Baurecht

Beteiligung der Behörden und Träger öffentlicher Belange, Abwägungsgebot, Niederschlagswasserbeseitigung, Gebot der Konfliktbewältigung, planerische Zurückhaltung, Konflikttransfer in einen städtebaulichen Vertrag (Erschließungsvertrag)

Aktenzeichen  15 N 21.1422

Datum:
15.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6516
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47
BauGB § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3, § 4 Abs. 2, § 214, § 215

 

Leitsatz

Allein die im Verfahren der Bauleitplanung bestehende Absicht, erkannte Probleme und Gefahren in Bezug auf die Niederschlagswasserbeseitigung über einen erst später – d.h. nach Satzungsbeschluss – abzuschließenden städtebaulichen Vertrag (Erschließungsvertrag) zu regeln, genügt nicht, um einen Konflikttransfer abwägungsfehlerfrei zu handhaben.

Tenor

I. Der am 7. Mai 2021 bekannt gemachte Bebauungsplan „Ehemaliges B … Gelände“ des Antragsgegners ist unwirksam.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.
1. Der innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellte Normenkontrollantrag ist zulässig. Insbesondere ist die Antragstellerin antragsbefugt.
Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Da die Grundstücke der Antragstellerin nicht im Geltungsbereich des streitgegenständlichen Bebauungsplans liegen, kommt es darauf an, ob diese eine mögliche Verletzung des in § 1 Abs. 7 BauGB normierten Abwägungsgebots geltend machen kann. Das bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privaten Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Es verleiht Privaten ein subjektives Recht darauf, dass ihre Belange in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend abgearbeitet werden. Macht ein Antragsteller im Normenkontrollverfahren die Verletzung des Abwägungsgebots geltend, muss er einen Belang als verletzt bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Das sind nur solche Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Nicht abwägungserheblich sind geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren. Benennt ein Antragsteller einen privaten Belang, der für die Abwägung beachtlich war, kann er sich im Rahmen von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO darauf berufen, dass seine abwägungsrelevanten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden (BVerwG, B.v. 28.5.2019 – 4 BN 44.18 – ZfBR 2019, 689 = juris Rn. 5 m.w.N.; B.v. 24.6.2019 – 4 BN 28.19 – juris Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, U.v. 9.3.2020 – 15 N 19.210 – BayVBl 2020, 413 = juris Rn. 15 m.w.N.; B.v. 17.5.2021 – 15 N 20.2904 – juris Rn. 20; OVG NW, U.v. 17.8.2020 – 2 D 25/18.NE – BauR 2021, 494 = juris Rn. 35 m.w.N.). An die Geltendmachung einer – möglichen – Rechtsverletzung sind dabei keine höheren Anforderungen zu stellen als an die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Es genügt, dass ein Antragsteller substantiiert Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen (BVerwG, U.v. 24.9.1998 – 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215 = juris Rn. 8; U.v. 16.6.2011 – 4 CN 1.10 – BVerwGE 140, 41 = juris Rn. 12).
Die Antragstellerin hat als Plannachbarin u.a. unter Verweis auf die nicht ausreichenden Kapazitäten des bestehenden Mischwasserkanals hinreichend substantiiert eine mögliche Gefährdung ihres Mit- bzw. Alleineigentums an dem Plangebiet benachbarten Grundstücken vorgetragen, woraus ihre Antragsbefugnis gem. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO folgt (vgl. BVerwG, U.v. 4.11.2015 – 4 CN 9.14 – BVerwGE 153, 174 = juris Rn. 13; BayVGH, U.v. 29.10.2021 – 9 N 21.1232 – juris Rn. 15). Die vorgetragenen Umstände lassen es als denkbar erscheinen, dass die Oberflächen- und Niederschlagswasserbeseitigung im Bebauungsplan nicht ausreichend gelöst ist. Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung gewährleisten (§ 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB). Bei ihrer Aufstellung sind die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB) sowie der sachgerechte Umgang mit Abwässern (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. e BauGB) zu berücksichtigen. Die Abwasserbeseitigung gehört damit zu den Belangen, die regelmäßig in die nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotene Abwägung einzustellen sind (BVerwG, U.v. 21.3.2002 – 4 CN 14.00 – BVerwGE 116, 144 = juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 13.4.2018 – 9 NE 17.1222 – juris Rn. 24). Gerade weil der streitgegenständliche Bebauungsplan selbst keinerlei Festsetzungen zu der – auch vom Antragsgegner ersichtlich als nicht unproblematisch eingestuften, nicht über Versickerung zu bewerkstelligenden – Niederschlagswasserbeseitigung trifft, sondern dieser die Problemlösung der Entwässerungsplanung einem hierauf bezogenen (bis zum Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan nicht abgeschlossenen) städtebaulichen Vertrag überlässt, erscheint eine tatsächliche Gefährdung der Grundstücke FlNr. … (Alleineigentum der Antragstellerin) und FlNr. … (Miteigentum der Antragstellerin) durch abfließendes Niederschlagswasser aus dem Plangebiet resp. durch einen eventuellen Rückstau in den Abwasserrohren bei Starkregenereignissen – und deswegen eine Verletzung des Abwägungsgebots zulasten der Antragstellerin mangels eventuell nicht hinreichender Konfliktlösung – nicht von vornherein ausgeschlossen [hierzu im Einzelnen auch unten 2. b) bb) ].
2. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Vorliegend leidet die angegriffene Planung an einem Verfahrensfehler sowie an einem Abwägungsmangel. Beide Mängel sind gem. §§ 214, 215 BauGB beachtlich und begründen die Gesamtunwirksamkeit des streitgegenständlichen Bebauungsplans.
a) Das Verfahren der Bauleitplanung leidet wegen fehlerhafter Behördenbeteiligung und daher wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 BauGB an einem Verfahrensfehler, der gem. § 214 Abs. 1 Nr. 2, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beachtlich ist.
Im Anschluss an den Aufstellungsbeschluss vom 24. September 2020 verschickte der Antragsgegner unter dem 30. Oktober 2020 Schreiben an Behörden und Träger öffentlicher Belange, worin diese über die Bauleitplanung „frühzeitig in Kenntnis“ gesetzt und ihnen „erstmalig Gelegenheit“ gegeben wurde, bis zum 4. Dezember 2020 Stellung zu nehmen. Eine Behörde, die in dieser Form beteiligt wird, muss davon ausgehen, dass es sich um eine frühzeitige Beteiligung gem. § 4 Abs. 1 BauGB handelt und dass es vor dem Satzungserlass noch eine weitere Beteiligung gem. § 4 Abs. 2 BauGB geben wird. Dies wurde von diversen Sachgebieten / Abteilungen des Landratsamts auch so verstanden, als es in hierauf eingegangenen Stellungnahmen jeweils in der Betreffzeile heißt: „Verfahrensschritt: Wiederholung § 4 Abs. 1 i.V. mit § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BauGB“. Dasselbe gilt für das Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung Regensburg vom 17. November 2020, das auf dem Anhörungsbogen zu „§ 4 Abs. 1 Baugesetzbuch“ antwortete, der ihm vorher von der Bauverwaltung des Antragsgegners unter dem 30. Oktober 2020 übermittelt wurde. Auch wenn laut den Verfahrensvermerken auf der ausgefertigten Planurkunde des Bebauungsplans der Sache nach womöglich gewollt war, mit dieser Anhörung eine Beteiligung gem. § 4 Abs. 2 BauGB zu betreiben, erfolgte tatsächlich nach Maßgabe des Empfängerhorizonts der beteiligten Behörden und Träger öffentlicher Belange eine frühzeitige Beteiligung i.S. von § 4 Abs. 1 BauGB. Eine weitere Beteiligung der Behörden und Träger öffentlicher Belange und damit eine solche (obligatorische) gemäß § 4 Abs. 2 BauGB fand bis zum Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan nicht mehr statt. Hierbei handelt es sich um einen gem. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB erheblichen Verfahrensfehler, weil insgesamt eine ordnungsgemäße Beteiligung gem. § 4 Abs. 2 BauGB unterblieb, mithin nicht lediglich e i n z e l n e Behörden bzw. Träger öffentlicher Belange i.S. von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Buchst. a BauGB nicht beteiligt worden sind (vgl. BVerwG, B.v. 11.12.2002 – 4 BN 16.02 – BVerwGE 117, 239 = juris Rn. 18 m.w.N.; Spieß, in Jäde/Dirnberger, BauGB/BauNVO, 9. Aufl. 2018, zu § 214 Rn. 8). Die Antragstellerin hat einen diesbezüglichen Mangel innerhalb der Jahresfrist gem. § 215 Abs. 1 BauGB gegenüber dem Antragsgegner mit Schreiben vom 8. Februar 2022 (Bl. 86 der VGH-Akte) ausdrücklich gerügt. Unabhängig davon war die Jahresfrist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (15. März 2022) noch nicht abgelaufen.
b) Der streitgegenständliche Bebauungsplan leidet zudem in rechtserheblicher Weise (§§ 214, 215 BauGB) an einem Abwägungsfehler, weil keine hinreichende Konfliktlösung hinsichtlich der Niederschlags- bzw. Oberflächenwasserbeseitigung erfolgte.
aa) Das Abwägungsgebot verpflichtet die Gemeinde, die für die Planung bedeutsamen öffentlichen und privaten Belange (Abwägungsmaterial) zu ermitteln und zu bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB) sowie sie gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (§ 1 Abs. 7 BauGB). Insgesamt unterliegt die Abwägung allerdings nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Gegen das rechtsstaatlich fundierte Gebot gerechter Abwägung wird verstoßen, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet (Abwägungsausfall), in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss (Abwägungsdefizit), wenn die Bedeutung dieser Belange verkannt wird (Abwägungsfehleinschätzung) oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität). Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung des anderen entscheidet. Das Vorziehen und Zurücksetzen bestimmter Belange innerhalb des vorgegebenen Rahmens ist die „elementare planerische Entschließung“ der Gemeinde über die städtebauliche Entwicklung und Ordnung und kein aufsichtlich oder gerichtlich nachvollziehbarer Vorgang (BayVGH, U.v. 18.1.2017 – 15 N 14.2033 – KommJur 2017, 112 = juris Rn. 35 m.w.N; U.v. 4.3.2021 – 15 N 20.468 – ZfB 2021, 209 = juris Rn. 30). Für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan maßgebend (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB).
bb) Weil vorliegend die Niederschlagswasserbeseitigung nicht völlig unproblematisch war, war der Antragsgegner aufgrund des Abwägungsgebots gehalten, diesbezüglich bestehende Konflikte einer hinreichenden Konfliktlösung zuzuführen. Dem wird die streitgegenständliche Planung nicht gerecht.
