Baurecht

Bestimmtheit der Betriebsbeschreibung für bordellartigen Betrieb

Aktenzeichen  M 8 K 15.1354

Datum:
25.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34
BauNVO BauNVO § 8, § 15 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Eine Betriebsbeschreibung eines Bordells ist zu unbestimmt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Mieterinnen die Räumlichkeiten nicht nur zu gewerblichen Zwecken nutzen können, sondern teilweise auch zum Wohnen nutzen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Trotz Qualifizierung eines Bordellbetriebs als Gewerbebetrieb aller Art iSd § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO kann aufgrund des Rücksichtnahmegebots das Vorhaben im Einzelfall unzulässig sein. (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein großdimensionierter Bordellbetrieb mit angegliederter Spielhalle kann zu einem “tradingdown-Effekt” für das umliegende Gewerbegebiet führen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage bleibt in der Sache ohne Erfolg, da der Klägerin keinen Rechtsanspruch auf die Erteilung der beantragten Baugenehmigung hat, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Es kann dahinstehen, ob das Vorhaben verfahrensmäßig im vereinfachten Verfahren nach Art. 59 BayBO oder als Sonderbau entsprechend Art. 2 Abs. 4 Nrn. 8, 20 BayBO im umfassenden Genehmigungsverfahren nach Art. 60 BayBO zu behandeln wäre. Die beantragte Nutzungsänderung des streitgegenständlichen Gebäudes in einen bordellartigen Betrieb ist jedenfalls nach Art. 68 BayBO i. V. m. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO nicht genehmigungsfähig, da sie bauplanungsrechtlich unzulässig ist.
1. Bauplanungsrechtlich beurteilt sich das Vorhaben nach § 34 Abs. 1 BauGB. Danach ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung (BauNVO), beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der BauNVO in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre, § 34 Abs. 2 BauGB.
Vorliegend stellt sich die Umgebungsbebauung unstreitig auch nach dem Sachvortrag der Parteien als Gewerbegebiet im Sinne von § 8 BauNVO dar, so dass gemäß § 34 Abs. 2 BauGB das Einfügensmerkmal der Art der baulichen Nutzung allein anhand des Maßstabes des § 8 BauNVO zu beurteilen ist. Zur maßgeblichen näheren Umgebung gehört dabei nicht mehr die gegenüber liegende Seite der …-straße, da diese eine deutlich unterschiedliche und anders geartete Bebauung aufweist. Während das Geviert, in dem das streitgegenständliche Vorhaben gelegen ist, durch mehrgeschossige größere Bürogebäude geprägt ist, befinden sich auf der östlichen Seite der …-straße auf im Verhältnis großen Grundstücken nur kleine ein- und zweigeschossige Gebäude.
Die beantragte Nutzungsänderung widerspricht im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung unter zwei Aspekten den Vorgaben des § 8 BauNVO.
Zum einen ist die Betriebsbeschreibung vom 1. August 2014 zu unbestimmt, insbesondere kann danach sowie aufgrund der aus den Eingabeplänen ersichtlichen Ausstattung der einzelnen Geschosse bzw. Bordellbetriebe mit Küchen/Aufenthaltsräumen und Sanitärräumen nicht ausgeschlossen werden, dass die Zimmer von den Mieterinnen nicht nur zu gewerblichen Zwecken genutzt werden, sondern dass diese darüber hinaus dort zumindest teilweise auch wohnen. Zum anderen widerspricht das beantragte Vorhaben aufgrund der in der näheren Umgebung bereits zahlreich vorhandenen Bordellbetriebe gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO der Eigenart des Baugebiets und verstößt insoweit auch gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot.
2. Die Betriebsbeschreibung vom 1. August 2014 ist zu unbestimmt und daher keine geeignete Grundlage für die Erteilung der beantragten Baugenehmigung, da insbesondere die in einem Gewerbegebiet grundsätzlich unzulässige Wohnnutzung nicht ausgeschlossen wird.
2.1 Die vorliegende Betriebsbeschreibung enthält bereits keine Angaben, wie viele Zimmer in dem streitgegenständlichen Gebäude für die Bordellnutzung bereitgehalten werden sollen. Es wird lediglich angegeben, dass die bordfellartige Nutzung und Massage im Erdgeschoss, 1. Obergeschoss, 2. Obergeschoss und Dachgeschoss erfolgen soll. Über die Nutzung des 3. Obergeschosses wird nichts gesagt. In allen Eingabeplänen ist dagegen der Inhalt des Bauantrags mit „Nutzungsänderung für die Geschosse Erdgeschoss, 1. Obergeschoss, 2. Obergeschoss, 3. Obergeschoss und Dachgeschoss“ bezeichnet, und auch für jedes dieser Geschosse wurde ein eigener Plan eingereicht, insbesondere auch für das 3. Obergeschoss, das ausweislich des Ergebnisses des Augenscheins auch als Bordellbetrieb genutzt wird (vgl. Protokoll vom 26.1.2016, S. 3). Alle eingereichten Pläne tragen auch den Ablehnungsstempel der Beklagten. Damit ist bereits unklar, auf welche Geschosse sich der Bauantrag bezieht. Die Angaben im Bauantragsformular und die Angaben in den eingereichten Plänen sowie die vorgelegten Pläne sind insoweit widersprüchlich. Es kann jedoch dahinstehen, ob der Bauantrag insoweit bereits in sich widersprüchlich ist.
2.2 Denn die Betriebsbeschreibung vom 1. August 2014 enthält jedenfalls keine Angaben dazu, dass eine Wohnnutzung bzw. wohnähnliche Nutzung ausgeschlossen ist, und ist schon allein deshalb als Grundlage für die Erteilung einer Baugenehmigung für die beantragte Bordellnutzung in einem Gewerbegebiet zu unbestimmt.
Gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO dienen Gewerbegebiete vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Zulässig sind gemäß § 8 Abs. 2 BauNVO Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe, Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude, Tankstellen sowie Anlagen für sportliche Zwecke. Gemäß § 8 Abs. 3 BauNVO können ausnahmsweise Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter zugelassen werden, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind. Die einzig ausnahmsweise zulässige Wohnnutzung besteht somit für Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter. Ansonsten sind in Gewerbegebieten keinerlei wohngenutzte Anlagen oder Einrichtungen zulässig. Von daher widerspricht die nach der Betriebsbeschreibung maßgebliche beantragte Nutzung schon im Hinblick auf die nicht von vornherein untergeordnete Nutzung der Räumlichkeiten auch zum Wohnen bzw. als Wohnungsersatz der Mieterinnen den Vorgaben des § 8 BauNVO (vgl. BVerwG, U. v. 29.4.1992 – 4 C 43/89, BVerwGE 90, 140 juris Rn. 21; BayVGH, B. v. 2.5.2006 – 2 BV 05.1739 – juris Rn. 14).
In der Betriebsbeschreibung vom 1. August 2014 wird die Anzahl der Beschäftigten mit „ca. 23 Damen“ angegeben. Verglichen mit der Anzahl von 34 Zimmern heißt das, dass jeder Prostituierten ein eigenes Zimmer zur Verfügung steht. Selbst wenn man das nach dem Wortlaut der Betriebsbeschreibung nicht in den Antrag einbezogene 3. Obergeschoss mit 8 Zimmern in Abzug bringt, stehen immer noch 26 Zimmer den 23 Beschäftigten gegenüber. Damit kann jeder der weiblichen Beschäftigten gegebenenfalls auch für längere Zeit ein Zimmer überlassen werden.
Ferner enthält die Betriebsbeschreibung unter der Nr. 2 „Betriebszeit“ die Angabe, dass an Werktagen eine 1. Schicht von ca. 11:30 bis 22:00 Uhr und eine 2. Schicht von ca. 22:00 bis 2:00 Uhr vorgesehen ist. Was unter dem Begriff der „Schicht“ genau zu verstehen ist, wird nicht ausgeführt, insbesondere ob die Prostituierten nach der Schicht die Zimmer verlassen müssen. Dadurch wird nicht ausgeschlossen, dass zumindest diejenigen, deren „Schicht“ erst nach 22.00 Uhr oder sogar erst um zwei Uhr morgens beendet ist, in den ihnen überlassenen Räumen übernachten. Hinzu kommt, dass nach der Betriebsbeschreibung an Sonn- und Feiertagen eine „geringe Nutzung wegen Wechsel der Beschäftigten“ stattfinden soll. Das bedeutet weder, dass die Tätigkeit jeweils nach einer Woche beendet wird, noch schließt es aus, dass dort tätige Personen dort auch wohnen. Weiter gibt es keine Angaben dazu, ob die Beschäftigten in … und Umgebung ansässig sind oder ob die Zimmer auch an Interessentinnen von Auswärts überlassen werden sollen. Zumindest im letzteren Falle erscheint es unwahrscheinlich, dass diese sich für den Zeitraum ihrer Tätigkeit in einem der Bordelle noch eine weitere Unterkunft in … beschaffen werden.
2.3 Hinzu kommt, dass auch die eingereichten Eingabepläne eine Wohn- bzw. wohnähnliche Nutzung nahelegen. Danach verfügt jedes Geschoss über eine Küche und einen Personalraum sowie ein größeres Badezimmer für jeweils 4 Zimmer (im Dachgeschoss für 3 Zimmer). Damit entspricht die Ausstattung durchaus derjenigen eines Wohnheimes und ist zumindest für eine vorübergehende Wohnnutzung ausreichend. Vor allem erschließt sich nicht, wozu in einem reinen Bordellbetrieb eine eigene Küche für jeweils 4 Zimmer erforderlich ist. Unter derartigen Bedingungen wird zumindest eine nicht in … ansässige Beschäftigte sich kaum um eine anderweitige (weitere) Unterkunft für die Zeit nach Ende ihrer Schicht bemühen.
Dies alles nötigt zu dem Schluss, dass den Prostituierten nicht nur die Ausübung ihres Gewerbes ermöglicht wird, sondern ein für nicht nur kurzfristige Übernachtungen geeigneter Wohnersatz geboten werden soll. Auch die den Prostituierten zur Verfügung gestellte Sauna sowie Solarium im Dachgeschoss des Vordergebäudes …-str. 19 (vgl. Protokoll des Augenscheins) deuten darauf hin, dass diese in den Räumlichkeiten nicht nur arbeiten, sondern auch wohnen. Diese Gesamtumstände, die Ausstattung der vorgesehenen Räumlichkeiten sowie die Betriebszeiten von 11.30 Uhr bis 22.00 bzw. 2.00 Uhr morgens lassen eine entsprechende Wohnnutzung durchaus naheliegend erscheinen (vgl. BayVGH, B. v. 2.5.2006 – 2 BV 05.1739 – juris Rn. 14).
In einer derartigen Konstellation müsste die Betriebsbeschreibung, um diese nahe-liegende Nutzungsart zu verhindern, ausdrücklich eine entsprechende Wohnnutzung ausschließen, was vorliegend aber nicht der Fall ist (vgl. VG München, U. v. 16.11.2015 – M 8 K 14.2393).
2.4 Aber auch wenn man die Nutzung zum Aufenthalt durch die Mieterinnen nicht als Wohnnutzung qualifizieren wollte, so wäre nach der vorliegenden Betriebsbeschreibung und den eingereichten Plänen in jedem Fall eine wohnähnliche Nutzung mit Wohnheimcharakter als Wohnungsersatz nicht von vornherein ausgeschlossen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind im Gewerbegebiet Beherbergungsbetriebe, in denen gewohnt wird oder die wohnähnlich genutzt werden, unzulässig (BVerwG, U. v. 29.4.1992 – 4 C 43/89, BVerwGE 90, 140 juris Rn. 20 f.; vgl. auch BayVGH, B. v. 2.5.2006 – 2 BV 05.1739 – juris Rn. 14). Die Betriebsbeschreibung ist jedenfalls, was die Frage der Wohnnutzung betrifft, nicht eindeutig, ein Wohnen oder zumindest eine Nutzung der Räume im Sinne eines Betriebes mit Wohnheimcharakter werden dadurch nicht ausgeschlossen, obwohl eine solche Nutzung nach den Gesamtumständen überaus naheliegend ist. Damit können die Zimmer ohne Verstoß gegen die Betriebsbeschreibung auch zu Wohnzwecken genutzt werden.
Die vorgelegte Betriebsbeschreibung ist daher zu unbestimmt und schließt die Nutzung der Zimmer zu Wohnzwecken bzw. wohnähnlichen Nutzung mit Wohnheimcharakter nicht aus. Mit dieser mit der gewerblichen Nutzung einhergehenden möglichen Wohnnutzung bzw. wohnähnlichen Nutzung ist das Vorhaben nicht mit § 8 BauNVO vereinbar und damit nach der Art der baulichen Nutzung unzulässig.
3. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Bordelle oder bordellähnliche Betriebe nach der Art der Nutzung grundsätzlich „Gewerbebetriebe aller Art“ im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO (vgl. BVerwG, B. v. 2.11.2015 – 4 B 32/15 – juris Rn. 4; B. v. 5.6.2014 – 4 BN 8/14 – juris Rn. 10; U. v. 25.11.1983 – 4 C 21.83, BVerwGE 68, 213 – juris Rn. 9).
3.1 Trotz der grundsätzlichen Einordnung eines Bordellbetriebs als „Gewerbebetrieb aller Art“ im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO kann ein Bordellbetrieb im Einzelfall im Gewerbegebiet gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässig sein, wenn er „nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widerspricht“ oder wenn von ihm „Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind“. „Nach Anzahl“ kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Bordell der Eigenart eines Gewerbegebiets widersprechen, wenn in dem Gebiet bereits ein solcher Betrieb oder gar eine Mehrzahl vorhanden ist (vgl. BVerwG, U. v. 25.11.1983 – 4 C 21/83, BVerwGE 68, 213 – juris Rn. 14). Diese auf den Einzelfall bezogene Beschränkung aufgrund des Rücksichtnahmegebots gilt auch für unbeplante Gebiete, deren Eigenart gemäß § 34 Abs. 2 BauGB einem Plangebiet der Baunutzungsverordnung entspricht (vgl. BVerwG, B. v. 12.2.1990 – 4 B 240/89 – juris Rn. 7). Nach den dem Gericht in den Akten vorliegenden Unterlagen sowie dem Ergebnis des Augenscheines befinden sich in der näheren Umgebung des streitgegenständlichen Vorhabens folgende Bordelle bzw. bordellartige Nutzungen:
…-str. 19 Vordergebäude: drei Betriebe und 15 Zimmern (nicht genehmigt);
…-str. 19 a Gartenhaus: ein Betrieb mit 4 Zimmern (genehmigt);
…-str. 19 b Rückgebäude: ein Betrieb mit 5 Zimmern (genehmigt).
Die Genehmigungen für den Betrieb für erotische Massagen im Gartenhaus …-str. 19 a datiert vom 20. Oktober 2001, die Genehmigung für den Betrieb in …-str. 19 b vom 9. August 2004. Sämtliche Betriebe befinden sich auf einem einzigen Grundstück, das im Eigentum der Klägerin steht. Hierzu kommt ein weiterer Betrieb auf dem gegenüber liegenden Grundstück …-str. 22 (Genehmigung vom 29. September 2015). Dabei kann dahinstehen, ob dieser Betrieb Berücksichtigung findet, da jedenfalls auch ohne dessen Berücksichtigung allein auf dem streitgegenständlichen Grundstück zwei Betriebe mit insgesamt 9 Zimmern genehmigt sind und nach dem Ergebnis des Augenscheins darüber hinaus mindestens 9 weitere Betriebe mit zusammen 48 Zimmern ohne die erforderliche Genehmigung auf dem streitgegenständlichen Grundstück betrieben werden. Bei Hinzutreten des streitgegenständlichen Gebäudes …-straße 19 b – Rückgebäude kämen weitere 34 Zimmer hinzu, bzw. ohne das 3. Obergeschoss 26 Bordellzimmer, wodurch die Gesamtzahl auf 43 bzw. 35 Zimmer ansteigen würde. Die Anzahl der Bordellbetriebe auf dem streitgegenständlichen Grundstück würde sich damit mehr als verdoppeln, selbst wenn man das 3. Obergeschoss unberücksichtigt lässt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Bordell der Eigenart eines Gewerbegebiets wiedersprechen, wenn bereits ein Bordellbetrieb oder gar eine Mehrzahl von ihnen vorhanden ist (vgl. BVerwG, U. v. 25.11.1983 – 4 C 21/83; BVerwGE 68, 213 – juris Rn. 14). Ausreichend ist insoweit, dass das Gebiet durch die Zulassung des beantragten Bordells eine Prägung erlangen könnte, die es nach seiner Eigenart und Zweckbestimmung gleichsam als ein Sondergebiet für Bordellbetriebe erscheinen ließe (vgl. BVerwG a. a. O.).
Die Zulassung des beantragten Vorhabens mit 34 bzw. 26 (ohne Berücksichtigung des 3. Obergeschosses) zusätzlichen Zimmern würde dazu führen, dem streitgegenständlichem Grundstück und seiner Umgebung das Gepräge eines Sondergebiets „Bordellbetriebe“ zu verleihen, was innerhalb der vorgegebenen örtlichen Verhältnisse städtebaulich nicht mehr verträglich wäre. Anstelle von 9 Zimmern, die sich auf zwei Gebäude verteilen, würde sich das Angebot auf 43 bzw. 35 Zimmer belaufen. Eine derartige Konzentration von Bordellnutzungen kann weder nach dem objektiven Umfang her noch nach der nach außen hin in Erscheinung tretenden Wirkung als mit dem vorliegenden Gewerbegebiet vereinbar angesehen werden und zwar unabhängig davon ob lediglich 26 Zimmer oder 34 Zimmer beantragt sind.
Hinzu kommen 15 weitere Bordell-Zimmer im Vordergebäude …-str. 19, die derzeit ohne Genehmigung betrieben werden, so dass allein auf dem streitgegenständlichen Grundstück insgesamt 58 Bordellzimmer tatsächlich betrieben würden. Die nach Außen wahrnehmbare Wirkung dieser Vielzahl von Bordellzimmern auf nur einem einzigen Grundstück wird auch dadurch verstärkt, dass sämtliche Gebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück entweder ausschließlich oder jedenfalls überwiegend als Bordelle genutzt werden. Allein das Erdgeschoss und das Untergeschoss des Vordergebäudes …-str. 19 dienen der Unterbringung einer 144 m2 großen Spielhalle.
Ein mehrstöckiges Großgebäude, das insgesamt als Bordell genutzt wird, wirkt erkennbar in größerem Umfang auf seine Umgebung ein als mehrere kleine und schon deshalb weniger „präsente“ Bordellbetriebe in unterschiedlichen Gebäuden.
In seinem Urteil vom 25. November 1983 (4 C 31/83 – juris Rn. 12) hat das Bundesverwaltungsgericht einige negative Auswirkungen von Bordellbetrieben auf ihre Umgebung benannt, wonach ein derartiger Betrieb zwar keine so erheblichen Nachteile oder Belästigungen für die Umgebung bringe, dass er schlechthin im Gewerbegebiet unzulässig wäre. Von einem Bordellbetrieb gehen aber gleichwohl Nachteile, Belästigungen und Unzuträglichkeiten wie „Lärm des Zu- und Abgangsverkehrs“, „milieubedingte Unruhe“, „mögliches anstößiges Verhalten von Besuchern des Betriebs“ sowie eine „mögliche dem Ansehen anderer Unternehmen in dem Gebiet abträgliche Wirkung“ aus. In seinem Beschluss vom 2. November 2015 (4 B 32/15 – juris Rn. 4) hat das Bundesverwaltungsgericht die tatrichterlichen Feststellungen der Vorinstanz (vgl. OVG Hamburg, U. v. 6.5.2015 – 2 Bf 2/12 – juris Rn. 55) unbeanstandet gelassen, dass bei gewerblicher Prostitution bei der gebotenen typisierenden Betrachtung mit milieutypischen Begleiterscheinungen wie Belästigungen durch alkoholisierte oder unzufriedene Kunden, organisierte Kriminalität, Menschen- und Drogenhandel, ausbeutender Zuhälterei, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Verstößen gegen das Waffenrecht und Gewaltkriminalität bis hin zu Tötungsdelikten zu rechnen sei. Dies belegt, dass ein Bordellbetrieb wegen seiner Zweckbestimmung und der „sich aus dem Milieu ergebenden Begleiterscheinungen“ kein Gewerbebetrieb üblichen Zuschnitts ist. Seine baurechtliche Zulassung bedarf daher einer zwar aufgeschlossenen, aber die von ihm ausgehenden Unzuträglichkeiten nicht ausblendenden Betrachtung und Bewertung (vgl. VG München, U. v. 16.11.2015 – M 8 K 14.2393). Die genannten Unzuträglichkeiten mögen noch keine unzumutbaren Belästigungen und Störungen für ihre Umgebung erwarten lassen, wenn es sich um einen kleineren Bordellbetrieb mit einer beschränkten Anzahl von Prostituierten handelt. Die Summierung derartiger negativer Auswirkungen durch mehrere Bordellbetriebe mit einer erheblichen Zahl darin arbeitender Prostituierter und einem entsprechenden Kundenandrang widerspricht aber der Eigenart des vorhandenen faktischen Gewerbegebiets. Auch wäre die Zulassung eines weiteren Bordells für die dort ansässigen normalen Gewerbebetriebe abträglich, denn sie müssen um ihren Ruf fürchten, wenn sie unter der Anschrift eines stadtbekannten Rotlichtbereichs firmieren. Auch der Gesichtspunkt der Verhinderung der Verdrängung anderer gewerblicher Nutzungen mag in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, wenn – wie hier – auf dem streitgegenständlichen Grundstück bereits zwei genehmigte Bordellbetriebe sowie eine genehmigte Spielhalle vorhanden sind, selbst wenn man den ebenfalls genehmigten Betrieb auf der gegenüberliegenden Straßenseite in der …-str. 22 nicht in die Betrachtung der näheren Umgebung einbezieht
3.3 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zugleich mit dem streitgegenständlichen Vorhaben auf ihrem Grundstück ein zweites Bordellvorhaben zur Genehmigung beantragt hat. Es handelt sich um das Vordergebäude … Str. 19, in dem bereits 3 Bordellbetriebe mit 15 Zimmern ungenehmigt tätig sind (Verfahren M 8 K 15.1355). Aufgrund dieses Umstandes ist davon auszugehen, dass die Klägerin ihr gesamtes Grundstück für eine Sondernutzung „Bordell und Vergnügungsstätte“ mit insgesamt 48 Bordellzimmer und einer 144 m2 großen Spielhalle verwenden möchte. Dies ist mit dem Charakter des Gewerbegebiets nicht mehr zu vereinen, da dies infolge der Größe und der Intensität der Nutzung erhebliche Auswirkungen auf die umliegenden nähere Umgebung haben würde.
Dabei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die Attraktivität und damit auch die städtebaulichen Auswirkungen des Vorhabens über die eines einfachen Bordellbetriebes bzw. mehrerer Bordelle auf benachbarten Grundstücken hinausgeht. Vorliegend sollen auf ein und demselben Grundstück mehrere selbstständig betriebene Bordelle und bordellähnliche Nutzungen in einem Gebäude über mehrere Geschosse sowie ein weiterer bordellähnlicher Betrieb im Mittelgebäude und dazu eine 144 m2 große Spielhalle im Vordergebäude betrieben werden. Die dadurch gegebene Vielfalt und Nutzungsintensität auf dem streitgegenständlichen Vorhabengrundstück ist ungleich größer als bei zahlenmäßig gleichen Bordellbetrieben bzw. Bordellnutzungen, die sich auf mehrere Gebäude und auf mehrere Grundstücke in einer gewissen Entfernung voneinander verteilen. Die Kumulation von Bordellen, bordellartigen Nutzungen und der 144 m2 großen Spielhalle auf ein und demselben Grundstück in einem Gebäudekomplex erhöht die städtebaulichen Auswirkungen für die nähere Umgebung erheblich. Die mit dem Vorhaben verbundenen Störungen dürften mit den von zehn unabhängig betriebenen Bordellen auf unterschiedlichen Grundstücken nicht vergleichbar sein, abgesehen davon, dass auch eine solche Anzahl per se nicht mehr zulässig wäre. Vielmehr potenzieren sich die Störungen durch die Massierung auf einem Grundstück mit erheblicher baulicher Dichte und sind daher mit den in der Umgebung vorhandenen Nutzungen, insbesondere nicht nur mit den vorhandenen Gewerbebetrieben, sondern auch mit der auf dem unmittelbaren Nachbargrundstück betriebenen Kindertageseinrichtung und schließlich auch mit den auf der gegenüber liegenden Straßenseite vorhandenen Wohnnutzungen unvereinbar.
3.4 Angesichts dieser Umstände ist auch ein sogenannter „trading-down-Effekt“ in Bezug auf die umliegende gewerbliche Nutzung naheliegend. Ein „trading-down-Effekt“ liegt vor, wenn es aufgrund der Verdrängung der bisherigen Nutzung zu einem Qualitätsverlust des Gebietes kommt. Insbesondere die unmittelbare Umgebung und die dort ansässigen Gewerbebetriebe würden nach Ansicht des Gerichts durch die Entwicklung eines „Sondergebiets Bordelle und Vergnügungsstätten“ in Mitleidenschaft gezogen werden. Zusammen mit der im Vordergebäude genehmigten und betriebenen 144 m2 großen Spielhalle würde sich der Bereich nicht mehr als Teil des (umliegenden) Gewerbegebiets darstellen, sondern als Sondergebiet „Bordelle und Vergnügungsstätten“, und wäre so geeignet, dort ansässige Gewerbetreibende zur Abwanderung zu veranlassen. Das Argument der Klagepartei, bislang sei eine solche Abwanderung nicht festzustellen, kann nicht überzeugen. Es verkennt einmal, dass unternehmerische Entscheidungen über einen Standortwechsel nicht leichtfertig getroffen werden, sondern aus rechtlichen wie organisatorischen Gründen einen nicht unbeträchtlichen zeitlichen Vorlauf benötigen. Zum anderen liegt bereits eine Beschwerde vom 17. März 2014 vor und das Gebäude …-str. 23 steht nach dem Ergebnis des Augenscheins abgesehen von der dort befindliche Kindertagesstätte bereits teilweise leer.
3.5 Zudem verstößt das Vorhaben nicht nur gegenüber den in der näheren Umgebung vorhandenen Gewerbebetrieben sondern auch gegenüber den Wohnnutzungen auf der gegenüberliegenden Straßenseite der … Straße und insbesondere gegenüber der Kindertageseinrichtung auf dem unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstück, …-str. 23, 25 aufgrund der grundsätzlichen Unvereinbarkeit des Bordellbetriebes mit diesen Nutzungen gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot.
Das Vorhaben ist daher auch planungsrechtlich nicht zulassungsfähig, weil es unter Berücksichtigung der vorhandenen Bordellbetriebe nach Anzahl und Umfang der nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung des gegenständlichen Gewerbegebiets widerspricht und rücksichtslos ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 170.000 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. dem wirtschaftlichen Interesse des Bauherrn an der Baugenehmigung, das sich an den jährlichen Mieteinnahmen von ca. 5.000 € je Zimmer orientiert).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben