Baurecht

Bebauungsplan, Mischgebiet, Wohngebiet, Baugenehmigung, Gemeinde, Berufung, Wohnnutzung, Vorhaben, Festsetzungen, Wohnbebauung, Zulassung, Plangebiet, Spielhalle, Festsetzung, Zulassung der Berufung, Festsetzungen des Bebauungsplans

Aktenzeichen  2 ZB 19.571

Datum:
9.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 15375
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 8 K 17.3627 2019-01-28 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers aus Zulassung der Berufung nach §§ 124, 124a Abs. 4 VwGO bleibt ohne Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet im Rahmen der dargelegten Zulassungsgründe keinen ernstlichen Zweifel an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Senat teilt im Ergebnis die Auffassung des Erstgerichts, dass die Ablehnung der Erteilung der Baugenehmigung rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Das beantragte Vorhaben ist hinsichtlich der Gaststättennutzung bauplanungsrechtlich unzulässig. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich nach dem Bebauungsplan Nr. … vom 14. Juni 1996. Für das streitgegenständliche Anwesen ist im Bebauungsplan ein Mischgebiet gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BauGB, § 9a BauGB, § 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 BauNVO 1990, § 6 BauNVO 1996 festgesetzt (MI 2). § 4 des Bebauungsplans legt fest, dass in den Mischgebieten MI 1 bis MI 2 Schank- und Speisewirtschaften sowie Vergnügungsstätten nicht zulässig sind.
a) Der Kläger weist darauf hin, dass § 5 Abs. 1 des Bebauungsplans nur auf §§ 1 bis 3 verweise, während es nach Auffassung des Klägers in § 5 Abs. 1 richtigerweise hätte heißen müssen: §§ 2 bis 4. Es liege ein offensichtliches Redaktionsversehen vor. Der Beklagten sei in dem Regelungsgeflecht ihres Bebauungsplans offensichtlich ein Fehler dahingehend unterlaufen, dass sie in allgemeinen Wohngebieten und in besonderen Wohngebieten jedenfalls ausnahmsweise Kleingaststätten zulasse, aber in dem Mischgebiet nicht. Ausgehend von diesem Verständnis des Bebauungsplans liege eine unzulässige Kontingentierung vor.
Der Senat geht nicht davon aus, dass es sich um ein Redaktionsversehen handelt. Auch eine Kontingentierung liegt nicht vor. Durch die fragliche Festsetzung des Bebauungsplans werden Gaststätten und Vergnügungsstätten in den festgesetzten Mischgebieten generell ausgeschlossen. Der Ausschluss soll unabhängig von den im streitgegenständlichen Bebauungsplan enthaltenen Regelungen für die anderen im Bebauungsplan Nr. … festgesetzten allgemeinen und besonderen Wohngebiete gelten. Denn unter städtebaulichen Gesichtspunkten kann es gerechtfertigt sein, das Mittel des Nutzungsausschlusses gezielt zu dem Zweck einzusetzen, andere Nutzungsarten zu stärken (vgl. BVerwG, B.v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 – juris; U.v. 26.3.2009 – 4 C 21.07 – BVerwGE 133, 310). Stellt sich die Gemeinde für die Zukunft ein hochwertiges Mischgebiet ohne strukturelle Lärmstörungen vor, das Dienstleistungsbetrieben und der Wohnnutzung vorbehalten sein soll, ist diese Zielsetzung grundsätzlich von der gesetzlichen Ermächtigung in § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB gedeckt.