Abwasser, zu dem auch das Niederschlagswasser gehört, ist so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird (§ 55 Abs. 1 Satz 1 WHG). Zur Beachtung der allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse und den sachgerechten Umgang mit Abwässern (§ 1 Abs. 6 Nr. 1, Nr. 7 Buchst. e BauGB) sowie an den Eigentumsschutz hat die Gemeinde schon bei der Planung und nicht erst bei der bauordnungsrechtlichen Prüfung der Zulässigkeit eines Bauvorhabens Gefahrensituationen zu ermitteln und in die planerische Abwägung einzustellen, die als Folge der Planung entstehen oder verfestigt werden können (BVerwG, U.v. 21.3.2002 – 4 CN 14.00 – BVerwGE 116, 144 = juris Rn. 13). Auch das unter den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG fallende Eigentum gehört im Rahmen einer hoheitlichen Planungsentscheidung selbstverständlich und in hervorgehobener Weise zu den abwägungserheblichen Belangen. Das gilt nicht nur für das Grundeigentum im Plangebiet, dessen Inhalt und Schranken durch die planerischen Festsetzungen unmittelbar und rechtssatzmäßig bestimmt werden. In der Abwägung zu berücksichtigen sind auch die Rechtspositionen Dritter, deren Grundeigentum zwar außerhalb der Plangrenzen, jedoch in der Nachbarschaft des Plangebiets bzw. in der Umgebung des Planvorhabens liegt und belastenden Einwirkungen der durch den Plan ermöglichten Nutzungen ausgesetzt sein wird. Auf diese Weise vermittelt das bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot den Anwohnern in der Umgebung des Plangebiets einen eigentumsrechtlichen Drittschutz, soweit die planbedingten Beeinträchtigungen (Nachteile, Gefahren) in einem adäquat-kausalen Zusammenhang mit der Planung stehen und nicht von geringfügiger Art sind. Einer Bauleitplanung muss daher eine Erschließungskonzeption zugrunde liegen, nach der das im Plangebiet anfallende Niederschlagswasser so beseitigt werden kann, dass Gesundheit und Eigentum der Planbetroffenen diesseits und jenseits der Plangrenzen keinen Schaden nehmen (vgl. bereits oben 1). Überschwemmungen und Wasserschäden als Folge der Planverwirklichung müssen die Nachbarn des Plangebiets ebenso wenig hinnehmen wie die Bewohner des Plangebiets selbst. Planbedingte Missstände, die den Grad der Eigentumsverletzung erreichen und einer Rechtfertigung vor Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GG nicht standhalten, setzen der bauleitplanerischen Gestaltungsfreiheit äußerste (strikte), mit einer „gerechten Abwägung“ nicht überwindbare Grenzen. In einem solchen Fall hat der Planungsträger Vorkehrungen zu treffen, durch die sichergestellt wird, dass die Beeinträchtigungen jedenfalls auf das Maß zurückgeführt werden, das die Schutzgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG noch zulässt (BVerwG, U.v. 21.3.2002 a.a.O. Rn. 14 f.; BayVGH, U.v. 29.10.2021 – 9 N 21.1232 – juris Rn. 15; OVG Berlin-Bbg, U.v. 29.4.2021 – OVG 2 A 21.18 – juris Rn. 26; OVG MV, U.v. 11.9.2019 – 3 K 376/15 – juris Rn. 36; Sächs OVG, B.v. 5.5.2015 – 1 B 84.15 – juris Rn. 20; OVG NRW, U.v. 18.1.2019 – 7 D 12/18.NE – juris Rn. 23 m.w.N.; B.v. 1.12.2021 – 2 B 343/21.NE – juris Rn. 7, 42).
