Baurecht

Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft bei Wohnbebauung in ehemaliger Kiesgrube

Aktenzeichen  RN 6 K 16.135

Datum:
21.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34, § 35

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist in Ziff. II vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Landratsamts … vom 28.12.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, weil ihm ein Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheids nicht zusteht (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung des beantragten Vorbescheids gemäß Art. 71 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 BayBO, weil dem von ihm beabsichtigten Bauvorhaben bauplanungsrechtliche Normen entgegenstehen. Das streitgegenständliche Grundstück ist nämlich planungsrechtlich dem Außenbereich gemäß § 35 BauGB zuzuordnen (vgl. unten 1.), das Vorhaben ist dort nicht bevorzugt als privilegiertes Vorhaben zuzulassen (unten 2.) und es beeinträchtigt als sonstiges Vorhaben öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB (unten 3.).
1. Das Vorhabengrundstück befindet sich nicht innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile i.S.v. § 34 Abs. 1 BauGB. Ein Bebauungszusammenhang im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass eine tatsächlich aufeinander folgende, zusammenhängende Bebauung besteht und das betroffene Grundstück dieser Bebauung zuzurechnen ist. Maßgebend für diese Beurteilung ist die Verkehrsauffassung (BVerwGE 31, 20).
Vorliegend besteht zwar ein Bebauungszusammenhang auf der südwestlichen, durchgehend mit Wohnhäusern bebauten Seite der D. Straße, der sich auch auf der Nordostseite der D. Straße fortsetzt. Dabei ist unstreitig, dass diese Bebauung Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur und damit Innenbereich ist. Das Grundstück des Klägers ist jedoch nach der Verkehrsauffassung nicht mehr Bestandteil dieses Bebauungszusammenhangs, sondern liegt vielmehr außerhalb dieses bebauten Bereichs hinter dem Ortsrand. Wie die Einnahme des Augenscheins auf dem Grundstück gezeigt hat, endet die Bebauung auf der nordöstlichen Straßenseite mit dem Grundstück FlNr. 690/5 der Gemarkung … Ab dort setzt sich in Richtung Osten die Grenze der Bebauung auf der Südseite der D. Straße fort. Für einen objektiven Durchschnittsbetrachter ergibt sich auf diese Weise eine annähernd gerade Linie, welche den bestehenden Bebauungszusammenhang vom unbebauten Bereich trennt. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass die im Vorbescheidsantrag gekennzeichnete für die Verwirklichung des Bauvorhabens herauszumessende Teilfläche des streitgegenständlichen Grundstücks nur an einer Seite, nämlich im Westen an ein bebautes Grundstück anschließt. Im Süden befindet sich die D. Straße, an den beiden verbleibenden Seiten, im Norden und Osten, schließt sich an diese Teilfläche das verbleibende Restgrundstück an, das sich als weitflächige Grünfläche darstellt, die den größten Teil der ehemaligen Kiesgrube einnimmt. Bei natürlicher Betrachtungsweise ist die hier zur Entscheidung anstehende Teilfläche Bestandteil dieser Grünfläche und damit Außenbereich.
Dahingestellt bleiben kann deshalb auch, ob der D. Straße eine verbindende Wirkung zukommt, wie die Klägerseite meint, oder ob diese eher trennende Wirkung besitzt, wie dies von der Beklagtenseite behauptet wird. Denn auch wenn man die D. Straße gänzlich außer Acht ließe, befände sich das klägerische Grundstück in einer Ortsrandlage, da es an zwei Seiten, nämlich im Norden und Osten an unbebaute Flächen anschließt. Zwar ist auch bei einem Grundstück in einer derartigen Ortsrandlage eine Einbeziehung in den Bebauungszusammenhang nicht völlig ausgeschlossen, sie bedarf jedoch besonderer Umstände im Einzelfall, die eine solche Einbeziehung rechtfertigen. Eine solche Einschränkung ist auch zum Schutz des Außenbereichs geboten. Würde man auf dieses Erfordernis verzichten, wäre die Folge, dass in jeder Ortsrandlage eine nicht eingrenzbare Ausuferung des Bebauungszusammenhangs erfolgen könnte.
Besondere Umstände, die eine Einbeziehung des klägerischen Grundstücks rechtfertigen könnten, sind vorliegend nicht gegeben. Sie folgen weder aus der Tatsache, dass Straßenlaternen vorhanden sind, noch daraus, dass in der D. Straße die erforderlichen Versorgungsleitungen (Wasser, Gas) vorhanden sind. Denn diese Fragestellungen betreffen ausschließlich die Frage der Erschließung und sagen nichts darüber aus, ob für eine Bebaubarkeit der betroffenen Grundstücke ein Planungsbedürfnis besteht.
2. Das Vorhaben des Klägers ist als Wohnhaus auch nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB im Außenbereich privilegiert zulässig. Gründe für eine solche Privilegierung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
3. Einer planungsrechtlichen Zulassung des Vorhabens steht § 35 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 BauGB entgegen.
3.1 Dahingestellt bleiben kann, ob dem Vorhaben die Darstellungen des Flächennutzungsplans entgegengehalten werden können. Zwar sind bei sonstigen Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB die Darstellungen des Flächennutzungsplans grundsätzlich zu berücksichtigen. Allerdings setzt dies voraus, dass der Planungswille der Gemeinde hinreichend konkretisiert ist, also ein positiver oder negativer Planungswille der Gemeinde mit der erforderlichen Deutlichkeit entnommen werden kann (BVerwG, DÖV 1969, 645; vgl. auch Battis/Krautzberger/Löhr, § 35 Rn. 51).
3.2 Das Vorhaben beeinträchtigt aber jedenfalls die natürliche Eigenart der Landschaft (§ 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB). Eine solche Beeinträchtigung liegt nämlich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits dann vor, wenn ein Vorhaben der naturgemäßen Nutzungsweise der Landschaft widerspricht und deshalb an einem Standort im Außenbereich wesensfremd ist (BVerwG, U.v. 3.5.1974 – IV C 10.71 – juris, Rn. 20). Das Vorhabengrundstück stellt sich derzeit – wie auch die Beweisaufnahme bestätigt hat – als Grünfläche dar, die sich bis zur Hangkante des ehemaligen Kiesabbaugeländes fortsetzt. Eine „Vorbelastung“ mit Bauten besteht nicht, so dass eine Bebauung zur Wohnnutzung eine Beeinträchtigung in diesem Sinn darstellen würde.
Eine Vorbelastung kann insbesondere auch nicht, wie die Klägerseite meint, aus der früheren Nutzung als Kiesabbaufläche hergeleitet werden. Entscheidend ist vielmehr ausschließlich die derzeitige Nutzung des Grundstücks. Dies gilt umso mehr als der Kiesabbau auf dem Grundstück nach dem eigenen Vorbringen der Kläger seit nunmehr über 15 Jahren aufgegeben ist, eine Wiederaufnahme des Kiesabbaus nicht zu erwarten ist, sondern das Grundstück vielmehr in einem Rekultivierungsplan als Grünfläche dargestellt ist.
In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist im Übrigen auch geklärt, dass die natürliche Eigenart der Landschaft auch dann beeinträchtigt wird, wenn das Vorhaben im Anschluss an eine bebaute Ortslage an einem Standort im Außenbereich errichtet werden soll (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 35 Rn. 97 m.w.N.).
3.3 Das Vorhaben lässt zudem die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten (§ 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB). Zwar handelt es sich beim Bebauungszusammenhang auf der gegenüberliegenden südwestlichen Straßenseite um einen Ortsteil i.S.v. § 34 BauGB. Jedoch kann nach ständiger Rechtsprechung die Entstehung einer Splittersiedlung auch durch die Ausuferung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils anzunehmen sein. Öffentliche Belange werden in einem solchen Fall dann beeinträchtigt, wenn die Gefahr einer Zersiedelung konkret zu befürchten ist (BVerwG, U.v. 8.6.1979 – 4 C 57.77 – juris). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Eine Zulassung des Vorhabens würde zu einer nicht abgrenzbaren Ausuferung des Bebauungszusammenhangs in Richtung Nordosten und damit zu einer Zersiedelung führen. Dass eine klare Eingrenzung nicht möglich ist, zeigt sich dabei schon daran, dass der Kläger selbst in der Vergangenheit Vorbescheidsanträge für ein, zwei, drei oder acht Wohnhäuser gestellt hat. In einer solchen Situation ist von einer Planungsbedürftigkeit auszugehen.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob vorliegend die Möglichkeit einer Einbeziehung eines oder zweier Grundstücke in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile durch Beschluss einer Ortsabrundungssatzung gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB bestünde. Zwar spricht einiges dafür, dass eine solche Ortsabrundungssatzung jedenfalls für das Vorhabengrundstück zulässig wäre, weil dieses nicht an das Gebiet des Bebauungsplans angrenzt, eine solche Lösung würde aber einen entsprechenden Planungswillen seitens des Markts 1. voraussetzen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
III.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
IV.
Die Zulassung der Berufung war nicht veranlasst, weil die entschiedenen Rechtsfragen ständiger Rechtsprechung der Obergerichte entsprechen und eine grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht erkennbar ist (§ 124 Abs. 1 und 2 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung:
Rechtsmittel: Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg schriftlich zu stellen (Haidplatz 1, 93047 Regensburg oder Postfach 110165, 93014 Regensburg).
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Ludwigstraße 23, 80539 München oder Postfach 340148, 80098 München) einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Der Antragsschrift sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden.
Hinweis auf Vertretungszwang: Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich alle Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt bereits für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird, die aber noch beim Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder die anderen in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich auch durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; Einzelheiten ergeben sich aus § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO.
B e s c h l u s s:
Der Streitwert wird auf 10.000,- € festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 9.2 und 9.1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Rechtsmittelbelehrung
Rechtsmittel: Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- EUR übersteigt, oder wenn die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg (Haidplatz 1, 93047 Regensburg oder Postfach 110165, 93014 Regensburg) einzulegen. Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.


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