Im vorliegenden Fall steht aufgrund der Planbegründung der Beklagten eindeutig fest, welchen Regelungsgehalt die Festsetzung des Bebauungsplans nach dem Willen des Normgebers haben soll. Ausweislich des Beschlusses der Vollversammlung des Stadtrats vom 31. Januar 1996 wird in Gebieten, in denen keine Gast- und Vergnügungsstätten zulässig sind, die heterogene Vielfalt, das Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe nicht grundlegend berührt, zumal die übrigen nach der Baunutzungsverordnung möglichen Nutzungen weiterhin zulässig sind (S. 4). Die Beklagte hat sorgfältig die städtebauliche Ausgangssituation und den Bestand analysiert (S. 12 ff.). Bei den planungsrechtlichen Vorgaben hat sie erkannt, dass, wenn die Umgebung einem Mischgebiet entspricht, Gaststätten nach § 34 Abs. 2 BauGB zu beurteilen und im Regelfall ohne weiteres planungsrechtlich zulässig sind (S. 14). Unter dem Thema Planungsziel hat die Beklagte ausgeführt, es wäre bei einer weiteren Zunahme der Gaststätten zu erwarten, dass der Konflikt zwischen der Gaststättennutzung mit der Folge der Lärmeinwirkung und dem Wohnen mit dem Anspruch auf Nachtruhe im verstärkten Maß auftritt. Nach der geltenden Rechtslage könne zwar im Einzelfall die Einrichtung einer neuen Gaststätte untersagt werden. Es gehe jedoch darum, den genannten städtebaulichen Konflikt zu lösen und eine wirksame Rechtsgrundlage zu schaffen. Es bedürfe deshalb der Aufstellung eines einfachen Bebauungsplans, der ausschließlich die Zulässigkeit von Gaststätten und Vergnügungsstätten als Teil der Art der baulichen Nutzung regele (S. 15). Als Art der baulichen Nutzung werde deshalb in Übereinstimmung mit der vorhandenen, das Gebiet prägenden Nutzung, überwiegend allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Lediglich für vier Blöcke werde ein besonderes Wohngebiet festgesetzt, da hier die typische Nutzungsmischung von Wohnen, Handwerk, Gewerbe, Gaststätten, Läden und Büros anzutreffen sei. Auch die beiden Mischgebiete MI 1 bis 2 wiesen die für diesen Baugebietstyp charakterisierende Nutzung auf (S. 18). Zweck des Bebauungsplans sei es, die Wohnstruktur zu erhalten und Gaststätten und Vergnügungsstätten zu begrenzen. Aus der bereits vorhandenen Konzentration von Gaststätten im Zentrum von Haidhausen ergäben sich für die dortige Wohnbevölkerung Belästigungen. Demgegenüber bestehe ein öffentliches Interesse daran, auch das Wohnen in der Innenstadt vor solchen Belästigungen zu schützen und für das Wohnen diese städtebaulichen Bedingungen für ein angemessenes Wohnumfeld zu schaffen (S. 18). In Gebieten, in denen bisher keine Gast- oder Vergnügungsstätten existierten, würden diese auch künftig nicht zugelassen. Es würden daher die nach der Baunutzungsverordnung zulässigen, in diesem Fall jedoch das Wohnen beeinträchtigenden Nutzungsarten ausgeschlossen. In den Mischgebieten MI 1 und MI 2 seien dies die Schank- und Speisewirtschaften sowie die Vergnügungsstätten (S. 22). Diese Regelungsvorstellung der Beklagten findet im Wortlaut der Festsetzung einen eindeutigen Widerhall. Ein Redaktionsversehen ist ausgeschlossen. Es handelt sich um keine Kontingentierung, sondern um einen Ausschluss.
b) Entgegen der Auffassung des Klägers hat sich das Erstgericht auch nicht in Widerspruch zu der bisherigen Rechtsprechung des Senats gesetzt. Im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. November 2012 (Az. 2 ZB 11.1669) ging es darum, ob eine Spielhalle gemäß § 3 Abs. 2 des Bebauungsplans Nr. … in einem besonderen Wohngebiet (WB 4) als Vergnügungsstätte zulässig ist. Mithin betrifft die Entscheidung ein völlig anderes Plangebiet, wobei der Senat bereits damals ausgesprochen hat, dass die Unwirksamkeit der Festsetzungen zur ausnahmsweisen Zulässigkeit von Schank- und Speisewirtschaften nicht zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans führen würde (BA S. 4). Wie oben dargelegt, wurde nach der Begründung des streitgegenständlichen Bebauungsplans die Gaststättennutzung von der zulässigen Nutzung ausgeschlossen, um Lärmbelästigungen für die umliegende Wohnbebauung zu vermeiden. Dabei wurden zur Erreichung dieses Ziel in den unterschiedlichen Gebietsarten (allgemeines, besonderes Wohngebiet und Mischgebiet) unterschiedliche Regelungen getroffen. Diese gelten jeweils unabhängig voneinander und stehen in keinem untrennbaren Zusammenhang. Mithin ist es nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis kommt, dass selbst eine Unwirksamkeit der Regelungen in §§ 1 bis 3 des Bebauungsplans Nr. … nicht auf die Regelung in § 4 des Bebauungsplans Nr. … durchschlagen würde.
