Baurecht

Beseitigungsanordnung, Denkmalschutz, Ensemble, Planabweichendes Bauen, Rückbau

Aktenzeichen  15 ZB 21.3085

Datum:
22.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6522
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 1
BayDSchG Art. 15 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RN 6 K 19.1713 2021-06-15 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 65.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen eine von der Beklagten erlassene Beseitigungsanordnung (Bescheid vom 21.8.2019 über den Rückbau eines planabweichend beim Neubau eines Stadthauses zwischen zwei Dachflächenfenstern errichteten Oberlichts).
Die Beklagte, die zugleich Bauaufsichtsbehörde als auch Denkmalschutzbehörde ist, hat ihren auf Art. 76 Satz 1 BayBO (i.V.m. Art. 15 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG) gestützten Bescheid vom 21. August 2019 dahin begründet, dass die mit dem Kläger denkmalschutzfachlich abgestimmte und baurechtlich genehmigte Planung für den Neubau des Stadthauses, der nach dem Abbruch des an dieser Stelle vormals als Einzeldenkmal geschützten Altgebäudes erfolgte, lediglich zwei kleine (denkmalschutzfachlich als untergeordnet und die Dachfläche nicht bestimmend angesehene) Dachflächenfenster (90 cm x 60 cm) auf der westlichen Dachhälfte vorsehe, während der Kläger abweichend hiervon zusätzlich ein weiteres großes – und aus der Dachfläche herausragendes – Dachflächenfenster (2,93 m x 2,93 m) zum Zweck der (zusätzlichen) Beleuchtung des darunterliegenden Treppenhauses einbauen ließ. Die Beklagte hat weiter ausgeführt, dass im sich anschließenden behördlichen Verfahren zur Lösung des Problems des planabweichenden Bauens klägerische „Vorschläge für eine Verschattung bzw. Verkleidung der Dachverglasung“ denkmalschutzfachlich als nicht zielführend bewertet worden seien. Dem planwidrig errichteten Dachflächenfenster sei auch nicht nachträglich die erforderliche denkmalschutzrechtliche Erlaubnis zu erteilen, weil sich das neu errichtete Gebäude (Stadthaus) im denkmalschutzrechtlich geschützten Ensemble „Altstadt“ der Beklagten befinde, sich das große Dachflächenfenster auf das Erscheinungsbild des Ensembles negativ auswirke und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes gegen diese bauliche Veränderung sprächen. Das streitgegenständliche Dachflächenfenster sei innerhalb des Nahbereichs des Ensembles (insbesondere vom Regierungsplatz aus) einzusehen und wegen der „Größe des Oberlichts im Verhältnis zur sichtbaren Dachfläche“, dessen Lage „deutlich über der Dachfläche“ aufgrund der aus der Dachfläche heraustretenden „Bauweise der Oberlichtkonstruktion“, der „Blendwirkung“ und dem „Spiegelungseffekt“ sowie bei Beleuchtung des Treppenhauses wegen der bei Nacht sichtbaren Lichtfläche denkmalschutzfachlich nicht erlaubnisfähig. Der Ensemblebereich um den Regierungsplatz sei geprägt „durch ausschließlich ziegelgedeckte Dächer mit einigen Gauben und kleineren Dachflächenfenstern“. „Verglasungen in der Größenordnung des zurückzubauenden Oberlichts“ seien „nicht vorhanden bzw. nicht erkennbar“. Vorhanden seien lediglich „einzelne Dachflächenfenster“ in einer Größe von ca. 90 cm × 60 cm, die das Ensemble aufgrund „der Zahl und Größe nicht beeinträchtigen“. Die Beklagte hat weiter ausgeführt, dass der Planer des Bauvorhabens „aufgrund der Konstruktion des Oberlichts eine Verlagerung in die Dachhaut hinein“ nicht für möglich gehalten habe. Eine denkmalschutzrechtlich erlaubnisfähige Änderungsplanung habe sich damit nicht als realisierbar herausgestellt, sodass „ein milderes Mittel als ein Rückbau des Oberlichts“ nicht erkennbar sei. Bei der im Bescheid ausführlich begründeten Ermessensentscheidung hat die Beklagte ferner die gegenteiligen Interessen des Klägers im Einzelnen gewürdigt und mit dem öffentlichen Interesse an der „Wiederherstellung eines ungestörten Ensemblezustands“ abgewogen. Sie hat in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass ein „Oberlicht in dieser Form und Größe“ für sonstige Bauwerber im Ensemblebereich einen „Bezugsfall“ für „Dachflächenfenster und Dachaustritte in erheblicher Größe“ darstelle.
