Baurecht

Beseitigung der Einfriedung wird angeordnet – Schutzzweck des Zauns besteht nicht mehr

Aktenzeichen  RN 6 K 14.2028

Datum:
26.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 128062
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1
BayBO Art. 57 Abs. 1 Nr. 7b, Art. 76 S. 1
BayNatSchG Art. 27 Abs. 3 S. 2, Art. 33 Nr. 1, Art. 34 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Aus dem Erfordernis des „Dienens“ in  Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 b BayBO folgt, dass Einfriedungen zum Schutz von Erstaufforstungen nach Nr. 7 b nur solange von der Baugenehmigungspflicht freigestellt sind, als die Einfriedung auch tatsächlich noch für den Schutz dieser Aufforstung erforderlich ist. (Rn. 17) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Bleibt eine solche Einfriedung über diesen Zeitpunkt hinaus bestehen, handelt es sich baurechtlich gesehen um eine Nutzungsänderung, weil die ursprüngliche Zweckbestimmung der Anlage entfallen ist. (Rn. 17) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 5.11.2014, mit dem das Landratsamt … die vollständige Beseitigung der auf dem klägerischen Grundstück vorhandenen Einfriedung anordnet, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Beseitigungsanordnung ist formell rechtmäßig. Unabhängig davon, ob der Kläger durch die zuständige Forstbehörde mittels der Anschreiben vom 4.4.2013 und 20.3.2012 ausreichend zu einer Beseitigung angehört wurde, ist diese mittlerweile nachgeholt.
Im Schreiben vom 4.4.2013 wurde der Kläger bereits darauf hingewiesen, dass der errichtete Zaun nicht mehr notwendig sei und abgebaut werden müsse. Insoweit wurde damals auf Vorschriften des Bayerischen Abfallwirtschaftsgesetzes und an den zuständigen Revierleiter verwiesen. Nach Angaben des Forstrevierleiters L* …, Forstrevier F* …, in der mündlichen Verhandlung fanden in der Folge Gespräche mit dem Kläger statt, in denen diesem Gelegenheit gegeben wurde, etwaige für ihn maßgebliche Gesichtspunkte vorzutragen. Unabhängig davon wurde die Anhörung während des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt. Nach Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG können Handlungen nach Abs. 1, unter die auch nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG die Nachholung einer erforderlichen Anhörung eines Beteiligten fällt, bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Vorliegend hatte sich die Ausgangsbehörde nach dem durchgeführten Ortstermin am 13.5.2015 mit den vom Kläger vorgetragenen Gründen sowie seinem dargelegten „Konzept“ unter Beteiligung der Fachbehörde erneut beschäftigt und daraufhin mitgeteilt, dass am Bescheid festgehalten werde. Insoweit kann vorliegend davon ausgegangen werden, dass die Behörde ihre Entscheidung im Licht der vorgetragenen Einwendungen in eigener Zuständigkeit nochmals überprüft hat und insoweit dem dem Anhörungsverfahren zugrundeliegenden Rechtsgedanken ausreichend Rechnung getragen wurde.
Die Voraussetzungen für den Erlass der in Nr. 1 des Bescheids verfügten Beseitigungsanordnung sind erfüllt. Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung einer baulichen Anlage anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurde und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Voraussetzung ist folglich grundsätzlich für genehmigungspflichtige Anlagen die formelle Illegalität, d.h. wenn die erforderliche Baugenehmigung nicht vorliegt, sowie die materielle Illegalität, d.h. wenn die Anlage baurechtlich nicht genehmigungsfähig ist.
Die Genehmigungspflicht für die Einzäunung im Außenbereich ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 BayBO, ein Fall der Verfahrensfreiheit i.S.v. Art. 57 BayBO liegt nicht (mehr) vor.
