Baurecht

Beseitigungsanordnung hinsichtlich eines im Außenbereich errichteten Wohnhauses anstelle eines zerstörten genehmigten Badehauses

Aktenzeichen  M 11 K 18.1331, M 11 K 18.5288

Datum:
2.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 42276
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 1
BauGB § 35 Abs. 2, Abs. 4 S. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

„Gleichartigkeit“ des neu errichteten und des zerstörten Gebäudes im Sinne des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB bedeutet, dass es im Bauvolumen, in der Nutzung und in der Funktion mit dem zerstörten Gebäude gleichartig ist. Soll der Ersatzbau mit einer Nutzungsänderung verbunden werden, beurteilt sich diese nach § 35 Abs. 2 BauGB (hier unzulässige Änderung der Funktion angenommen bei der Errichtung eines Wohnhauses anstelle eines zerstörten genehmigten Badehauses).  (Rn. 26 – 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klagen bleiben ohne Erfolg. Sie sind zulässig, aber unbegründet.
Die streitgegenständlichen Bescheide vom … Februar 2018 und vom … September 2018 sind rechtmäßig ergangen. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung oder erneute Verbescheidung. Sie werden weder durch die Versagung der Baugenehmigung noch durch die verfügte Baubeseitigung in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung oder – wie hilfsweise beantragt – erneute Entscheidung, da dem Bauvorhaben öffentlichrechtliche Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren – hier im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO – zu prüfen sind, vgl. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO.
Eine Genehmigungsfähigkeit des bereits errichteten, unstrittig genehmigungspflichtigen Gebäudes ist zu verneinen. Als sonstiges Bauvorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB ist das bereits errichtete Vorhaben nicht zulässig, weil öffentliche Belange in mehrfacher Hinsicht beeinträchtigt werden.
1.1 Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich nach § 35 BauGB, da das Vorhaben unstrittig im Außenbereich liegt. Das Landratsamt hat in den streitgegenständlichen Bescheiden zutreffend ausgeführt, dass das nicht privilegierte Vorhaben die natürliche Eigenart der Landschaft im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB beeinträchtigt, zumal das Grundstück im Landschaftsschutzgebiet „H. …“ liegt. Darüber hinaus widerspricht das Vorhaben den Festsetzungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB). Auch ginge von der Zulassung des Vorhabens als sonstigem Vorhaben eine Bezugsfallwirkung aus, die das Entstehen bzw. die Verfestigung einer im Außenbereich unerwünschten Splittersiedlung nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB befürchten ließe.
1.2. Die Klägerinnen können sich demgegenüber nicht auf eine Teilprivilegierung nach § 35 Abs. 4 BauGB berufen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Begünstigungstatbeständen des § 35 Abs. 4 BauGB um eng auszulegende Ausnahmevorschriften handelt, die weder entsprechend auf von den einzelnen Regelungen nicht unmittelbar erfasste Sachverhalte angewendet noch miteinander kombiniert werden dürfen (BayVGH, U.v. 5.2.2007 – 1 BV 05.2981 – juris; BVerwG, NVwZ 1988, S. 357; NVwZ 1998, S. 842).
1.2.1 Insbesondere können sich die Klägerinnen entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten nicht auf den Tatbestand des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB berufen. Dieser Begünstigungstatbestand erfasst die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle.
a) Selbst bei Annahme, dass es sich bei dem heutigen Baubestand um einen alsbald nach dem Brandereignis errichteten Ersatzbau des zerstörten Badehauses handeln sollte, ist die Beklagtenseite zutreffend davon ausgegangen, dass es an einer „Gleichartigkeit“ des neu errichteten und des zerstörten Gebäudes im Sinne des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB fehlt.
