Baurecht

Bestimmtheit einer Baugenehmigung

Aktenzeichen  W 4 S 16.365

Datum:
26.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 7
VwVfG VwVfG § 37

 

Leitsatz

1 Eine Betriebsbeschreibung, die nur den Zugang zum Betriebsgelände und Stellplatzanforderungen im Hinblick auf den Nachbarschutz neu regelt, stellt lediglich eine unselbstständige Ergänzung einer Baugenehmigung dar. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Betriebsbeschreibung ist geeignet, die notwendige Bestimmtheit einer Baugenehmigung zu gewährleisten.   (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Unter Abänderung von Ziffer I. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Oktober 2015 wird der Antrag des Antragsgegners auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die der Antragstellerin erteilte Baugenehmigung vom 21. November 2014 i. d. F. des Bescheids vom 23. März 2016 abgelehnt.
II.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Abänderung eines Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, in welchem dieser die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragsgegners gegen eine der Antragstellerin erteilte Baugenehmigung angeordnet hat.
1. Der Antragsgegner wendet sich als Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. …64/1 der Gemarkung b… (f… 2, 97… b…) gegen ein Bauvorhaben der Antragstellerin auf dem Grundstück Fl.Nr. …05 der Gemarkung B…, die Errichtung eines Kiosks mit Freiterrasse, Pavillon, Umkleide- und Sanitärräumen (überwiegend für Mitarbeiter der Antragstellerin und deren Angehörige).
Das Grundstück des Antragsgegners befindet sich im Außenbereich und in ca. 270 Meter Entfernung zum streitgegenständlichen Vorhaben. Das Baugrundstück Fl.Nr. …005 befindet sich ebenfalls im Außenbereich. Es ist Teil eines seit ungefähr 40 Jahren als betriebliches Freizeitgelände genutzten Areals der Antragstellerin. Ein Baugenehmigungsverfahren im Jahre 1974 wurde nicht zu Ende geführt. Die Zufahrt zum Baugrundstück erfolgt über die öffentlich gewidmete Straße auf dem Grundstück Fl.Nr. …04, an der auch das Anwesen des Antragsgegners gelegen ist.
Mit Bauantrag vom 14. März 2014 beantragte die Antragstellerin die Errichtung eines Kiosks mit Freiterrasse, Pavillon, Umkleide- und Sanitärräumen für überwiegend Mitarbeiter der Antragstellerin und Angehörige. Mit Bescheid vom 21. November 2014 erteilte das Landratsamt Schweinfurt der Antragstellerin die Baugenehmigung. In den „Auflagen aus Sicht des Immissionsschutzes“ heißt es im Bescheid unter Ziffer 2: „Der Beurteilungspegel der durch das Vorhaben hervorgerufenen Störgeräusche darf an den nächst gelegenen Wohngebäuden auf Fl.Nrn. …89/19 und …89/14 nachfolgenden reduzierten Immissionsrichtwert von tags 44 dB(A) nicht überschreiten. Die Tageszeit ist die Zeit von 6.00 bis 22.00 Uhr. Die Messung und Beurteilung der Lärmimmissionen erfolgen gemäß der TA Lärm.“ Unter Ziffer 3. ist geregelt: „Der Betrieb des Kiosks mit Pavillon und Freischankfläche ist vom 1. April bis 31. September jährlich in der Zeit von 10:00 bis 22:00 Uhr zulässig.“
2. Mit der am 23. Dezember 2014 erhobenen Klage (Az. W 4 K 14.1363) ließ der Antragsgegner die Aufhebung des Bescheids des Beigeladenen vom 21. November 2014 beantragen. Mit weiterem Schriftsatz vom 23. Juni 2015, eingegangen beim Verwaltungsgericht Würzburg am gleichen Tag, ließ der Antragsgegner beantragen, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 23.
Dezember 2014 gegen die Baugenehmigung vom 21. November 2014 anzuordnen. Mit Beschluss vom 9. Juli 2015 (Az. W 4 S 15.554) lehnte die Kammer den Antrag ab. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens änderte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 28. Oktober 2015 den Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg ab und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragsgegners vom 23. Dezember 2014 gegen den Bescheid des Landratsamts Schweinfurt vom 21. November 2014 an (Az. 9 CS 15.1633). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass die Baugenehmigung vom 21. November 2014 in nachbarrechtsrelevanter Weise zu unbestimmt sei. Der Antragsgegner könne nicht erkennen, mit welchen Immissionen er zu rechnen habe, da keine Angaben über die zu erwartende oder zugelassene Besucherzahl der gesamten Freizeitanlage vorlägen.
