Baurecht

Beseitigungsanordnung für ein Holzhaus im Außenbereich

Aktenzeichen  1 ZB 18.931

Datum:
5.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13737
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 1
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Ein Vorhaben dient i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB einem landwirtschaftlichen Betrieb nur dann, wenn ein vernünftiger Landwirt dieses Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde und das Vorhaben von dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt wird. Ein Bauwerk, das von seinen Dimensionen her nicht auf die betrieblichen Bedürfnisse abgestimmt ist, wird diesen Anforderungen nicht gerecht. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung kommt nicht darauf an, ob ein Gebäude so umgebaut und umgenutzt werden kann, dass es auch für eine beantragte Nutzung zweckdienlich ist, sondern ob es in der bestehenden Form als privilegiertes Vorhaben hätte errichtet werden können. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Bestandsschutz erlischt, wenn ein Bauwerk durch bauliche Maßnahmen seine ursprüngliche Identität verliert. Dies ist der Fall, wenn der Eingriff so intensiv ist, dass er die Standfestigkeit des gesamten Bauwerks berührt und eine statische Nachberechnung erforderlich macht, oder wenn die Arbeiten den Aufwand für einen Neubau erreichen oder gar übersteigen, oder wenn die Bausubstanz ausgetauscht oder das Bauvolumen wesentlich erweitert wird oder die Baumaßnahmen sonst praktisch einer Neuerrichtung gleichkommen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine angemessene Frist zur Beseitigung einer baulichen Anlage wird nicht dadurch unangemessen, dass während ihres Laufes Umstände eintreten können, die die rechtzeitigte Erfüllung der Verpflichtung hindern. Wegen solcher Umstände kann der Betroffene gegebenenfalls Einwendungen im Vollstreckungsverfahren geltend machen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 K 16.3687 2018-02-15 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen die Beseitigungsanordnung für ein Holzhaus im Außenbereich.
Der Beklagte verpflichtete den Kläger als Bauherrn und Grundstückseigentümer, das lagemäßig näher bezeichnete zweigeschossige Holzhaus mit massivem Untergeschoss bis zum Ablauf von drei Monaten nach Eintritt der Bestandskraft vollständig (einschließlich des Fundaments) zu beseitigen. Auf einen etwaigen Bestandsschutz des Vorgängerbaues komme es nicht an, da aufgrund des Umfanges der Bauarbeiten bzw. des Austausches des Bausubstanz die Neuerrichtung eines Gebäudes vorliege. Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Tatsache, dass der Kläger zwischenzeitlich einen Bauantrag auf Genehmigung des Bestands als Imkerei-Wirtschaftsgebäude gestellt habe, führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Beseitigungsanordnung. Zum einen liege kein schlüssiges, aussagekräftiges Betriebskonzept vor, aus dem sich die Nachhaltigkeit der geplanten Imkertätigkeit ergebe. Zum anderen sei angesichts der Dimensionen des Bestands nicht anzunehmen, dass das Gebäude in diesem Umfang als Imkerei-Wirtschaftsgebäude nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert zulässig sei.
Mit dem Zulassungsantrag wird geltend gemacht, dass die Beseitigungsanordnung rechtswidrig sei, da die in ihr gesetzte Frist von drei Monaten zur Beseitigung des Gebäudes zu kurz bemessen sei. Das Holzhaus liege an einem sehr steil nach Süden abfallenden und stark bewaldeten Hang. Es sei von Süden, Westen und Osten mit Fahrzeugen oder schwerem Gerät nicht zu erreichen. Von Norden sei es nur über eine Wiese, die einem Dritten gehöre und als Grünland genutzt werde, erreichbar. Diese Wiese könne mit Fahrzeugen nur in den Wintermonaten oder nach länger andauernden Trockenperioden mit schwerem Gerät befahren werden. Es sei dem Kläger auch nicht möglich, kurzfristig geeignete Baufirmen zu beauftragen. Es müsse aufgrund des unwegsamen Geländes und der Lage am steilen Hang mehr oder weniger ein personalintensiver Handabbruch vorgenommen werden. Bei der Fristsetzung hätte berücksichtigt werden müssen, dass der Beklagte seit dem Jahr 2007 Kenntnis von dem Objekt gehabt habe. Die Beseitigungsanordnung sei auch unverhältnismäßig, da sich das mitten im Wald gelegene Gebäude für ein Imkerei-Wirtschaftsgebäude eigne. Zudem stehe die vollständige Beseitigung der baulichen Anlage einschließlich der massiv betonierten und teilweise im Erdreich liegenden Fundamente in keinem Verhältnis zum Nutzen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.
Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor bzw. ist nicht dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 -1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall. Weder ist die angeordnete vollständige Beseitigung des Holzhauses unverhältnismäßig noch ist die Beseitigungsfrist von drei Monaten zu kurz bemessen.
Die Beseitigungsanordnung ist nicht rechtswidrig, weil auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können (Art. 76 Satz 1 BayBO). Dabei kann dahingestellt bleiben, wie rechtserhebliche Änderungen nach Erlass der Beseitigungsanordnung berücksichtigt werden können (vgl. BVerwG, B.v. 11.8.1992 – 4 B 161.92 – NVwZ 1993, 476 Berücksichtigung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG in einem gesonderten Verwaltungsverfahren; offen gelassen in BVerwG, U.v. 12.12.2013 – 4 C 15.12 – NVwZ 2014, 454). Denn der nach Erlass der Beseitigungsanordnung gestellte Bauantrag für ein Imkerei-Wirtschaftsgebäude (mit Unterbringung von 30 Bienenvölkern, Schleuder- und Honigverarbeitungsraum sowie Honiglager und Futterraum), das von einem Pächter betrieben werden soll, kann das Gebäude, das nach seiner äußeren Form und inneren Aufteilung als Wohngebäude errichtet wurde, nicht nachträglich rechtfertigen. Ein Vorhaben dient im Sinn des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB einem landwirtschaftlichen Betrieb nur dann, wenn ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – dieses Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde und das Vorhaben zu dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt wird. Ein Bauwerk, das von seinen Dimensionen her nicht auf die betrieblichen Bedürfnisse abgestimmt ist, wird diesen Anforderungen nicht gerecht (vgl. BVerwG, B.v. 31.8.1993 – 4 B 150.93 – juris Rn. 3; U.v. 16.5.1991 – 4 C 2.89 – BauR 1991, 576; U.v. 3.11.1972 – IV C 9.70 – BVerwGE 41, 138). Das vom Kläger errichtete Gebäude ist von seiner äußeren und inneren Gestaltung, die auf den Nutzungszweck als Wochenendhaus ausgerichtet ist, nicht als Bienenhaus oder Imkerei-Wirtschaftsgebäude zu qualifizieren (vgl. BayVGH, U.v. 26.1.1998 – 15 B 95.2784 – juris Rn. 22). Es kommt nicht darauf an, ob das bestehende Gebäude so umgebaut und umgenutzt werden kann, dass es auch für die beantragte Nutzung zweckdienlich ist, sondern ob es in der bestehenden Form als privilegiertes Vorhaben hätte errichtet werden können. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Nebenerwerbsimkerei des Pächters um einen auf Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit angelegten Betrieb handelt. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers bewusst auf § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB als Rechtsgrundlage abgestellt haben sollte und es sich nicht um einen Schreibversehen handelt, gelten für diesen Auffangtatbestand noch strengere Voraussetzungen. Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB sind auf bauliche Anlagen zu beschränken, die der unmittelbaren Unterbringung der Bienen dienen (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2019 – 9 CS 18.2340 – juris Rn. 17).
Auch die Forderung nach der vollständigen Beseitigung der baulichen Anlage ist nicht unverhältnismäßig. Wer eine bauliche Anlage rechtswidrig im Außenbereich errichtet, hat diese vollständig wieder zu beseitigen. Soweit der Kläger geltend macht, dass das Fundament bereits in den zurückliegenden Jahren von den früheren Nutzern des Gebäudes errichtet bzw. verändert worden sei, wird damit eine Rechtmäßigkeit der Baumaßnahmen nicht belegt. Im Übrigen ist der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass ein etwaiger Bestandsschutz durch die aktuellen baulichen Maßnahmen, mit dem das Bauwerk seine ursprüngliche Identität verloren hat, erloschen ist. Ein solcher Identitätsverlust tritt ein, wenn der Eingriff in den vorhandenen Bestand so intensiv ist, dass er die Standfestigkeit des gesamten Bauwerks berührt und eine statische Nachberechnung erforderlich macht, oder wenn die für die Instandsetzung notwendigen Arbeiten den Aufwand für einen Neubau erreichen oder gar übersteigen, oder wenn die Bausubstanz ausgetauscht oder das Bauvolumen wesentlich erweitert wird oder die Baumaßnahmen sonst praktisch einer Neuerrichtung gleichkommen (stRspr. BVerwG, vgl. B.v. 10.10.2005 – 4 B 60.05 – BauR 2006, 481; U.v. 21.3.2001 – 4 B 18.01 – NVwZ 2002, 92; U.v. 14.4.2000 – 4 C 5.99 – NVwZ 2000, 1048).
Die Frist für die vollständige Beseitigung des Gebäudes ist mit drei Monaten angemessen (vgl. OVG Saarl, B.v. 2.12.1991 – 2 R 71/89 – juris Rn. 53; Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand Dezember 2018, Art. 76 Rn. 195). Dabei kann auch berücksichtigt werden, dass der Kläger eine Zimmerei und Dachdeckerei mit 10 Mitarbeitern (siehe die Homepage der Zimmerei S***) betreibt, so dass er für den Abbau größtenteils selbst geeignetes Personal zur Verfügung hat. Soweit er auf das unwegsame Gelände verweist, hat er im Baugenehmigungsverfahren vorgetragen, dass eine Erschließung über die private Wegefläche gegeben sei; der Weg sei ausreichend dimensioniert und befahrbar. Für die Bauarbeiten wurde vom südlich gelegenen Tal her ein Lastenaufzug eingerichtet, der auch für den Abbau genutzt werden kann. Eine angemessene Frist zur Beseitigung einer baulichen Anlage wird auch nicht dadurch unangemessen, dass während ihres Laufes Umstände eintreten können, die die rechtzeitigte Erfüllung der Verpflichtung hindern. Wegen solcher Umstände kann der Betroffene gegebenenfalls Einwendungen im Vollstreckungsverfahren geltend machen (vgl. BayVGH, U.v. 15.12.1987 – 26 B 85 A.47 – BayVBl 1988, 656). Darauf hat die Behörde bereits mit Schreiben vom 24. August 2016 hingewiesen. Der Beklagte musste dem Kläger auch keine Auslauffrist einräumen, da mit der Beseitigungsanordnung nicht der Abbruch eines schon länger bestehenden Gebäudes gefordert wird, von dem die Behörde Kenntnis gehabt hat, sondern die Beseitigung eines neu errichteten Gebäudes.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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