Baurecht

Beseitigungsanordnung, Errichtung eines Gebäudes mit Aufenthaltsqualität anstelle einer genehmigten unterkellerten Doppelgarage mit aufgesetztem Satteldach, Ermessen, Gleichbehandlungsgrundsatz

Aktenzeichen  M 11 K 16.2693

Datum:
17.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 56070
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
BayBO Art. 76
VwGO § 114

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Beseitigungsanordnung gegen die Klägerin zu 1 ist Art. 76 Satz 1 BayBO. Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlichrechtliche Vorschriften errichtet oder geändert, so kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung anordnen.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Das Vorhaben ist formell und materiell baurechtswidrig. Das Vorhaben wurde ohne die gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO erforderliche Genehmigung errichtet – es entspricht insbesondere offensichtlich nicht der erteilten Genehmigung vom … August 2011. Anstelle der genehmigten unterkellerten Doppelgarage mit aufgesetztem Satteldach wurde ein Gebäude geschaffen, das von den genehmigten Planunterlagen in der Kubatur erheblich abweicht. Das Vorhaben entspricht in einer Vielzahl von Punkten (vgl. dazu im Einzelnen die Angaben im angefochtenen Bescheid und im Anhörungsschreiben vom 22.4.2013) nicht den genehmigten Plänen und beschränkt sich mit den im ersten Obergeschoss geschaffenen Aufenthaltsräumen schon im Hinblick auf die Nutzungsart nicht auf eine Garage, sondern stellt ein Gebäude mit Aufenthaltsqualität dar. Ob damit – wie vom Landratsamt im Hinblick auf die Teilrückbauanordnung auf das genehmigte Maß unterstellt – noch eine planabweichende Errichtung vorliegt, oder sich das Vorhaben schlichtweg als aliud zu der erteilten Genehmigung darstellt, kann vorliegend dahinstehen.
Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich nicht genehmigungsfähig. Es befindet sich vollständig außerhalb der durch die Baugrenzen des Bebauungsplans nach Maßgabe von § 23 Abs. 3 BauNVO vorgegebenen überbaubaren Grundstücksfläche. Eine Befreiung nach § 31 BauGB wurde nicht beantragt und wäre auch nicht möglich, da mit der Errichtung eine Gebäudes mit Aufenthaltsqualität vollständig außerhalb der Baugrenzen Grundzüge der Planung berührt wären.
Die vom Landratsamt getroffene Ermessensentscheidung ist nach Maßgabe der durch § 114 Satz 1 VwGO, Art. 40 BayVwVfG vorgegebenen Prüfung nicht zu beanstanden.
Ermessensfehler ergeben sich insbesondere auch nicht aus den behaupteten Baurechtsverstößen in der näheren Umgebung. Die Bauaufsichtsbehörden sind nicht gehindert, gegen baurechtswidrige Vorhaben bauaufsichtlich einzuschreiten, nur weil in der näheren Umgebung andere Baurechtsverstöße geltend gemacht werden. Im Zusammenhang mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG muss die Behörde ihre Ermessensausübung zwar auf sachliche Gründe stützen, vor allem dann, wenn sie gegen bestimmte rechtswidrige Anlagen vorgeht und gegen andere nicht. Soweit in größerem Umfang baurechtswidrig Anlagen errichtet worden sind, muss die Behörde ein nachvollziehbares, auf sachlichen Gründen beruhendes und diskriminierungsfreies Konzept verfolgen (vgl. zu den Anforderungen in solchen Fällen BVerwG, B.v. 27.4.2014 – 4 B 34/14 – juris Rn. 4 m.w.N.; Decker in Simon/Busse, BayBO, 128. EL Dezember 2017, Art. 76 Rn. 232 ff.; Manssen in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsecht Bayern, Stand 1.12.2017, Art. 76 Rn. 54). Der Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG ist jedoch nur berührt, wenn vergleichbare Bezugsfälle vorliegen. Hieran fehlt es vorliegend. Insbesondere die behaupteten abstandsflächenrechtlichen Verstöße eines mehrstöckigen Gebäudes auf dem Grundstück FlNr. 683/17 weisen keine Vergleichbarkeit zu den Verstößen des streitgegenständlichen Vorhabens gegen die bauplanungsrechtlichen Vorgaben zu den überbaubaren Flächen auf. Entsprechendes gilt für die behauptete Zulassung von Vorhaben im Außenbereich. Hinzu kommt, dass es sich bei den streitgegenständlichen Baurechtsverstößen um aktuelle und vorsätzliche Verstöße der Kläger in der erkennbar rechtsirrigen Annahme eines architektonischen Selbsthilferechts gegen die als unzumutbar empfundene Beeinträchtigung durch das mehrstöckige Gebäude auf dem Grundstück FlNr. 683/17 handelt. Ein wie auch immer geartetes schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand des Vorhabens scheidet damit von vornherein aus. Der Beklagte wäre damit selbst im Falle vergleichbarer Bezugsfälle nicht gehindert, gegen solche aktuellen und vorsätzlichen Verstöße gezielt vorzugehen.
Nachdem auch gegen die Störerauswahl mit der Heranziehung der Klägerin zu 1 als Handlungs- und Zustandsstörerin sowie den Erlass einer in entsprechender Anwendung des Art. 76 Satz 1 BayBO erlassenen Duldungsanordnung gegen den Kläger zu 2 sowie die Zwangsgeldandrohungen keine Bedenken bestehen, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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