3. Mit Änderungsantrag vom 26. Januar 2016 legte die Antragstellerin dem Beigeladenen eine geänderte Betriebsbeschreibung zum Antrag „Kiosk mit Freiterrasse, Pavillon, Umkleide- und Sanitärräumen für überwiegend Mitarbeiter der Unternehmensgruppe G… und Angehörige“ vor. Die Betriebsbeschreibung enthält unter Ziffer 1.8 folgende Regelung: „Die Anzahl der Nutzer (Bade- und Erholungsgäste) in der gesamten Anlage wird auf max. 400 Personen pro Tag festgelegt. Durch geeignete bauliche Maßnahmen (z. B. Drehkreuz mit Zähler) wird gewährleistet, dass diese Zahl nicht überschritten wird. Ausnahme davon sind Betriebsveranstaltungen, die jedoch max. 1x im Jahr stattfinden.“
Mit Änderungsbescheid vom 23. März 2016 änderte das Landratsamt Schweinfurt den Bescheid vom 21. November 2014 dahingehend, dass das Bauvorhaben, bei Beibehaltung der Auflagen des Baubescheides vom 21. November 2014 im Übrigen, u. a. unter Beachtung der nachstehenden Bedingungen, Auflagen und Hinweise zu erfolgen hat:
„[…] 2. Die Auflage Nr. 2 des Baubescheides vom 21.11.2014 (…) erhält folgende Fassung:
Der Beurteilungspegel der durch die Nutzung der betrieblichen Freizeitanlage einschließlich dem Bauvorhaben hervorgerufenen Störgeräusche darf an den nächst gelegenen Wohngebäuden auf Fl.Nrn. …89/19 und …89/14, Gemarkung g…, einen reduzierten Immissionsrichtwert von tagsüber 44 dB(A) nicht überschreiten. Die Tageszeit ist die Zeit von 6:00 bis 22:00 Uhr. Die Messung und Beurteilung der Lärmimmissionen erfolgen gemäß der TA Lärm. […]
4.3. Die Betriebsbeschreibung vom 26.01.2016 ist Bestandteil der Baugenehmigung und zu beachten. […]“
4. Mit Schriftsatz vom 7. April 2016, eingegangen bei Gericht am 8. April 2016, beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin,
die Nr. I des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Oktober 2015, Az. 9 CS 15.1633, aufzuheben.
Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO könne jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung des Beschlusses der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wegen veränderter Umstände beantragen. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof festgestellte Lücke und Unbestimmtheit der Baugenehmigung sei durch die Tekturgenehmigung und die darin festgesetzten Auflagen geschlossen worden. In der Betriebsbeschreibung (Ziffer 1.8) und mit Ziffer 4.3 des Änderungsbescheids werde die Zahl der Nutzer der gesamten Anlage auf maximal 400 Personen pro Tag festgelegt. Durch geeignete bauliche Maßnahmen (z. B. Drehkreuz mit Zähler) werde gewährleistet, dass diese Zahl nicht überschritten werde. Als Ausnahme sei lediglich an einem Tag im Jahr bei einer Betriebsveranstaltung ein Überschreiten dieser Besucherzahl zulässig. Zudem sei die Betriebszeit der Anlage auf die Zeit vom 1. April bis 30. September jährlich be
schränkt, in dieser Zeit auf täglich 10.00 Uhr bis 22.00 Uhr. Die Verabreichung von Getränken und Speisen sei ab 21.30 Uhr einzustellen, um zu gewährleisten, dass sich nach 22.00 Uhr keine Gäste mehr im Freien aufhielten (Ziffer 4.1. des Änderungsbescheids). Schließlich sei festgesetzt worden, dass der Beurteilungspegel der durch die Nutzung der betrieblichen Freizeitanlage einschließlich der durch das Bauvorhaben hervorgerufenen Störgeräusche an den nächst gelegenen Wohngebäuden einen reduzierten Emissionswert von tagsüber 44 dB(A) nicht überschreiten dürfe. Diese Grundstücke seien südwestlich vom Betriebsgrundstück ca. 240 m entfernt. Dagegen liege das Grundstück des Antragsgegners westlich vom Betriebsgrundstück mindestens 270 m entfernt. Die Sach- und Rechtslage habe sich damit gegenüber dem Zeitpunkt der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entscheidend verändert. Zugunsten des Antragsgegners sei die Benutzbarkeit der gesamten Anlage drastisch eingeschränkt worden. Es erscheine ausgeschlossen, dass der Antragsgegner nach der Tekturgenehmigung