Baurecht

“Dienen” einer Halle im Außenbereich für einen landwirtschaftlichen Betrieb

Aktenzeichen  AN 3 K 20.01592

Datum:
28.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 1450
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 lit. c
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Eine Halle “dient” nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb, weil bereits im Hinblick auf eine Entfernung von 800 Metern zwischen dem streitgegenständlichen Grundstück und der Hofstelle nicht anzunehmen ist, dass ein vernünftiger, auf die Schonung des Außenbereichs bedachter Landwirt in der konkreten Situation ein vergleichbares Gebäude an diesem Standort errichten würde. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Entscheidung konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung ergehen.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid vom 14. August 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für die inmitten stehende Baueinstellung ist Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO.
Nach dieser Bestimmung kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung von Bauarbeiten anordnen, sofern Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Die Vorschrift dient in erster Linie dazu, dem formellen Baurecht Geltung zu verschaffen. Mit ihrer Hilfe soll die Schaffung vollendeter, später nicht oder nur schwer rückgängig zu machender Tatsachen verhindert werden. Dieser im Kern präventiven Zielsetzung entspricht es, wenn die Bauaufsichtsbehörde das ihr eingeräumte Ermessen in der Weise ausübt, dass Arbeiten eingestellt werden, sofern Anhaltspunkte für ein genehmigungspflichtiges Bauvorhaben gegeben sind. Insoweit genügt deshalb für ein Tätigwerden der Bauaufsichtsbehörde bereits die formelle Rechtswidrigkeit des Vorhabens (vgl. BayVGH, B.v. 14.11.2001 – 20 ZB 01.2648 – juris; B.v. 20.1.2009 – 15 CS 08.1638 – juris). Sichergestellt werden soll, dass eine Prüfung und Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens aufgrund ordnungsgemäßer und gegebenenfalls geänderter Bauvorlagen in dem dafür vorgesehenen Verwaltungsverfahren erfolgt und bis dahin keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden (vgl. BayVGH, B.v. 14.11.2001 – 20 ZB 01.2648 – juris).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die inmitten stehenden Baueinstellung rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Bei der streitgegenständlichen Halle handelt es sich um ein genehmigungspflichtiges Bauvorhaben (Art. 55 Abs. 1 BayBO).
Eine Verfahrensfreiheit (Art. 57 BayBO) oder eine Genehmigungsfreistellung (Art. 58 BayBO) liegen nicht vor.
Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist das beabsichtigte Vorhaben insbesondere nicht verfahrensfrei gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 c) BayBO.
Nach dieser Vorschrift sind freistehende Gebäude ohne Feuerungsanlagen, die einem landoder forstwirtschaftlichen Betrieb oder einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung im Sinne der § 35 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, § 201 BauGB dienen, nur eingeschossig und nicht unterkellert sind, höchstens 100 qm Brutto-Grundfläche und höchstens 140 qm überdachte Fläche haben und nur zur Unterbringung von Sachen oder zum vorübergehenden Schutz von Tieren bestimmt sind, verfahrensfrei.
Zunächst hat der Kläger keinerlei Unterlagen zum Nachweis der Genehmigungsfreiheit der streitbefangenen Halle – insbesondere im Hinblick auf die von ihm behauptete Einhaltung der zahlenmäßigen Vorgaben des Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 c) BayBO – vorgelegt (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 14.10.2013 – a.a.O.).
Doch selbst bei Einhaltung der inmitten stehenden Flächenmaßgaben bedarf das streitgegenständliche Vorhaben der Erteilung einer Baugenehmigung, da es dem klägerische Betrieb nicht im Sinne der § 35 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 201 BauGB dient.
Zwar bewirtschaftet der Kläger ausweislich der Stellungnahmen des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 201 BauGB.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dient ein Vorhaben einem solchen Betrieb indes nicht schon dann, wenn es die Bewirtschaftung bloß erleichtert oder fördert; andererseits setzt der Begriff des „Dienens“ nicht voraus, dass das Vorhaben für den Betrieb unentbehrlich ist. Es ist nicht die Zweckmäßigkeit der landwirtschaftlichen Betriebsweise des Bauherrn zu beurteilen. Vielmehr hängt die Zulässigkeit des Vorhabens von der tatsächlich gegebenen Bodenbewirtschaftung und Bodennutzung des konkreten Betriebes sowie davon ab, in welcher Beziehung das Vorhaben zu diesem konkreten Betrieb steht. Davon ausgehend „dient“ ein Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb nur dann, wenn ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – dieses Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. Auch wenn für den Begriff des „Dienens“ Notwendigkeit oder Unentbehrlichkeit nicht verlangt werden kann, muss es doch der landwirtschaftlichen Betriebsweise in besonderer Weise dienlich und für den Betriebserfolg im Allgemeinen von Bedeutung sein (vgl. etwa BVerwG, U.v. 3.11.1972 – IV C 9/70 – juris; BayVGH, U.v. 9.12.1997 – 2 B 94.1245 – juris).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe „dient“ die inmitten stehende Halle nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers.
