Baurecht

Biolegehennenstall im Außenbereich – kein Verstoß gegen Gebot der Rücksichtnahme

Aktenzeichen  Au 5 K 19.1370

Datum:
17.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 27746
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
BImSchG § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1
BayBO Art. 55, Art. 56, Art. 68 Abs. 1 S. 1
VwGO § 42 Abs. 2, § 74 Abs. 1 S. 2, § 113 Abs. 1 S. 1
TierGesG § 3 Nr. 2

 

Leitsatz

1. IRd § 35 BauGB wird Nachbarschutz nur durch das Gebot der Rücksichtnahme vermittelt, das in § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB eine besondere Ausprägung erfährt. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sind von dem in Rede stehenden Bauvorhaben Immissionen zu erwarten, kann bezüglich der Zumutbarkeit auf Grundsätze und Begriffe des Bundesimmissionsschutzgesetzes zurückgegriffen werden. Gehen von einer Anlage Immissionen aus, die sich in den Grenzen des der Nachbarschaft gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG Zumutbaren halten, ist diese nicht rücksichtslos. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die beim Betrieb einer Anlage als Immission oder als sonstige Einwirkung verursachte Übertragung von Krankheitserregern ist dann immissionsschutzrechtlich relevant, wenn sie geeignet ist, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Nicht ausreichend, um den Gefahrenbegriff zu erfüllen, sind jedoch ein nur möglicher Zusammenhang zwischen Emission und Schadenseintritt, ein generelles Besorgnispotential oder nur potentiell schädliche Umwelteinwirkungen. Eine die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG auslösende Gefahrenlage liegt demnach dann nicht vor, wenn der Erregereintrag von den Umständen des Einzelfalls, zB von Impfungen und von dem jeweiligen Hygieneregime abhängt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 5. Juli 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
1. Die Klage ist zulässig.
Der Kläger ist nach § 42 Abs. 2 VwGO als baurechtlicher Nachbar klagebefugt. Nachbar im Sinne der Bayerischen Bauordnung (BayBO) ist der Grundstücksberechtigte an einem Grundstück, der durch das Vorhaben in seinen öffentlich-rechtlich geschützten Belangen berührt werden kann. Maßgeblich ist der jeweilige Einwirkungsbereich des Bauvorhabens, der nach Art und Intensität der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen verschieden bemessen sein kann und dementsprechend flexibel den Kreis der Nachbarn bestimmt. Vorliegend unterfällt der Kläger als Eigentümer u.a. der Grundstücke Fl.Nrn.,, … und … der Gemarkung … dem baurechtlichen Nachbarbegriff. Das Grundstück Fl.Nr., auf dem sich der Betrieb des Klägers befindet, grenzt zwar nicht unmittelbar an das Baugrundstück an, sondern wird von diesem durch einen ca. 5 m breiten Feldweg getrennt. Dennoch befindet sich das Grundstück hinsichtlich möglicher Umwelteinwirkungen i.S. des § 3 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), beispielsweise in Form von Krankheitserregern, im unmittelbaren Einwirkungsbereich dieser Immissionen. Das Grundstück Fl.Nr. … grenzt unmittelbar an das Baugrundstück an. Die Grundstücke Fl.Nrn. … und … grenzen zwar nicht unmittelbar an das Baugrundstück des Beigeladenen an, liegen jedoch ebenfalls noch im Einwirkungsbereich des geplanten Vorhabens.
Die nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO einzuhaltende Klagefrist von einem Monat wurde gewahrt. Die Baugenehmigung vom 5. Juli 2019 wurde dem Kläger ausweislich des von seiner Bevollmächtigten vorgelegten Postzustellungsvermerks erst am 8. August 2019 zugestellt, so dass die Klageerhebung am 5. September 2019 rechtzeitig erfolgte.