Die Einfriedung wurde vorliegend im Jahr 2000 unstreitig verfahrensfrei nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 b BayBO errichtet. Im planungsrechtlichen Außenbereich sind hiernach offene, sockellose Einfriedungen dann verfahrensfrei, soweit sie dem Schutz einer Forstkultur dienen. Eine Forstkultur, deren Schutz die Einfriedung „dienen“ muss, ist eine aufgeforstete forstwirtschaftliche Fläche und regelmäßig Teil einer größeren Waldfläche (BVerwG, U. v. 6.5.1975, BayVBl 1976, 90; Simon/Busse/Decker BayBO Art. 57 Rn. 237 – beck-online). Aus dem Erfordernis des „Dienens“ folgt, dass Einfriedungen zum Schutz von Erstaufforstungen nach Nr. 7 b nur solange von der Baugenehmigungspflicht freigestellt sind, als die Einfriedung auch tatsächlich noch für den Schutz dieser Aufforstung erforderlich ist. So sind z.B. Forstkulturzäune nicht mehr zum Schutz von Forstkulturen insbesondere gegen Wildverbiss notwendig, wenn diese eine entsprechende Wuchshöhe erreicht haben. Bleibt eine solche Einfriedung über diesen Zeitpunkt hinaus stehen, handelt es sich baurechtlich gesehen um eine Nutzungsänderung, weil die ursprüngliche Zweckbestimmung der Anlage entfallen ist. Die nach Ablauf der verfahrensfreien Zeit erforderliche Baugenehmigung (Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO) kann in aller Regel nicht erteilt werden, weil eine Einfriedung, die ihren Schutzzweck erfüllt hat, dem forstwirtschaftlichen Betrieb auch nicht mehr i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dient (Simon/Busse/Busse/Lechner BayBO Art. 57 Rn. 240 – beck-online). Gleiches muss für den hier gegenständlichen Zaun gelten, der zum Zweck einer Wiederaufforstung und Verjüngung errichtet wurde. Unabhängig davon ist anerkannt (Simon/Busse/Decker BayBO Art. 76 Rn. 89 – beck-online), dass bei verfahrensfreien Vorhaben, die, da sie keiner Genehmigung oder einer sonst wie „gearteten verfahrensrechtlichen Legitimation bedürfen, nicht formell illegal errichtet werden, die Befugnis zur Beseitigung dann besteht, wenn sie dem materiellen Recht, sei es bauordnungs- oder bauplanungsrechtlich oder sonstiges von der Bauaufsichtsbehörde zu prüfendes Recht, widersprechen.“
Vorliegend hat die zuständige Forstbehörde in ihren Stellungnahmen nachvollziehbar dargelegt und in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts erläutert, dass die Voraussetzungen für einen Erhalt der Einfriedung zum Zweck des Schutzes von Forstkulturen, wie sie ursprünglich gegeben waren, nicht mehr vorliegen. Die vom Kläger im Anschluss nach der Errichtung des Wildschutzzauns im Jahr 2000 durchgeführte Wiederaufforstung sowie Verjüngung seines Waldbestandes ist mittlerweile in ausreichendem Umfang erfolgt. Insoweit kann auch davon ausgegangen werden, dass die im Jahr 2007 vorgenommene Nachpflanzung, wie er sie durch die Vorlage von Rechnungen und Quittungen dokumentiert hat, zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses eine entsprechende Wuchshöhe erreicht hatte, so dass diese Pflanzen nicht mehr den Schäden durch Wildverbiss ausgesetzt sind. Die von der Einfriedung umzäunte Fläche war zum damaligen Zeitpunkt wie auch heute vollkommen bestockt, die Anzahl der Bäume völlig ausreichend und ein weiterer Schutz durch das Belassen des im Übrigen teilweise beschädigten Zauns ist, demnach nicht mehr erforderlich. Ohne dass es für das Ergebnis darauf ankommt, lag nach Meinung der Fachbehörde bereits eine „Überausstattung“ an Bäumen vor. Die Vertreter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sehen in ihrer Stellungnahme durchaus, dass sich auf dem Waldgrundstück eine Reihe natürlich nachgewachsener oder vom Kläger gesetzter Jungpflanzen befindet, die noch keine ausreichende Höhe hat und demnach noch der Gefahr von Verbissen und Fegeschäden ausgesetzt ist. Der Klägervertreter legte insoweit auch Bilder von solchen Jungpflanzen vor, die Beschädigungen aufweisen. Der Kläger kann nach der nachvollziehbaren Erläuterung der Vertreter der Forstbehörde jedoch besonders gefährdete Einzelpflanzen, sofern er dies für erforderlich hält, auch durch entsprechende Einzelschutzmaßnahmen sichern. Diese sind auch wirtschaftlich durchführbar, im Einzelfall wäre ggfs. auch die Einzäunung einer kleineren Teilfläche denkbar. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit des die volle Grundstücksfläche umgebenden Zauns kann nicht auf den Schutz einzelner Bäume vor Pflanzenverbiss und Fegeschäden abgestellt werden, solange der Baumbestand wie hier bereits wiederaufgeforstet und verjüngt wurde und dies eine forstwirtschaftliche Bewirtschaftung erlaubt. Die Kriterien für die Erforderlichkeit der Errichtung eines verfahrensfreien Zaunes im Außenbereich sind im Hinblick auf Art. 141 Abs. 3 Bayerische Verfassung, der den Genuss der Naturschönheiten und die Erholung in der freien Natur, insbesondere das Betreten von Wald jedermann gestattet, restriktiv auszulegen und der Bestand einer solchen Einfriedung ist auf den unbedingt erforderlichen Zeitraum zu beschränken. Ginge man davon aus, dass die vom Kläger beschriebene sukzessive Nachverjüngung durch Einzelbäume auf einer größeren Fläche den Erhalt eines das Grundstück voll umschließenden Zauns erforderte, führte dies dazu, dass die vollständige in seinem Eigentum stehende Waldfläche mit einer Größe von mehr als 3 ha über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren dem freien Betreten sowie dem Wildwechsel entzogen würde. Dies steht nicht mehr im Einklang mit dem Zweck eines für den Zeitraum der Wiederaufforstung und Nachverjüngung erforderlichen, Forstschutzzwecken dienenden Zauns. Ein „vernünftiger Forstwirt“, an dem die Behörde ihre Entscheidung ausrichten darf, ist vielmehr gehalten, eine Maßnahme zu einem zeitlich hinnehmbaren Abschluss, der ein Entfernen des Zauns erlaubt, zu bringen. Ohne dass es darauf ankommt, ergibt sich auch aus der Übersicht zur Verbissbelastung im Zuständigkeitsbereich der Forstbehörde für das Jahr 2015, dass sich die allgemeine Situation trotz der in der mündlichen Verhandlung beschriebenen forcierten Beseitigung von Wildschutzzäunen im Landkreis … seit dem Jahr 2009 deutlich verbessert hat.
Die Herstellung rechtmäßiger Zustände auf andere Weise als durch die Beseitigung ist nicht möglich, da die Einfriedung bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Die Anlage befindet sich im bauplanungsrechtlichen Außenbereich i. S. d. § 35 BauGB. Da keine Privilegierung gemäß § 35 Abs. 1 BauGB vorliegt, richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 35 Abs. 2 BauGB. Das sonstige Vorhaben beeinträchtigt ersichtlich den öffentlichen Belang der natürlichen Eigenart der Landschaft sowie das Landschaftsbild.
Unabhängig davon weist der Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid zutreffend auch darauf hin, dass es sich bei dem Wildschutzzaun um eine Sperre i.S.v. Art. 27 Abs. 3 Satz 2 BayNatSchG handelt, die nicht mehr von der Zulässigkeitsregelung nach Art. 33 BayNatSchG gedeckt wird und deren Beseitigung auf Grund von Art. 34 Abs. 3 BayNatSchG angeordnet werden kann.
Die vom Landratsamt getroffenen Ermessenserwägungen entsprechen pflichtgemäßer Ermessensausübung und sind rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. § 114 VwGO). Insbesondere konnte der Kläger als Verhaltensstörer in Anspruch genommen werden (vgl. Art. 9 Abs. 1 LStVG).
Die gesetzte Frist von spätestens vier Wochen nach Unanfechtbarkeit des Bescheides ist angemessen, Bedenken wurden weder vorgetragen noch sind sie ersichtlich. Auch die auf Art. 29, 31, 36 VwZVG beruhende Zwangsgeldandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Höhe des Zwangsgeldes ist angesichts der Bedeutung der Angelegenheit, des wirtschaftlichen Wertes der dauerhaften Nutzung der Flächen und der Vorgeschichte nicht unangemessen.
Aus vorgenannten Gründen war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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