weit voneinander entfernt liegen, dass eine solche Wirkung ausgeschlossen ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 30; B.v. 8.2.2017 – 15 NE 16.2226 – juris Rn. 22; B.v. 23.8.2018 – 1 NE 18.1123 – juris Rn. 24; B.v. 13.4.2018 a.a.O. juris Rn. 34; VGH BW, U.v. 15.9.2015 – 3 S 975/14 – BauR 2015, 1984 = juris Rn. 29).
In diesem Zusammenhang gilt es festzuhalten, dass nach den obigen Ausführungen das Vorhaben die erforderlichen Abstandsflächen einhält. Die Einhaltung der landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften indiziert regelmäßig, dass eine „erdrückende Wirkung“ nicht eintritt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 15.3.2011 – 15 CS 11.9 – juris Rn. 32). Unabhängig davon ergibt vorliegend eine Gesamtschau der Wirkungen des Vorhabens, dass eine erdrückende Wirkung des Vorhabens nicht gegeben ist. Das antragstellerische Reihenhaus selbst weist ausweislich eines in der Behördenakte befindlichen Lichtbildes eine Wandhöhe von ca. 6 m und eine Firsthöhe von ca. 9,5 m auf. Das Baugrundstück befindet sich vom antragstellerischen Grundstück in nordwestliche Richtung versetzt; die Entfernung zwischen dem südöstlichen Ende des gegenständlichen Bauvorhabens und dem nordwestlichen Ende des antragstellerischen Gebäudes beträgt ca. 12 m. Auch unter Zugrundelegung der o. g. Rechtsprechung lässt sich eine erdrückende Wirkung vorliegend nicht erkennen.
Im Hinblick auf die vom An- und Abfahrtsverkehr zum Baugrundstück ausgehenden Lärmimmissionen ist nach Aktenlage eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme nicht ersichtlich.
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Bei der einzelfallbezogenen Prüfung, ob ihre Nutzung zu unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Nachbarschaft führt, ist der in § 12 Abs. 2 BauNVO enthaltenen Grundentscheidung Rechnung zu tragen; es ist davon auszugehen, dass bei der Annahme eines allgemeinen Wohngebiets die für die Wohnnutzung notwendigen Stellplätze und Garagen gemäß § 34 Abs. 2 BauGB, § 12 Abs. 2 BauNVO grundsätzlich zulässig sind (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 5.3.21 – 1 CS 21.114 – juris Rn. 9). Die Vorschrift begründet für den Regelfall auch hinsichtlich der durch die Nutzung verursachten Lärmimmissionen eine Vermutung der Nachbarverträglichkeit. Der Grundstücksnachbar hat deshalb die Errichtung notwendiger Garagen und Stellplätze für ein Wohnbauvorhaben und die mit ihrem Betrieb üblicherweise verbundenen Immissionen der zu- und abfahrenden Kraftfahrzeuge des Anwohnerverkehrs grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 17.5.2019 – 9 ZB 17.53 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 11.8.1999 – 27 ZS 99.1717 – juris Rn. 7). Die Bestimmungen über Spitzenpegelkriterien gem. Nr. 6.1 Satz 2 der TA Lärm finden insoweit keine Anwendung, da ansonsten in allgemeinen Wohngebieten selbst in größeren Abständen zu Nachbaranwesen Stellplatzanlagen nicht errichtet werden dürften. Hierdurch würde die Wertung des § 12 Abs. 2 BauNVO umgangen. Diese Erwägungen gelten auch für Stellplätze in Tiefgaragen, zumal diese im Vergleich zu oberirdischen Garagen den Vorteil haben, dass sie mit dem Parken und Abfahren verbundene Geräuschbelästigungen, wie z.B. Schlagen von Autotüren, Starten von Motoren, weitgehend abschirmen und damit schon grundsätzlich als rücksichtsvoller einzustufen sein dürften (vgl. BayVGH. B.v. 25.5.2021 – 15 ZB 20.2128 – juris Rn. 19; B.v. 30.7.2019 – 15 CS 19.1227 – juris Rn. 20).
Gleichwohl können besondere örtliche Verhältnisse dennoch zu dem Ergebnis führen, dass die Errichtung von Stellplätzen auf dem Baugrundstück nicht oder nur mit Einschränkungen genehmigt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.2006 – 4 C 11.05 – BVerwGE 127, 231; B.v. 20.3.2003 – 4 B 59.02 – NVwZ 2003, 1516; U.v. 7.12.2000 – 4 C 3.00 – NVwZ 2001, 813). Es kommt entscheidend auf die konkrete Situation an, in der sich die Belästigungen auswirken können. Dabei sind die Zufahrt, die Stellplätze und/oder Garagen im Hinblick auf ihre Lage und Nähe zu den Nachbargrundstücken, die Art und die Empfindlichkeit der dort stattfindenden Nutzungen, etwaige Vorbelastungen sowie der Umfang der zu erwartenden Belästigungen von Bedeutung (vgl. OVG NW, B.v. 16.12.2020 – 2 B 1138/20 – juris Rn. 13; B.v. 5.11.2015 – 10 B 1041/15 – BauR 2016, 239; OVG LSA, B.v. 20.10.2020 – 2 M 71/20 – juris Rn. 16; BayVGH, U.v 16.7.2015 – 1 B 15.194 – juris; B.v. 10.4.2014 – 1 CS 14.397 – juris).
Nach summarischer Prüfung erweist sich das Bauvorhaben bzw. die ihr zugrunde liegende Baugenehmigung im Hinblick auf den zu erwartenden Zu- und Abfahrtsverkehr nicht als rücksichtlos gegenüber den Antragstellern.
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass eine Tiefgarageneinfahrt mit einer Steigung von 13 Grad im Vergleich zu einer ebenerdigen Einfahrt sehr wohl mit erhöhten Lärmimmissionen einhergehen kann. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die Lärmschutzwand mit einer Höhe von 1,5 m, die den gesamten Bereich der Tiefgarageneinfahrt einfasst, die erhöhten Lärmimmissionen zu Gunsten der Antragsteller hinreichend abschwächt. Anhaltspunkte, die Zweifel an der fachlichen Einschätzung des Umweltschutzingenieurs des Antragsgegners begründen könnten, wurden weder substantiiert vorgetragen und sind auch im Übrigen nicht aus den Akten ersichtlich. Die Gefahr eines Rückstaus von Kraftfahrzeugen im Bereich der Zufahrt zum Grundstück und der Tiefgarageneinfahrt, der zu vermehrten Lärm- und Abgasimmissionen im nördlichen Teil des antragstellerischen Grundstücks führen würde, wird durch eine Verkehrssteuerung mittels eines Ampelsystems verringert, das ausweislich der genehmigten Planunterlagen installiert werden soll. Von einer Verkehrsbeeinträchtigung durch einen Rückstau des Verkehrs auf der … straße, über die das Baugrundstück erschlossen wird, ist – abgesehen von der Frage, inwiefern sich dadurch überhaupt eine Verletzung der Antragsteller in subjektiv-öffentlichen Rechten ergeben könnte – nach derzeitiger Aktenlage nicht auszugehen. Die Verkehrssteuerung durch das Ampelsystem erfolgt dergestalt, dass die einfahrenden Fahrzeuge Vorrang vor den ausfahrenden Fahrzeugen haben; es ist davon auszugehen, dass eine Stauung des fließenden Verkehrs auf der … straße damit minimiert wird.
Nach alledem ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 8.9.2021 abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladenen waren keine Kosten aufzuerlegen, da diese keinen Antrag gestellt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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