Der Antragsgegner geht vorliegend selbst davon aus, dass die Niederschlagswasserbeseitigung nicht völlig unproblematisch ist. Laut Planbegründung bietet die bestehende Ver- und Entsorgungsinfrastruktur „mit Ausnahme des Mischwasserkanals“ ausreichende Kapazitäten. Zudem wird in den in der ausgefertigten Original-Planungsurkunde enthaltenen unverbindlichen „Hinweisen“ zu „eigenverantwortlichen Schutzmaßnahmen“ vor „wild abfließendem Oberflächenwasser“ geraten (Nr. 1) und zudem darauf verwiesen, dass der Oberflächenwasserabfluss – etwa über aufstauende „Geländeveränderungen (Auffüllungen, Aufkantungen etc.)“ – „nicht zum Nachteil von Ober- und Unterliegern beeinflusst werden“ dürfe (Nr. 3). Der Planung – insbesondere dem Billigungs- und Auslegungsbeschluss des Marktgemeinderats vom 24. September 2020 – lag mit Blick auf bestehende Niederschlagswasserbeseitigungsprobleme tatsächlich ein von einem Ingenieurbüro ausgearbeitetes, auf einem zehnjährlichen Regenereignis aufbauendes Entwässerungskonzept vom 14. September 2020 zugrunde. Hiernach – sowie auch nach dem der Planung zugrundeliegenden Baugrundgutachten und der Planbegründung – scheidet einerseits eine Versickerung des anfallenden Niederschlagswassers aufgrund der geringen Durchlässigkeit der vorhandenen Böden im Plangebiet aus, sodass das Konzept die Entwässerung sowohl der öffentlichen Erschließungsflächen als auch sämtlicher privater Nutzflächen über den Anschluss an den bestehenden, im Bereich der E … straße in Süd-Nord-Richtung verlaufenden Mischwasserkanal vorsieht. Andererseits erkennt das sachverständig erstellte Entwässerungskonzept die Notwendigkeit, dass das auf den privaten Flächen anfallende Oberflächenwasser „über private Regenwasserkanäle in noch zu planende Rückhalteeinrichtungen wie unterirdische Retentionszisternen oder unterirdische Rückhaltebecken eingeleitet und gedrosselt in den zu errichtenden Regenwasserkanal eingeleitet“ wird, wobei die gesamte Einleitungsmenge aus den privaten Grundstücken in den öffentlichen Kanal auf 15 l/s zu begrenzen sei (Nr. 6.2 und 6.3 des Entwässerungskonzepts vom 14. September 2020). Dass der Antragsgegner mögliche Gefahren grundsätzlich ernst nahm, zeigt sich ferner darin, dass der Marktgemeinderat im Zusammenhang mit dem Billigungs- und Auslegungsbeschluss am 24. September 2020 beschlossen hat, dass in einem „noch auszufertigenden städtebaulichen Vertrag“ aufzunehmen sei, dass die Drosselung über ein der Gemeinde zugängliches Bauwerk zu erfolgen habe und dass der Drosselabfluss sogar auf 10 l/s zu reduzieren sei.
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass jeder Bebauungsplan zur Vermeidung eines Abwägungsfehlers grundsätzlich die von ihm selbst geschaffenen oder ihm sonst zurechenbaren Konflikte zu lösen hat, indem die von der Planung berührten Belange zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden (BVerwG, U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – NVwZ 2015, 1537 = juris Rn. 14 m.w.N.). Ergeben sich mithin Probleme bei der Niederschlagswasserbeseitigung, z.B. weil – wie hier – eine Bodenversickerung nicht in Betracht kommt und eine bestehende Infrastruktureinrichtung – wie hier laut Planbegründung – an die Grenzen ihrer Kapazitäten stößt, verlangt das Gebot der Konfliktbewältigung für den Fall, dass das Problem ohne Kanalausweitung im Wege einer auf die Kapazitäten des vorhandenen Abwasserkanals abzustimmende Rückhalteeinrichtung gelöst werden soll, dass eine solche grundsätzlich selbst Gegenstand einer Regelung / Festsetzung im Bebauungsplan wird (BVerwG, U.v. 21.3.2002 – 4 CN 14.00 – BVerwGE 116, 144 = juris Rn. 22; BayVGH, U.v. 11.2.2014 – 1 N 10.2254 – juris Rn. 39; OVG NW, B.v. 1.12.2021 – 2 B 343/21.NE – juris Rn. 36 ff.; OVG Berlin-Bbg, U.v. 29.4.2021 – OVG 2 A 21.18 – juris Rn. 36). Im streitgegenständlichen Bebauungsplan finden sich allerdings keinerlei Festsetzungen zur Niederschlagswasserbeseitigung (zu den Möglichkeiten und Grenzen von Festsetzungen z.B. für eine zentrale Regenrückwasserhaltung oder von sonstigen Maßnahmen zur Vermeidung oder Verringerung von Überflutungsschäden durch Starkregenereignisse nach Maßgabe von § 9 Abs. 1 Nr. 14 und Nr. 16 Buchst. 