in seinen Nachbarrechten verletzt werden könne. Dies habe ein Gutachten der Unteren Immissionsschutzbehörde nachgewiesen. Das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin, von der erteilten Baugenehmigung in Gestalt der Tekturgenehmigung sofort Gebrauch zu machen, überwiege das Aussetzungsinteresse des Antragsgegners. Die gesamte Anlage müsse, gerade jetzt im Frühjahr, instandgesetzt und gepflegt werden. Die Pächter des Kiosks seien auf die Einnahmen aus dem Betrieb des Kiosks wirtschaftlich angewiesen. Schließlich sei bei der Abwägung des Aussetzungsinteresses gegenüber dem Vollzugsinteresse der Antragstellerin beachtlich, dass die vorbildliche Freizeitanlage seit nahezu 40 Jahren auf dem Gelände betrieben werde und während dieser Zeit zu keinerlei Beanstandungen, außer durch den Antragsgegner, geführt habe.
5. Der Antragsgegner ließ beantragen, den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung wurde vorgebracht, es liege bereits keine Veränderung des Verfahrensgegenstandes vor, die es rechtfertige, nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vorzugehen. Der Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO sei begründet, soweit tatsächlich veränderte Umstände vorlägen (Hinderungsgrund) und diese dazu führten, dass nunmehr in der Sache eine abweichende Entscheidung im Hinblick auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung angezeigt sei. Das Vorliegen eines Änderungsbescheids sei hierbei üblicherweise ein veränderter Umstand im Sinn des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO, wenn mit dieser Änderungsentscheidung bisherige Mängel des Bescheides aufgehoben und beseitigt würden. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Es sei nach wie vor auch ausweislich der Betriebsbeschreibung keine konkrete Maßnahme beschrieben, die infolge der Baugenehmigung als verbindliche Auflage vor Nutzungsaufnahme einzuhalten sei und zudem geeignet sei, sicherzustellen, die Anzahl der Nutzer pro Tag zu beschränken. Die bloße Betriebsbeschreibung sei nicht ausreichend im Hinblick auf eine hinreichende Bestimmtheit einer Genehmigung, wenn nicht die Maßnahmen verbindlich festgelegt seien, mit welchen die dauerhafte Sicherstellung der Einhaltung dieser Zahlen gewährleistet sei. Hinzu komme, dass maßgebliches und besonders rücksichtsloses Kriterium bei der Nutzung der gesamten Einrichtung der am Anwesen des Antragsgegners unmittelbar vorbeiführende An- und Abfahrtsverkehr sowie Parksuch- und Parkverkehr sei. Dieser Verkehr werde auch bei einer zahlenmäßigen Beschränkung der Benutzer der gesamten Einrichtung mit entsprechender Drehkreuzinstallation letztlich nicht abnehmen. Denn potentielle Nutzer würden die Anlage anfahren, um dann festzustellen, dass aus Kapazitätsgründen ein Besuch der Anlage an diesem Tag für sie nicht möglich sei. Auch diese Immissionen seien jedoch der Genehmigung und der genehmigten Anlage zuzurechnen. Eine den Bestimmtheitsgrundsätzen genügende Baugenehmigung würde voraussetzen, dass von vornherein eine Begrenzung der Zufahrt auf dem lediglich als öffentlicher Feld- und Waldweg gewidmeten einspurigen Weg gesichert werde. Die Nutzung des lediglich einspurigen Feld- und Waldwegs für täglich mindestens 400 Personen sei bereits eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung der Lebensqualität. Ein im gleichen Umfang taugliches Eingangstor im Osten der Freizeitanlage werde dagegen nicht geöffnet. Zudem sei die Einhaltung einer
Zahl von 400 Personen täglich letztlich utopisch angesichts des Umstands, dass aufgrund der ungenauen Definition des Nutzerkreises letztendlich jedermann der Zugang ermöglicht sei. Überdies sei festzuhalten, dass die Beschränkung der Kapazität pro Tag letztlich zudem dadurch unmöglich werde, dass sich auf der Anlage auch Campingwagen befänden, die dort längere Zeit stünden und somit Nutzer sich dauerhaft in der Anlage aufhielten.
Im Rahmen der materiellen Entscheidungsfindung sei zu prüfen, ob auf Basis der nunmehrigen Tekturgenehmigung die angeordnete aufschiebende Wirkung aufzuheben sei. Auch nach der Tekturgenehmigung sei es dem Antragsgegner nicht möglich, ihr zu entnehmen, welche Immissionen ihn durch die Nutzung der genehmigten Anlage treffen. Die bloße Beschränkung der Anzahl der Nutzer pro Tag, die in die Anlage eingelassen würden, sei nicht gleichbedeutend mit der Festlegung der den Kläger betreffenden Immissionen. Völlig unbeachtet bleibe, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auch darauf hingewiesen habe, dass die enge Verbindung zwischen der gesamten Freizeitanlage und dem Gastronomiebetrieb sowie den weiteren Baulichkeiten insgesamt einzubeziehen sei und somit die Zahl der maximal pro Tag auf dem Gelände zugelassenen Personen maßgebend sein werde.
6. Das Landratsamt Schweinfurt schloss sich für den Beigeladenen dem Antrag der Antragstellerin an.
Das Landratsamt Schweinfurt verwies zur Begründung auf das bisherige Vorbringen. Im Übrigen sei der Antrag zulässig und begründet. Die im ursprünglichen Verfahren nicht geltend gemachten Umstände, die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 28. Oktober 2015 gerügt habe, seien von der Antragstellerin mittels Änderungsantrag vom 26. Januar 2016 anhand einer geänderten Betriebsbeschreibung nachgereicht worden. Die auf dieser Grundlage erteilte Tekturgenehmigung sei ausreichend bestimmt im Sinne von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Der Antragsgegner habe kein schutzwürdiges Interesse an der Aussetzung des Vollzugs der Baugenehmigung. Die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof festgestellte
Lücke und Unbestimmtheit der Baugenehmigung sei durch die Tekturgenehmigung und die darin festgesetzten Auflagen geschlossen worden. Insbesondere sei durch die Konkretisierung der Betriebsbeschreibung und die Feststellung der Unbedenklichkeit aus Sicht des Immissionsschutzes keine Verletzung nachbarschützender Vorschriften erkennbar. Zudem habe der Bauherr ein Interesse an der Ausnutzung der rechtmäßigen Genehmigung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist begründet.
1. Der Änderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist zulässig. Demnach können die Beteiligten die Aufhebung oder Änderung von Beschlüssen nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
Vorliegend handelt es sich bei dem Änderungsbescheid vom 23. März 2016 nicht um ein Aliud, sondern um eine unselbstständige Ergänzung der Baugenehmigung vom 21. November 2014, da aufgrund einer ergänzten Betriebsbeschreibung lediglich der Zugang zu dem Betriebsgelände sowie die Stellplatzanforderungen im Hinblick auf den Nachbarschutz neu geregelt wurden. Der Bescheid ändert die ursprüngliche Baugenehmigung nur in einer Weise ab, welche die Identität des Vorhabens wahrt. Das geänderte Vorhaben darf deshalb erst ausgeführt werden, wenn (auch) die ursprüngliche Baugenehmigung vollziehbar ist (BayVGH, B.v. 21.2.2007 – 15 CS 07.162 – juris Rn. 17). Die Vollziehbarkeit der Genehmigung vom 21. November 2014 i. d. F. des Bescheids vom 23. März 2016 ist aufgrund des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Oktober 2015 derzeit nicht gegeben.
Diese kann die Antragstellerin mit einem Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO erreichen.
In der Änderung der ursprünglichen Genehmigung vom 21. November 2014 durch den Tekturbescheid vom 23. März 2016 ist ein veränderter Umstand i. S. v. § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu sehen (BayVGH, B.v. 21.2.2007 – 15 CS 07.162 – juris Rn. 14).
