Baurecht

Drittschützende Wirkung einer im Bebauungsplan festgesetzten Fläche für Gemeinbedarf

Aktenzeichen  9 ZB 20.250

Datum:
1.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20911
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO § 15

 

Leitsatz

Ist einem Bebauungsplan ein diesbezügliches Konzept eines wechselseitigen nachbarlichen Austauschverhältnisses nicht zu entnehmen, ergibt sich keine drittschützende Wirkung zugunsten eines nicht in derselben Gebietsart des Bebauungsplans liegenden Grundstücks. (Rn. 6 – 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 3 K 18.1794 2019-12-05 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen eine dem Amt für Gebäudemanagement der Beklagten von deren Bauaufsichtsamt erteilte, auf vier Jahre befristete Baugenehmigung vom 9. August 2018 zur Errichtung einer Freischankfläche im Hofbereich des Kulturzentrums E* … Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 5. Dezember 2019 ab. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die Klägerin weder mit ihrem Einwand durchdringen könne, der Gebietserhaltungsanspruch sei verletzt, noch eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots geltend machen könne. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Es liegen weder die von der Klägerin geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch hat die Rechtssache die von der Klägerin behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel hier nicht.
a) Soweit die Klägerin geltend macht, die im Bebauungsplan Nr. 253 der Beklagten festgesetzte Gemeinbedarfsfläche, auf der das Bauvorhaben errichtet werden soll, habe drittschützende Wirkung, weil im Hinblick auf die „Wannsee-Entscheidung“ (vgl. BVerwG, U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – BVerwGE 162, 363) ein nachbarliches Austauschverhältnis auch für andere Festsetzungen eines Bebauungsplans denkbar sei und eine Nutzung als Freischankfläche der Festsetzung Gemeinbedarfsfläche widerspreche, bleibt der Antrag auf Zulassung der Berufung ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass die Grundstücke der Klägerin und das Baugrundstück nicht in der selben Gebietsart des Bebauungsplans Nr. 253 liegen und sich aus den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 253 kein plangebietsübergreifender Nachbarschutz ergebe. Dem tritt das Zulassungsvorbringen schon nicht entgegen.
Auch soweit sich die Klägerin auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. August 2018 (Az. 4 C 7.17) beruft, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn es geht hier weder um Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung (vgl. OVG NW, B.v. 19.5.2021 – 10 B 688/21 – juris Rn. 5 ff.), noch stammt der Bebauungsplan Nr. 253, der am 31. März 1994 bekannt gemacht wurde, aus einer Zeit, in der man an einen Drittschutz noch nicht gedacht haben würde (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2021 – 9 ZB 20.1669 – juris Rn. 17 m.w.N.). Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht sogar unter Auseinandersetzung mit der o.g. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ausgeführt, dass ein derartiges Konzept eines wechselseitigen nachbarlichen Austauschverhältnisses dem Bebauungsplan Nr. 253 nicht zu entnehmen sei. Dem tritt das Zulassungsvorbringen ebenfalls nicht substantiiert entgegen; der bloße Hinweis darauf, die Gemeinbedarfsfläche liege inmitten des Plangebiets, genügt hierfür nicht.
b) Der Vortrag, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme verneint, zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf.
Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass die Auflagen zum Immissionsschutz aus den Bescheiden vom 12. August 2015 und vom 29. März 2017 zur Errichtung eines betreuten Jugendtreffs mit Fahrradwerkstatt sowie Bühne mit Ausschank weiterhin einzuhalten seien. Hierfür spricht auch der Hinweis Nr. 3 im angefochtenen Bescheid vom 9. August 2018. Dem tritt das Zulassungsvorbringen, das lediglich die gegenteilige Auffassung der Klägerin widergibt, nicht substantiiert entgegen.
Das Zulassungsvorbringen zeigt auch nicht substantiiert auf, dass die Erschließung den sich entsprechend der Betriebsbeschreibung vom 15. Juni 2018 ergebenden (Besucher-) Verkehr nicht bewältigen könnte oder sich die Erschließungssituation für die Klägerin erheblich verschlechtern würde (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 9 CS 19.1468 – juris Rn. 28). Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass sich durch die alternative Nutzung der bereits mit Bescheid vom 12. August 2015 genehmigten Zuschauerfläche die Gesamtbesucherzahl und der Bedarf an Stellplätzen nicht derart erhöhe, dass die Erschließungssituation der klägerischen Grundstücke unzumutbar beeinträchtigt würde. Es begründet dies damit, dass in fußläufiger Entfernung weitere Parkmöglichkeiten zur Verfügung stünden, das Baugrundstück zentral liege, eine gute Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Personennahverkehr bestehe und das Gemeindegebiet der Beklagten fahrradtechnisch entsprechend einer „Fahrradstadt“ erschlossen sei. Das Verwaltungsgericht hat ferner ausgeführt, dass sich nach Ladenschluss um 20:00 Uhr und damit insbesondere zu Zeiten abendlicher Veranstaltungen im E* … allenfalls noch vereinzelte Kunden im Einkaufszentrum der Klägerin befänden, weshalb Parksuchverkehr, aber auch eine behauptete Belästigung durch alkoholisierte Besucher des E* … jedenfalls nicht in unzumutbarer Weise gegeben sein dürften. Mit alledem setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander.
2. Die Rechtssache hat nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.2021 – 9 ZB 19.793 – juris Rn. 15).
Die Frage, ob einer festgesetzten Gemeinbedarfsfläche ebenfalls drittschützende Wirkung für ein umliegendes Plangebiet zukommt, ist schon nicht klärungsbedürftig. Die Voraussetzungen, unter denen ein plangebietsübergreifender Nachbarschutz in Betracht kommt, sind höchstgerichtlich geklärt (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.2007 – 4 B 55.07 – juris Rn. 5 f.; BayVGH, B.v. 27.11.2019 – 9 ZB 15.442 – juris Rn. 13 m.w.N.). Die von der Klägerin angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. August 2018 (Az. 4 C 7.17) verhält sich hierzu nicht und gibt auch keinen Anlass, die Voraussetzungen für einen plangebietsübergreifenden Nachbarschutz anders zu bewerten, zumal das Bundesverwaltungsgericht in nachfolgenden Entscheidungen hierzu an den o.g. Voraussetzungen festgehalten hat (vgl. BVerwG, B.v. 15.9.2020 – 4 B 46.19 – juris Rn. 6).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit dieser Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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