Baurecht

Brutvorkommen des Rotmilans und Windkraft

Aktenzeichen  22 BV 15.2003

Datum:
27.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BNatSchG BNatSchG § 44 Abs. 1 Nr. 1, § 45 Abs. 7
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 S. 4

 

Leitsatz

Bei Lage eines Brutplatzes innerhalb des engeren Prüfbereichs um eine Windkraftanlage (in Bayern bisher Anlage 2 Spalte 2 der “Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen [WKA]” vom 20.12.2011 [AllMBl 2012, S. 34 – “Windkrafterlass Bayern”], derzeit Tabelle 2 der “Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten [Stand April 2015]” der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten) gilt eine widerlegliche Vermutung für das Bestehen eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass der engere Prüfabstand in den Abstandsempfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten als “Mindestabstand” bezeichnet wird. (amtlicher Leitsatz)
Legt der Vorhabenträger in einem solchen Fall stichhaltige Anhaltspunkte für eine Meidung oder einen seltenen Überflug des betreffenden Windkraftanlagen-Standorts substantiiert dar, so ist der Sachverhalt insoweit weiter aufzuklären. (amtlicher Leitsatz)
Der “Windkrafterlass Bayern” ist als ein antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität anzusehen, in dem die aus fachlicher Sicht im Regelfall zu beachtenden Erfordernisse dargestellt werden. Von diesen Vorgaben darf nicht ohne fachlichen Grund und ohne gleichwertigen Ersatz abgewichen werden. (redaktioneller Leitsatz)
Es ist davon auszugehen, dass sich mittlerweile ein von der derzeit geltenden Festlegung im “Windkrafterlass Bayern” abweichender allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft durch die Festlegung eines Mindestabstands von 1.500 m für den Rotmilan durch die “Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten (Stand April 20ß15)” der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW) durchgesetzt hat. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 K 14.795 2015-07-02 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I.
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. Juli 2015 wird geändert.
II.
Der Bescheid des Landratsamtes Donau-Ries vom 5. März 2015 wird aufgehoben, soweit darin die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von zwei Windkraftanlagen auf dem Grundstück Fl.Nr. 200 der Gemarkung W. (sog. WEA 1 und WEA 2) abgelehnt wurde. Der Beklagte wird verpflichtet, insoweit über den Genehmigungsantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs neu zu entscheiden.
Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
III.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Klägerin zu 2/3, der Beklagte und die Beigeladene zu je 1/6.
IV.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Hinsichtlich des mit dem Hauptantrag Nr. 2 geltend gemachten Anspruchs auf Genehmigungserteilung zur Errichtung und zum Betrieb der zwei streitgegenständlichen Windkraftanlagen WEA 1 und WEA 2 ist die Berufung zurückzuweisen (I.). Die Berufung hat lediglich hinsichtlich des diesbezüglichen Hilfsantrags (Antrag Nr. 3) Erfolg, so dass der Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Ablehnung zu verpflichten war, über den Genehmigungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs erneut zu entscheiden (II.). Bezüglich des Fortsetzungsfeststellungsantrags Nr. 1 betreffend die Windkraftanlage WEA 3 ist die Klage bereits unzulässig, so dass die Berufung auch insofern zurückzuweisen ist (III.).
I. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zu, die beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen zu erteilen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Aufgrund der naturschutzfachlichen Beurteilung des Beklagten ist nicht auszuschließen, dass dem Vorhaben der Klägerin das artenschutzrechtliche Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG entgegensteht. Obwohl der Beklagte derzeit in rechtlich fehlerhafter Weise vom Entgegenstehen des artenschutzrechtlichen Tötungsverbots ausgeht, steht nicht fest, dass eine fehlerfreie Ausübung der artenschutzfachlichen Einschätzungsprärogative durch die Genehmigungsbehörde zu einem für die Klägerin günstigen Ergebnis führen wird. Der Verwaltungsgerichtshof kann die insofern fehlende Spruchreife nicht selbst herbeiführen (vgl. auch BayVGH, U. v. 18.6.2014 – 22 B 13.1358 – NuR 2014, 736 Rn. 42).
1. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG in seinem Urteil vom 29. März 2016 – 22 B 14.1875 und 1876 u. a. folgendes ausgeführt (Rn. 38 und 39):
Das in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG statuierte Verbot, Tiere einer besonders geschützten Art zu töten, wird verletzt, wenn sich das Risiko, dass ein solcher Erfolg eintritt, durch das zu beurteilende Vorhaben in signifikanter Weise erhöht (BVerwG, U. v. 12.3.2008 – 9 A 3.06 – BVerwGE 130, 299 Rn. 219; U. v. 9.7.2008 – 9 A 14.07 – BVerwGE 131, 274 Rn. 90; U. v. 27.6.2013 – 4 C 1.12 – BVerwGE 147, 118 Rn. 11). Nicht erfüllt ist dieser Verbotstatbestand, wenn die den geschützten Tieren drohende Gefahr in einem Bereich verbleibt, der mit dem stets bestehenden Risiko vergleichbar ist, dass einzelne Exemplare einer Art im Rahmen des allgemeinen Naturgeschehens Opfer einer anderen Art werden (BVerwG, U. v. 9.7.2008 a. a. O. Rn. 91). Bei der Prüfung der Frage, ob der artenschutzrechtliche Tötungstatbestand erfüllt ist, steht der öffentlichen Verwaltung auch in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren einschließlich solcher, die die Errichtung und den Betrieb von Windkraftanlagen zum Gegenstand haben, ein naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum zu (BVerwG, U. v. 27.6.2013 a. a. O. Rn. 14; U. v. 21.11.2013 – 7 C 40.11 – NVwZ 2014, 524 Rn. 14). Diese Einschätzungsprärogative bezieht sich sowohl auf die Erfassung des Bestands der geschützten Arten als auch auf die Bewertung der Gefahren, denen die Exemplare dieser Art bei einer Verwirklichung des zur Genehmigung stehenden Vorhabens ausgesetzt sein würden (BVerwG, U. v. 27.6.2013 a. a. O. Rn. 14; U. v. 21.11.2013 a. a. O. Rn. 19).
2. Der Beklagte ist hier aufgrund seiner naturschutzfachlichen Bewertung zur Einschätzung gelangt, dass durch die Errichtung und den Betrieb der strittigen Windkraftanlagen der Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verwirklicht würde.
In seiner Stellungnahme vom 7. Oktober 2014 (dort S. 21) führt das Landratsamt Donau-Ries – untere Naturschutzbehörde aus, die geplanten Windkraftanlagen WEA 1 und WEA 2 hätten hinsichtlich der Arten des Rotmilans und des Wespenbussards ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko zur Folge. Diese Einschätzung wurde nach Einwendungen der Klägerin in einer weiteren Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 17. Juni 2015 aufrechterhalten und im vorliegenden Verfahren vom Beklagten aufgrund des aktuellen Erkenntnisstands bestätigt (vgl. Aktenvermerk der unteren Naturschutzbehörde vom 14. April 2016). In der mündlichen Verhandlung führten die Vertreter der Naturschutzbehörden ebenfalls aus, dass im vorliegenden Fall die festgestellten Flugbewegungen sowie Gelände- und Habitat-Strukturen die Feststellung von durch den Rotmilan gemiedenen oder nur selten überflogenen Bereichen innerhalb des sogenannten Prüfbereichs 1 nicht zulassen würden. Damit wurde auf die „Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen (WKA)“ (im Folgenden „Windkrafterlass Bayern“) vom 20.12.2011 (AllMBl 2012, S. 34), Bezug genommen, wonach in diesem Prüfbereich nach Anlage 2 Spalte 2 des Windkrafterlasses um eine geplante Windkraftanlage von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko auszugehen ist, wenn eine Untersuchung der Aufenthaltswahrscheinlichkeiten bezüglich der Individuen der betreffenden Arten nicht ergibt, dass der vorgesehene Windkraftanlagenstandort gemieden oder selten überflogen wird (S. 42). In einem Schreiben der unteren Naturschutzbehörde vom 17. Mai 2016 heißt es zu einem von der Klägerin vorgelegten Maßnahmenkonzept zur Minimierung des Kollisionsrisikos für den Rotmilan zusammenfassend, für eine abschließende Beurteilung sei dieses Konzept entschieden zu unkonkret. Nach einer ersten groben Einschätzung sei nicht erkennbar, ob und wie ein Ausmaß an Vermeidungswirkung erzielt werden könne, welche das Tötungsrisiko unter die Erheblichkeitsschwelle absenken könne. Bezüglich einer von der Klägerin aktualisierten Konzeptfassung vom 22./23. Mai 2016 erklärte der Vertreter der Regierung von Schwaben in der mündlichen Verhandlung, es sei sehr schwierig, in einem Fall wie dem vorliegenden mithilfe eines Ablenkungsflächenkonzepts Genehmigungsfähigkeit herzustellen. Ein Vertreter des Landesamtes für Umwelt führte aus, die im Konzept vorgeschlagenen Ablenkungsflächen lägen zu nahe an den Standorten der strittigen Windkraftanlagen, dies erscheine ihm zu riskant. Die Fachbeistände der Klägerin hätten nach seiner Einschätzung nicht aufgezeigt, wie gleichwohl eine Unterschreitung der Signifikanzschwelle bei der Gefährdung im Hinblick auf das Tötungsrisiko um einen besetzten Brutplatz erreicht werden könne.
3. Diese naturschutzfachlichen Beurteilungen begegnen zwar rechtlichen Bedenken (vgl. unten II.1.). Im Hinblick auf diese naturschutzfachlichen Beurteilungen der Naturschutzbehörden kann aber nicht festgestellt werden, dass durch die Errichtung und den Betrieb der strittigen Windkraftanlagen WEA 1 und WEA 2 insbesondere in Bezug auf den Rotmilan kein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko verursacht würde. Der Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG war daher als Genehmigungshindernis (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht ausgeräumt. Eine weitergehende Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts durch den Verwaltungsgerichtshof im Wege der Amtsermittlung zu den naturschutzfachlichen Entscheidungsgrundlagen scheidet aus, da hierdurch keine Spruchreife der Streitsache im Sinne von § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO herbeigeführt werden könnte. Die Bewertung zur Frage, ob der Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erfüllt ist, setzt die Bewertung der zuständigen Naturschutzbehörden unter Inanspruchnahme ihrer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative voraus. Dem Verwaltungsgerichtshof ist es im Hinblick auf diesen Beurteilungsspielraum verwehrt, seine eigene Bewertung an die Stelle der fachbehördlichen Einschätzung zu setzen (vgl. auch BayVGH, U. v. 18.6.2014 – 22 B 13.1358 – NuR 2014, 736 Rn. 37).
4. Der gegebenenfalls eingreifende artenschutzrechtliche Verbotstatbestand kann hier allerdings nicht durch Erteilung einer Ausnahme (§ 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG) überwunden werden. Der Vertreter der höheren Naturschutzbehörde hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass aus seiner Sicht jedenfalls diejenige Voraussetzung des Ausnahmetatbestands, wonach sich durch das Vorhaben der Klägerin der Erhaltungszustand der Populationen der betroffenen Arten nicht verschlechtern darf (§ 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG), aus seiner Sicht nicht vorliegt. Die Prüfung der naturschutzfachlichen Voraussetzungen einer Ausnahmeerteilung unterliegt wiederum der behördlichen Einschätzungsprärogative (BVerwG, U. v. 23.4.2014 – 9 A 25/12 – BVerwGE 149, 289 Rn. 116). Die vorgenommene Bewertung durch die Naturschutzbehörden begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl. dazu näher unter II.3.).
II. Die Klägerin kann jedoch beanspruchen, dass der Beklagte erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs über den Genehmigungsantrag betreffend die geplanten Windkraftanlagen WEA 1 und WEA 2 entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). In diesem Zusammenhang sind die naturschutzfachlichen Grundlagen zur Prüfung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG weiter aufzuklären und zu bewerten.
1. Unter Beachtung der oben (I.1.) genannten rechtlichen und fachlichen Vorgaben begegnet die Bejahung des artenschutzrechtlichen Verbotstatbestandes des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG durch den Beklagten zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Bedenken. Somit steht nicht fest, dass dem Vorhaben der Klägerin (WEA 1 und WEA 2) ein artenschutzrechtliches Verbot nach § 44 Abs.1 Nr. 1 BNatSchG entgegensteht.
a) Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 29. März 2016 – 22 B 14.1875 und 1876 näher dargelegt hat (Rn. 40 und 41) lassen sich Art und Umfang, Methodik und Untersuchungstiefe der zur Ermittlung der artenschutzrechtlichen Betroffenheiten erforderlichen Maßnahmen mangels normativer Festlegung nur allgemein umschreiben; sie hängen wesentlich von den naturräumlichen Gegebenheiten des Einzelfalles ab (BVerwG, B. v. 18.6.2007 – 9 VR 13.06 – Buchholz 406.400 § 42 BNatSchG 2002 Nr. 2 Rn. 20; U. v. 9.7.2008 – 9 A 14.07 – BVerwGE 131, 274 Rn. 59). Der „Windkrafterlass Bayern“ konkretisiert Art und Weise der insoweit gebotenen Erhebungen näher. Die darin aufgestellten Anforderungen an die Ermittlung artenschutzrechtlich ggf. entscheidungserheblicher Umstände sind, da sie auf landesweiten fachlichen Erkenntnissen und Erfahrungen beruhen, als ein „antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität“ anzusehen, in dem die aus fachlicher Sicht im Regelfall zu beachtenden Erfordernisse dargestellt werden; von diesen Vorgaben darf nicht ohne fachlichen Grund und ohne gleichwertigen Ersatz abgewichen werden (BayVGH, U. v. 18.6.2014 – 22 B 13.1358 – NuR 2014, 736/738).
b) Es ergibt sich nicht bereits aufgrund bisher vorliegender Erkenntnisse und naturschutzfachlicher Bewertungen, dass ein erhebliches Tötungsrisiko für die Art des Rotmilans wegen zu geringen Abstands zwischen dem lokalisierten Horst und den strittigen geplanten Windkraftanlagen gegeben wäre.
