Baurecht

Dritt-Anfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Kläranlage

Aktenzeichen  Au 5 K 18.1578

Datum:
13.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 33076
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1
UmwRG § 1 S. 1 Nr. 5, § 2 Abs. 1, § 4
GO Art. 18a
BayBO Art. 66

 

Leitsatz

1. Die Nachbareigenschaft eines Grundstücks im Sinne des Art. 66 BayBO setzt eine bestimmte räumliche Beziehung zum Baugrundstück voraus. Maßgeblich ist der Einwirkungsbereich des Bauvorhabens, der nach Art und Intensität der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen verschieden bemessen sein kann.  (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Über die Vorschrift des Art. 18a GO hinaus werden dem Bürgerbegehren keine weitergehenden Ansprüche eingeräumt. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Bürgerinitiative kann aus § 2 Abs. 1 iVm § 4 UmwRG keine Klage- bzw. Antragsbefugnis ableiten, sofern sie nicht nach § 3 UmwRG anerkannt worden ist. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die vom Kläger gegen den Baugenehmigungsbescheid des Beklagten vom 14. August 2018 erhobene Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) ist bereits unzulässig.
Dem Kläger fehlt es an der für eine Klageerhebung erforderlichen Antragsbefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO.
Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist eine (Anfechtungs-) Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, durch den mit der Klage angegriffenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein.
Eine Klagebefugnis zu Gunsten des Klägers ergibt sich unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt.
Benachbarte Grundstückseigentümer und ihnen gleichgestellte Personen können als betroffene Nachbarn (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 Bayerische Bauordnung – BayBO) gegen eine Baugenehmigung, die sie beschwert, Anfechtungsklage erheben, wenn sie behaupten können, dass die Baugenehmigung eigene Rechte, die ihnen das öffentliche Recht einräumt, verletzt und wenn nach ihrem Vorbringen eine Rechtsverletzung in Betracht kommt.
Die Nachbareigenschaft eines Grundstücks im Sinne des Art. 66 BayBO setzt dabei eine bestimmte räumliche Beziehung zum Baugrundstück voraus. Maßgeblich ist der Einwirkungsbereich des Bauvorhabens, der nach Art und Intensität der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen verschieden bemessen sein kann und dementsprechend flexibel den Kreis der Nachbarn bestimmt. Im Regelfall werden aber nur die unmittelbar angrenzenden Grundstücke benachbart sein (vgl. zum Ganzen Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Kommentar, Stand: Oktober 2018, Art. 66 Rn. 65).
Dies zugrunde gelegt, befindet sich – bezogen auf den Kläger als Einzelperson und Grundstückseigentümer – dessen Wohngrundstück in der,, nicht mehr im Einwirkungsbereich der mit Bescheid des Antragsgegners vom 14. August 2018 genehmigten Kläranlage. Zwischen dem geplanten Standort der Kläranlage des Beigeladenen und dem Wohnhaus des Klägers errechnet sich ein Abstand zwischen 650 und 700 m Luftlinie (gemessen nach Geoportal Bayern). Hinzu tritt, dass der Kläger im Verfahren gerade auch nicht auf umweltrechtliche Auswirkungen der geplanten Kläranlage auf sein im Ortsteilbereich … gelegenes Grundstück verweist, sondern vielmehr u.a. auf die finanziellen Folgen der geplanten Kläranlage hinweist und sich für den Erhalt und die Ertüchtigung der bislang vorhandenen Klärteiche einsetzt. All dies schließt eine Klagebefugnis im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu Gunsten des Klägers aus.
Eine Klagebefugnis aus § 42 Abs. 2 VwGO anlog ergibt sich aber auch dann nicht, sofern man aufgrund der Unterzeichnung der Klageschrift davon ausgeht, dass der Antrag vom Kläger als Vertreter des Bürgerbegehrens „Abwasserbeseitigung im Markt …“ gestellt wird. Zwar lässt sich aus Art. 18a Abs. 8 i.V.m. Abs. 10 Gemeindeordnung (GO) i.V.m. Art. 7 Abs. 2 und Art. 12 Abs. 3 Bayerische Verfassung (BV) ein Anspruch eines Bürgerbegehrens auf Durchführung eines Bürgerentscheides herleiten – sofern die weiteren Voraussetzungen in Art. 18a GO erfüllt sind -, jedoch gibt dieser sich aus der GO ableitende Anspruch den Vertretern eines Bürgerbegehrens gerade keinen Anspruch darauf, die weitergehende zwischenzeitliche bauaufsichtliche Zulassung eines Bauvorhabens ungeachtet der hierfür bestehenden weiteren Voraussetzungen aus der BayBO, anzugreifen. Dies hat auch dann zu gelten, wenn die Baugenehmigung denselben Gegenstand wie das eingeleitete Bürgerbegehren/Bürgerentscheid betrifft. Über die Vorschrift des Art. 18a GO hinaus werden dem Bürgerbegehren keine weitergehenden Ansprüche eingeräumt.
Schließlich ergibt sich eine Antragsbefugnis des Klägers bzw. des von diesem vertretenen Bürgerbegehrens auch nicht aus den Bestimmungen des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG). Zwar dürfte es sich bei der angegriffenen Baugenehmigung um eine dem sachlichen Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes unterfallende Zulassungsentscheidung nach § 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG handeln, da bei einer Baugenehmigung auf der Grundlage von § 35 BauGB (Außenbereich) nach § 35 Abs. 3 Nr. 5 bzw. Nr. 6 BauGB Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bzw. der Wasserwirtschaft und des Hochwasserschutzes Prüfungsgegenstand sind (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 11.4.2018 – 2 CS 18.198 – juris Rn. 8, 9 zu einer Baugenehmigung auf der Grundlage von § 30 BauGB). Letztlich bedarf dies jedoch keiner vertiefenden Betrachtung. Eine Bürgerinitiative kann aus § 2 Abs. 1 i.V.m. § 4 UmwRG keine Klage- bzw. Antragsbefugnis ableiten, sofern sie nicht nach § 3 UmwRG anerkannt worden ist. Für eine derartige Anerkennung der vom Kläger vertretenen Bürgerinitiative bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte.
Auch eine weitergehende Klagebefugnis gemäß § 2 Abs. 2 UmwRG scheidet aus, da nicht ersichtlich ist, dass die vom Kläger vertretene Bürgerinitiative bei Einlegung der Rechtsbehelfe die Voraussetzungen für eine Anerkennung bereits erfüllt hätte bzw. sie bereits einen Antrag auf Anerkennung gestellt hätte (vgl. zum Ganzen VG Saarland, U.v. 7.10.2015 – 5 K 846/14 – juris Rn. 31).
Dem Kläger als Privatperson (Beteiligter nach § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO, § 4 Abs. 3 S.1 Nr. 1 UmwRG) ist es auch verwehrt, sich auf § 4 UmwRG zu berufen. Insbesondere scheidet insoweit eine zu rügende Verletzung von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG aus, da für das bauaufsichtliche Genehmigungsverfahren eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht vorgeschrieben ist. Diese bleibt gemäß § 50 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) den Verfahren der Bauleitplanung vorbehalten.
Schließlich verweist das Gericht darauf, dass der Kläger sich auch nicht auf eine Verletzung der Rechte der Mitglieder der Bürgerinitiative berufen kann, weil insoweit § 42 Abs. 2 VwGO einer gewillkürten Prozessstandschaft entgegensteht. Aus der potenziellen Verletzung von Rechten der Mitglieder der Bürgerinitiative lässt sich eine Klagebefugnis nicht herleiten, da dies § 42 Abs. 2 VwGO widerspricht, der eine Prozessstandschaft ausschließt, bei der Bürgerinitiativen die Rechte ihrer jeweiligen Mitglieder geltend machen. Diese Einschränkung der Klage- bzw. Antragsbefugnis entspricht dem verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklichen und in § 42 Abs. 2 VwGO normierten Ausschluss von Popularklagen und damit mittelbar dem Ausschluss einer gewillkürten Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 42 Rn. 60; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 76).
Damit fehlt es nach jeglicher Betrachtungsweise an einer Klagebefugnis des Klägers im streitgegenständlichen Klageverfahren. Dessen Klage war daher bereits als unzulässig abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Da der Beigeladene im Klageverfahren einen Antrag auf Klageabweisung gestellt und sich mithin einem Prozesskostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten erstattet erhält (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).


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