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die auf Aufhebung des Bescheids gerichtete Klage mit Urteil vom 15. Juni 2021 abgewiesen. Das planabweichend errichtete Oberlicht (Dachflächenfenster) sei materiell rechtswidrig, weil ihm gewichtige Gründe des Denkmalschutzes entgegenstünden. Die Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass das planabweichend errichtete Dachflächenfenster denkmalschutzrechtlich nicht (nachträglich) erlaubnisfähig sei. Auch die Ermessensentscheidung der Beklagten, die Beseitigung des Dachflächenfensters in Form einer Rückbauverpflichtung anzuordnen, sei nicht zu beanstanden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens geltend, an der Richtigkeit des Urteils bestünden ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Rechtssache weise außerdem besondere rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und habe grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht habe seine Entscheidung auf der Grundlage „falscher Tatsachen“ getroffen. Es habe nicht berücksichtigt, dass der Neubau des Stadthauses im Vergleich mit dem an derselben Stelle abgebrochenen (vormals als Einzeldenkmal geschützten) Gebäude eine „tatsächliche Verbesserung des Erscheinungsbildes“ innerhalb des Ensembles zur Folge habe und der Kläger beim Neubau ansonsten „allen Forderungen des Landesamts für Denkmalpflege nachgekommen“ sei. Die angenommene Beeinträchtigung des Ensembles durch das streitgegenständliche Dachflächenfenster sei „nicht so schwerwiegend“, dass dem Kläger zuzumuten wäre, das Fenster vollständig zurückzubauen. Die unmittelbare Umgebung des klägerischen Bauvorhabens sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch nicht „durch eine historische Dachlandschaft geprägt“. Das Dachflächenfenster sei im Übrigen von „erhöhten Standorten in der Altstadt“ aus nicht sichtbar. Es sei auch nicht „vom Straßenraum aus gut sichtbar“. Falsch sei auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, das Dachflächenfenster stelle „einen Präzedenzfall für die Begehren zukünftiger Bauwerber im Ensemblebereich“ dar. Derartige Präzedenzfälle „für Bauweisen, welche nicht mit dem Ensemble in Einklang zu bringen“ wären, lägen ohnehin bereits vor. Sowohl im angefochtenen Bescheid als auch im Urteil des Verwaltungsgerichts fehle es – gerade auch im Hinblick auf andere denkmalschutzfachlich gebilligte „Neubausünden“ innerhalb des Ensembles – „an einer vertieften Auseinandersetzung mit den Gründen der Denkmalschutzbehörde“. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 5. Januar 2022 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. An der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger wendet sich im Zulassungsverfahren mit seinem das erstinstanzliche Vorbringen im Wesentlichen wiederholenden Vorbringen gegen die gerichtliche (erstinstanzliche) Würdigung der Sach- und Rechtslage, ohne damit jedoch ernstliche Zweifel an deren Richtigkeit begründen zu können. Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist zu bemerken:
Entgegen der Ansicht des Klägers hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung nicht auf der Grundlage „falscher Tatsachen“ getroffen.
a) Der klägerische Einwand, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Neubau des Stadthauses im Vergleich mit dem an derselben Stelle abgebrochenen (vormals als Einzeldenkmal geschützten) Gebäude eine „tatsächliche Verbesserung des Erscheinungsbildes“ innerhalb des Ensembles zur Folge gehabt habe und der Kläger beim Neubau ansonsten „allen Forderungen des Landesamts für Denkmalpflege nachgekommen“ sei, ist nicht geeignet, die durch das – überdimensionierte und aus der Dachhaut herausragende – Dachflächenfenster eintretende negative Auswirkung auf das Erscheinungsbild des Ensembles zu relativieren oder herabzumindern oder dem klägerischen Interesse nach einer besseren Nutzung des Gebäudes mehr Gewicht zu verleihen. Dies gilt gerade auch im Hinblick auf den – offenbar erst während der Bauausführung vom Kläger erkannten – Wunsch nach einer zusätzlichen Belichtung des unter dem Dach liegenden Treppenhauses und der sich jeweils daran anschließenden Räumlichkeiten des Gebäudes. Diesem Wunsch hätte auch noch während der Bauausführung anstelle des eigenmächtigen planwidrigen Bauens durch eine mit der Beklagten abgestimmte denkmalschutzverträgliche Änderungsplanung Rechnung getragen werden können.
b) Das Verwaltungsgericht hat – nach erfolgter Inaugenscheinnahme des Baugrundstücks und der näheren sowie der weiteren Umgebung – zu Recht ausgeführt, dass Fenster im Dachbereich ein „wichtiges Kriterium des Erscheinungsbildes eines Gebäudes“ darstellen. Es hat festgestellt, dass der „Bereich um den Regierungsplatz“ geprägt ist durch „ausschließlich ziegelgedeckte Dächer mit einigen Gauben und kleineren Dachflächenfenstern“. Es hat ferner festgestellt, dass in der Umgebung des Vorhabens „zwar sehr vereinzelt Dachaufbauten bzw. Einschnitte vorhanden“ seien, von einer „Prägung der Dachlandschaft durch solche neuzeitlichen Einbauten“ jedoch nicht ausgegangen werden könne und das streitgegenständliche Oberlicht somit zu einer (negativen) „Veränderung der Gesamtsituation im Bereich Regierungsstraße/Regierungsplatz“ führe. Das Verwaltungsgericht ist ferner zu der Bewertung gekommen, dass „einzelne im weiteren Umfeld des streitgegenständlichen Gebäudes befindliche Vorbelastungen durch bereits vorhandene Dachflächenfenster oder Dacheinschnitte innerhalb des Ensembles“ weder dessen Schutzwürdigkeit schmälern noch „weitere gleichartige Beeinträchtigungen“ rechtfertigen. Entgegen der Ansicht des Klägers hat das Verwaltungsgericht in seine Bewertung somit auch „Neubausünden“ innerhalb des Ensembles einbezogen, diesen jedoch nicht die vom Kläger geforderte Bedeutung beigemessen.
c) Der klägerischen Bewertung, die Beeinträchtigung des Ensembles durch das streitgegenständliche Dachflächenfenster sei „nicht so schwerwiegend“, dass dem Kläger zuzumuten wäre, das Fenster vollständig zurückzubauen, ist das Verwaltungsgericht in Auseinandersetzung mit der denkmalschutzfachlichen Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege nach alledem zu Recht nicht gefolgt. Die hiergegen gerichteten Einwände des Klägers greifen nicht durch. Weder kommt es bei der gerichtlichen Würdigung der Sach- und Rechtslage darauf an, ob der Kläger die denkmalschutzfachliche Beurteilung etwa zur maßgeblichen Prägung der Dachlandschaft in vollem Umfang teilt noch darauf, inwieweit das streitgegenständliche Dachflächenfenster von öffentlichen Plätzen aus gut oder weniger gut sichtbar ist. Zu Recht geht das Verwaltungsgericht auch davon aus, dass es sich beim streitgegenständlichen Dachflächenfenster um „einen Präzedenzfall für die Begehren zukünftiger Bauwerber im Ensemblebereich“ handelt. Die vom Kläger genannten und im erstinstanzlichen Verfahren erörterten Bezugsfälle „für Bauweisen, welche nicht mit dem Ensemble in Einklang zu bringen“ wären, sind mit dem klägerischen Dachflächenfenster im Übrigen schon deshalb nicht vergleichbar, weil es sich beim Stadthaus um einen denkmalschutzfachlich abgestimmten und gleichwohl planwidrig errichteten Neubau und nicht etwa – wie in den meisten der anderen Bezugsfälle – um einen Altbestand handelt, der aus unterschiedlichen Gründen denkmalschutzfachlich als noch verträglich oder als bis auf weiteres noch zu dulden eingeschätzt werden kann. Der klägerischen Annahme, die Beklagte handele nach dem „Zufallsprinzip“ und „ungleich“ und das Verwaltungsgericht habe es „an einer vertieften Auseinandersetzung mit den Gründen der Denkmalschutzbehörde“ fehlen lassen, folgt der Senat jedenfalls nicht.
2. Die sonstigen vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen ebenfalls nicht vor.
a) Die Rechtssache weist keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der Hinweis des Klägers auf „Grundprobleme sowohl des Bauordnungs- als auch des Denkmalrechts“ begründet noch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache, die vorliegend – wie sonst auch – nach allen maßgeblichen Umständen des Einzelfalles zu beurteilen ist.
b) Ebenso wenig hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die vom Kläger als grundsätzlich zu klären formulierten Fragen betreffen lediglich von der gerichtlichen Würdigung der Sach- und Rechtslage abweichende klägerische Bewertungen des vorliegenden Einzelfalls. Damit hat der Kläger jedoch keine – zumal keine über den Einzelfall hinausgehende – Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der von ihm formulierten Fragen dargelegt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
4. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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