Baurecht

Bauvorbescheid, Abgrenzung Innenbereich/Außenbereich, Bebauung am Ortsrand

Aktenzeichen  9 ZB 20.2108

Datum:
17.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 3162
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 71
BauGB § 35 Abs. 2
BauGB § 35 Abs. 2 S. 1 Nr. 7

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 5 K 19.1565 2020-08-10 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines baurechtlichen Vorbescheids für die Errichtung eines Wohnhauses auf ihrem Grundstück FlNr. … Gemarkung M. …
Das Verwaltungsgericht hat die hierauf und gegen den Versagungsbescheid des Landratsamts Bad Kissingen vom 11. November 2019 gerichtete Klage mit Urteil vom 10. August 2020 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Bauvorbescheids, weil die Frage nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens negativ zu beantworten sei. Es liege im Außenbereich und beeinträchtige öffentliche Belange. Es könne dahinstehen, ob das Bauvorhaben im Widerspruch zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans stehe und ob eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft anzunehmen sei. Jedenfalls führe es zu der Beeinträchtigung eines öffentlichen Belangs, weil es selbst schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt und gegenüber den Eigentümern im westlich benachbarten Gewerbegebiet rücksichtslos wäre. Im Übrigen lasse es die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzziel weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Die von der Klägerin geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.
a) Die Klägerin trägt vor, ihr Grundstück liege direkt an angrenzender Wohnbebauung und werde nur durch die erschließende Straße hiervon abgegrenzt. Sie habe zudem jahrelang Grundsteuer hierfür gezahlt und Kanal-, Wassersowie sonstige Versorgungsleitungen seien hergestellt, woraus sich, ebenso wie aus der Darstellung im Flächennutzungsplan als Mischgebietsfläche, ein starkes Indiz für einen Bebauungszusammenhang ergebe. Hiermit kann sie nicht durchdringen.
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend von einer Außenbereichslage des streitgegenständlichen Grundstücks der Klägerin ausgegangen. Es hat hierfür insbesondere den richtigen Maßstab angelegt und ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der allein relevanten tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten zu dem nachvollziehbaren Ergebnis gekommen, dass der Ortsteil, der hier einen Bebauungszusammenhang vermitteln könnte, mangels topographischer Besonderheiten und in Anbetracht der dem Wegegrundstück FlNr. … Gemarkung M. … zukommenden trennenden Wirkung mit den Grundstücken FlNr. …3 und …5 dieser Gemarkung endet. Westlich stelle die Bundesstraße 27 eine Begrenzung dar. Ob Beitrags- oder Grundsteuerbescheide ergangen sind und der Frage der Erschließung des Grundstücks hat es in diesem Zusammenhang zu Recht keine Bedeutung beigemessen (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2021 – 9 ZB 18.2293 – juris Rn. 7 m.w.N.). Nichts Anderes gilt für die Darstellung im Flächennutzungsplan (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 18.2.2019 – 15 ZB 18.2509 – juris Rn. 8; U.v. 12.3.2004 – 2 N 99.1150 – juris Rn. 32).
b) Soweit die Klägerin anführt, das Verwaltungsgericht habe keinen Augenscheintermin durchgeführt und demzufolge nicht beurteilen können, was aus der Geländetopographie für die Definition des Ortsrandes für Schlüsse zu ziehen seien, leitet sie ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils aus einem (vermeintlichen) Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts im Sinne eines Aufklärungsmangels nach § 86 Abs. 1 VwGO her, ohne allerdings dem entsprechenden Darlegungserfordernis zu genügen (vgl. BayVGH, B.v. 15.3.2021 – 9 ZB 20.498 – juris Rn. 8 m.w.N.). Insbesondere äußert sie sich nicht dazu, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (vgl. BVerwG, B.v. 30.7.2010 – 8 B 125.09 – juris Rn. 23; B.v. 3.6.2014 – 2 B 105.12 – juris Rn. 26). Ihrem pauschalen Vorbringen, dass eine „in der Tat schwierige Geländetopographie“ vorliege und Karten