Dies ergibt sich bereits aus den nachvollziehbaren Ausführungen des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in dessen Stellungnahme vom 14. September 2020, welcher zu entnehmen ist, dass aufgrund der weiten Entfernung zu dem klägerischen Aussiedlerhof ein Gebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück nicht zweckmäßig für den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers ist. Zweifel an der Richtigkeit und Unparteilichkeit der Stellungnahme der Fachbehörde sind nicht erkennbar. Die inmitten stehende Halle mag zwar für den Kläger im Hinblick auf die beabsichtigte Installation einer weiteren Photovoltaikanlage sinnvoll erscheinen. Jedoch ist bereits im Hinblick auf die Entfernung zwischen dem streitgegenständlichen Grundstück und der Hofstelle des Klägers nicht anzunehmen, dass ein vernünftiger Landwirt, auf die Schonung des Außenbereichs bedachter Landwirt in der konkreten Situation des Klägers ein vergleichbares Gebäude an diesem Standort errichten würde. Darüber hinaus verfügt der Kläger unstreitig bereits über ausreichend Unterstellraum auf seinen Grundstücken. So befindet sich auf dem inmitten stehenden Anwesen, welches nach Angabe des Klägers über ein Feldstück von lediglich 0,47 ha verfügt, unter anderem eine großräumige Scheune. Dass die Unterstellmöglichkeiten teilweise langfristig vermietet sein sollen, ist insoweit unbeachtlich. Auch der unsubstantiierte Vortrag des Klägers, das streitgegenständliche Grundstück in Zukunft der Grünlandbewirtschaftung zuzuführen oder dort eine landwirtschaftliche Tierhaltung zu betreiben und die inmitten stehende Halle hierfür zu benötigen, führt zu keiner anderen Bewertung. Das streitbefangene Vorhaben mag für den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers allenfalls förderlich sein, ist diesem jedoch nicht in der von der Rechtsprechung geforderten besonderen Weise dienlich.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bereits der Streit über die Genehmigungspflicht eines Vorhabens die Behörde berechtigt, eine entsprechende Baueinstellung zu verfügen. Insoweit genügt der durch Tatsachen belegte „Anfangsverdacht“ eines Rechtsverstoßes (vgl. etwa BayVGH, B.v. 14.10.2013 – 9 CS 13.1407- juris; B.v. 2.8.2018 – 9 CS 18.996 – juris; B.v. 13.2.2019 – 2 CS 18.2677 – juris).
b) Die Baueinstellungsverfügung ist schließlich auch hinsichtlich der Ermessensausübung durch den Beklagten nicht zu beanstanden. Ermessensfehler (§ 114 VwGO) sind vorliegend weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist keine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit des streitbefangenen Vorhabens zu erkennen (vgl. etwa BayVGH, B.v. 13.2.2019 – a.a.O.). Nachdem die inmitten stehende Halle genehmigungspflichtig, aber nicht genehmigt ist, entsprach es pflichtgemäßem Ermessen, hier eine Baueinstellung anzuordnen. In der Regel besteht ein öffentliches Interesse an der Verhinderung unzulässiger Bauarbeiten, weshalb an die Ermessensüberprüfung nur geringe Anforderungen zu stellen sind.
Der Beklagte war überdies nicht verpflichtet, die Baueinstellung mit einer angemessenen Frist zu versehen, da eine Fristsetzung dem Zweck der Baueinstellung, tatsächliche Veränderungen bis zu einer abschließenden Entscheidung im Baugenehmigungsverfahren zu verhindern, regelmäßig zuwiderliefe. Besondere Umstände, die ausnahmsweise etwas anderes nahelegen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. hierzu etwa BayVGH, B.v. 18.8.2008 – 9 CE 08.625 – juris).
c) Des Weiteren ist der Kläger als Handlungs- und Zustandsstörer richtiger Adressat der Baueinstellungsverfügung (Art. 9 LStVG).
2. Auch die unter Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides verfügte Zwangsgeldandrohung in Höhe von 1.500,00 EUR erweist sich als rechtmäßig. Sie entspricht sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach den Vorschriften der Art. 29 ff. VwZVG.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 Abs. 2, 173 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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