aa) Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung war gegenüber dem Sachstand des die Genehmigungserteilung ablehnenden Bescheides vom 5. März 2015 insoweit eine neue Sachlage eingetreten, als mittlerweile ein Rotmilan-Horst lokalisiert worden war. Mit Schriftsatz vom 26. April 2016 legte der Beklagte einen Aktenvermerk des Landratsamtes Donau-Ries vom 14. April 2016 vor, demzufolge das Revierzentrum eines Rotmilans aufgrund weiterer Beobachtungen lokalisiert werden konnte; es liege nunmehr ein eindeutiger Beweis für einen besetzten Horst vor. Die gleichzeitige Anwesenheit von mindestens vier verschiedenen Rotmilanen im Bereich westlich bzw. nordwestlich von W. bedeute ferner, dass sich in der Nachbarschaft entweder ein weiteres Rotmilan-Revier befinde oder zumindest weitere Rotmilane den Raum nutzten. Zwar sind die Naturschutzbehörden bereits vor diesem Horstfund von einem Vorkommen des Rotmilans als Brutvogel im Untersuchungsgebiet ausgegangen. Trotz aus behördlicher Sicht eindeutiger revieranzeigender Aktivitäten konnte jedoch kein Horst nachgewiesen werden (vgl. Stellungnahme des Landratsamtes Donau-Ries – untere Naturschutzbehörde vom 7. Oktober 2014, dort unter C., S. 4). Nach Angaben der unteren Naturschutzbehörde (Stellungnahme vom 17. Juni 2015, Nr. 9, Seite 4 unten/Seite 5 oben) war die Lage des Revierzentrums zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt; es sei lediglich aufgrund der verschiedenen vorliegenden Indizien ein Bereich abgegrenzt worden, innerhalb dessen sich das Revierzentrum mutmaßlich befinden dürfte.
Diese Feststellungen stimmen mit Zwischenergebnissen einer aktuellen Raumnutzungsanalyse des klägerischen Gutachters überein, die mit Stand vom 28. April und vom 18. Mai 2016 vorgelegt wurde. Danach wurde im Untersuchungsgebiet ein besetzter Rotmilanhorst festgestellt, der sich in einem Abstand von 300 m zum Anlagenstandort Nr. 5 (entspricht der Standortbezeichnung WEA 3 im Genehmigungsverfahren) sowie in einer Entfernung von 820 bzw. 860 m zu den Standorten Nr. 7 (Standort WEA 1) und Nr. 8 (Standort WEA 2) befinde (vgl. Tabelle unter Nr. 2.2, S. 3 des Gutachtens vom 28.4.2016).
bb) Dem Windkrafterlass Bayern 2011 (dort S. 42) zufolge ist bei der Prüfung der Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG grundlegend zwischen Prüfbereichen bei Brutplätzen einerseits (Anlage 2 zum Windkrafterlass, dort Spalte 2) und Prüfbereichen zur Untersuchung von Nahrungshabitaten andererseits (Anlage 2, Spalte 3) zu unterscheiden. Ergibt die Untersuchung der Aufenthaltswahrscheinlichkeiten bezüglich der Individuen der betreffenden Art in dem in Anlage 2 Spalte 2 angegebenen Prüfbereich nicht, dass die Windkraftanlage gemieden oder selten überflogen wird, ist in diesem Bereich von einem erhöhten Tötungsrisiko auszugehen. Außerhalb der in Anlage 2 Spalte 2 genannten Abstände führt eine großräumige und diffuse Verteilung der Nahrungshabitate in der Regel nicht zu erhöhten Aufenthaltswahrscheinlichkeiten im Nahbereich einer Anlage. Vielmehr müssen die Nahrungshabitate eine räumlich gut abgrenzbare kleinere Teilmenge innerhalb der Prüfkulisse nach Anlage 2 Spalte 3 darstellen, die regelmäßig über die Anlage angeflogen werden.
In der aktuell geltenden Fassung vom 20. Dezember 2011 sieht der Windkrafterlass Bayern in Anlage 2 in Spalte 2 (Abstand Brutvorkommen zur WKA) für den Rotmilan einen Prüfbereich von 1.000 m, in Spalte 3 (Abstand für regelmäßig aufgesuchte Nahrungshabitate) einen Prüfbereich von 6.000 m vor. Es ist davon auszugehen, dass sich mittlerweile ein von der derzeit geltenden Festlegung im Windkrafterlass abweichender allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft durch die Festlegung eines Mindestabstands von 1.500 m für den Rotmilan durch die „Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten (Stand April 2015)“ der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW) durchgesetzt hat (BayVGH, U. v. 29.3.2016 – 22 B 14.1875 und 1876 – Rn. 45). Im vorliegenden Fall liegen die zwei streitgegenständlichen Windkraftanlagenstandorte allerdings bereits innerhalb des in der bisherigen Fassung des Windkrafterlasses festgelegten engeren Prüfbereichs von 1.000 m zum Rotmilanhorst.
Aus dem Wortlaut des Windkrafterlasses ergibt sich zwar, dass innerhalb des engeren Prüfbereichs nach Anlage 2 Spalte 2 in der Regel mit höheren Aufenthaltswahrscheinlichkeiten zu rechnen ist, die ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko zur Folge haben. Andererseits ist diese Vermutung schon nach dem Wortlaut des Windkrafterlasses 2011 einem Gegenbeweis zugänglich, wenn stichhaltige Anhaltspunkte für eine Meidung oder einen seltenen Überflug einer Windkraftanlage vorliegen. Eine entsprechende substantiierte Darlegung stellt die dem Windkrafterlass zugrunde liegende allgemeine naturschutzfachliche Bewertung bei Unterschreitung des engeren Prüfbereichs in Frage. Es entspricht dann grundsätzlich pflichtgemäßem Ermessen (Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG), den Sachverhalt unter Beachtung des Windkrafterlasses und der Abstandsempfehlungen der LAG VSW weiter aufzuklären.
Dem steht auch nicht entgegen, dass sich gegenüber dem Windkrafterlass Bayern vom 20. Dezember 2011 inzwischen teilweise ein abweichender, allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft durchgesetzt hat, was die Abstandsempfehlungen angeht (BayVGH, U. v. 29.3.2016 – 22 B 14.1875 und 1876 – Rn. 45). In den Abstandsempfehlungen der LAG VSW (Stand April 2015) wird der engere Prüfabstand im Sinne von Anlage 2 Spalte 2 zum Windkrafterlass zwar als „Mindestabstand“ bezeichnet. Aus den Hinweisen zur Anwendung der Abstandsempfehlungen der LAG VSW (dort unter Nr. 2) geht aber hervor, dass diese das „grundsätzlich gebotene Minimum zum Erhalt der biologischen Vielfalt“ berücksichtigen. Dabei könne eine sorgfältige und hinreichende Berücksichtigung naturschutzfachlicher Belange zur notwendigen Rechtssicherheit führen und dadurch auch verfahrensbeschleunigende Wirkung entfalten. Die naturräumlichen Gegebenheiten, die Flächennutzung sowie das vorkommende Artenspektrum in den Bundesländern könnten jedoch unterschiedlich sein, weshalb eine Anpassung der Empfehlungen an landesspezifische Gegebenheiten erforderlich sein könne. Diese Hinweise sprechen dafür, dass die neuen Abstandsempfehlungen zwar allgemeinen naturschutzfachlichen Erfahrungswerten entsprechen und einer vereinfachten Verwaltungs- und Genehmigungspraxis dienen, welche aber eine Prüfung aufgrund besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls oder landesspezifischer Rahmenbedingungen unberührt lässt. Insofern muss stichhaltigen Anhaltspunkten für eine Meidung oder einen seltenen Überflug einer Windkraftanlage auch weiterhin nachgegangen werden. Abgesehen davon könnte eine „Mindestabstandsregelung“ in einer Verwaltungsvorschrift in eindeutig atypischen Fällen schwerlich Geltung beanspruchen (BayVGH, U. v. 29.3.2016 – 22 B 14.1875 und 1876 – Rn. 48).