diese „nicht richtig“ beschreiben würden, lässt sich auch nicht entnehmen, dass sich das Verwaltungsgericht hier nicht anhand der Akten ein ausreichendes Bild von den Örtlichkeiten hat machen können bzw. die darin enthaltenen Pläne und Luftbilder Defizite aufweisen, die sich nur durch eine Inaugenscheinnahme ausgleichen lassen würden (vgl. BayVGH, B.v. 4.5.2020 – 9 ZB 18.2339 – juris Rn. 24). Die genannten visuellen Mittel sind unbedenklich verwertbar, wenn sie Örtlichkeiten in ihren für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmalen so eindeutig ausweisen, dass sich der mit einer Ortsbesichtigung erreichbare Zweck mit ihrer Hilfe ebenso zuverlässig erfüllen lässt (vgl. BVerwG, B.v. 3.12.2008 – 4 BN 26.08 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 2.2.2021 – 9 ZB 18.1513 – juris Rn. 9). Dies ist für das Grundstück der Klägerin ohne weiteres anzunehmen.
c) Die Klägerin hat zudem nicht ernstlich in Zweifel gezogen, dass das vorliegende sonstige Außenbereichsvorhaben öffentliche Belange beeinträchtigt. Ist eine angegriffene Entscheidung – wie hier – auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, setzt die Zulassung der Berufung voraus, dass für jeden dieser Gründe die Zulassungsvoraussetzungen entsprechend den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt werden (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2021 – 9 ZB 18.1612 – juris Rn. 9 m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Unabhängig davon, dass das Verwaltungsgericht von einer Beeinträchtigung eines öffentlichen Belangs ausging, weil das Bauvorhaben in Anbetracht des westlich benachbarten Gewerbegebiets schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt wäre und rücksichtlos gegenüber den westlich benachbarten Gewerbeflächen wirke (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB), hat das Verwaltungsgericht seine klageabweisende Entscheidung auch selbstständig tragend darauf gestützt, dass das Wohnbauvorhaben die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten ließe (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB). Die Klägerin setzt sich insoweit nicht mit der betreffenden ausführlichen Begründung im angefochtenen Urteil auseinander, wonach auch eine Ausweitung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils in den Außenbereich ein Vorgang der städtebaulich unerwünschten, unorganischen Siedlungsweise im Sinne des § 35 Abs. 2 und 3 BauGB sei (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2017 – 15 ZB 16.1567 – juris Rn. 39 m.w.N.), zumal dem Vorhaben hier Bezugsfallwirkung zukomme. Ihr Hinweis auf Lagepläne, Luftbilder und sonstige Fotos in der Akte, denen zu entnehmen sei, dass das Grundstück an einen Ortsteil angrenze und es sich nicht um eine Zersiedelung, sondern um eine Randbebauung handele, kann danach nicht verfangen.
2. Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen wird. Erforderlich ist die Formulierung einer konkreten Tatsachen- oder Rechtsfrage und das Aufzeigen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist, sowie weshalb dieser Frage eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 9 ZB 16.2323 – juris Rn. 24). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht, weil die aufgeworfene Frage, „ob ein Grundstück, welches bereits schon mit Versorgungsleitungen erschlossen ist, eine entsprechende Zuwegung hat und vor allen Dingen über Jahre Grundsteuer für ein bebautes Grundstück errichtet worden ist, überhaupt einem Außenbereichsgrundstück zuzuordnen ist“, nicht klärungsbedürftig ist. Dass es für die Abgrenzung einer Innenvon einer Außenbereichslage allein auf die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten ankommt, ist in der Rechtsprechung geklärt (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2021 – 9 ZB 18.2293 – juris Rn. 7 m.w.N.). Auf die Ausführungen unter 1. a) wird verwiesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.1.1.1 sowie Nr. 9.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013; sie entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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