aa) „Gleichartigkeit“ des neu errichteten Gebäudes bedeutet, dass es im Bauvolumen, in der Nutzung und in der Funktion mit dem zerstörten Gebäude gleichartig ist (vgl. (BVerwG U.v. 8.6.1979 – 4 C 23.77; U.v. 13.6.1980 – 4 C 63.77; U.v. 23.1.1981 – 4 C 85.77 – jew. juris). Soll der Ersatzbau mit einer Nutzungsänderung verbunden werden, beurteilt sich diese nach § 35 Abs. 2 BauGB (vgl. Söfker in E/Z/B/K, BauGB, § 35, Rn. 154). Um eine unzulässige Änderung der Funktion handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung etwa bei der Errichtung eines Wohnhauses anstelle eines Jagdhauses (vgl. BVerwG U.v. 8.6.1979 – 4 C 23.77 – juris) oder anstelle eines Wochenendhauses (vgl. BayVGH, B.v. 17.8.2010 – 1 ZB 08.912 – juris). Eine geänderte Raumaufteilung oder eine nur untergeordnete Veränderung der Nutzung einzelner Räume berührt die Gleichartigkeit demgegenüber nicht (BVerwG, U.v. 23.1.1981 – 4 C 85.77 – juris).
Bei dem heutigen Gebäudebestand handelt es sich unstrittig um ein Gebäude, das dem dauerhaften Wohnen dient. Der Auffassung der Klägerseite, wonach es sich auch bei dem ursprünglich genehmigten Badehaus zumindest in einer Art „Doppelfunktion“ um ein genehmigtes Wohngebäude handeln soll, ist nicht zu folgen. Der städtebauliche Begriff des Wohnens umfasst eine auf gewisse Dauer angelegte, eigenständige Gestaltung des häuslichen Lebens auf der Grundlage eines freiwilligen Aufenthalts und bezieht sich auf die baulichräumliche Ausgestaltung und Ausstattung des Gebäudes sowie seine objektive Zweckbestimmung (vgl. Stock in E/Z/B/K, BauNVO, § 3, Rn. 36). Zum Wohnen gehören bestimmte Ausstattungsmerkmale des Gebäudes, vor allem ein entsprechender Grundriss sowie eine Küche oder Kochgelegenheit, Wasserversorgung, Ausguss und Toilette (vgl. Stock in E/Z/B/K, BauNVO, a.a.O). Darüber hinaus erfasst die Teilprivilegierung nur bisher zu Dauerwohnzwecken und als ständige Hauptwohnung genutzte Wohngebäude (vgl. BayVGH, B.v. 17.8.2010 – 1 ZB 08.912 – juris Rn. 18 zu § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB). Keine Wohngebäude oder Wohnnutzungen in diesem Sinne sind daher Wochenendhäuser oder Ferienwohnungen (vgl. Stock in E/Z/B/K, BauNVO, § 3, Rn. 41 m.w.N.).
Dies zugrunde gelegt, wurde in den Jahren 1959/ 1960 ein Wohngebäude weder beantragt noch genehmigt. Die genehmigten Planunterlagen sehen keinerlei Küche/ Küchenzeile oder auch nur einen sonstigen „Wohnbereich“ vor. Bei den als „Dame“ bzw. „Herr“ bezeichneten Räumen wie auch der „Halle“ handelt es sich nach der Anordnung der Räume und unter Zugrundelegung der im Bauantrag angegeben Zweckbestimmung des Vorhabens (zu deren Maßgeblichkeit vgl.: Stock in E/Z/B/K, BauNVO, § 3, Rn. 42) als „Badehaus“ erkennbar um bloße Ruhe- bzw. Aufenthaltsräume, die der dominierenden Schwimm- bzw. Saunanutzung zugeordnet sind und lediglich der temporären Erholung dienen. Ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme, lässt sich der Baubeschreibung vom 1. Dezember 1959 zudem nicht entnehmen, dass eine Wohnnutzung beantragt gewesen wäre. Insbesondere wurde Ziff. 8 der Baubeschreibung zur Aufteilung des Gebäudes in Wohnungen nicht ausgefüllt bzw. der Begriff „Raumwohnung“ sogar ausgestrichen. Allein der Umstand, dass im Zusammenhang mit den Flächenberechnungen die Formulierung „nutzbare Wohnfläche nach DIN 283“ verwendet wurde, führt nicht dazu, dass vorliegend von der Beantragung oder gar von der Genehmigung eines Wohngebäudes auszugehen wäre.