2. Die Klage ist nicht begründet.
Die streitgegenständliche Baugenehmigung verletzt den Kläger nicht in drittschützenden Rechten. Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung hat der anfechtende Nachbar nur, wenn das Bauvorhaben den im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfenden, öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO i.V.m. Art. 55 ff. BayBO) und die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz der Nachbarn dient, ihr also drittschützende Wirkung zukommt (vgl. BVerwG, U.v. 6.10.1989 – 4 C 14.87 – BVerwGE 82, 343). Die Baugenehmigung muss dabei gegen eine im Baugenehmigungsverfahren zu prüfende Vorschrift verstoßen. Weiterhin muss der Nachbar durch den Verstoß gegen diese Norm in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen sein. Eine objektive Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung reicht dabei nicht aus, denn der Nachbar muss in eigenen subjektiven Rechten verletzt sein. Dies Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
a) Das Vorhaben des Beigeladenen liegt im Außenbereich und ist bauplanungsrechtlich nach § 35 Baugesetzbuch (BauGB) zu beurteilen.
Bei Vorhaben im Außenbereich beschränkt sich der Nachbarschutz auf die Anforderungen des Gebotes der Rücksichtnahme. Ob das Vorhaben objektiv rechtlich allen Anforderungen des § 35 BauGB entspricht, ist deshalb im vorliegenden Verfahren nicht zu klären. Ungeachtet dessen ist festzuhalten, dass das geplante Bauvorhaben nach seiner Art im Außenbereich zulässig ist, weil es nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert ist. Es dient dem bereits bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb des Beigeladenen. Der Beigeladene will als Vollerwerbslandwirt neben der bestehenden Milchviehhaltung mit der Biolegehennenhaltung eine zweite Erwerbsquelle aufbauen.
b) Dem Vorhaben stehen keine öffentlichen Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB entgegen, auf die der Kläger sich berufen könnte.
Im Rahmen des § 35 BauGB wird Nachbarschutz nur durch das Gebot der Rücksichtnahme vermittelt, das in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB eine besondere Ausprägung erfährt (std. Rspr. des BVerwG; vgl. z.B. Urteil vom 28.7.1999, Az. 4 B 38/99, NVwZ 2000, 552). Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Für eine sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Allgemein gilt aber, dass Immissionen, die das nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zulässige Maß nicht überschreiten, weder einen schweren und unerträglichen Eingriff in das Eigentum noch eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots darstellen können (BVerwG, U.v. 24.9.1992 – 7 C 7.92 – NVwZ 1993, 987). Sind von dem in Rede stehenden Vorhaben also Immissionen zu erwarten, kann bezüglich der Zumutbarkeit auf Grundsätze und Begriffe des Bundesimmissionsschutzgesetzes zurückgegriffen werden (BVerwG, U.v. 21.1.1983 – 4 C 59.79 – juris Rn. 13). Gehen von einer Anlage Immissionen aus, die sich in den Grenzen des der Nachbarschaft gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG Zumutbaren halten, ist diese nicht rücksichtslos (OVG MV, U.v. 23.6.1998 – 3 L 209/96 – juris Rn. 63).
aa) Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ergibt sich nicht im Hinblick auf die vom Kläger befürchtete, gesteigerte Gefahr des Eintrags von Krankheitserregern in seinen Betrieb.
Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird. Nach § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen als Immissionen definiert, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Bei der vom Kläger befürchteten Übertragung von Krankheitserregern vom geplanten Betrieb des Beigeladenen auf seinen eigenen Betrieb durch die Luft oder durch lebende Vektoren handelt es sich um Einwirkungen i.S. des § 3 Abs. 2 BImSchG. Die beim Betrieb einer Anlage als Immission oder als sonstige Einwirkung verursachte Übertragung von Krankheitserregern ist dann immissionsschutzrechtlich relevant, wenn sie geeignet ist, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Von einer Gefährdung der Schutzgüter des Nachbarn ist dann auszugehen, wenn die Gefahr vorliegt, dass „aus gewissen gegenwärtigen Zuständen nach dem Gesetz der Kausalität andere Schaden bringende Zustände und Ereignisse erwachsen werden“ (BVerwG v. 11.12.2003 – 7 C 19/02 – juris Rn. 12). Nicht ausreichend, um den Gefahrenbegriff zu erfüllen, sind jedoch ein nur möglicher Zusammenhang zwischen Emission und Schadenseintritt, ein generelles Besorgnispotential oder nur potentiell schädliche Umwelteinwirkungen (BayVGH, U.v. 24.3.2011 – 22 B 10.2316 – juris Rn. 21). Eine die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG auslösende Gefahrenlage liegt demnach dann nicht vor, wenn der Erregereintrag von den Umständen des Einzelfalls, z.B. von Impfungen und von dem jeweiligen Hygieneregime abhängt. In derartigen Fällen sind belastbare Aussagen über einen künftigen Erregereintrag nicht möglich (BayVGH, U.v. 24.3.2011 a.a.O. Rn. 22).
Ausgehend hiervon fehlt es vorliegend an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit dafür, dass vom streitgegenständlichen Stall des Beigeladenen Krankheitserreger über die Luft oder durch lebende Vektoren auf den Geflügelbestand im vorhandenen Betrieb des Klägers übertragen werden und dort einen erheblichen Schaden verursachen können. Unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten fachlichen Stellungnahmen und den Aussagen der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen sachverständigen Zeugen ist nach Überzeugung des Gerichts zwar nicht auszuschließen, dass es vom Stall des Beigeladenen zu einer Krankheitsübertragung auf den Geflügelbestand des Klägers kommen kann. Der Schadenseintritt ist jedoch abhängig von zahlreichen Faktoren und damit zu ungewiss, um über ein generelles Besorgnispotential hinaus bereits eine hinreichend konkrete Gefahrenlage begründen zu können. Der Erregereintrag hängt, wie sich aus den vorgelegten fachlichen Stellungnahmen und den Erkenntnissen aus der mündlichen Verhandlung ergeben hat, u.a. von Impfungen, vom jeweiligen Hygieneregime sowie vom kontrollierten Zukauf der Tiere ab. Hinsichtlich der Impfungen hat die sachverständige Zeugin Dr. … ausgeführt, dass auch in Biolegehennenbetrieben eine Impfpflicht gegen die Newcastle-Krankheit und gegen Salmonellenerkrankungen besteht. Soweit von Klägerseite als problematisch angesehen wurde, dass Tiere aus österreichischen Aufzuchtbetrieben hinsichtlich der Newcastle-Krankheit nur einen schwächeren Impfschutz hätten, hat der Beigeladene klargestellt, dass er die Hühner aus einem Junghennenaufzuchtbetrieb in … beziehen werde. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Tiere den in Deutschland erforderlichen Impfstandard aufweisen. Des Weiteren hängt der Schadenseintritt durch einen Krankheitserregereintrag, wie die sachverständigen Zeugen in der mündlichen Verhandlung einvernehmlich und anschaulich vermittelt haben, ganz erheblich von dem durchgeführten Hygieneregime sowohl im Betrieb des Klägers als auch im Betrieb des Beigeladenen ab. Auch die jeweilige Betriebsorganisation kann entscheidend für die Ausbreitung einer Erkrankung im Betrieb selbst, aber auch darüber hinaus, sein. So muss beispielsweise das Auftreten von Salmonellen in einem Legehennenbetrieb nicht zwangsläufig zur Schließung eines ganzen Betriebs führen. Werden Legehenneneinheiten getrennt gehalten – wie dies beim Kläger der Fall ist – und ist eine Trennung bei der Eiersortierung und -verpackung möglich, muss bei Auftreten einer Erkrankung nicht zwingend der gesamte Betrieb betroffen sein. Umso weniger ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass das Auftreten einer Erkrankung im Betrieb des Beigeladenen im Geflügelbestand des Klägers ebenfalls zu einer Erkrankung führt. Dies ist wiederum u.a. ganz wesentlich abhängig vom Hygieneregime auf dem Betrieb des Klägers, teilweise auch von der jeweiligen Altersstruktur der Bestände. Auch der tierärztlichen Versorgung kommt insoweit eine entscheidende Bedeutung zu. Im konventionell geführten Betrieb des Klägers besteht die Möglichkeit, etwa durch den Einsatz von Antibiotika einen Krankheitsausbruch ganz zu verhindern oder jedenfalls den Verlauf zu steuern und zu kontrollieren. Grundsätzlich hat auch der Beigeladene, obwohl er den Betrieb in biologischer Haltungsweise führen möchte, die Möglichkeit, auf das Auftreten von Erregern mit Medikamenten zu reagieren. Dem steht jedenfalls aus rechtlicher und tierarztfachlicher Sicht nichts entgegen, allerdings wäre die Vermarktung der Eier dann dahingehend eingeschränkt, dass sie nur als konventionell erzeugte Lebensmittel vermarktet werden könnten. Bei der Gefahr der Übertragung von Krankheitserregern durch die Luft kann auch die Hauptwindrichtung maßgeblichen Einfluss haben. Diese führt ausweislich der im Baugenehmigungsverfahren eingeholten Standortanalyse vom 7. Dezember 2017 vom Anwesen des Klägers weg in Richtung des Beigeladenen. Einer Übertragung von Erregern auf dem Luftweg in den Betrieb des Klägers wird dadurch entgegengewirkt.
Dass das Risiko des Auftretens einer Erkrankung im geplanten Betrieb des Beigeladenen – wie der Kläger befürchtet – deshalb erhöht wäre, weil der Beigeladene bisher keine Erfahrung in der Geflügelhaltung habe, hat sich nach Auffassung der Kammer nach Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht ergeben. Der Beigeladene hat eine Ausbildung als Landwirt absolviert und die Meisterprüfung abgeschlossen. Damit ist er, wie der sachverständige Zeuge Dr. … erläuterte, zur Haltung aller Nutztierarten qualifiziert. Eines besonderen Sachkundenachweises bedarf der Beigeladene demnach für die Geflügelhaltung nicht. Der Beigeladene hat zudem berichtet, dass er im Hinblick auf das geplante Vorhaben ein fünftägiges Seminar besucht habe, das sich an zwei Tagen ausschließlich mit der Geflügelhaltung befasst habe. Zudem habe er bereits im Jahr 2016 seinen Milchviehbetrieb auf die Biohaltung umgestellt. Der Beigeladene verfügt demnach jedenfalls hinsichtlich der Anforderungen an einen Biobetrieb mit Tierhaltung bereits über eine mehrjährige Erfahrung. Darüber hinaus ist er nach dem Tiergesundheitsgesetz (TierGesG) grundsätzlich verpflichtet, sich die erforderliche Sachkunde, falls nicht vorhanden, anzueignen (§ 3 Nr. 2 TierGesG) sowie dafür Sorge zu tragen, dass Tierseuchen weder in seinen Bestand eingeschleppt noch aus seinem Bestand verschleppt werden (§ 3 Nr. 2 TierGesG). Gesonderte Auflagen hierzu waren im angefochtenen Bescheid nicht erforderlich, weil die gesetzlichen Regelungen die Pflichten des Tierhalters festlegen. Diese Verpflichtungen treffen den Beigeladenen auch als Neueinsteiger in der Geflügelhaltung in gleicher Weise wie jeden anderen Geflügelhalter, so dass allein aus der bisher fehlenden Erfahrung nicht auf ein konkret erhöhtes Infektionsrisiko geschlossen werden kann.
Vor diesem Hintergrund ist auch keine zuverlässige Prognose möglich, dass es gegebenenfalls vom Betrieb des Beigeladenen ausgehend zu Krankheiten im Betrieb des Klägers kommen wird. Messbare Größen hierfür gibt es nicht. Dementsprechend gibt es auch keine durch Rechtsvorschriften oder sonstige Regelwerke vorgeschriebenen Mindestabstände zwischen benachbarten Geflügelbetrieben zur Minimierung des Risikos einer Übertragung von Tierkrankheiten. Auch die einvernommenen sachverständigen Zeugen, die über eine langjährige tierärztliche Berufserfahrung verfügen, konnten keine konkreten Zahlen zu einer möglichen Erhöhung des Risikos eines Krankheitseintrags in einem Geflügelbetrieb durch das Heranrücken eines weiteren Betriebes benennen. Zwar berichtete die Zeugin Dr., dass es nach ihrer Erfahrung in Freiland- und Biobetrieben häufiger zu einem Krankheitsgeschehen im Tierbestand komme. Durch den geringen Abstand zum Betrieb des Klägers sei auch die Wahrscheinlichkeit einer Krankheitsübertragung erhöht. Konkrete Zahlen hierzu konnte die Zeugin jedoch nicht benennen. Hinzu kommt, dass die Gefahr, dass der gesamte Geflügelbestand des Klägers wegen einer eingeschleppten Seuche wie der Geflügelpest oder der Newcastle-Krankheit gekeult werden muss, offensichtlich äußerst gering ist. Der sachverständige Zeuge Dr. … hat hierzu ausgeführt, dass in seiner zwanzigjährigen Amtszeit im zuständigen Landratsamt noch nie eine Keulung eines Bestandes wegen dieser Erkrankungen stattfinden musste.
Der Kläger muss auch nicht damit rechnen, wegen des heranrückenden Betriebes des Beigeladenen in seinem Betrieb nachträglich zu weiteren Schutzvorkehrungen verpflichtet zu werden. Hierzu hat der sachverständige Zeuge Dr. … ausgeführt, dass allein wegen des Hinzutretens des Betriebs des Beigeladenen vom Kläger keine zusätzlichen Schutzmaßnahmen gefordert werden können. Hilfreich wäre es jedoch, wenn die ohnehin vorhandenen Sicherheitsmaßnahmen konsequent und bewusst in der täglichen Arbeit umgesetzt würden.
Bei dieser Sachlage ist deshalb davon auszugehen, dass die vom geplanten Betrieb des Beigeladenen ausgehenden, möglichen Infektionsgefahren das nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zulässige Maß nicht überschreiten. Weitergehende Ansprüche, als sie § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG vermittelt, kann der Kläger aus dem nachbarschaftlichen Rücksichtnahmegebot nicht ableiten (BayVGH, U.v. 24.3.2011 a.a.O. Rn. 28).
bb) Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass das streitgegenständliche Vorhaben des Beigeladene gegen das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme verstößt.
Der Kläger befürchtet, dass wegen der teilweisen Versiegelung des Baugrundstücks durch die baulichen Anlagen, bedingt durch die Hanglage, verstärkt Niederschlagswasser auf seine Grundstücke abfließen könnte. Soweit er auf diesen Grundstücken Futter anbaue, sei zu befürchten, dass das Niederschlagswasser mit Krankheitserregern und mit Bakterien verseuchten Sand und Kot enthalte, so dass sich seine Legehennen über das Futter infizieren könnten. Auch sei die Sammelgrube zu klein konzipiert. Wenn die Kothalle gesäubert werden müsse, werde die Sammelgrube mangels Volumens das anfallende und in die Sammelgrube gelangende Schmutzwasser nicht gänzlich aufnehmen können, sondern überlaufen. Dieses Schmutzwasser werde aufgrund des vorherrschenden Ost-West-Gefälles auf seinen Grundstücken abfließen. Da das Schmutzwasser auch Bakterien, Keime, Pilze und sonstige Stoffe enthalte, sei die Gefahr groß, dass diese Stoffe auf das Grundstück des Klägers übergreifen würden.
Dem Vorbringen des Klägers, die Sammelgrube sei zu klein bemessen, kann nicht gefolgt werden. Nach den Berechnungen des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten müsste die Sammelgrube ein Fassungsvermögen von mindestens 5 m³ aufweisen (s. hierzu E-Mail vom 4. Dezember 2019). Ausweislich der genehmigten Pläne beträgt das Fassungsvermögen der geplanten Sammelgrube 6,28 m³. Die Sammelgrube ist damit ausreichend bemessen. Hinzu kommt, dass im streitgegenständlichen Bescheid in Auflage Nr. 9.4 festgesetzt ist, dass die Sammelgrube bei 2/3 Füllung zu leeren ist. Die Gefahr des Überlaufens der Sammelgrube und des möglichen Eintrags abfließenden Schmutzwassers aus der Sammelgrube auf die Grundstücke des Klägers oder in dessen Rückhaltebecken ergibt sich demnach aus dem Vorhaben in der genehmigten Form nicht. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auch rügt, dass die Kothalle zu weit von der Sammelgrube entfernt sei und das sich ergebende Schmutzwasser deshalb nicht in die Sammelgrube abfließen könne, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Die fachkundige Stelle für Wasserwirtschaft des Landratsamts … hat der Beklagten hierzu auf Anfrage am 7. Januar 2020 mitgeteilt, dass entscheidend für ein ordnungsgemäßes Abfließen nicht die Entfernung, sondern das Gefälle und der Durchmesser der Rohrleitung seien. Der Durchmesser der Rohrleitung sei mit 125 mm ausreichend bemessen. Eine Gewässer- oder Bodenverunreinigung sei nicht zu befürchten. Der Sammelbehälter sei deshalb nicht zu weit entfernt. Auch das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten teilte der Beklagten mit E-Mail vom 9. Januar 2020 mit, dass die Entfernung des Sammelbehälters von der Kothalle nicht relevant sei. Zudem wird durch die Auflagen Nrn. 9.4 und 9.5 im angefochtenen Bescheid sichergestellt, dass es nicht zu einer Überschwemmung des Sammelbehälters kommen kann.
Konkrete Anhaltspunkte für eine signifikante Gefahr der Überschwemmung der an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke des Klägers durch vom Baugrundstück abfließendes Niederschlagswasser sind ebenfalls nicht ersichtlich. Zwar geht mit dem Bauvorhaben zwangsläufig eine teilweise Versiegelung des bisher unbebauten Baugrundstücks einher. Allerdings ist durch eine von der Beklagten mit Schriftsatz vom 13. Mai 2020 vorgelegte Berechnung der Regenversickerungsanlage durch ein fachkundiges Büro belegt, dass das anfallende Niederschlagswasser auch unter Berücksichtigung der zu errichtenden Gebäude auf dem Baugrundstück selbst versickern kann. Substantiierte Zweifel gegen diese Berechnung wurden von der Klägerseite nicht vorgetragen. Damit ist nicht davon auszugehen, dass es wegen des auf dem Baugrundstück anfallenden Niederschlagswassers zu relevanten Schädigungen auf den Grundstücken des Klägers kommen wird. Die Betriebsgebäude und das Wohnhaus des Klägers liegen ohnehin auf gleicher Höhe mit dem geplanten Bauvorhaben und können deswegen von abfließendem Niederschlagswasser nicht betroffen werden. Allein der Umstand, dass es aufgrund der Hanglage zu einem verstärkten Wassereintrag auf den tiefer gelegenen Grundstücken des Klägers kommen könnte, begründet zudem noch nicht eine unzumutbare Belastung des Klägers. Diese könnte nur angenommen werden, wenn mit dem zusätzlich anfallenden Wasser auch konkret eine Schädigung der Ernte in Menge und Qualität zu befürchten wäre. Was den Eintrag von Krankheitserregern betrifft, ist insoweit auf das unter Nr. 2 Buchst. b) bb) Ausgeführte zu verweisen. Die Gefahr einer Übertragung von Krankheitserregern vom Betrieb des Beigeladenen auf den Betrieb des Klägers ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig, so dass allein hiermit keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots begründet werden kann. Gleiches gilt umso mehr für den vom Kläger befürchteten, nur mittelbaren Übertragungsweg der Übertragung von Krankheitserregern über Futter, das von abfließendem Niederschlagswasser verseucht sein könnte. Soweit aufgrund eines vereinzelt vorkommenden, extremen Starkregenereignisses das vom Kläger angebaute Tierfutter an Qualität oder Quantität in quantifizierbarer Weise geschädigt wird, ist der Kläger zur Geltendmachung des Schadens auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Anhaltspunkte dafür, dass allein die Erteilung der streitgegenständlichen Baugenehmigung zu einer signifikanten Erhöhung der Überschwemmungsgefahr der Grundstücke des Klägers mit Niederschlagswasser aus dem Baugrundstück führt, gibt es nach Auffassung des Gerichts unter Berücksichtigung der vorgelegten Berechnungen und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung nicht.
Nach alledem war die Klage als unbegründet abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt. Er hat deshalb seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO). Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).


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