Baurecht

Beschwerde, Leistungen, Streitwert, Vergabekammer, Beschwerdeverfahren, Zustimmung, Kostenentscheidung, Ausschreibung, Festsetzung, Verfahren, Berechnung, Schriftsatz, Erfolgsaussichten, Antragsgegner, aufschiebenden Wirkung, sofortigen Beschwerde, Beschwerde der Antragstellerin

Aktenzeichen  Verg 6/22

Datum:
25.7.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 19041
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RMF-SG21-3194-7-3 2021-04-27 Bes VKNORDBAYERN Vergabekammer Ansbach

Tenor

1. Der angefochtene Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 27. April 2021, Az. RMF-SG21-3194-7-3, ist mit Ausnahme der darin festgesetzten Gebühren für das Verfahren vor der Vergabekammer durch die Rücknahme des Nachprüfungsantrags wirkungslos geworden.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und des Beschwerdeverfahrens sowie des Verfahrens nach § 173 GWB einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragsgegners und der Beigeladenen.
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Beigeladene für das Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 350.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsgegner hat am 6. Oktober 2021 die Vergabe von Versorgungsleistungen (Warm- und Kaltverpflegung von Asylbewerbern) für die Dependancen des A. M. europaweit ausgeschrieben. Die Antragstellerin, die ein Angebot abgegeben hat, hat sich mit einem Nachprüfungsantrag gegen die beabsichtigte Erteilung des Zuschlags an die Beigeladene gewandt, den die Vergabekammer mit Beschluss vom 30. März 2022 zurückgewiesen hat.
Den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung hat der Senat mangels hinreichender Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin mit Beschluss vom 13. Juni 2022 abgelehnt. Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2022 hat sie den Nachprüfungsantrag zurückgenommen. Zum Streitwert haben sich die Antragstellerin und der Antragsgegner geäußert. Die Beigeladene hat sich den Ausführungen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 19. Juli 2022 angeschlossen.
II.
1. Durch die Rücknahme des Nachprüfungsantrags, die in der freien Disposition des Antragstellers steht und auch im Beschwerdeverfahren ohne Zustimmung der übrigen Beteiligten erklärt werden kann (BGH, Beschluss vom 24. März 2009, X ZB 29/08, NZBau 2009, 466 Rn. 12), ist das Verfahren beendet. Der Beschluss der Vergabekammer ist – abgesehen von der Gebührenfestsetzung – hinfällig und damit gegenstandslos (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. November 2009, VII-Verg 35/09, juris Rn. 10; Schäfer in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 5. Aufl. 2020, GWB § 178 Rn. 29; Vavra/Willner in Burgi/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Aufl. 2022, GWB § 178 Rn. 18), was der Senat in Ziffer 1 des Beschlusstenors deklaratorisch aufgenommen hat.
2. Die Kostenentscheidung bezüglich des Verfahrens vor der Vergabekammer beruht auf § 182 Abs. 3 Satz 5, Abs. 4 Satz 3 GWB. Es entspricht der Billigkeit, dass die Antragstellerin, die sich durch die Rücknahme ihres Nachprüfungsantrags in die Rolle der Unterlegenen begeben hat (vgl. OLG München, Beschluss vom 6. November 2020, Verg 9/20, juris Rn. 4; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Oktober 2020, Verg 13/20, juris Rn. 15; Beschluss vom 20. Mai 2019, VIIVerg 60/18, juris Rn. 9), die Verfahrenskosten und die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners und der Beigeladenen trägt, die sich aktiv am Verfahren beteiligt hat. Gesichtspunkte der Billigkeit, die dafür sprächen, einem Beteiligten hiervon abweichend die Verfahrenskosten aufzuerlegen, sind hier nicht ersichtlich, zumal die Rücknahme des Antrags als Reaktion auf den Senatsbeschluss vom 13. Juni 2022 zu werten ist.
Bezüglich des Beschwerdeverfahrens beruht die Kostenentscheidung auf § 175 Abs. 2 i. V. m. § 71 GWB. Aus den dargelegten Gründen entspricht es der Billigkeit, der Antragstellerin auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der durch den erfolglosen Antrag nach § 173 GWB verursachten Kosten aufzuerlegen.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Beigeladene im Verfahren vor der Vergabekammer war wegen der tatsächlichen und rechtlichen Komplexität des Falles notwendig, § 182 Abs. 4 Sätze 2 und 4 GWB, Art. 80 Abs. 2 und 3 Satz 2 BayVwVfG, wie die Vergabekammer zutreffend festgestellt hat.
Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt gemäß § 50 Abs. 2 GKG (5% des Bruttoauftragswerts). Basis der Berechnung ist die Bruttoangebotssumme der Antragstellerin, die die Leistungen für ein Jahr umfasst. Da die Ausschreibung eine feste Grundlaufzeit von einem Jahr und Verlängerungsoptionen für drei weitere Jahre vorsieht, hat der Senat für das erste Jahr die volle Angebotssumme zugrunde gelegt, für die Folgejahre nur 50% (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 2014, X ZB 12/13). Hieraus errechnet sich ein Streitwert von bis zu 350.000,00 €.
Soweit der Antragsgegner im Schriftsatz vom 19. Juli 2022 den Standpunkt vertritt, es lägen Umstände vor, die einen höheren, bis zu 100% gehenden Ansatz rechtfertigen würden, kann dem nicht gefolgt werden. Zu berücksichtigten ist, dass eine Vertragsverlängerung vorliegend nicht nur vom Willen und den Absichten des Antragsgegners abhängt. Auch erscheint zweifelhaft, dass sich der Bedarf an Versorgungsleistungen für Asylbewerber bzw. Flüchtlinge über die nächsten vier Jahre als so konstant prognostizieren lässt, wie der Antragsgegner geltend macht. Es fragt sich zudem, weswegen die Vergabestelle eine Mindestlaufzeit von nur einem Jahr vorgegeben hat, wenn sie von Anfang an über einen Zeitraum von vier Jahren an dem Dienstleister festhalten wollte, der als Bestbieter den Zuschlag erhält. Zu berücksichtigten ist außerdem, dass die Vorgabe von zeitlich überschaubaren Mindestlaufzeiten (hier: ein Jahr) nicht nur eine rasche Reaktion auf Änderungen im Bedarf ermöglicht, sie stellt auch sicher, dass der Vertrag zeitnah und komplikationsfrei beendet werden kann, wenn man mit der Leistung des Vertragspartners nicht (mehr) zufrieden ist. Diesen Aspekt lässt der Antragsgegner bei seiner Forderung, für die optionalen Jahre bei der Streitwertberechnung 100% der jährlichen Angebotssumme zugrunde zu legen, gänzlich außer Betracht. Hinreichende Gründe, im konkreten Fall von dem vom Bundesgerichtshof angenommenen Regelansatz von 50% für die optionalen Jahre abzuweichen, sind damit nicht dargetan.


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