10, ggf. gekoppelt mit § 9 Abs. 1 Nrn. 15, 20 BauGB vgl. Habiger/Parzefall KommPrax BY 2021, 302/304 f.; vgl. auch BVerwG, U.v. 30.8.2001 – 4 CN 9.00 – BVerwGE 115, 77 = juris Rn. 9 ff.; BayVGH, U.v. 17.12.2019 – 2 N 18.1804 – juris Rn. 32). Aus der Planbegründung sowie der Behandlung im Marktgemeinderat am 24. September 2020 ergibt sich vielmehr, dass der Antragsgegner die Probleme rund um die Niederschlagswasserbeseitigung bewusst gerade nicht abschließend im Bebauungsplan selbst regeln wollte, sondern dass sämtliche Detailfragen der Umsetzungsphase auf Basis einer Planung eines Ingenieurbüros sowie einer Regelung in einem städtebaulichen Vertrag überlassen werden sollten. In der Schlussabwägung vom 17. Dezember 2020 wird ausgeführt, die Regenentwässerung sei hinsichtlich der Kapazität und der Leistungsfähigkeit mit der Gemeinde abgestimmt worden; auch hier wird hier auf einen „städtebaulichen Vertrag“ Bezug genommen, in dem „die Erschließungs- und eventuellen Folgekosten im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten geregelt“ würden; es sei – so die Schlussabwägung weiter – nicht erforderlich, im Bebauungsplan konkrete Festsetzungen zur Niederschlagswasserbeseitigung zu treffen. Die Entwässerung sei durch einen Fachplaner konzeptionell gelöst und es sei geklärt, dass diese konzeptionelle Lösung umsetzbar und wirksam sei. Die Lösung sei mit der Gemeinde abgestimmt. Daher könne „die weitere konkrete Planung auf die nächste Planungsebene verlagert werden.“
Festsetzungen eines Bebauungsplans können allerdings auch Ausdruck einer abwägungsfehlerfreien „planerischen Zurückhaltung“ sein. Von einer abschließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan darf die Gemeinde Abstand nehmen und einen Konflikttransfer außerhalb des Bebauungsplans verfolgen, wenn bei vorausschauender Betrachtung die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des Planungsverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt ist. Eine Planung darf aber nicht dazu führen, dass Konflikte, die durch sie hervorgerufen werden, zu Lasten Betroffener letztlich ungelöst bleiben. Ein Konflikttransfer ist mithin nur zulässig, wenn die Durchführung der Maßnahmen zur Konfliktbewältigung auf einer nachfolgenden Stufe möglich und sichergestellt ist. Eine Konfliktverlagerung „ins Blaue hinein“ ist mit dem Abwägungsgebot unvereinbar. Ob eine Konfliktbewältigung durch späteres Verwaltungshandeln gesichert oder wenigstens wahrscheinlich ist, hat die Gemeinde prognostisch zu beurteilen. Ist insoweit bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung die künftige Entwicklung hinreichend sicher abschätzbar, so darf sie dem bei ihrer Abwägung Rechnung tragen (vgl. BVerwG, U.v. 7.5.2014 – 4 CN 5.13 – NVwZ 2014, 1170 = juris Rn. 25; U.v. 5.5.2015 a.a.O. Rn. 14 m.w.N.; speziell in Bezug auf die Niederschlagswasserbeseitigung: BayVGH, U.v. 11.2.2014 – 1 N 10.2254 – juris Rn. 37 ff.; OVG Berlin Bbg, U.v. 29.4.2021 – OVG 2 A 21.18 – juris Rn. 38; VGH BW, U.v. 24.7.2019 – 5 S 2405/17 – ZfBR 2019, 806 = juris Rn. 36; OVG MV, U.v. 11.9.2019 – 3 K 376/15 – juris Rn. 40; OVG NW, B.v. 1.12.2021 – 2 B 343/21.NE – juris Rn. 38; Fricke, ZfBR 2016, 332 ff.; ders., UPR 2014, 97 ff.). Eine Konfliktverlagerung hinsichtlich der ordnungsgemäßen Niederschlagswasserbeseitigung in ein der Bauleitplanung folgendes (z.B. wasserrechtliches) Erlaubnisverfahren ist daher z.B. nicht zu beanstanden, wenn die Prognose gerechtfertigt ist, dass der Konflikt in diesem nachfolgenden Verfahren tatsächlich einer Lösung zugeführt wird und sich die Gemeinde einen Kenntnisstand verschafft hat, der ihr – spätestens im Zeitpunkt des Beschlusses über den Bebauungsplan – eine diesbezügliche Bewertung erlaubt (OVG MV, U.v. 11.9.2019 a.a.O. Rn. 41; vgl. auch BayVGH U.v. 17.12.2019 – 2 N 18.1804 – juris Rn. 32 ff.; U.v. 12.2.2020 – 15 N 19.389 – juris Rn. 14). Im Übrigen hängen diesbezügliche Einzelfragen von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls und insbesondere vom vorhandenen Konfliktpotential ab. Bei Erlass des Satzungsbeschlusses muss die Gemeinde sicher davon ausgehen können, dass das für das Baugebiet notwendige Entwässerungssystem in dem Zeitpunkt tatsächlich vorhanden und funktionstüchtig sein wird, in dem die nach dem Plan zulässigen baulichen Anlagen fertig gestellt und nutzungsreif sein werden (BVerwG, U.v. 21.3.2002 – 4 CN 14.00 – BVerwGE 116, 144 = juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 13.4.2018 – 9 NE 17.1222 – juris Rn. 25; OVG NRW, U.v. 18.1.2019 – 7 D 12/18.NE – juris Rn. 23 m.w.N.).