cc) Im vorliegenden Fall sind stichhaltige Anhaltspunkte dafür gegeben, dass ein Ausnahmefall vom grundsätzlichen Erfordernis der Einhaltung des regelmäßigen Mindestabstands von 1.500 m zwischen Rotmilanhorst und den geplanten Windkraftanlagen gegeben sein könnte. Eine Klärung der demnach maßgeblichen naturschutzfachlichen Frage einer Meidung und Überflughäufigkeit setzt eine Raumnutzungsuntersuchung entsprechend Anlage 6 zum Windkrafterlass voraus, die danach den Zeitraum von Mitte März bis Ende August umfassen soll (oder aus artenschutzfachlichem Grund den Einsatz einer gleichwertigen Ermittlungsmethode – vgl. BayVGH, U. v. 18.6.2014 – 22 B 13.1358 – NuR 2014, 736 Rn. 45 -).
Die von der Klägerin bislang vorgelegten Zwischenergebnisse einer Raumnutzungsuntersuchung (Stand 28.4. und 18.5.2016) sind zwar noch nicht zur abschließenden Klärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts geeignet. Entsprechend empfiehlt auch der von der Klägerin beauftragte Gutachter zur abschließenden Bewertung des Tötungsrisikos für den Rotmilan, die Raumnutzung im Laufe der Brutzeit 2016 nach den Vorgaben des bayerischen Windkrafterlasses zu erfassen (vgl. Gutachten vom 28.4.2016, S. 4). Erst auf Grundlage einer solchen vollständigen Untersuchung kann die naturschutzfachliche Bewertung der Naturschutzbehörden erfolgen.
Aus den bislang vorliegenden Erkenntnissen aus der Raumnutzungsanalyse ergeben sich jedoch zumindest stichhaltige Hinweise auf eine mögliche Meidung des Bereichs um die streitgegenständlichen Windkraftanlagen bei den Flugbewegungen von bzw. zu dem festgestellten Rotmilanhorst. Diese Flugbewegungen des Brutpaares erfolgten im Wesentlichen um den unmittelbaren Horststandort sowie von dort Richtung Norden, Osten und Südosten sowie Westen. An insgesamt sechs Beobachtungstagen wurde kein Überflug des Rotmilans im Bereich des Standortes WEA 1 und lediglich ein Überflug nahe des Standortes WEA 2 erfasst (Gutachten vom 18.5.2016, dort Tabelle auf Seite 2).
Die naturschutzfachlichen Untersuchungen aus der Zeit vor Ortung des Rotmilanhorstes sind nicht geeignet, die vorgenannten Anhaltspunkte schlüssig zu entkräften. Zwar wurde dort festgestellt, dass es unter anderem bei dem Rotmilan „keine festen Flugkorridore mit weitgehender Meidung der WEA-Bereiche“ gebe, weil die Wald-Offenland-Verteilung und die „diffuse“ Verteilung von Restgrünlandzonen über die gesamten Randlagen des Gebietes in erhöhtem Maße Waldrandflüge und Gebietsquerungen vermuten lassen würden (vgl. Stellungnahme vom 7.10.2014, dort unter V., S. 10). Der zu beurteilende Untersuchungsraum sei als Nahrungsraum grundsätzlich geeignet, wenn auch die Nahrungshabitate nicht gleichmäßig ausgeprägt seien. Dadurch bedingt würden die Nahrungssuchflüge über den ganzen Untersuchungsraum, „sozusagen kreuz und quer“ verteilt erfolgen (a. a. O. S. 9). Weiter hat die untere Naturschutzbehörde angenommen, dass die in der Raumnutzungsanalyse 2014 festgestellte Nutzung des gesamten Untersuchungsraums durch den Rotmilan mit den ermittelten Indizien für ein Rotmilan-Revier im Bereich der geplanten Windkraftanlagen übereinstimme (a. a. O., S. 18). Diese Aussagen passen in der Tat nicht zu der von der Klägerin vorgelegten Raumnutzungsanalyse vom April und Mai 2016. Der Verwaltungsgerichtshof kann hierfür keine schlüssige Erklärung finden, jedenfalls nicht in dem Sinn, dass die von der Klägerin genannten Anhaltspunkte schlüssig entkräftet wären.
Insbesondere werfen die Beobachtungen von 2014 Zweifel an ihrer Aktualität auf. Die im Rahmen dieser Untersuchungen im Jahr 2014 festgestellten Flugbewegungen sind zum einen hinsichtlich der festgestellten Dichte von Flugbewegungen im Bereich des nunmehr festgestellten Horstes offensichtlich nicht vergleichbar. Zum anderen ergibt sich aus der Raumnutzungsanalyse 2014 gerade kein räumlicher Schwerpunkt der Flugaktivitäten. Insbesondere konnte keine Raumnutzung mit einem deutlichen Aktivitätszentrum rund um den nun festgestellten Horst nachgewiesen werden; dies ist im Hinblick darauf, dass mehr als 50% der Flugaktivitäten zur Brutzeit im Bereich um den Neststandort stattfinden (vgl. Abstandsempfehlungen der LAG VSW, dort unter Nr. 3), im Hinblick auf die aktuellen Untersuchungsergebnisse nicht (mehr) schlüssig. Gegenstand der Raumnutzungsanalyse 2014 und der dazu erfolgten naturschutzfachlichen Bewertungen waren Flugbewegungen des Rotmilans insgesamt; eine Beurteilung zur Frage einer Meidung oder eines seltenen Überflugs bei Flugaktivitäten im 1.500 m-Radius rund um ein konkretes Brutvorkommen konnte damals nicht angestellt werden. Den Zwischenergebnissen der Raumnutzungsanalyse 2016 zum Stand 18. Mai 2016 ist dagegen ein markantes Aktivitätszentrum rund um den festgestellten Horst und eine Konzentration der Flüge in einem Raumsegment westlich, nördlich, östlich und südöstlich hiervon zu entnehmen. Gegen eine Meidung des Gebiets der zwei strittigen Windkraftanlagen spricht zwar auch, dass nach den bisherigen Feststellungen gerade auch der klägerischen Gutachter der gesamte Untersuchungsraum von Rotmilanen ohne erkennbare Schwerpunkte genutzt wurde. Die klägerischen Gutachter haben angenommen, dass in der Zeit von Mai bis Juli das Untersuchungsgebiet keine ausreichende Nahrung biete und das Tal der Kleinen Paar im Westen sowie das Haselbach-/Krebsbachtal im Nordosten mit einem höheren Grünlandanteil offenbar intensiver genutzte Nahrungsräume seien (vgl. Raumnutzungsanalyse kollisionsgefährdeter Vogelarten vom 29.8.2014, dort unter 3.2, S. 6). Weiter wurde auch das Rößbachtal im Süden der geplanten Windkraftanlagen-Standorte als einer der nächsten großen Lebensraumkomplexe mit potenziell wichtiger Funktion als Nahrungsgebiet für den Rotmilan eingestuft (vgl. saP-Neufassung vom 27.2.2014, dort Erläuterung zur Abbildung 11, S. 64). Dies könnte es zwar erklären, wenn nach Abschluss der begonnenen Raumnutzungsanalyse 2016 von dem nun bekannten Horst ausgehend auch Flüge in die südliche Richtung des Rößbachtals festgestellt würden. Eine derartige Mutmaßung allein ohne jegliche tatsächliche Ermittlungsergebnisse würde indes die Grenzen der artenschutzrechtlichen Einschätzungsprärogative überschreiten. Gerade vor diesem Hintergrund ist grundsätzlich eine den Anforderungen des Windkrafterlasses unmittelbar oder sinngemäß entsprechende Raumnutzungsanalyse geboten, um den aktuell entscheidungserheblichen Sachverhalt zu ermitteln.