2. Der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO hat auch in der Sache Erfolg. Im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO hat das Gericht ebenso wie im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen, ob das Interesse der Antragstellerin am sofortigen Gebrauch der Baugenehmigung oder das Interesse des Antragsgegners an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs überwiegt (zur Stellung der Beteiligten im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO vgl. BVerwG, B.v. 7.1.2016 – 4 VR 3/15 – juris).
Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin angeführten veränderten Umstände wird die Klage des Antragsgegners mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben, da die Baugenehmigung vom 21. November 2014 in Gestalt der Tekturgenehmigung vom 23. März 2016 den Antragsgegner nicht in drittschützenden Rechten verletzt.
a) Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Oktober 2015 erfolgte wegen der Unbestimmtheit der ursprünglichen Baugenehmigung vom 21. November 2014. Für den Nachbarn war aufgrund fehlender Regelungen zum Nutzungsumfang der Gesamtanlage nicht ersichtlich, ob und in welchem Umfang er betroffen ist, d. h. mit welchen Immissionen er konkret zu rechnen hat. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt hierzu in seinem Beschluss vom 28. Oktober 2015 (Az. 9 CS 15.1633) aus, dass die Baugenehmigung die Zahl der Personen nicht erkennen lässt, die die genehmigte Anlage mit ihren
neben dem Gaststättenbetrieb – weiteren Teilen, insbesondere den Umkleide- und Sanitärräumen, nutzen. Insoweit seien die den Antragsgegner betreffenden Immissionen nicht abschließend feststellbar (vgl. Rn. 23).
b) Nunmehr liegt mit dem Änderungsbescheid vom 23. März 2016 eine hinreichende Konkretisierung der Baugenehmigung durch den Verweis auf die Betriebsbeschreibung vom 26. Januar 2016 vor.
Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das Bestimmtheitsgebot bezieht sich auf den verfügenden Teil des Verwaltungsaktes einschließlich aller seiner Nebenbestimmungen, da sie zum verfügenden Teil gehören. Welches Maß an Konkretisierung notwendig ist, hängt von der Art des Verwaltungsaktes, den Umständen seines Erlasses und seinem Zweck ab. Eine Genehmigung, deren Inhalt und Reichweite von der Genehmigungsbehörde festgelegt wird, ist hinreichend bestimmt, wenn sich der Umfang der genehmigten Anlage aus dem im Bescheid zum Ausdruck gekommenen objektiven Willen der Genehmigungsbehörde unter Heranziehung der Genehmigungsunterlagen erkennen lässt (vgl. OVG NRW, B.v. 13.7.2006 – 8 B 39/06 – NVwZ 2007, 967 ff.). Soweit Dritte von einem Verwaltungsakt begünstigend oder belastend betroffen werden, muss dieser auch ihnen gegenüber hinreichend bestimmt sein. Ein Nachbar kann die unzureichende inhaltliche Bestimmtheit einer Genehmigung geltend machen, soweit dadurch nicht sichergestellt ist, dass das genehmigte Vorhaben allen dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften entspricht (vgl. BayVGH, U.v. 14.10.1985 – 14 B 85 A.1224 – BayVBl. 1986, 143 ff.; Simon/Busse, BayBO, Stand: Sept. 2015, Art. 68 Rn. 472).
Die Baugenehmigungsbehörde ist demnach verpflichtet, sicherzustellen, dass betroffene Nachbarn vor unzumutbaren Immissionen ausreichend geschützt werden. Erforderlichenfalls ist dies durch Auflagen sicherzustellen, auf die der Nachbar einen Anspruch besitzt (BayVGH, U.v. 16.11.2006 – 26 B 03.2486 – juris). Diesem Anspruch kann eine Baugenehmigung nur gerecht werden, wenn sie Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten
Nutzung eindeutig erkennen lässt, damit einerseits der Bauherr die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen zweifelsfrei feststellen kann und andererseits für Drittbetroffene das Maß der für sie aus der Baugenehmigung erwachsenden Betroffenheit deutlich wird.
Dies zugrunde gelegt, weist der Bescheid vom 21. November 2014 nach Erlass des Tekturbescheids vom 23. März 2016 die erforderliche hinreichende Bestimmtheit im Hinblick auf die Art und den Umfang der genehmigten Nutzung auf. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG verlangt insoweit, dass der Inhalt der Baugenehmigung vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist. Unklarheiten gehen dabei zulasten der Behörde (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 37 Rn. 7). Da zur Bestimmung von Inhalt und Umfang der Genehmigung eine Bezugnahme auf Pläne, Gründe und sonstige erkennbare Umstände durchaus zulässig ist (vgl. Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 37 Rn. 5, 6a und 12), ist im vorliegenden Fall die Reichweite der Genehmigung aus den genehmigten Unterlagen einschließlich der Betriebsbeschreibung heraus hinreichend feststellbar. Die Baubeschreibung ist gemäß §§ 1 Abs. 1, 3 Nr. 3 und 9 BauVorlV Teil der Bauvorlagen und als solcher notwendiger Teil der Baugenehmigung (Simon/Busse, BayBO, Stand: Sept. 2015, Art. 68 Rn. 460). Insofern spricht nichts gegen die vom Landratsamt unter Ziffer 4.3 des Bescheids vom 23. März 2016 verfügte Einbeziehung der Betriebsbeschreibung vom 26. Januar 2016 in die Baugenehmigung.
Mit der Bezeichnung ihres Vorhabens in den dem Bauantrag beigefügten Bauvorlagen hat die Antragstellerin den Gegenstand des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens festgelegt. Inhalt, Reichweite und Umfang der Baugenehmigung sind danach eindeutig erkennbar; Zweifel an der inhaltlichen Bestimmtheit der Baugenehmigung (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) bestehen daher nicht mehr (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 28.1.2016 – 9 ZB 12.839 – juris Rn. 19). Aus der Betriebsbeschreibung vom 26. Januar 2016 ergibt sich im Gegensatz zur Genehmigung vom 21. November 2014 zum einen, dass Parkplätze für mindestens 100 Fahrzeuge zur Verfügung stehen (vgl. Ziffer 1.6), zum anderen, dass die Anzahl der Nutzer (Bade- und Erholungsgäste) in der gesamten Anlage auf maximal 400 Personen pro Tag festgelegt wird. Durch
geeignete bauliche Maßnahmen wird sichergestellt, dass diese Zahl nicht überschritten wird (vgl. Ziffer 1.8). Damit sind die Unsicherheiten hinsichtlich des Nutzungsumfangs der betrieblichen Freizeitanlage in ihrer Gesamtheit (einschließlich der Badegäste und der Nutzer der Wohnmobil- und Wohnwagenabstellplätze), die eine genaue Erfassung der Belastung des Antragsgegners durch Immissionen verhindert haben, ausgeräumt. Es kann daher auch dahinstehen, inwieweit der Personenkreis inhaltlich im Einzelnen bestimmt ist, da jedenfalls die maximale Anzahl der Nutzer pro Tag feststeht. Die Umsetzung der Vorgaben in Ziffer 1.8 ist nach Ansicht der Kammer auch praktikabel und überprüfbar. Es sind verschiedene Maßnahmen denkbar, um auf der geographisch und zum Teil durch Zäune abgegrenzten Freizeitanlage (Fl.Nr. …05) die Anzahl der Nutzer pro Tag zu bestimmen. Es spricht insofern auch nichts dagegen, die Auswahl der entsprechenden Maßnahme dem Bauherrn zu überlassen, da jedenfalls das Ergebnis nachvollziehbar und überprüfbar ist.
Die Kammer hat nach einer dem Charakter des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechenden summarischen Prüfung auch keinen begründeten Zweifel daran, dass die Einhaltung der in der angegriffenen Baugenehmigung enthaltenen Grenzwerte und Vorgaben realistisch ist. Das Landratsamt Schweinfurt hat mit der Frage der von dem Vorhaben ausgehenden Geräuschemissionen das Sachgebiet 40.3 (Bauamt/Immissionsschutz) befasst, das ergänzend zur Stellungnahme vom 25. September 2014 eine weitere Fachstellungnahme abgegeben hat. Es ist demnach insbesondere davon auszugehen, dass in der Fachstellungnahme vom 21. März 2016 nicht nur der Kiosk einschließlich Freiterrasse, Pavillon sowie Umkleide- und Sanitärräumen bewertet worden ist, sondern auch die bereits bestehende, wenn auch ungenehmigte Nutzung des Geländes als Erholungsanlage im Rahmen einer Lärmvorbelastung Berücksichtigung gefunden hat. Im Ergebnis kommt das Landratsamt Schweinfurt nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass die auf das Wohnhaus des Antragsgegners einwirkenden Geräuschimmissionen hinsichtlich Freizeit und Verkehr ausgehend vom Freizeitgelände der Antragstellerin einschließlich dem Bauvorhaben als verträglich anzusehen sind und nicht zu schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes führen.
Im Übrigen nimmt die Kammer Bezug auf ihre Ausführungen im Beschluss vom 9. Juli 2015, in welchem unter anderem die Stellungnahme des Sachgebiets 40.3 vom 22. Juni 2015 (im Verfahren W 4 K 14.1363) zum Verkehrslärm herangezogen wurde. Im Beschluss vom 9. Juli 2015 (vgl. Ziffer 4.2) hat die Kammer zum Verkehrslärm festgestellt:
„Auch die immissionsschutzrechtliche Bewertung des Zu- und Abfahrtsverkehrs auf dem öffentlich gewidmeten Weg Fl.Nr. …04, der entsprechend 7.4 der TA Lärm berechnet wurde, unterliegt keinen durchgreifenden Bedenken. Als Immissionsort wurde u. a. das Wohnhaus des Antragstellers (Fl.Nr. …64/1) herangezogen. Dabei erfolgte die Ermittlung der Verkehrslärmimmissionen und die Schallausbreitungsberechnung nach den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen (RLS 90) unter Beachtung eines geschätzten hohen Vorbeifahrvorkommens von 400 PKW im Tageszeitraum und 100 PKW im Nachtzeitraum, einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h, einem LKW-Anteil von 2% und einem Zuschlag für die Straßenoberfläche (vgl. Stellungnahme des Sachgebiets Immissionsschutz am Landratsamt Schweinfurt vom 22.6.2015). Die fachliche Beurteilung, die zum Ergebnis kommt, dass am Wohnhaus des Antragstellers die maximalen Beurteilungspegel von tags 64 dB(A) und nachts 54 dB(A) gemäß der 16. BImSchV (Verkehrslärmschutzverordnung) eingehalten werden und nach Ziffer 7.4. der TA Lärm organisatorische Maßnahmen nicht veranlasst sind, erscheint mithin schlüssig und nachvollziehbar. Eine unzumutbare Belastung durch den Verkehrslärm ist daher nicht zu erwarten.“
An diesem Ergebnis hält die Kammer fest. c)
Nach alledem spricht nichts dafür, dass das Bauvorhaben der Antragstellerin nach Erlass des Änderungsbescheids vom 23. März 2016 das Gebot der Rücksichtnahme aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB verletzen könnte. Die Kammer vermag auch darüber hinaus eine nachbarrechtsrelevante Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Baugenehmigung nicht festzustellen.
Die danach hier vorzunehmende Interessenabwägung fällt in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer zulasten des Antragsgegners aus. Nur ergänzend ist anzumerken, dass auch eine folgenorientierte Abwägung nicht zu einer Korrektur dieses Ergebnisses zwingt. Demnach gilt die grundsätzliche Wertung des Gesetzgebers, die in § 212a Abs. 1 BauGB zum Ausdruck kommt und wonach die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung hat. Dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragsgegners ist demgegenüber kein höheres Gewicht beizumessen. Die betriebsbedingten Lärmimmissionen liegen bei Einhaltung der nun ausgesprochenen Nebenbestimmungen unterhalb der maßgeblichen Immissionsrichtwerte und sind schon deshalb bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens für den Antragsgegner nicht unzumutbar. Dies sieht auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 28. Oktober 2015 (vgl. dort Rn. 24 a.E.) so, denn dort wird ausgeführt, dass „die von der Gemeinde im Rahmen einer Verkehrszählung auf dem Weg Fl.Nr. …90/41 der Gemarkung g… erfassten Daten vermuten lassen, dass die von der Beigeladenen [hier: Antragstellerin] betriebene Freizeitanlage keine unzumutbaren Lärmimmissionen oder derart chaotische Verkehrsverhältnisse erwarten lassen, dass die entstehende Gesamtbelastung unzumutbar ist,…“.
3. Nach alldem war dem Antrag der Antragstellerin zu entsprechen. Der Kostenausspruch folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Unterlegene Partei ist der Antragsgegner, da er mit seinem Begehren auf Aufrechterhaltung der aufschiebenden Wirkung gescheitert ist. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, entsprach nicht der Billigkeit.


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