Gemessen hieran ist vorliegend im Spannungsfeld zwischen planerischer Konfliktbewältigung und planerischer Zurückhaltung eine Verletzung des Abwägungsgebots festzustellen. Daran, dass der Antragsgegner selbst davon ausgegangen ist, dass die Beseitigung des im Plangebiet anfallenden Oberflächenwassers nicht völlig unproblematisch ist und dass er sowohl in der Abwägung als auch in der Planbegründung eine Drosselungsmaßnahme für die Abführung des Niederschlags- bzw. Oberflächenwasser über das bestehende Kanalsystem als erforderlich angesehen hat, zeigt sich, dass tatsächlich ein Regelungsbedarf bestand, um für die Allgemeinheit, für die Grundstücke im Plangebiet sowie für die dem Plangebiet unmittelbar benachbarten Grundstücke (wie die Grundstücke der Antragstellerin) eine ordnungsgemäße und gefahrlose Niederschlagswasserbeseitigung über rechtzeitig fertig gestellte, nutzungsreife Entwässerungsanlagen zu gewährleisten. Allein die Thematisierung der Planbegründung und in den Ratsbehandlungen vermag hingegen keine hinreichende Kompensation zu schaffen. Die Begründung zum Bebauungsplan kann zur Konfliktlösung grundsätzlich gebotene Festsetzungen im Bebauungsplan selbst nicht ersetzen, sie stellt lediglich eine Auslegungshilfe für die getroffenen Festsetzungen dar (OVG Berlin Bbg, U.v. 29.4.2021 – OVG 2 A 21.18 – juris Rn. 37; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: August 2021, § 9 Rn. 14). Auch der in der Abwägung erfolgte Verweis auf eine bestehende und inhaltlich abgestimmte Entwässerungsplanung, die Gegenstand eines erst noch zukünftig abzuschließenden städtebaulichen Vertrag werden soll, genügt nicht, um im Spannungsfeld zwischen planerischer Konfliktbewältigung und planerischer Zurückhaltung abwägungsfehlerfrei von an sich gebotenen Regelungen im Bebauungsplan abzusehen. Wie das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit Maßnahmen des naturschutzrechtlichen Ausgleichs oder Ersatzes (§ 1a Abs. 3 BauGB, § 18 BNatSchG) geklärt hat, können allerdings grundsätzlich auch vertragliche Verpflichtungen die Wahrung von Belangen in ähnlicher Weise wie planerische Festsetzung gewährleisten (BVerwG, B.v. 18.11.1997 – 4 BN 26.97 – NVwZ-RR 1998, 552 = juris Rn. 13; Söfker/Runkel in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: August 2021, § 1 Rn. 220). Vor diesem Hintergrund spricht Vieles dafür, dass auch im Bereich der Niederschlags- bzw. Oberflächenwasserbeseitigung eine nicht völlig unproblematische Konfliktlösung anstelle von Festsetzungen im Bebauungsplans selbst grundsätzlich auch über rechtlich verpflichtende Vereinbarungen – etwa im Rahmen von städtebaulichen Verträgen nach § 11 BauGB oder von Durchführungsverträgen mit Vorhabenträgern (im Falle eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans gem. § 12 BauGB) – ohne Verstoß gegen § 2 Abs. 3, § 1 Abs. 7 BauGB sichergestellt werden kann, wenn hierüber ein Dritter (z.B. der Vorhabenträger und / oder ein Erschließungsträger) in sachlicher und zeitlicher Hinsicht verbindlich / verpflichtend Maßnahmen übernimmt, die im Zusammenhang mit der Durchführung erforderlicher Erschließungs- und / oder sonstigen Infrastrukturmaßnahmen stehen (OVG Berlin Bbg, U.v. 29.4.2021 a.a.O. Rn. 38). Allein die im Verfahren der Bauleitplanung bestehende Absicht, erkannte Probleme und Gefahren in Bezug auf die Niederschlagswasserbeseitigung über einen erst später, d.h. nach Satzungsbeschluss abzuschließenden städtebaulichen Vertrag (Erschließungsvertrag) zu regeln, genügt hingegen nicht, um einen Konflikttransfer abwägungsfehlerfrei zu handhaben. Ebenso wie es bei einer einseitigen Verpflichtungserklärung der planenden Gemeinde in Bezug auf naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen an einer hinreichenden verbindlichen Regelung und damit einer hinreichenden Sicherstellung fehlt (BVerwG, B.v. 18.11.1997 a.a.O.), fehlt es an einer verbindlichen Sicherung in Bezug auf die Umsetzung bestimmter, nach der Abwägungsentscheidung notwendig durch Dritte umzusetzender Maßnahmen, wenn beim Satzungsbeschlusses lediglich eine Beschlusslage vorliegt, nach der erforderliche Infrastrukturmaßnahmen zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen, gefahrfreien Entwässerung erst noch zum Inhalt einer vertraglichen Verpflichtung gemacht werden soll, die vertragliche Verpflichtung selbst aber mangels Abschlusses des städtebaulichen Vertrags noch nicht begründet wurde (vgl. auch OVG NW, B.v. 1.12.2021 – 2 B 343/21.NE – juris Rn. 44, 48). Es lag auch kein Fall vor, wonach vor dem Satzungsbeschluss bereits die Unterschrift des zur Umsetzung verpflichteten Vertragspartners unter den Vertrag gesetzt war und das zuständige kommunale Gremium durch Beschluss vor dem Satzungsbeschluss den Bürgermeister ermächtigt / beauftragt, den Vertrag ebenfalls zu unterzeichnen und damit für beide Seiten verbindlich zu machen (vgl. zum Durchführungsvertrag im Fall eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans BayVGH, U.v. 11.5.2018 – 15 N 17.1175 – KommJur 2018, 268 = juris Rn. 35). Ist das nicht der Fall, wird der Bebauungsplan als Satzung erlassen, obwohl noch nicht hinreichend feststeht, ob sich der Vertragspartner auf den anvisierten Vertragsschluss auch wirklich einlässt (zur Schriftform vgl. Art. 57 BayVwVfG bzw. § 57 VwVfG) und es tatsächlich zu der vertraglichen Verpflichtung kommt. So liegt die Sachlage aber hier: Auch wenn im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses (17. Dezember 2020) der Sache nach eine womöglich hinreichend konkrete Entwässerungsplanung als Grundlage des Satzungsbeschlusses vorlag, existierte zu diesem Zeitpunkt lediglich eine Entscheidungslage, nach der in einem noch abzuschließenden städtebaulichen Vertrag mit dem Erschließungsträger bestimmte Modalitäten (Anschluss an den bestehenden Mischwasserkanal mit einer Abflussdrosselung) geregelt werden sollten. Der Erschließungsvertrag selbst wurde hingegen durch beidseitige Unterschriften erst am 12. Mai 2021 – und damit deutlich nach dem Satzungsbeschluss und auch nach der Bekanntmachung (7. Mai 2021) – zwischen dem Antragsgegner und dem Vorhabenträger / Erschließungsträger geschlossen. Im relevanten Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB) war mithin – abwägungsdefizitär und damit abwägungsfehlerhaft – die gefahrfreie Ableitung des Niederschlags- / Oberflächenwassers im Plangebiet nicht hinreichend gesichert.
cc) Der Abwägungsmangel ist auch gem. § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB beachtlich. Er ist offensichtlich, weil er sich unmittelbar aus den Planungsunterlagen ergibt; er ist zudem auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen, weil nach den Umständen des vorliegenden Falls die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne ihn die Planung anders ausgefallen wäre (vgl. BVerwG, U.v. 21.8.1981 – 4 C 57.80 – BVerwGE 64, 33 = juris Rn. 26 ff.; B.v. 13.1.2016 – 4 B 21.15 – BRS 84 Nr. 11 = juris Rn. 10; vgl. auch BayVGH, U.v. 11.2.2014 – 1 N 10.2254 – juris Rn. 41; B.v. 13.4.2018 – 9 NE 17.1222 – juris Rn. 42). Denn hätten die Mitglieder des Marktgemeinderats im entscheidungsrelevanten Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses gewusst, dass der Konflikt zur Niederschlagswasserbeseitigung im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nicht gelöst war, kann gerade nicht unterstellt werden, dass sie zu diesem Zeitpunkt denselben Satzungsbeschluss erlassen hätten. Womöglich hätte sich der Marktgemeinderat im relevanten Zeitpunkt dafür entschlossen, den Bebauungsplan eben noch nicht als Satzung zu beschließen, um zunächst abzuwarten, ob der städtebauliche Vertrag zustande kommt, oder er hätte sich ggf. alternativ dafür entschieden, den Bebauungsplan nur mit sichernden Festsetzungen zur Niederschlagswasserbeseitigung zu erlassen, statt auf eine damals noch ungewisse Vertragslösung zu setzen. Sollte entgegen der hier vertretenen Ansicht der Abwägungsfehler als (vorrangiger) Verstoß gegen das verfahrensrechtlich ausgestaltete Ermittlungs- bzw. Bewertungsgebot aus § 2 Abs. 3 BauGB angesehen werden, ergäbe sich i.E. dieselbe Rechtsfolge, weil die Voraussetzungen für die Beachtlichkeit der Fehlerfolge einerseits in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB (für Verfahrensfehler i.S. von § 2 Abs. 3 BauGB) und andererseits in § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB (für materielle Abwägungsfehler i.S. von § 1 Abs. 7 BauGB) identisch sind.
dd) Der Mangel im Abwägungsvorgang ist nicht gem. § 215 Abs. 1 BauGB präkludiert. Weil die Bekanntmachung des Bebauungsplans erst am 7. Mai 2021 erfolgte, war die Jahresfrist des § 215 BauGB im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (15. März 2022) noch nicht abgelaufen (vgl. VGH BW, U.v. 3.9.2020 – 5 S 1837/18 – NVwZ-RR 2021, 94 = juris Rn. 60 f. m.w.N.). Zudem hat die Antragstellerin die diesbezüglichen Mängel zwischenzeitlich auch innerhalb der Jahresfrist gem. § 215 Abs. 1 BauGB mit hinreichender „Anstoßfunktion“ gegenüber dem Antragsgegner mit Schreiben vom 8. Februar 2022 gerügt. Im Übrigen kann eine Rüge gem. § 215 BauGB auch im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens gegenüber der Gemeinde geltend gemacht werden (vgl. BayVGH, U.v. 27.2.2018 – 15 N 16.2381 – BayVBl 2019, 88 = juris Rn. 37; B.v. 4.5.2018 – 15 NE 18.382 – juris Rn. 41; OVG Hamburg, U.v. 11.4.2019 – 2 E 8/17.N – ZfBR 2019, 690 = juris Rn. 73). Das gilt jedenfalls, wenn das schriftsätzliche Vorbringen – wie hier – rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist bei der planenden Gemeinde eingegangen ist (vgl. BVerwG, U.v. 14.6.2012 – 4 CN 5.10 – BVerwGE 143, 192 = juris Rn. 27 m.w.N.; zum Ganzen auch BayVGH, U.v. 17.7.2020 – 15 N 19.1377 – ZNER 2020, 456 = juris Rn. 49).
c) Der Verfahrensmangel in Bezug auf § 4 Abs. 2 BauGB bezieht sich von vornherein auf den gesamten Bebauungsplan und begründet schon für sich die Gesamtunwirksamkeit des streitgegenständlichen Bebauungsplans. Dasselbe gilt für den Abwägungsfehler bezogen auf die Niederschlagswasserbeseitigung (Verstoß gegen das Gebot der Konfliktbewältigung), der das gesamte Plangebiet erfasst (BayVGH, U.v. 11.2.2014 – 1 N 10.2254 – juris Rn. 42; B.v. 13.4.2018 – 9 NE 17.1222 – juris Rn. 43; OVG Berlin-Bbg, U.v. 29.4.2021 – OVG 2 A 21.18 – juris Rn. 51).
3. Aufgrund der zur Gesamtunwirksamkeit führenden Erwägungen zu 2. sind die weiteren von der Antragstellerin erhobenen Einwendungen nicht entscheidungserheblich. Es kann u.a. auch dahingestellt bleiben, ob in dem (hier ohnehin zu spät geschlossenen) Erschließungsvertrag die Verpflichtung zur Umsetzung eines bestimmten, der Planung zugrunde gelegten Niederschlagswasserkonzepts hinreichend verbindlich geregelt ist bzw. ob das Niederschlagswasserkonzept, das letztlich Gegenstand der vertraglichen Regelung wurde, inhaltlich zu einer ausreichenden Problembewältigung führt (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 11.2.2014 – 1 N 10.2254 – juris Rn. 35; OVG Berlin Bbg, U.v. 29.4.2021 – OVG 2 A 21.18 – juris Rn. 39 f.). Ebenso kann offenbleiben, ob das Niederschlagswasserkonzept am Maßstab der Sollvorschrift des § 55 Abs. 2 WHG rechtlich zulässig ist (vgl. z.B. Zöllner in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG AbwAG, Stand: Juli 2021, § 55 WHG Rn. 31; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 55 Rn. 18, 22 ff.; Schulz in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, Stand: Oktober 2021, § 55 WHG Rn. 6). Für ein möglicherweise neues oder ergänzendes Verfahren der Bauleitplanung weist der Senat darauf hin, dass mit Blick auf § 2 Abs. 3 BauGB eine Konfliktlösung auch über eine Vertragslösung nicht dergestalt „ins Blaue hinein“ erfolgen darf, dass sich die Gemeinde „blind“ auf eine Problemlösungszusage des Vertragspartners verlässt. Vielmehr muss sich die planende Gemeinde im Bebauungsplanverfahren einen Kenntnisstand verschaffen, der ihr – spätestens im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses über den Bebauungsplan – eine sachgerechte Beurteilung und Entscheidung über die Konfliktbewältigung ermöglicht. Dies wiederum setzt voraus, dass die Gemeinde – hier in Bezug auf die Niederschlagswasserbeseitigung – die Konfliktsituation erkennt und die Möglichkeit einer Konfliktbewältigung über die in einem städtebaulichen Vertrag geregelte Maßnahme bis zum Satzungsbeschluss hinreichend aufgeklärt hat (vgl. VGH BW, U.v. 24.7.2019 – 5 S 2405/17 – ZfBR 2019, 806 = juris Rn. 37 m.w.N.; OVG MV, U.v. 11.9.2019 – 3 K 376/15 – juris Rn. 41 ff.; vgl. auch BayVGH, B.v. 13.4.2018 – 9 NE 17.1222 – juris Rn. 35 ff.). Ob Letzteres – etwa mit Blick auf die Kapazität des vorhandenen Abwasserkanalsystems und die hieran anknüpfende Drosselungsmaßnahme – vorliegend hinreichend erfolgt ist bzw. (zum diesbezüglichen Nachweis) hinreichend dokumentiert wurde, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
5. Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss der Antragsgegner die Ziffer I. der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen, wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre.


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