c) Für den Fall, dass die Vermutung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos wegen der Lage des Brutvorkommens innerhalb des Prüfabstands nach Anlage 2 Spalte 2 des Windkrafterlasses und den neueren Abstandsempfehlungen widerlegt würde, wäre weiter zu prüfen, ob innerhalb des Prüfradius nach Anlage 2 Spalte 3 und auch diesbezüglich den neuen Abstandsempfehlungen regelmäßig aufgesuchte, räumlich abgrenzbare Nahrungshabitate liegen und inwieweit sich die geplanten Windkraftanlagen gegebenenfalls in betreffenden Flugkorridoren befinden. Diese Prüfung erfordert zunächst auch die Klärung, welche Horste im Umkreis aktuell bestehen, worauf der Vertreter der höheren Naturschutzbehörde in der mündlichen Verhandlung zutreffend hingewiesen hat.
d) Auf der Grundlage einer den vorstehenden Ausführungen Rechnung tragenden Tatsachenermittlung hätte weiter eine naturschutzfachliche Würdigung des Sachverhalts durch die hierzu berufenen Naturschutzbehörden zu erfolgen.
e) Weiter ist der Sachverhalt in Bezug auf ein möglicherweise signifikant erhöhtes Tötungsrisiko bezüglich der Arten des Baumfalken, des Wespenbussards und des Schwarzmilans nicht hinreichend geklärt.
aa) Im klägerischen Gutachten vom 28. April 2016 wird ausgeführt (dort Ziffer 2.1, S. 2 und 3), dass davon auszugehen sei, dass es sich bei im April 2016 beobachteten Exemplaren des Baumfalken um ein Brutpaar handle. Es sei nun ein neuer Horststandort anzunehmen, so dass eine neu zu bewertende Situation entstanden sei. Es werde empfohlen, die weitere Entwicklung am angenommenen Horststandort sowie die Raumnutzung im Laufe der Brutzeit 2016 entsprechend dem bayerischen Windkrafterlass weiter zu beobachten. In der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 20. Oktober 2014 (dort S. 21) wurde davon ausgegangen, dass in Bezug auf den Baumfalken bei den geplanten Windkraftanlagenstandorten 7 und 8 kein erhöhtes Tötungsrisiko vorliege und daher eine Ablehnung insoweit lediglich nach dem „Vorsorgeprinzip“ erfolgen könne. Dies entspricht aber nicht § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG in der Auslegung, die er durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gefunden hat. Das Landratsamt muss also auch insofern eine neue Ermittlung und Bewertung entsprechend dem Windkrafterlass 2011 unter Berücksichtigung der neuen Abstandsempfehlungen vornehmen oder veranlassen.
bb) Von den klägerischen Gutachtern wurde in Bezug auf den Wespenbussard ausgeführt, dass sich derzeit nicht aktuell beurteilen lasse, ob sich im Planungsgebiet ein Brutrevier befinde (Gutachten vom 18.5.2016, S. 2). Der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 7. Oktober 2014 zufolge befinden sich die strittigen Windkraftanlagenstandorte WEA 1 und WEA 2 im Prüfradius von 1.000 m nach Anlage 2 Spalte 2 zu einem Brutvorkommen des Wespenbussards. Auch wird dort davon ausgegangen, dass ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko in Bezug auf den Wespenbussard im Falle der Windkraftanlage WEA 1 durch den Gutachter der Klägerin festgestellt worden sei (S. 20, Grafik unter IX.). Allerdings hat die Behörde gleichzeitig darauf hingewiesen, dass ungeklärt bleibe, ob ein Zusammenhang zwischen dem nachgewiesenen Horst des Wespenbussards im Süden des Untersuchungsgebiets und den aufgezeichneten Flugbewegungen bestehe. Aufgrund des vorliegenden Datenmaterials könne nicht ausgeschlossen werden, dass weiter nördlich von diesem Horst ein zweites Revier liege (Stellungnahme vom 17.6.2015, S. 4). Diese Überlegungen sind angesichts der Kartierung der Flugbewegungen des Wespenbussards (Stellungnahme vom 7.10.2014, S. 19 unter VII.B.) nachvollziehbar; es sind dort keine Flugbeziehungen zwischen dem Vorhabengebiet und dem südlich davon angenommenen Horst verzeichnet. Damit liegen aber stichhaltige Anhaltspunkte (vgl. oben 1. b) bb)) dafür vor, dass ausgehend von dem südlich gelegenen Brutplatz die Windkraftanlagenstandorte im Sinne des Windkrafterlasses gemieden werden könnten und gegebenenfalls ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko nicht bereits wegen der Unterschreitung des Prüfradius von 1.000 m anzunehmen wäre. Diese Prüfung kann nicht dadurch abgekürzt werden, dass auch im Falle des Wespenbussards ein „Vorsorgeabstand“ von 1.000 m angenommen wird. Sollte der Ausnahmefall bezüglich des Tötungsrisikos im engeren Prüfbereich nach Anlage 2 Spalte 2 des Windkrafterlasses tatsächlich vorliegen, so wäre weiter zu prüfen, ob es unabhängig hiervon im Bereich der strittigen Windkraftanlagenstandorte zu höheren Aufenthaltswahrscheinlichkeiten kommt oder der Nahbereich der Anlage, z. B. bei Nahrungsflügen, signifikant häufiger überfolgen wird (vgl. Windkrafterlass Bayern, S. 42).
cc) Bezüglich des Schwarzmilans fehlen bislang konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Verbotstatbestand nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erfüllt sein könnte. In ihrer Stellungnahme vom 7. Oktober 2014 (dort Tabelle unter IX., S. 20) ist die untere Naturschutzbehörde davon ausgegangen, dass die Errichtung und der Betrieb der strittigen Windkraftanlagen WEA 1 und WEA 2 mit keinem signifikant erhöhten Tötungsrisiko für den Schwarzmilan verbunden wäre. Allerdings könnten die zugrunde liegenden Erkenntnisse im Falle einer erneuten Entscheidung über den Genehmigungsantrag der Beigeladenen nicht mehr als hinreichend aussagekräftig gelten. Insoweit erscheint es nahe liegend, die von der Klägerin beauftragte Raumnutzungsuntersuchung auch auf den Schwarzmilan zu erstrecken.