Soweit von Seiten des Klägerbevollmächtigten vorgetragen wurde, dass das Schwimmbecken Teil einer „Gesamtwohnnutzung“ des Badhauses bzw. des Ersatzbaus gewesen sei, fehlt es an letzterer damit gerade. Insoweit ist der vorliegende Sachverhalt auch nicht vergleichbar mit der Sachverhaltskonstellation einer Schwimmhalle z.B. im Kellerbereich eines Wohngebäudes, sofern diese dem Wohnen untergeordnet ist.
bb) Für die Genehmigungslage nicht entscheidungserheblich ist ferner der Vortrag, wonach in das Badehaus zu einem späteren Zeitpunkt eine Küchenzeile eingebaut worden sei und eine Wohnnutzung durch Gäste und/ oder einen Bademeister zumindest „zeitweise“ stattgefunden habe. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die zur Annahme eines „Wohngebäudes“ i. S. d. § 35 Abs. 4 BauGB erforderliche Nutzung als ständige Hauptwohnung zu Dauerwohnzwecken damit bereits nicht dargetan wurde.
Selbst wenn das Gebäude bereits vor dem Brand zur (Dauer-)Wohnnutzung verwendet worden sein sollte, ändert dies weder die Genehmigungslage, noch führt eine derartige Nutzung zu einem Bestandsschutz aufgrund zumindest zeitweise bestehender materieller Legalität. Zwar soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für das Merkmal des „zulässigerweise errichteten“ Gebäudes ausreichen, dass das Gebäude zu irgendeinem Zeitpunkt seines Bestehens zumindest materiell genehmigungsfähig gewesen wäre (vgl. BVerwGE, 124 (126 f.) = NJW 1980, 110 zu § 35 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BauGB 1976; Söfker in E/Z/B/K, BauGB, § 35, Rn. 143, 147 und 151 m.w.N.). Ein überwirkender Bestandsschutz, der generell auch Änderungen der genehmigten Nutzung umfassen würde (sog. aktiver Bestandsschutz) ist demgegenüber außerhalb der gesetzlichen Regelungen nicht mehr anzuerkennen (vgl. Simon/Busse/Decker, BayBO, Art. 76, Rn. 119 ff.; BVerwG, v. 1.12.1995).
Die Aufnahme einer Dauerwohnnutzung im Außenbereich war weder vor noch nach dem Inkrafttreten der Bayerischen Bauordnung von 1962 genehmigungsfähig, auch wenn Nutzungsänderungen nach der Bayerischen Bauordnung von 1901 bis zum Inkrafttreten der Bayerischen Bauordnung von 1962 nicht genehmigungspflichtig waren. Nach § 3 Abs. 1 der am 1. März 1936 in Kraft getretenen Verordnung über die Regelung der Bebauung vom 15. Februar 1936 (Reichsgesetzblatt I S. 104) sollte die baupolizeiliche Genehmigung für bauliche Anlagen, die außerhalb von Baugebieten oder soweit solche nicht ausgewiesen sind, außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils ausgeführt werden sollen, versagt werden, wenn ihre Ausführung der geordneten Entwicklung des Gemeindegebiets oder einer ordnungsgemäßen Bebauung zuwiderlaufen würde. Auch damals sollte der Außenbereich grundsätzlich von Bebauung freigehalten werden (vgl. VG München, U.v. 28.10.2010 – M 11 K 10.278). Die Rechtmäßigkeit der Genehmigung des ursprünglichen Badehauses im Jahr 1960 erscheint vor diesem Hintergrund zweifelhaft, kann angesichts der Bestandskraft des Bescheides aber dahingestellt bleiben.
Insgesamt bleibt damit festzuhalten, dass es – selbst unter Berücksichtigung eines etwaigen Bestandsschutzes – an einer Gleichartigkeit des neu errichteten Gebäudes mit dem zerstörten Badehaus § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB fehlt.
b) Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es auch an der Voraussetzung einer „alsbaldigen“ Neuerrichtung nach dem Brandereignis im Jahr 1999 fehlen dürfte. Weder den Akten noch dem Vortrag der Klägerseite ist zu entnehmen, welche Anlage im Jahr 1999 im Bereich des vormaligen nördlichen Gebäudeflügels errichtet wurde. Das Gericht teilt insofern die Einschätzung der Beklagtenseite, dass es sich bei dem heutigen Gebäudebestand wohl nicht um den nach dem Brandereignis im Jahr 1999 errichteten Ersatzbau handeln dürfte. Die in den Akten befindlichen Lichtbilder zeigen über dem (erhaltenen) Hallenbecken offenbar eine Art Satteldach-Sichtstuhl-Konstruktion in massiver Holzbauweise (vgl. Fotos Bl. 65 ff. des Gehefts „Brandschaden/ Wiedererrichtung mit Verkleinerung 1999“), die sich im heutigen Baubestand so nicht wiederfindet und demnach offenbar nachträglich wieder beseitigt wurde. Nach dem Vortrag der Klägerseite wurde das Hallenbecken zudem erst im Jahr 2012 aufgelassen, sodass völlig unklar ist, in welchen der 1999 errichten Räumlichkeiten eine Wohnnutzung – und zwar in der Form einer Dauerwohnnutzung im Hauptwohnsitz – stattgefunden haben soll. Sollte es sich – wofür vorliegend einiges spricht – bei dem heutigen Baubestand um den Ersatzbau eines ersten Ersatzbaus handeln, scheidet eine Teilprivilegierung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB von vornherein aus, da andernfalls die engen Tatbestandsvoraussetzungen – gerade im Hinblick auf den engen Zeitzusammenhang zum Schadensereignis – umgangen würden. Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen zur Annahme einer „alsbaldigen Neuerrichtung“ liegt bei den Klägerinnen. Soweit sich der in der mündlichen Verhandlung beantragte Zeugenbeweis auch auf das im Jahr 1999 errichtete Gebäude und die (Nicht-)Vornahme einer Änderung des Dachstuhls bezog, war dem mangels Entscheidungserheblichkeit (s. dazu die Ausführungen unter Rn. 26 ff. sowie Rn. 37) nicht nachzukommen.
1.2.2 Ebenso scheidet eine erleichterte Zulassung der Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB aus, da es sich bei dem Badehaus – wie ausgeführt – bereits nicht um ein Wohngebäude handelte. Sonstige (Teil-)Privilegierungstatbestände sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
1.3 Im Übrigen besteht auf die begehrte Baugenehmigung auch deshalb kein Anspruch, weil von Klägerseite nach wie vor kein Nachweis der gesicherten Erschließung im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB erbracht wurde. Dass die derzeitige Erschließungssituation unzureichend ist, wird von Klägerseite nicht bestritten. Der in den eingereichten Planunterlagen enthaltene Vermerk ist zum Nachweis einer gesicherten kanalmäßigen Erschließung nicht ausreichend. In Hinblick auf die verkehrliche Erschließung sei zudem angemerkt, dass die von Klägerseite im Verfahren nicht weiter thematisierte Neuerrichtung eines Carports deutlich zeigt, dass sich durch die heutige Dauerwohnnutzung andere außenbereichsrelevante Anforderungen ergeben, als dies durch etwaige frühere temporäre Nutzungen der Fall gewesen sein mag.
2. Soweit hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten zur Neuverbescheidung beantragt wurde, hat auch dieser Antrag keinen Erfolg. Die getroffene Entscheidung des Landratsamts ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
3. Schließlich ist auch die auf Grundlage des Art. 76 BayBO erlassene Beseitigungsanordnung rechtlich nicht zu beanstanden.