c) Der Kläger rügt, dass die Ablehnung der Befreiung rechtsfehlerhaft sei. Sein Vorhaben sei mit einer Kleingaststätte im Sinn des § 5 Abs. 1 des Bebauungsplans zu vergleichen und es seien keine Störungen zu erwarten.
Die Ablehnung einer Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) ist nicht zu beanstanden, weil Grundzüge der Planung berührt würden. Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab (vgl. BayVGH, U.v. 24.3.2011 – 2 B 11.59 – juris). Die Grundzüge der Planung bilden die den Festsetzungen des Bebauungsplans zugrunde liegende und in ihnen zum Ausdruck kommende planerische Konzeption. Wie oben dargelegt, wollte die Plangeberin in dem fraglichen Mischgebiet bewusst jede Schank- und Speisewirtschaft, also auch Kleingaststätten ausschließen, um ihr Planungsziel zu erreichen. Würde man die beantragte Gaststättennutzung über eine Befreiung genehmigen, wären die Grundzüge der Planung berührt. Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Festsetzung in § 4 des Bebauungsplans Nr. … funktionslos würde.
d) Offen bleiben kann, ob der Laden für sich genehmigungsfähig wäre. Denn ein Bauantrag und damit auch eine Nutzungsänderungsgenehmigung sind nur dann teilbar, wenn sie getrennt voneinander genehmigbare Bauteile betreffen (vgl. BayVGH, U.v. 14.12.2016 – 2 B 16.1574 – juris; B.v. 10.4.2014 – 2 CS 13.2472 – juris; BayVGH, U.v. 18.4.2013 – 2 B 13.423 – juris). Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Kläger hat das Vorhaben einheitlich zur Genehmigung gestellt und es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass er bei einer Versagung der Genehmigung für die Gaststätte dort weiterhin eine Fahrschule betreiben wollte. Im Übrigen ist der Bauantrag bei der hier vorliegenden Nutzungsänderung auch wegen der offenen Fragen zum Stellplatzbedarf nicht teilbar. Bei der Stellplatzberechnung vom 13. Januar 2017 (Behördenakte S. 11) wurden als Stellplatzbedarf für den Laden 1 und für die Gaststätte 2 angegeben. Der anzurechnende Bestand bei der Nutzungsänderung wegen der Fahrschule mit bis zu 24 Schüler wurde für die Nutzungseinheit mit 2 angegeben. Bleibt jedoch ein Teil der Fahrschule genehmigt, muss eine neue Berechnung durchgeführt werden, ob und gegebenenfalls wie viel Stellplätze wegen des verbleibenden Teils der Fahrschule anzurechnen wären.
2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, diese höchstrichterlich oder – bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen – durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist (vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2010 – 14 ZB 09.1289 – juris).
Der Kläger hält es für grundsätzlich bedeutsam,
ob eine Wettannahmestelle als Ladennutzung grundsätzlich von der Variationsbreite einer Baugenehmigung für eine Ladeneinheit umfasst ist.
Damit wurde jedoch keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung formuliert. Denn das Verwaltungsgericht ist selbst von der Prämisse ausgegangen, dass eine Wettannahmestelle als Ladennutzung grundsätzlich von der Variationsbreite einer Baugenehmigung für eine Ladeneinheit umfasst ist (UA S. 12). Ob dies auch tatsächlich der Fall ist, ist im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden.
Im Übrigen hat das Erstgericht diese Frage ohnehin nicht abschließend entschieden, sondern lediglich im Rahmen der Prüfung der Vollständigkeit und Klarheit der Bauvorlagen erwogen, dass möglicherweise das klägerische Vorhaben als Vergnügungsstätte zu qualifizieren sein könnte. Die vom Kläger formulierte Frage ist auch von daher nicht entscheidungserheblich gewesen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.


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