2. Der Klägerin könnte ein Genehmigungsanspruch auch dann zustehen, wenn die Annahme eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos wegen bestimmter Vermeidungsmaßnahmen ausgeschlossen werden könnte.
a) Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass es Sache des Anlagenbetreibers ist, zur Verwirklichung seines Vorhabens ein prüffähiges und erfolgversprechendes Vermeidungskonzept vorzulegen, und Sache der Genehmigungsbehörde, dieses unter Inanspruchnahme ihrer Einschätzungsprärogative zu bewerten. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV sind dem Antrag (auf Genehmigung) die Unterlagen beizufügen, die zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich sind. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchV sind, falls wie hier die Zulässigkeit des Vorhabens nach Vorschriften über Naturschutz zu prüfen ist, die hierfür erforderlichen Unterlagen beizufügen. Diese Unterlagen müssen nach § 4 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV insbesondere Angaben über Maßnahmen zur Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen der Natur enthalten. Die naturschutzfachliche Bewertung derartiger Unterlagen ist bisher noch nicht in rechtlich ausreichendem Umfang geschehen.
Die naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative der Naturschutzbehörden bei der Beurteilung der Betroffenheit von Arten bezieht sich auch auf die Wirksamkeit vorgeschlagener Vermeidungsmaßnahmen, da sich insoweit noch kein auf die Untersuchungssituation bezogener anerkannter Standard der Fachwissenschaft herausgebildet hat (BVerwG, B. v. 29.10.2014 – 7 VR 4/13 – ZUR 2015, 163 Rn. 15; B. v.28.11.2013 – 9 B 14/13 – UPR 2014, 141 Rn. 26). Standardisierte Vorgaben für den Regelfall existieren insofern nicht. Im Windkrafterlass 2011 (Nr. 9.4.3, S. 46 bis 48) wird allgemein ausgeführt, dass mithilfe geeigneter Maßnahmen in manchen Fällen die Erfüllung des artenschutzrechtlichen Verbotstatbestandes abgewendet werden kann. Auch in den Abstandsempfehlungen der LAG VSW (dort S. 21) wird lediglich allgemein darauf hingewiesen, dass Minderungsmaßnahmen von der zeitweiligen Abschaltung von Anlagen über die Verringerung der Habitat-Attraktivität bis hin zum Rückbau von besonders gefährlichen Anlagen reichen. Ferner sehen auch die von der Klägerin zitierten „Hinweise zur Bewertung und Vermeidung von Beeinträchtigungen von Vogelarten bei Bauleitplanung und Genehmigung für Windenergieanlagen“ der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg vom 1.7.2015 (dort Nr. 5.2.3.1) vor, dass eine Beurteilung der Wirksamkeit der in sogenannten „Artensteckbriefen“ zu den einzelnen Arten genannten Vermeidungsmaßnahmen zumindest eine Prognose voraussetzt, welche die Annahme einer hohen Erfolgswahrscheinlichkeit ergeben muss. Demnach kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei Realisierung bestimmter standardisierter Vermeidungsmaßnahmen generell der Eintritt eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos ausgeschlossen werden kann. Vielmehr bedarf es einer einzelfallbezogenen Prüfung, ob und gegebenenfalls aufgrund welcher Maßnahmen in einer konkreten Ausgestaltung dieses Ziel voraussichtlich erreicht werden kann.
b) Die Klägerin hat ein hinreichend konkretes Vermeidungskonzept vorgelegt, das eine fachliche Bewertung durch die Naturschutzbehörden erlaubt. Ungeachtet dessen müsste das Konzept – falls es von den Naturschutzbehörden grundsätzlich als tauglich angesehen werden sollte – voraussichtlich weiter konkretisiert werden.
Die Vermeidungsmaßnahmen wurden unter der Annahme entwickelt, dass die strittigen Windkraftanlagenstandorte WEA 1 und WEA 2 außerhalb des Bereichs der hauptsächlichen Raumnutzung durch den Rotmilan liegen und dazu dienen können, den Eintritt des artenschutzrechtlichen Verbotstatbestandes nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG auszuschließen (Gutachten vom 28.4.2016, dort S. 4). Wesentlicher Bestandteil des Konzepts ist die Anlage bestimmter Ablenkungsflächen. Die Eignung der dafür vorgesehenen Flächen setzt u. a. voraus, dass diese langfristig für diesen Zweck gesichert sind. Entsprechendes gilt für Flächen im Umgriff der geplanten Windkraftanlagen, um eine für den Rotmilan unattraktive Gestaltung dieses Bereichs umzusetzen, wie sie im Maßnahmenkonzept enthalten ist. Die Klägerin hat zumindest konkret vorgetragen, dass entsprechende Verträge bezüglich der Flächen im Umgriff der von ihr geplanten Windkraftanlagenstandorte bestehen und zum anderen die Klägerin über einen Flächenpool für die vorgesehenen Ablenkungsflächen verfügt. Diese Flächen seien ebenfalls komplett in Bewirtschaftung von Vertragspartnern der Klägerin, so dass auch der Umsetzung von Optimierungsmaßnahmen keine Gründe entgegenstünden (Schriftsatz vom 3.5.2016, S. 37 f.). Auch ist die gewählte Lage der Ablenkungsflächen zu den geplanten Windkraftanlagenstandorten grundsätzlich plausibel. Der klägerische Gutachter geht davon aus, dass Ablenkungsflächen möglichst außerhalb eines 1.000 m-Radius um die Windkraftanlage liegen sollten (Stellungnahme vom 28.4.2016, dort S.6). Gleichzeitig haben die Fachbeistände der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erläutert, weshalb aus ihrer Sicht im Nordosten des Rotmilanhorstes möglichst nahe bei diesem ein für den Rotmilan attraktives Nahrungshabitat geschaffen werden solle. Diese fachlichen Kriterien für die Flächenauswahl orientieren sich an den „Hinweisen zur Bewertung und Vermeidung von Beeinträchtigungen von Vogelarten bei Bauleitplanung und Genehmigung für Windenergieanlagen“ der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg vom 1.7.2015 (dort Nr. 9.17.2. – „Hinweise zur Bemessung von Vermeidungsmaßnahmen für den Rotmilan“). Danach sollen Ablenkungsflächen außerhalb eines 1 km-Radius um die Windkraftanlage und möglichst so lokalisiert werden, dass die Tiere auf dem Weg vom Horst zu den Ablenkungsflächen die geplanten Windkraftanlagen nicht überfliegen. Im vorliegenden Fall befinden sich die geplanten Windkraftanlagenstandorte in einer Distanz von zumindest ca. 750 m bis 800 m zum südlichen Rand der vorgeschlagenen Ablenkungsflächen (vgl. Karte „Maßnahmenkonzept Rotmilan“ vom 28.4.2016). Ob das – gerade angesichts der nunmehr nach gesicherter wissenschaftlicher Auffassung gebotenen Erweiterung der um einen Rotmilan-Horst zu ziehenden „engeren Prüfzone“ von 1.000 m auf 1.500 m – ausreicht, bedarf der naturschutzfachlichen Bewertung. Auch liegen die Ablenkungsflächen vom Rotmilan-Horst aus gesehen in nordwestlicher bis östlicher Richtung, die Windkraftanlagenstandorte dagegen in entgegengesetzter Richtung (Standort WEA 1 im Südwesten, Standort WEA 2 im Süden).