3.1 Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von im Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften errichteten oder geänderten Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Diese Voraussetzungen liegen vor. Nach den obigen Ausführungen scheidet die erforderliche nachträgliche Genehmigung des Vorhabens zur Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände aus, sodass das gegenständliche Gebäude formell und materiell baurechtswidrig ist.
3.2 Das vom Landratsamt im Bescheid vom … Februar 2018 ausgeübte Ermessen ist im Rahmen des nach § 114 Satz 1 VwGO im gerichtlichen Verfahren eingeschränkten Prüfungsumfangs nicht zu beanstanden.
Der Bescheid leidet im Hinblick auf die Ermessensausübung weder unter formalen Begründungsmängeln i. S. v. Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG noch unter materiellen Ermessensfehlern nach Maßgabe von § 114 VwGO. Bei der Ermessensentscheidung, ob eine im Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften errichtete bauliche Anlage zu beseitigen ist, genügt es regelmäßig, dass die Behörde zum Ausdruck bringt, der beanstandete Zustand müsse wegen seiner Rechtswidrigkeit beseitigt werden (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2012 – 1 ZB 11.1210 – juris). Diesen Anforderungen wird der streitgegenständlichen Bescheid ohne Weiteres gerecht. Das Landratsamt ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beseitigung des rechtswidrig errichteten Gebäudes zur Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände und zur Vermeidung von Bezugsfällen pflichtgemäßem Ermessen entspricht.
Die Beseitigungsanordnung ist zudem geeignet, um rechtmäßige Zustände herzustellen und auch verhältnismäßig. Zwar handelt es sich um einen intensiven Eingriff, da das streitgegenständliche Vorhaben aber unter keinem Gesichtspunkt materiell genehmigungsfähig ist (s.o.), kommen mildere Mittel wie die Aufforderung zur Stellung eines Bauantrags oder eine Nutzungsuntersagung (Art. 76 Satz 2 und 3 BayBO) nicht in Betracht. Auch ein etwaiger Rückbau in eine Schwimmhalle scheidet bereits deshalb aus, weil der Bestandschutz des vormaligen Badehauses durch die Neuerrichtung bzw. Umnutzung in ein Wohngebäude erloschen ist. Auf die zutreffenden Ausführungen des streitgegenständlichen Bescheids wird insoweit Bezug genommen.
Die Berücksichtigung des wirtschaftlichen Schadens, der durch die Beseitigung des Gebäudes entsteht, wie auch der durch den Rückbau entstehenden Kosten kann nicht dazu führen, dass derjenige, der sich baurechtswidrig verhält, gegenüber dem rechtstreuen Bauherrn bevorzugt wird, der sich vor der Errichtung des Bauvorhabens bei der Bauaufsichtsbehörde vergewissert, ob das Bauvorhaben mit den öffentlichrechtlichen Vorschriften vereinbar ist. Soweit von Klägerseite insofern ein Ermessensausfall unter allgemeinem Verweis auf die jeder Beseitigungsanordung wohnwirtschaftlich verwendbarer Anlagen innewohnenden finanziellen Belastungen gerügt wurde, wird verkannt, dass die Klägerinnen (bzw. deren Rechtsvorgänger) dieses finanzielle Risiko durch die Errichtung/ Umnutzung des Gebäudes ohne Einholung einer vorherigen Baugenehmigung eingegangen sind. Im Übrigen wurden weder der behauptete „atypische Sachverhalt“ noch das Vorliegen einer besonderen Härte substantiiert vorgetragen. Vom Verlust des Wohnraums sind die Klägerinnen ohnehin nicht unmittelbar betroffen – anders als die Bewohner, die gegen die Duldungsverfügung jedoch nicht vorgegangen sind.
4. Schließlich ist auch die auf Grundlage der Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1 und 2, Art. 36 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) erlassene Zwangsgeldandrohung nicht zu beanstanden. Einwendungen wurden von Klägerseite insoweit nicht erhoben.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die im Verfahren M 11 K 18.5288 Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst, da sie mangels Antragstellung kein Kostenrisiko eingegangen ist (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.


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