c) Die Naturschutzbehörden haben hier aufgrund einer vorläufigen fachlichen Bewertung die Einschätzung geäußert, dass das von der Klägerin bislang vorgelegte Konzept für Vermeidungsmaßnahmen noch nicht die Prognose zulässt, dass ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko insbesondere für Exemplare des Rotmilans ausgeschlossen wäre (vgl. oben zu I.2.). Diese Beurteilung wurde zunächst mit Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 17. Mai 2016 auf Grundlage des damaligen Konzeptstandes vorgetragen und in der mündlichen Verhandlung – unter Einbeziehung der bis dahin kurzfristig erfolgten Konkretisierungen bestimmter Vermeidungsmaßnahmen – zumindest aufgrund einer kursorischen Bewertung bestätigt. Die in der mündlichen Verhandlung von Seiten des Beklagten vorgetragenen Bedenken hinsichtlich der Konzeptvorschläge sind zwar nicht von vornherein unbeachtlich. Dies gilt insbesondere auch für die Aussage des Vertreters des Landesamtes für Umwelt, die Ablenkungsflächen würden im vorliegenden Fall zu nahe an den Standorten der strittigen Windkraftanlagen liegen.
Andererseits steht eine eingehendere, im Einzelnen nachvollziehbare naturschutzfachliche Bewertung von Vermeidungsmaßnahmen in Bezug auf das klägerische Vorhaben noch aus. Es erscheint derzeit zumindest nicht als bereits von vornherein ausgeschlossen, dass ein eventuell signifikant erhöhtes Tötungsrisiko durch geeignete Vermeidungsmaßnahmen unter die Signifikanzschwelle gesenkt werden könnte. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn die Behörde ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko aufgrund ihrer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative rechtsfehlerfrei bejahen sollte, die Überschreitung der Signifikanzschwelle aber vergleichsweise gering ist. Die Vertreter der Naturschutzbehörden haben sich in der mündlichen Verhandlung lediglich dahingehend geäußert, dass es sehr schwierig sei, in einem Fall wie dem vorliegenden mithilfe eines Ablenkungsflächenkonzepts Genehmigungsfähigkeit herzustellen. Aufgrund einer Raumnutzungsuntersuchung entsprechend dem Windkrafterlass hätte daher die untere Naturschutzbehörde im Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative zu prüfen, inwieweit ein von der Klägerin vorgelegtes Vermeidungskonzept geeignet wäre, ein gegebenenfalls festgestelltes Tötungsrisiko für Exemplare bestimmter Arten unter die Signifikanzschwelle zu senken.
3. Der Ausnahmetatbestand nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG ist hier allerdings nicht erfüllt. Sollte das Landratsamt ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko rechtsfehlerfrei bejahen, bestünden für die Behörde diesbezüglich keine weiteren Verpflichtungen. Die Naturschutzbehörden haben nachvollziehbar dargelegt, dass jedenfalls die Voraussetzung, dass sich durch das Vorhaben der Klägerin der Erhaltungszustand der betreffenden Population des Rotmilans nicht verschlechtern darf (§ 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG), nicht erfüllt ist. Die Grenzen der naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative wurden dabei nicht überschritten.
In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Regierung von Schwaben – höhere Naturschutzbehörde ausgeführt, es sei zu befürchten, dass im Falle einer Tötung des Rotmilan-Brutpaares, das den neu aufgefundenen Horst besiedelt habe, ein weiteres Brutpaar den dann verwaisten Horst in Besitz nehmen würde, so dass es in der Folge zu weiteren Opfern kommen würde. Es sei darauf hinzuweisen, dass im 6 Kilometer-Umkreis um die strittigen Windkraftanlagen vier weitere Rotmilan-Horste nachgewiesen seien; dies ergebe sich aus der Artenschutzkartierung Bayern sowie aus Erkenntnissen im Zusammenhang mit einem weiteren Genehmigungsverfahren. Diese Horststandorte waren auch bereits in der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 7. Oktober 2014 (dort Grafik auf S. 10) zugrunde gelegt worden. Die bei einer Ortseinsicht durch einen Mitarbeiter des Landratsamtes Donau-Ries gemachten Beobachtungen würden zudem einen ausreichenden Brutnachweis für den Rotmilan in einem weiteren Bereich ergeben. In der Artenschutzkartierung seien allerdings möglicherweise Horste verzeichnet, die vor etwa 10 bis 15 Jahren festgestellt worden sein. Wenn es darauf ankomme, müsse das Bestehen dieser Horste sicherlich überprüft werden. Es könne aber auch genügen, dass lediglich der Nachweis eines Rotmilan-Reviers geführt werde. Bei genauerer Überprüfung würde man allerdings mit Sicherheit den bisher aktenkundigen Zustand verifizieren, eher noch einen zusätzlichen Rotmilan-Horst bzw. ein zusätzliches Rotmilan-Revier feststellen können.
Diese Bewertung hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zwar als sachlich nicht begründbar bezeichnet. Sie ist jedoch gerade auch im Hinblick auf die „Arteninformationen zu saP-relevanten Arten“ des Landesamtes für Umwelt, auf die der Windkrafterlass Bayern auf Seite 39 unter Angabe der Fundstelle im Internet (http://www.lfu.bayern.de/natur/sap/index.htm) verweist, schlüssig. Danach sind reich strukturierte Landschaften wie die Rhön oder die Iller-Lech-Schotterplatten in Bayern Schwerpunkte der Ansiedlung des Rotmilans. Der Bereich der strittigen Windkraftanlagenstandorte gehört zum zweitgenannten Landschaftsraum. Entsprechend ist in den vorgenannten Arteninformationen in der Fundkarte zum Rotmilan unter anderem in dieser Region eine erhöhte Zahl von Nachweisen des Rotmilans verzeichnet (Zeitraum ab 1980 bis zum letzten Daten-Import am 23.2.2016). Auch nach dem Windkrafterlass Bayern 2011 (S. 41) sind diese Verbreitungsdaten in der Arbeitshilfe des Landesamtes für Umwelt Grundlage zur Feststellung der aktuell im Gebiet vorkommenden relevanten Arten. Dem ist zu entnehmen, dass in einer Region über einen längeren Zeitraum hinweg gewonnene Funde eine Einschätzung zu Siedlungsschwerpunkten erlauben, trotz einer möglicherweise gewissen Schwankungsbreite in der Anzahl der genutzten Horste. Insoweit ist es nicht zu beanstanden, dass die höhere Naturschutzbehörde bei ihrer Einschätzung zu einer Mehrzahl von Rotmilan-Revieren im Bereich der strittigen Windkraftanlagenstandorte auch Angaben aus der Artenschutzkartierung herangezogen hat. Im Übrigen betrifft die zur Prüfung des Ausnahmetatbestandes erforderliche Prognose über eine Beeinträchtigung des Erhaltungszustands der betreffenden Population der Art durch das Vorhaben einen längerfristigen Zeithorizont. Es ist daher einleuchtend, wenn die Naturschutzbehörden hierbei nicht allein auf einen momentanen Sachstand, sondern auch auf über einen längeren Zeitraum hinweg gewonnene Erkenntnisse abstellen, denen aus ihrer Sicht eine Aussagekraft für eine längerfristige Prognose zukommt.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist die Bewertung der Naturschutzbehörden nachvollziehbar, wonach infolge der Realisierung des klägerischen Vorhabens – wenn es denn zur Verwirklichung des Tatbestands des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG käme – eine Beeinträchtigung der Population des Rotmilans zu erwarten wäre. Aufgrund der Mehrzahl von Rotmilan-Horsten in der näheren Umgebung der Vorhabenstandorte ist von einer hohen Verlustquote auszugehen, da bei Tötung des am neu lokalisierten Horst-Standort brütenden Paares weitere Rotmilane auf diesen Standort nachrücken würden und damit gleichermaßen gefährdet wären. Derartige kumulierende Effekte können sich auch nach den Feststellungen der LAG VSW (vgl. Abstandsempfehlungen vom April 2015, dort Nr. 4) mittelfristig großräumig und damit auf der Ebene von Populationen auszuwirken (vgl. hierzu auch BayVGH, U. v. 29.3.2016 – 22 B 14.1875 und 1876 – Rn. 75). Zudem haben junge Brutvögel einen geringeren Bruterfolg als ältere, weshalb Neuverpaarungen nach dem Verlust von erfahrenen Altvögeln mit reduziertem Bruterfolg einhergehen. Der Verlust eines Partners kann über mehrere Jahre den Bruterfolg eines Reviers absenken (vgl. Abstandsempfehlungen vom April 2015, dort Nr. 5 zum Rotmilan). Es liegt im Rahmen der naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative, wenn die höhere Naturschutzbehörde bei der Bewertung der Gefahr des Nachrückens weiterer Brutpaare Horststandorte in einem Radius von 5 km mit berücksichtigt.
Die besondere Relevanz von Verlusten aufgrund einer relativen Dichte von Brutplätzen wird im Übrigen auch in den vom klägerischen Gutachter wiederholt zitierten „Hinweisen zur Bewertung und Vermeidung von Beeinträchtigungen von Vogelarten bei Bauleitplanung und Genehmigung für Windenergieanlagen“ der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg vom 1.7.2015 naturschutzfachlich begründet. In diesem Leitfaden (Nr. 5.2.2, S. 25) wird davon ausgegangen, dass die Erhaltung eines günstigen Erhaltungszustands möglich ist, wenn der Schutz der betreffenden Quellpopulationen im Land (Gebiete mit hoher Siedlungsdichte, „Dichtezentren“) gewährleistet wird und dadurch Individuenverluste ausgeglichen werden, die außerhalb der Dichtezentren eintreten. In den Dichtezentren dürfen diesem Leitfaden zufolge dagegen Ausnahmen vom Tötungsverbot nicht zugelassen werden. Auch in den Abstandsempfehlungen der LAG VSW (Nr. 4) wird empfohlen, dass Kerngebiete einer überdurchschnittlichen Siedlungsdichte (Dichtezentren) der relevanten Vögel von Windkraftanlagen freigehalten werden sollten. Die in den Dichtezentren lebenden Bestände sollten ihre Funktion als Quellpopulationen, in denen in der Regel ein Überschuss an Nachwuchs produziert wird, erhalten können. Ungeachtet der Frage, ob im vorliegenden Fall naturschutzfachlich ein solches Dichtezentrum angenommen werden könnte, spricht dieser Gesichtspunkt angesichts der Mehrzahl von Horsten im Vorhabengebiet zumindest zusätzlich für eine Gefährdung einer Population.
III. Der Feststellungsantrag gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog betreffend eine etwaige Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheides vom 5. März 2015 im Hinblick auf einen bis zum 31. Januar 2016 bestehenden Genehmigungsanspruch für die geplante Windkraftanlage WEA 3 ist bereits unzulässig.
Eine Wiederholungsgefahr ist im Hinblick auf das noch anhängige immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren betreffend weitere von der Klägerin geplante Windkraftanlagen im Umfeld der streitgegenständlichen Vorhaben nicht ersichtlich. Dies würde voraussetzen, dass für dieses weitere Genehmigungsverfahren im Wesentlichen die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ausschlaggebend wären wie in dem für die Beurteilung des erledigten Genehmigungsantrags maßgeblichen Zeitpunkt (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 86a m. w. N.). Der für die Entscheidung über den noch anhängigen Genehmigungsantrag maßgebliche Sachverhalt unterscheidet sich jedoch von demjenigen zum 31. Januar 2016. Im Hinblick auf den neu lokalisierten Rotmilanhorst innerhalb des Prüfabstands nach Anhang 2 Spalte 2 des Windkrafterlasses wurde eine aktuelle Raumnutzungsuntersuchung begonnen. Eine künftige Entscheidung des Beklagten über den noch anhängigen Genehmigungsantrag der Klägerin für weitere zwei Anlagen innerhalb des engeren Prüfbereichs betreffend den Rotmilan bis 1.500 m (vgl. Gutachten vom 28.4.2016, dort Tabelle unter Nr. 2.2, S. 3 zu Standorten WEA 4 und WEA 6) kann nicht im Schwerpunkt auf die naturschutzfachlichen Erkenntnisse und Bewertungen vor dieser Sachverhaltsänderung gestützt werden. Vielmehr bedarf es zunächst, wie oben ausgeführt, auch bezüglich dieser geplanten Windkraftanlagenstandorte einer Ermittlung des nunmehr aktuellen Sachstands entsprechend den Anforderungen des Windkrafterlasses bzw. der neuen Abstandsempfehlungen und einer darauf bezogenen naturschutzfachlichen Bewertung.
Ferner kommt ein Feststellungsinteresse auch nicht im Hinblick auf mögliche Amtshaftungsansprüche der Klägerin in Betracht. Derartige Ansprüche sind bereits deshalb offensichtlich ohne Erfolgsaussichten, da das Verwaltungsgericht in erster Instanz als Kollegialgericht das Bestehen des geltend gemachten Genehmigungsanspruchs aufgrund einer nicht nur summarischen Prüfung verneint hat (BVerwG, U. v. 16.05.2013 – 8 C 14/12 – BVerwGE 146, 303 Rn. 47).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 3, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 635.000 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben