Baurecht

Eilantrag einer Gemeinde gegen Baugenehmigung für Wohnanlage – Wirkung des Vorbescheids

Aktenzeichen  AN 17 S 21.00427

Datum:
18.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16834
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3
BauGB § 30 Abs. 1, § 36
GG Art. 28 Abs. 2
BV Art. 11 Abs. 2
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 1
BayBO Art. 71

 

Leitsatz

1. Ein bestandskräftiger Vorbescheid vermittelt dem Bauherrn für den abschließend vorweg entschiedenen Teil der Baugenehmigung die gleiche gesicherte begünstigende Rechtsstellung wie die Baugenehmigung selbst. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird ein Vorhaben derart verändert, dass es in rechtserheblicher Weise von den entschiedenen Punkten abweicht und die Genehmigungsfrage neu aufwirft, entfällt die Bindungswirkung des Vorbescheids. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nur die im Vorbescheid ausdrücklich im Sinne einer positiven Bescheidung einzelner Fragen geklärten Aspekte der Bauvoranfrage nehmen an der Bindungswirkung des Vorbescheids teil. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4. Um ein „Umkippen“ eines Mischgebietes zu verhindern und seine Eigenart zu bewahren, ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass im jeweiligen Gebiet eine der beiden Hauptnutzungsarten Wohnen und Gewerbe nicht nach Anzahl und/oder Umfang beherrschend und in diesem Sinne „übergewichtig“ ist. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung für die Errichtung einer Wohnanlage mit elf Wohneinheiten und Tiefgarage.
Die Fa. … beantragte mit Bauantrag vom 28. Februar 2018 den Erlass eines Vorbescheides bezüglich der Errichtung zweier Mehrfamilienhäuser mit Tiefgarage, Gebäudeklasse nach Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BayBO, auf dem in ihrem Eigentum befindlichen Grundstück FlNr. …, Gemarkung … (Vorhabengrundstück). Gemäß dem beigefügten Beiblatt zum Antrag auf Vorbescheid wurde um Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens gebeten. Das Vorhabengrundstück befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. … „Nordöstlich des …Weges“ – … Änderung – der Antragstellerin, einer kreisangehörigen Gemeinde im Landkreis … Im fraglichen Bereich ist ein Mischgebiet festgesetzt. Die Antragstellerin verweigerte mit Schreiben vom 20. April 2018 aufgrund des zugrundeliegenden Beschlusses vom 18. April 2018 ihr gemeindliches Einvernehmen, da das Vorhaben nicht den Festsetzungen des zugrundeliegenden Bebauungsplanes B,. Änderung, entspreche. Nachdem der Antragsgegner zunächst noch von einer fehlenden Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens ausging, kam er nachfolgend, nach erneuter Prüfung, zu einer bauplanungsrechtlichen Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens.
Nach erfolgter Anhörung der Antragstellerin zur geplanten Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens erließ der Antragsgegner den Bescheid vom 18. Dezember 2018 (Vorbescheid) unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens. Nach dessen Tenor wird auf Antrag des Bauwerbers vom 28. Februar 2018 festgestellt, dass das Bauvorhaben unter den genannten Bedingungen und Auflagen hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit grundsätzlich genehmigungsfähig sei. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 BauGB erfüllt seien. Im festgesetzten Mischgebiet sei auch nach Genehmigung des beantragten Vorhabens eine ausgewogene Durchmischung möglich. Ob dies der Fall sei, lasse sich nicht allein nach den Anteilen der Grundfläche der jeweiligen Nutzungsart bestimmen. Erforderlich sei eine Bewertung aller für eine quantitative Beurteilung infrage kommenden tatsächlichen Umstände. Die quantitative Grenze müsse dabei unter der Grenze der Funktionslosigkeit liegen. Die Funktionslosigkeit einer Mischgebietsfestsetzung sei bei einer Dominanz von mehr als 80% durch eine Hauptnutzungsart anzunehmen. Innerhalb des Mischgebiets finde sich derzeit ausschließlich Wohnbebauung. Es seien die vorhandenen Grund- und Geschossflächen ermittelt und die noch mögliche gewerbliche Bebauung des Grundstückes FlNr. … sowie in Teilbereichen der Grundstücke FlNrn. … und … gegenübergestellt worden. Welche Gewerbebetriebe im Einzelnen möglich wären, müsste geprüft werden. Zwar seien die verbliebenen Grundstücke für Gewerbe mit viel Fahrverkehr oder hohem Lärmaufkommen möglicherweise ungeeignet, jedoch seien beispielsweise Büronutzungen in großem Umfang möglich. Innerhalb des Mischgebietes ergebe sich (ohne öffentliche Verkehrsflächen) eine Grundstücksfläche von ca. 11.400 m2. Bei Berücksichtigung der Baugrenzen und der festgesetzten Grundflächenzahl komme man auf ca. 6.200 m2 bebaubare Fläche. Derzeit erreiche man mit Haupt- und Nebengebäuden sowie den Zugängen einschließlich der geplanten Mehrfamilienhäuser eine bebaute Fläche von ca. 2.900 m2. Demnach seien 3.300 m2 noch bebaubar. Da jedoch objektiv betrachtet nur die FlNrn. …, … und … sinnvoll bebaubar seien, würden nur diese Grundstücke gegenübergestellt. Unter Beachtung von Grundflächenzahl und Baugrenzen ergebe sich dort eine bebaubare Fläche von ca. 1.300 m2. Unter Berücksichtigung der einzuhaltenden Abstandsflächen (wobei hier bei den FlNrn. … und … auf die Abstandsfläche zwischen den Grundstücken nicht eingegangen worden sei, weil beide Grundstücke dem gleichen Eigentümer gehören würden und die Grenze somit überbaut werden könne) ergebe sich bei den drei verbliebenen Grundstücken eine noch bebaubare Grundfläche von ca. 800 m2. Bei einer Betrachtung der Grundflächen ergebe sich aufgrund der derzeit mit Wohnbebauung bebauten Flächen und unter Einrechnung der Mehrfamilienhäuser (ca. 2.900 m2) noch eine Durchmischung mit ca. 28% (gemeint wohl: 22%) Gewerbeanteil und ca. 72% (gemeint wohl: 78%) Wohnbebauung.
Wie aus der Geschossflächenberechnung ersichtlich, sei die mögliche Geschossfläche auf allen Grundstücken nicht ausgenutzt worden. Im Baugebiet sei, bezogenen auf die vorhandenen Grundstücksflächen (ca. 11.400 m2) eine Geschossfläche von ca. 13.680 m2 möglich. Tatsächlich ergebe sich eine vorhandene Geschossfläche von ca. 5.770 m2, so dass rechnerisch noch 7.910 m2 möglich wären. Allerdings würden auch hier (analog der Grundflächenberechnung) nur noch die FlNrn. … und … sowie … betrachtet und erforderliche Abstandsflächen einbezogen. Auf der FlNr. … sei noch eine gewerbliche Geschossfläche von 450 m2, bei den FlNrn. …, … noch 1.560 m2 möglich. Insgesamt sei daher noch eine gewerbliche Geschossfläche von 2.010 m2 möglich. Bei einer Geschossflächenbetrachtung des Mischgebietes ergebe sich somit bei einer Gegenüberstellung der vorhandenen Gesamtgeschossfläche mit Wohnnutzung von 5.770 m2 und einer möglichen gewerblichen Geschossfläche von ca. 2.010 m2 eine Durchmischung von ca. 26% Gewerbenutzung und 74% Wohnnutzung. Die Antragstellerin legte gegen den ihr zugestellten Vorbescheid vom 18. Dezember 2018 keine Rechtsmittel ein und teilte dem Beklagten dies mit Schreiben vom 23. Januar 2019 auch mit.
Mit Bauantrag vom 28. Januar 2020 beantragte die Beigeladene (welche nicht Eigentümerin des Vorhabengrundstückes ist) eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Wohnanlage (elf Wohneinheiten) mit Tiefgarage auf dem Vorhabengrundstück. Laut beiliegender Baubeschreibung handelt es sich bei dem Vorhaben um die Gebäudeklasse 5 und einer Wohnfläche von 870,48 m2. Die Grundstückfläche wird mit 1.698,40 m2 angegeben. Von einer Nachbarbeteiligung solle abgesehen werden. Die Antragstellerin verweigerte mit Schreiben vom 12. März 2020 aufgrund des Beschlusses vom 11. März 2020 ihr gemeindliches Einvernehmen zu dem beantragten Vorhaben.
Der Antragsgegner teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 3. Juni 2020 mit, dass das Vorhaben genehmigungsfähig sei. Es sei beabsichtigt, das gemeindliche Einvernehmen ggf. zu ersetzen, weshalb Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werde. Das nun beantragte Bauvorhaben unterscheide sich optisch und größenmäßig grundsätzlich von den Skizzen der Bauvoranfrage. Aus den Berechnungen der Grund- und Geschossflächen sei aber nun ein geringfügig kleineres Gebäude geplant als das Gebäude, welches für die Betrachtung beim Vorbescheid herangezogen worden sei. Da es beim Vorbescheid im Wesentlichen um das Kippen des Gebietstyps „…“ zu einem „…“ gegangen sei, führe das verkleinerte Bauvorhaben ebenfalls zu keiner Gebietsveränderung, so dass der Gebietstyp „…“ weiterhin möglich bleibe.
Die Antragstellerin verweigerte weiterhin ihr gemeindliches Einvernehmen mit Schreiben vom 25. Juni 2020, da der Einschätzung des Antragsgegners zur Wahrung des Mischgebietscharakters nicht gefolgt werde. Überdies würden auch Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung nicht eingehalten. Gemäß Ziff. 1.8.2 des maßgeblichen Bebauungsplanes sei der Auffang der anfallenden Oberflächenabwässer in einer Zisterne oder in einem Gartenteich festgesetzt. Eine entsprechende Darstellung fehle in den Antragsunterlagen. Eine Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens scheide daher aus, da das Vorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht entspreche.
Mit Bescheid vom 20. Juli 2020 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung. In den Gründen des Bescheides wurde ausgeführt, dass sich das Baugrundstück im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. … „Nordöstlich des … Weges“ -. Änderung der Antragstellerin befinde. Das Bauvorhaben könne daher trotz verweigerten Einvernehmens, das damit begründet worden sei, dass die Wahrung des Mischgebietscharakters nach der Realisierung des Vorhabens nicht mehr möglich sei, genehmigt werden. Im Bereich des Bauvorhabens werde als Art der Nutzung ein Mischgebiet nach § 6 BauNVO festgesetzt. Das geplante Mehrfamilienhaus sei im Mischgebiet gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässig. Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO seien die allgemein zulässigen Nutzungsarten im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprächen. Dies sei hier nicht der Fall, was bereits im Vorbescheid, hinsichtlich dessen das gemeindliche Einvernehmen mit derselben Begründung verweigert worden sei, umfänglich begründet worden sei. Zwar unterscheide sich das Vorhaben optisch und größenmäßig von den Skizzen der Bauvoranfrage, jedoch sei nunmehr ein geringfügig kleineres Gebäude beantragt, so dass auch das nunmehr beantragte Bauvorhaben nicht zu einer Gebietsveränderung führe. Der Gebietstyp „…“ sei weiterhin möglich. Hinsichtlich der erforderlichen Zisterne (Ziffer 1.8.2 des Bebauungsplanes) sei vom Bauherrn nun in den Plänen eine Zisterne dargestellt worden. Das Vorhaben könne trotz verweigerten Einvernehmens der Gemeinde genehmigt werden. Das gemeindliche Einvernehmen sei im vorliegenden Fall nach § 36 BauGB nicht erforderlich, da das Bauvorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplanes nach § 30 Abs. 1 BauGB zur Ausführung komme und den Festsetzungen des Bebauungsplanes entspreche. Ausnahmen oder Befreiungen würden nicht erteilt.
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 14. August 2020 erhob die Antragstellerin Klage bei dem Verwaltungsgericht Ansbach, eingegangen am selben Tag, gegen den Bescheid vom 20. Juli 2020 (AN 17 K 20.01574). Mit weiterem Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 10. März 2021, eingegangen am selben Tag, wurde ein Antrag auf einstweiligen Rechtschutz gestellt.
Zur Begründung des Eilantrages wurde mit Schriftsätzen vom 10. März 2021, 25. März 2021, 20. April 2021 und 10. Juni 2021 im Wesentlichen ausgeführt, dass entgegen der Annahme des Antragsgegners der Anteil der Geschossflächen der Wohnnutzung an der Gesamtgeschossfläche nach Realisierung des Bauvorhabens bereits mehr als 80% ausmache. Bei der eigenen Berechnung seien die Geschossflächen der vorhandenen Wohngebäude sowie der Nebengebäude anhand der eingereichten Baupläne sowie des Geoinformationssystems berechnet worden. Berücksichtigt worden seien zudem die bislang unbebauten Grundstücke. Die Berechnungen des Antragsgegners seien fehlerhaft. So seien bereits errichtete Nebengebäude auf den Grundstücken … Straße …, … (zwei Nebengebäude), … … sowie auf der FlNr. … nicht berücksichtigt worden. Zudem werde bei der Flächenberechnung zur FlNr. … eine Geschossfläche von 450 m2 zugrunde gelegt. Im Rahmen eines Bauantragsverfahrens bezogen auf dieses Grundstück mit einer beantragten Geschossfläche von 249,97 m2 sei dieses vom Landratsamt unter Verweis auf die Mischgebietsunverträglichkeit abgelehnt worden. Bei der Berechnung des Landratsamtes fehle zudem, ob und in welchem Umfang eine gewerbliche Nutzung überhaupt noch realisiert werden könne. Gerade die FlNrn. … und … seien nicht in dem vom Landratsamt zugrunde gelegten Maß bebaubar. Vielmehr seien erforderliche Abstandsflächen, auch im Hinblick auf ein Heranrücken der gewerblichen Nutzung an die bereits bestehenden Wohngebäude zu berücksichtigen. Auch beim Grundstück FlNr. … sei zu berücksichtigen, dass das Grundstück von Wohnbebauung umgeben sei. Ebenso sei die Grundflächenberechnung von 11.400 m2 falsch. Die Addition der im Mischgebiet befindlichen Fläche ergebe eine Gesamtfläche von 11.612 m2. Abzuziehen sei ein Anteil des Grundstücks FlNr. …, der sich bereits im Geltungsbereich des Industriegebietes befinde (300 m2) und der im Bebauungsplan auf dem gleichen Grundstück dargestellte Privatweg mit einer Fläche von 130 m2. Es bleibe daher eine Grundstücksfläche von 11.182 m2.
Die Antragstellerin sei durch die streitgegenständliche Baugenehmigung in eigenen Rechten, insbesondere in ihrer Planungshoheit verletzt. Die planerische Grundkonzeption, die Ausweisung des maßgeblichen Gebiets im Bebauungsplan als Mischgebiet, werde durch die erteilte Baugenehmigung vereitelt, da das ausgewiesene Mischgebiet damit in ein Wohngebiet „umkippe“. Mischgebiete würden dem Wohnen und der Unterbringung von nicht störenden Gewerbebetrieben dienen. Eine Durchmischung zu gleichen Teilen sei nicht nötig. Es werde angenommen, dass die Funktionslosigkeit der Festsetzung „Mischgebiet“ erst bei einer Dominanz von mehr als 80% einer Hauptnutzungsart entstehe. Es seien nicht allein die Anteile der Grundfläche der jeweiligen Nutzungsart entscheidend. Es müsse eine Bewertung aller für eine quantitative Beurteilung in Frage kommenden tatsächlichen Umstände im Einzelfall erfolgen, auch die tatsächliche Realisierbarkeit einer Durchmischung auf Dauer, wobei qualitative Aspekte ebenso zu berücksichtigen seien. Dies habe das Landratsamt nicht berücksichtigt. Es habe fehlerhaft nicht die vorhandene, sondern eine fiktive Gesamtgeschossfläche der Bewertung der Durchmischung des Baugebiets zugrunde gelegt. Die errechneten 6.260 m2 würden die Geschossflächen darstellen, die maximal aufgrund der Vorgaben des Bebauungsplanes errichtet werden könnten. Dem seien eine vorhandene sowie eine mögliche gewerbliche Nutzung gegenüberzustellen, was nach der Berechnung des Landratsamtes 2.410 m2 ergebe. Maßgeblich sei jedoch, inwieweit eine gewerbliche Bebauung überhaupt realisiert werden könne. Ferner sei bei der Beurteilung auch der städtebauliche Wille der Gemeinde zu berücksichtigen. Danach sei eine weitere Wohnbebauung nicht erwünscht, wie sich aus der Begründung zur 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. … implizit ergebe. Durch die Ausweisung unterschiedlicher Gebietstypen des Bebauungsplanes werde deutlich, dass diese zunächst dem Schutz vor Emissionen dienen würden. Es solle grundsätzlich ein Neben- und Miteinander von Wohnen und gewerblicher Nutzung stattfinden. Das Mischgebiet diene als Pufferzone. Im Hinblick auf die bereits vorhandenen gewerblichen Ansiedlungen, insbesondere das Auslieferungslager der … sowie des fleischverarbeitenden Großunternehmens … und die hierdurch hervorgerufenen Emissionen sei im Bereich des ausgewiesenen Mischgebietes ein deutliches Übergewicht an gewerblicher Nutzung gewünscht. Insbesondere auf dem Vorhabengrundstück, das unmittelbar an das ausgewiesene Industriegebiet angrenze, sei eine gewerbliche Nutzung gewünscht. Wie sich aus der Begründung zur 1. Änderung des Bebauungsplanes ergebe, sei die Änderung zur Neuordnung der Wohnbebauung erfolgt, um eine sinnvolle Abstufung zwischen der Wohnbebauung und dem angrenzenden Industriegebiet (Bebauungsplan Nr. B) über die Ausweisung von Mischgebiet, eingeschränktem Gewerbegebiet und Gewerbegebiet festzulegen. Die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens stelle eine massive Verletzung der Planungshoheit der Gemeinde dar.
Die Rechtskraft des Vorbescheides stehe dem Begehren nicht entgegen. Das Landratsamt habe mit dem Baugenehmigungsbescheid eine erneute, umfassende Prüfung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens vorgenommen. Die Antragstellerin sei explizit erneut um Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens, auch im Hinblick auf die Mischgebietsverträglichkeit, gebeten worden. Die Baugenehmigung enthalte daher eigene Feststellungen, die auch angegriffen werden könnten und sei nicht eine bloße redaktionelle Wiedergabe des Inhalts des bestandskräftigen Vorbescheides. Auch sei ein in Größe und Kubatur vom Vorbescheid abweichendes Vorhaben eines anderen Bauherrn genehmigt worden. Der sachliche Umfang der Bindungswirkung des Vorbescheides beziehe sich nur auf Vorhaben, die inhaltlich dem Vorbescheid vollständig entsprechen oder von diesem ohne Veränderung der Grundkonzeption abweichen. Im Rahmen der Bauvoranfrage seien zwei Mehrfamilienhäuser beantragt worden. Es seien weder die Grund-, noch die Geschoss-, noch die Wohnfläche konkret berechnet worden. Im Vergleich zu dem der Baugenehmigung zugrundeliegenden Bauantragsunterlagen werde deutlich, dass sowohl der Gebäudezuschnitt verändert worden sei als auch nur noch ein Gebäudekomplex beantragt worden sei. Das Maß der baulichen Nutzung weiche von den nur ungefähr angegebenen Maßen im Vorbescheidsverfahren ab. Gerade im Hinblick auf eine weitere mögliche bauliche Nutzung des Baugrundstücks sowie etwaige Auswirkungen auf benachbarte Grundstücke sei insoweit eine Neubewertung des Vorhabens nötig.
Die beantragte Zwischenregelung sei nötig, da andernfalls vollendete Tatsachen geschaffen würden, die kaum mehr rückgängig zu machen seien. Mit dem Bau sei bereits begonnen worden.
Die Antragstellerin beantragt,
1.Die aufschiebende Wirkung der vor dem Verwaltungsgericht Ansbach anhängigen Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes … vom 20. Juli 2020 wird angeordnet.
2.Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Beigeladenen aufzugeben, die Bauarbeiten sofort einzustellen und alle Maßnahmen zur Ausführung des dortigen Bauvorhabens unverzüglich zu unterlassen.
Mit Telefonat vom 15. April 2021 stellte die Antragstellerbevollmächtigte klar, dass der Antrag in Ziffer 2 ebenso wenig wie der Schriftsatz vom 25. März 2021 als Antrag auf Erlass eines Hängebeschlusses zu sehen sei.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen und führte zur Begründung, ergänzend zu Vorbescheid und Baugenehmigung, im Wesentlichen aus, dass die geplanten Mehrfamilienhäuser im festgesetzten Mischgebiet nach ihrer Art zulässig seien. Auch eine Unzulässigkeit aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO läge nicht vor, denn die Errichtung der geplanten Mehrfamilienhäuser würde nicht zu einer Funktionslosigkeit des Mischgebietes führen. Bereits mit Vorbescheid vom 18. Dezember 2018 sei festgestellt worden, dass das damals gegenständliche Vorhaben grundsätzlich genehmigungsfähig sei. Es sei damals um die Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit gebeten worden. Das gemeindliche Einvernehmen sei rechtswidrig verweigert und daher gemäß Art. 67 BayBO ersetzt worden. Der Antragstellerin sei der Vorbescheid zugestellt worden. Diese habe mit Fax vom 23. Januar 2019 mitgeteilt, dass keine Klage gegen den Vorbescheid erhoben werde. Soweit die Antragstellerin nunmehr die bauplanungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit unter Verweis auf den Gebietscharakter bezweifele, könne sie hiermit nicht mehr gehört werden. Gehe der Erteilung einer Baugenehmigung ein positiver, bestandskräftiger Vorbescheid voraus, so entstünde eine dreijährige Bindungswirkung für die Bauaufsichtsbehörde und die Gemeinde. Innerhalb von drei Jahren müsse ein auf dem Vorbescheid aufbauender Bauantrag gestellt werden, um die Bindungswirkung des Vorbescheides auszulösen. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf den Vorbescheid sei nicht nötig. Gleichwohl sei hier in der Begründung des streitgegenständlichen Bescheides Bezug auf den positiven Vorbescheid genommen worden. Der im Vorbescheid entschiedene Teil sei im späteren Baugenehmigungsverfahren nicht mehr zu prüfen. Die nachfolgende Baugenehmigung übernehme den Inhalt des bestandskräftigen Vorbescheides nur noch nachrichtlich oder als Hinweis, aber ohne eigene, Dritte beschwerende Regelung. Eine Neueröffnung der Prüfung der Mischgebietsverträglichkeit habe nicht stattgefunden. Auch der Umstand, dass die Antragstellerin angesichts der erneuten Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens angehört worden sei, ändere hieran nichts. Dies sei nur geschehen, weil das Bauvorhaben in seiner endgültigen konkreten Ausgestaltung von den Unterlagen des genehmigten Vorbescheides abwich. Die abweichende Ausführung führe allerdings nicht dazu, dass der Vorbescheid seine Bindungswirkung verloren hätte. Denn das genehmigte Vorhaben entspreche in seinen wesentlichen Merkmalen dem Gegenstand des Vorbescheides. Insbesondere sei nun ein geringfügig kleineres Gebäude geplant.
Die nicht nachvollziehbaren Berechnungen der Antragstellerseite würden auch an handwerklichen Fehlern leiden. Denkbar sei, dass die abweichenden höheren Werte bei den Geschossflächen der Wohngebäude dadurch zustande gekommen seien, dass bei den meisten Gebäuden ein zusätzliches Geschoss angerechnet worden sei. Zudem könnten die Grundstücke FlNrn. …, … und … ohne weiteres mit gewerblichen Nutzungen bebaut werden. So würden z. B. auch emissionsarme Büros oder Läden zu einer gewerblichen Nutzung zählen. Selbst bei Zugrundelegung der fehlerhaften Berechnungen der Antragstellerseite läge der Anteil der Wohnbebauung nach Durchführung des streitgegenständlichen Vorhabens bei 80%. Die Funktionslosigkeit der Festsetzung als Mischgebiet komme erst bei einer Dominanz von mehr als 80% in Frage. Auch sei sehr wohl der städtebauliche Wille der Antragstellerin beachtet worden, der in dem Bebauungsplan in seiner aktuell gültigen Fassung wiedergespiegelt werde. Bauplanungsrechtliche Sicherungsinstrumente, z. B. in Form einer Veränderungssperre, seien nicht ergriffen worden.
Besondere Abstände, die in einem Mischgebiet aus dem Heranrücken von gewerblichen Betrieben an eine Wohnbebauung resultieren, seien nicht zu berücksichtigen. Sinn und Zweck des Mischgebiets sei ein Nebeneinander von nicht störenden Gewerbebetrieben und Wohnbebauung. Die Einwendung der Antragstellerseite, dass eine gewerbliche Nutzung auf den freien Flächen per se nicht mehr zulässig sei, sei unsubstantiiert. Die Zulässigkeit von Vorhaben werde im Einzelfall durch das Gebot der Rücksichtnahme bestimmt. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Anteil der gewerblichen Bebauung nach der nun erfolgten Novellierung der BayBO noch größer werden könne als ursprünglich berechnet. Wesentlicher Inhalt der Novelle sei die Verkürzung der Abstandsflächen auf 0,4 H. Der Einwand hinsichtlich der nicht berücksichtigten Nebengebäude gehe fehl, denn diese Flächen seien bereits vollinhaltlich dem Wohnen zugeordnet worden. Der Antragsgegner habe tatsächlich nur drei Grundstücke betrachtet, bei denen eine sinnvolle gewerbliche Nutzung in Frage komme. Er habe insoweit bereits eine „Worst case-Betrachtung“ angenommen. Tatsächlich seien nur ca. 47% der Grundfläche bzw. ca. 42% der insgesamt im Mischgebiet möglichen Geschossfläche mit Wohnbebauung bebaut. Ein Aussetzungsinteresse bestehe nicht, denn die Antragstellerin habe bereits mit Erteilung des Vorbescheides die Möglichkeit gehabt, den Rechtsweg zu beschreiten.
Die Beigeladene beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es bestünden bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Klage. Es sei kein Fall des § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB gegeben, da die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 30 Abs. 1 zu beurteilen sei. Dessen ungeachtet sei die Antragstellerin nicht in ihrer gemeindlichen Planungshoheit verletzt. Mit bestandskräftigem Vorbescheid sei die Zulässigkeit des Vorhabens bereits festgestellt worden. Das nun streitgegenständliche Vorhaben solle sogar noch verkleinert werden und könne daher erst recht zu keiner Gebietsveränderung führen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, einschließlich der Gerichtsakte zum Verfahren AN 17 K 20.01574 sowie die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Baugenehmigung der Beigeladenen bleibt ohne Erfolg. Er ist zwar zulässig (1), jedoch unbegründet (2). Über den Antrag in Ziffer 2 des Schriftsatzes der Antragstellerin vom 10. März 2021 war nicht zu entscheiden (3).
1. Der Antrag nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO ist zulässig, er ist insbesondere statthaft. Gemäß § 212a BauGB hat eine Nachbarklage gegen die Baugenehmigung keine aufschiebende Wirkung. Mit dem Antrag nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO kann diese jedoch gerichtlich angeordnet werden. Die Antragstellerin ist zudem antragsbefugt, § 42 Abs. 2 VwGO analog. Diese ergibt sich aus der Planungshoheit der Gemeinde, wenn – wie hier – die Übereinstimmung eines Bauvorhabens mit einem Bebauungsplan in Frage steht (vgl. BVerwG, U.v. 27.11.1981 – 4 C 36, 37/78 – juris; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 153; OVG MV, B.v. 26.3.2013 – 3 M 8/13 – juris Rn. 6). Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die der Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 11 Abs. 2 Satz 2 Bay. Verfassung dienenden einfachgesetzlichen Normen der § 36 BauGB und Art. 67 BayBO (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 137. EL Juli 2020, Art. 66 Rn. 407) verletzt wurden, ein ggf. notwendiges gemeindliches Einvernehmen der Antragstellerin zu Unrecht nicht eingeholt bzw. ersetzt wurde und diese damit in ihrer Planungshoheit verletzt wurde.
Der darüber hinaus gehende Antrag in Ziffer 2 auf sofortige Einstellung der Bauarbeiten und unverzügliche Unterlassung der weiteren Bauausführung ist, insbesondere nach dem Telefonat mit der Antragstellerbevollmächtigten vom 15. April 2021, nicht als Antrag auf Erlass eines sog. Hängebeschlusses zu sehen. Das Gericht wertet den Antrag in Ziffer 2 des Schriftsatzes vom 10. März 2021 unter Zugrundelegung des Gemeinten als einen Antrag auf Anordnung von Sicherungsmaßnahmen i.S.d. § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Zugunsten der Antragstellerseite wird der Antrag zudem dahingehend ausgelegt, dass dieser nur als Annexantrag zum Antrag Nr. 1 anzusehen und so auszulegen ist, dass er unter der Bedingung gestellt ist, dass der Antrag Nr. 1 Erfolg hat (unechter Hilfsantrag). Die Ausführungen im Schriftsatz der Antragstellerbevollmächtigten vom 25. März 2021 sind, wie die Antragstellerbevollmächtigte telefonisch klarstellte, nicht als Antrag aufzufassen.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die im Rahmen der Entscheidung nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO anzustellende gerichtliche Interessensabwägung ergibt ein Überwiegen der Vollzugsinteressen des Antragsgegners gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin bzw. ein Überwiegen des Interesses der Beigeladenen gegenüber dem Interesse der Antragstellerin. Für die gerichtliche Abwägungsentscheidung spielen vor allem die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens eine maßgebliche Rolle. Erweist sich bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage die Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit als erfolgreich, überwiegt regelmäßig das Interesse an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Umgekehrt kommt regelmäßig dem Vollzugsinteresse Vorrang zu, wenn die Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird. Erscheinen die Erfolgsaussichten der Hauptsache bei summarischer Prüfung im Eilverfahren als offen, ist eine von der Vorausbeurteilung der Hauptsache unabhängige Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2017 – 15 CS 16.2253 – juris). Vorliegend erweist sich die Klage voraussichtlich als erfolglos. Die Baugenehmigung vom 20. Juli 2020 verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Eine Verletzung von die Gemeinde schützenden Vorschriften liegt nicht vor. Die Antragstellerin wird durch den streitgegenständlichen Bescheid nicht in ihrer durch Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV geschützten und einfachgesetzlich durch § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB garantierten kommunalen Planungshoheit verletzt. Die Regelung in § 36 BauGB begründet hinsichtlich der materiellen Planungshoheit keine Rechte, sondern setzt sie vielmehr voraus (vgl. BVerwG, B. v. 10.01.2006 – 4 B 48/05 – juris Rn. 5). Zwar hat der Antragsgegner bei Erlass der streitgegenständlichen Baugenehmigung das verweigerte Einvernehmen der Antragstellerin nicht ersetzt. Das Einvernehmen der Gemeinde zum Vorhaben war jedoch aufgrund Plankonformität des beantragten Bauvorhabens nicht nötig (vgl. OVG MV – B.v. 19.10.2006 – 3 M 63/06 – juris Rn. 35; Söfker, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 140. EL Oktober 2020, § 36 Rn. 18), so dass die mangelnde Ersetzung keine Rechtsverletzung der Gemeinde begründen kann. Das Bauvorhaben entsprach vielmehr den Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplanes, § 30 Abs. 1 BauGB. Es hält die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvorschriften, auf deren Verletzung sich die Antragstellerin berufen kann (vgl. BVerwG, U.v. 3.8.2016 – 4 C 3/15 – juris Rn. 11, U.v. 20. Mai 2010 – 4 C 7.09 – juris Rn. 34), ein. Es handelte sich gerade nicht um ein Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB (§ 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB), bei denen die Gemeinde in eigenen Rechten verletzt sein kann, wenn die Baugenehmigungsbehörde ein Vorhaben, dass den Festsetzungen des Bebauungsplanes widerspricht, ohne die an sich erforderliche Befreiung, § 31 Abs. 2 BauGB, genehmigt bzw. wenn bei einer erteilten Befreiung das gemeindliche Einvernehmen nicht eingeholt wurde (vgl. OVG MV, B.v. 26.3.2013 – 3 M 8/13 – juris Rn. 6). Verstöße gegen andere Normen können einem Rechtsmittel der Gemeinde nur dann zum Erfolg verhelfen, wenn sie auch dem Schutz der Gemeinde – insbesondere ihrer Planungshoheit – zu dienen bestimmt sind (vgl. BVerwG, B.v. 10.1.2006 – 4 B 48/05 – juris Rn. 5).
Das streitgegenständliche Bauvorhaben ist bauplanungsrechtlich gemäß § 30 Abs. 1 BauGB zulässig. Es entspricht den Vorgaben des maßgeblichen Bebauungsplanes B, 1. Änderung, insbesondere ist das im Mischgebiet allgemein zulässige Vorhaben auch nicht im Einzelfall unzulässig nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO. Das verweigerte gemeindliche Einvernehmen musste nicht ersetzt werden, da es eines Einvernehmens der Gemeinde nicht bedurfte. Eine Rechtsverletzung der Gemeinde scheidet aus (b). Ohnehin kann sich die Antragsgegnerin aufgrund des bestandskräftigen Vorbescheides vom 18. Dezember 2018 nicht mehr auf eine Unzulässigkeit des Vorhabens unter Hinweis auf dessen Unverträglichkeit im festgesetzten Mischgebiet berufen (a). Eine Rechtsverletzung der Gemeinde aus sonstigen Gründen ist nicht gegeben (c).
a) Die Antragstellerin kann mit ihren Angriffen auf die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens unter Hinweis auf den Gebietscharakter aufgrund des bestandskräftigen Vorbescheides vom 18. Dezember 2018 nicht mehr gehört werden. Der Vorbescheid vom 18. Dezember 2018 entfaltet hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit des streitgegenständlichen Bauvorhabens seiner Art nach gegenüber der Antragstellerin Bindungswirkung.
Ein bestandskräftiger Vorbescheid, Art. 71 BayBO, hat in der entschiedenen Einzelfrage eine grundsätzlich auf drei Jahre befristete Bindungswirkung für die Bauaufsichtsbehörde, die Gemeinde und die Nachbarn, bezüglich letzterer jedoch nur insoweit, als diese am Verfahren beteiligt worden sind. Der im Vorbescheid entschiedene Teil der Baugenehmigung ist im späteren Baugenehmigungsverfahren nicht mehr von der Bauaufsichtsbehörde zu prüfen. Über ihn ist deshalb nicht mehr bei Erteilung der Baugenehmigung zu entscheiden. Vielmehr entscheidet der Vorbescheid über das, was Gegenstand der Prüfung im Vorbescheidsverfahren war, abschließend. Die nachfolgende Baugenehmigung, wenn sie innerhalb der dreijährigen Geltungsdauer des Vorbescheides beantragt worden ist, übernimmt daher den Inhalt des bestandskräftigen Vorbescheids nur redaktionell oder als Hinweis, aber ohne eine eigene, Dritte beschwerende Regelung. Die in der Sache von einem Dritten gegen die Baugenehmigung erhobene Klage ist dann zwar nicht unzulässig, wohl aber unbegründet, soweit sich der Dritte auf Feststellungen stützt, die ihm gegenüber durch den Vorbescheid bereits bestandskräftig geworden sind (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, 140. EL Februar 2021, Art. 71 Rn. 98).
Der Vorbescheid vom 18. Dezember 2018, der Antragstellerin per Empfangsbekenntnis zugestellt am 15. Januar 2019, wurde von dieser nicht angegriffen. Vielmehr teilte die Antragstellerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 23. Januar 2019 mit, dass auf eine Klage verzichtet würde. Bestandskraft des Vorbescheides und damit Bindungswirkung ist gegenüber der Antragstellerin eingetreten. Ebenso wurde der Bauantrag der Beigeladenen innerhalb der maßgeblichen Frist von drei Jahren gestellt, Art. 71 Satz 2 BayBO. Weiter wurde der bestandskräftige Inhalt des Vorbescheids auch nur redaktionell bzw. als Hinweis in die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 20. Juli 2020 aufgenommen. Zwar hat der Antragsgegner aufgrund des verweigerten Einvernehmens die Antragstellerin mit Schreiben vom 3. Juni 2020 zu einer ggf. erfolgenden Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens angehört. Eine Neueröffnung der Prüfung der Zulässigkeit des Vorhabens seiner Art nach in dem festgesetzten Mischgebiet fand jedoch nicht statt. Die Baugenehmigungsbehörde ist an den Vorbescheid gebunden und kann die im Vorbescheid geregelten Fragen im Baugenehmigungsverfahren nicht nach Belieben neu aufrollen. Vielmehr vermittelt der bestandskräftige Vorbescheid dem Bauherrn für den abschließend vorweg entschiedenen Teil der Baugenehmigung die gleiche gesicherte begünstigende Rechtsstellung wie die Baugenehmigung selbst. Die Genehmigungsbehörde darf sich im nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren, wie bereits ausgeführt, nicht von dem vorher erteilten Vorbescheid lösen und über dessen Gegenstand nicht anders entscheiden (vgl. Decker in Busse/ Kraus, BayBO, 140. EL Februar 2021, Art. 71 Rn. 99). Überdies ist dem Baugenehmigungsbescheid zu entnehmen, dass hinsichtlich dieser Frage auf den bestandskräftigen Vorbescheid verwiesen wird, was auch gerade dadurch deutlich wird, dass im Baugenehmigungsbescheid – im Gegensatz zum Vorbescheid – keinerlei Berechnungen zu Grund- und/oder Geschossflächen erfolgten. Im Baugenehmigungsbescheid wurde vielmehr gerade darauf verwiesen, dass mit bestandskräftigem Vorbescheid bereits festgestellt wurde, dass das Vorhaben seiner Art nach in dem Mischgebiet zulässig ist und zu keiner Gebietsveränderung aufgrund eines Übergewichts an Wohnbebauung kommt. Die Ausführungen zur Vergleichbarkeit der Vorhaben im Hinblick auf diese Frage stützen diese Ansicht, denn ihrer hätte es nicht bedurft, hätte man im Baugenehmigungsbescheid eigene Feststellungen zur Zulässigkeit des Vorhabens seiner Art nach in dem Mischgebiet getroffen.
Der sachliche Umfang der Bindungswirkung eines Vorbescheids bezieht sich nur auf Vorhaben, die inhaltlich dem Vorbescheid vollständig entsprechen oder von diesem ohne Veränderung der Grundkonzeption allenfalls geringfügig abweichen. Das Vorhaben darf mithin nicht derart verändert werden, dass wegen dieser Änderung die Genehmigungsfrage in bodenrechtlicher und/oder bauordnungsrechtlicher Hinsicht neu aufgeworfen wird. Wird das Vorhaben derart verändert, dass es in rechtserheblicher Weise von den entschiedenen Punkten abweicht und die Genehmigungsfrage neu aufwirft, entfällt die Bindungswirkung des Vorbescheids (vgl. BVerwG, U.v. 4.3.1983 – 4 C 69//9 – juris Rn. 17; BayVGH, U.v. 4.11.1996 – 1 B 94.2923 – juris; OVG NRW, U.v. 23.4.1996 – 10 A 620/91 – juris Rn. 22 ff.; Decker in Busse/Kraus, BayBO, 140. EL Februar 2021, Art. 71 Rn. 106). Die Genehmigungsfrage stellt sich dann unter bodenrechtlichen und/oder bauordnungsrechtlichen Aspekten neu, wenn für die neue Nutzung weitergehende Vorschriften gelten als für die alte, aber auch dann, wenn sich die Zulässigkeit der neuen Anlage nach derselben Vorschrift bestimmt, nach dieser Vorschrift aber anders zu beurteilen ist als die frühere (vgl. OVG MV, U.v. 2.6.2009 – 3 M 54/09 – juris Rn. 34 mit Verweis auf BVerwG, B. v. 07.11.2002 – 4 B 64/02 – juris; BayVGH, B.v. 4.8.2011 – 2 CS 11.997 – juris Rn. 8).
Ein Vergleich zwischen dem Bauvorhaben des Vorbescheides und des anschließenden Baugenehmigungsverfahrens zeigt, dass zwar durchaus Abweichungen vorliegen. So wurden im Rahmen der Bauvoranfrage zwei Mehrfamilienhäuser mit Tiefgarage der Prüfung zugrunde gelegt, während es im Baugenehmigungsverfahren um einen Mehrfamilienkomplex mit elf Wohneinheiten und Tiefgarage geht, der im Wesentlichen aus zwei Gebäudekomplexen mit baulicher Verbindung besteht. Auch lag dem Antrag auf Vorbescheid an Planunterlagen neben dem amtlichen Lageplan nur eine Bauzeichnung bei, während im Bauverfahren detailliertere Pläne eingereicht wurden. Dennoch konnten den Bauantragsunterlagen zum Vorbescheid, ggf. auch durch Berechnung anhand der vorgegebenen Maße, insbesondere alle relevanten Informationen zu Grund- und Geschossflächen entnommen werden, um die Frage der Zulässigkeit des Vorhabens seiner Art nach beurteilen zu können. Der diesbezügliche Einwand der Antragstellerseite zu mangelnden konkreten Berechnungen in den Bauunterlagen zum Vorbescheid greift daher nicht.
Durch die Abweichung wird keine, die Zulässigkeit der Nutzung ihrer Art nach betreffende Frage neu aufgeworfen, über die nicht bereits im Vorbescheid entschieden worden wäre. Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich nach den plausiblen und von der Antragstellerseite insoweit nicht in Frage gestellten Berechnungen des Landratsamtes um ein geringfügig kleineres Gebäude als das dem Vorbescheid zugrundeliegende, so dass die Änderung die Genehmigungsfrage in dieser Hinsicht nicht neu aufgeworfen wurde. Die für die Beurteilung der Frage der Gebietsverträglichkeit einer weiteren Wohnnutzung im Bebauungsplangebiet maßgeblichen Tatsachen sind gleichgeblieben bzw. haben sich aufgrund einer verringerten Größe des Vorhabens sogar zugunsten einer Zulässigkeit einer weiteren Wohnnutzung verschoben. Unerheblich ist, ob andere bodenrechtliche Belange (abgesehen von der Frage der Zulässigkeit der Art der Nutzung) durch das mit Baugenehmigung genehmigte Vorhaben neu berührt werden. Bezüglich anderer Aspekte der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit (und auch hinsichtlich bauordnungsrechtlichen Fragen) ergibt sich nach Überzeugung des Gerichts schon keine Bindungswirkung des Vorbescheides. Der sachliche Umfang der Bindungswirkung eines Vorbescheids ergibt sich letztlich aus den im Vorbescheidsantrag gestellten Fragen und den diesem Antrag zugrundeliegenden Plänen. Nur die im Vorbescheid ausdrücklich im Sinne einer positiven Bescheidung einzelner Fragen geklärten Aspekte der Bauvoranfrage nehmen an der Bindungswirkung des Vorbescheides teil (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2018 – 15 C 18.795, juris Rn. 35, OVG NRW, B.v. 29.7.2002 – 7 B 831/02 – juris Rn. 7). Den sachlichen Umfang der Bindungswirkung des erteilten Vorbescheides für das anschließende Baugenehmigungsverfahren bestimmt daher zunächst der Bauherr durch seine Angaben in den Antragsunterlagen. Je konkreter und bestimmter der Antrag ist, umso weiter reicht die Bindung. Der Bauantragsteller im Vorbescheidsverfahren beantragte zwar die Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens wie sich aus dem mit den Antragsunterlagen beigefügten Schreiben vom 28. Februar 2018 ergibt. Das Landratsamt stellte im Tenor des Vorbescheids fest, dass das (im Betreff näher bezeichnete) Vorhaben hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit grundsätzlich genehmigungsfähig sei und führte in den Gründen aus, dass die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 BauGB erfüllt seien und damit das Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig sei. Nachfolgend prüfte das Landratsamt jedoch ausschließlich und umfangreich allein die Frage der Zulässigkeit des Vorhabens seiner Art nach im Bebauungsplangebiet. Anderweitige Überlegungen zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens wurden nicht angestellt. Auch aus dem Schriftverkehr zwischen Vorhabenträger, Antragstellerin und Antragsgegner aus dem Jahr 2018 folgt, dass letztlich allein die Frage der Zulässigkeit des Vorhabens seiner Art nach Thema aller Überlegungen war. Aus alledem folgt, dass der Vorbescheid letztlich nur die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens seiner Art nach verbindlich feststellte, weitere Aspekte der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit aber nicht an der Bindungswirkung des Vorbescheides teilnehmen. Damit erstreckt sich die Bindungswirkung des Vorbescheides vom 18. Dezember 2018 auf das hier mit der Baugenehmigung beantragte Vorhaben, denn, wie bereits dargestellt, ist dieses zwar nicht mit dem Vorhaben des Vorbescheides identisch, die Abweichung ist ohne Veränderung der Grundkonzeption aber allenfalls geringfügig. Diesbezüglich wurde die Genehmigungsfrage nicht neu aufgeworfen.
Selbst wenn man der Auffassung sein sollte, dass die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens in seiner Gesamtheit (und nicht nur hinsichtlich der Zulässigkeit der Art der Nutzung) vom sachlichen Umfang der Bindungswirkung des Vorbescheids erfasst wird, so folgt hieraus kein anderes Ergebnis. Es ist nicht ersichtlich, warum ein Bauherr, dem die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens in seiner Gesamtheit durch Vorbescheid verbindlich attestiert wird, hinsichtlich eines Teilaspekts der verbindlich festgestellten bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit mit Blick auf die Bindungswirkung des Vorbescheides hinsichtlich dieses Teilaspektes schlechter gestellt werden sollte (weil sich die Genehmigungsfrage in bodenrechtlicher Hinsicht aufgrund eines anderen Aspekts der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit neu stellt) als ein Bauherr, bei dem der sachliche Umfang der Bindungswirkung des Vorbescheids von vornherein lediglich diesen Teilaspekt umfasst.
b) Das streitgegenständliche Bauvorhaben entspricht zudem den Vorgaben des maßgeblichen Bebauungsplans. Es ist bauplanungsrechtlich zulässig, § 30 Abs. 1 BauGB. Die gemeindliche Planungshoheit wird durch die erteilte Baugenehmigung nicht verletzt.
Das Bauvorhaben liegt im Gebiet des Bebauungsplanes Nr. B „… des … Weges“ -. Änderung der Antragstellerin. Der Bebauungsplan setzt im maßgeblichen Bereich hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein Mischgebiet fest. Im Mischgebiet nach § 6 BauNVO sind Mehrfamilienhäuser gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässig. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind die allgemein zulässigen Nutzungsarten im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Dies ist bei dem streitgegenständlichen Vorhaben nicht der Fall. Mischgebiete dienen dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Ein Mischgebiet ist somit durch Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit von Wohnen und das Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben bestimmt. Dieses gleichwertige Nebeneinander zweier Nutzungsarten setzt zum einen wechselseitige Rücksichtnahme der einen Nutzung auf die andere und deren Bedürfnisse voraus, es bedeutet zum anderen aber auch, dass keine der Nutzungsarten ein deutliches Übergewicht über die andere gewinnen soll. In der sowohl quantitativen als auch qualitativen Durchmischung von Wohnen und nicht wesentlich störendem Gewerbe liegt die normativ bestimmte besondere Funktion des Mischgebiets. Für die quantitative Mischung kommt es darauf an, in welchem Verhältnis die dem Wohnen und die gewerblichen Zwecken dienenden Anlagen im Baugebiet nach Anzahl und Umfang zueinanderstehen. Dabei ist einerseits nicht erforderlich, dass die beiden Hauptnutzungsarten zu genau annähernd gleichen Anteilen im jeweiligen Baugebiet vertreten sind. Andererseits wird jedoch die Bandbreite der typischen Eigenart des Mischgebiets, soweit es um die quantitative Seite des Mischungsverhältnisses geht, nicht erst dann verlassen, wenn eine der beiden Hauptnutzungsarten als eigenständige Nutzung im Gebiet völlig verdrängt wird und das Gebiet deshalb in einen anderen Gebietstyp „umkippt“ mit der Folge, dass sich die Festsetzung als Mischgebiet letztlich als funktionslos geworden darstellt. Um ein solches „Umkippen“ des Gebietes zu verhindern und seine Eigenart zu bewahren, ist es erforderlich aber auch zugleich ausreichend, dass im jeweiligen Gebiet eine der beiden Hauptnutzungsarten nicht nach Anzahl und/oder Umfang beherrschend und in diesem Sinne „übergewichtig“ ist. Dies lässt sich nicht ausschließlich danach beurteilen, mit welchem Prozentsätzen Grundflächen im jeweiligen Mischgebiet für die eine oder andere Nutzungsart in Anspruch genommen werden. Die Störung des gebotenen quantitativen Mischverhältnisses kann sich aus einem übermäßig großen Anteil einer Nutzungsart an der Grundfläche des Baugebiets, einem Missverhältnis der Geschossflächen oder der Zahl der eigenständigen gewerblichen Betriebe im Verhältnis zu den vorhandenen Wohngebäuden, oder auch erst aus mehreren solchen Merkmalen zusammengenommen ergeben. Es ist stets eine Bewertung aller für eine quantitative Beurteilung in Frage kommenden tatsächlichen Umstände vorzunehmen (vgl. BVerwG, U.v. 4.5.1988 – 4 C 34/86 – juris; BayVGH, B.v. 31.3.2021 – 15 N 20.411 – juris, B.v. 30.4.2020 – 15 ZB 19.1349 – juris Rn. 8, B.v. 26.3.2018 – 1 ZB 16.589 – juris Rn. 6). Es kann auch berücksichtigt werden, inwieweit einzelne Grundstücke für eine Nutzungsart nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen (vgl. BayVGH, B.v. 26.3.2018 – 1 ZB 16.589 – juris Rn. 6). Die erforderliche Durchmischung ist nicht schon zu verneinen bei einem Verhältnis der Grundflächen von 70 zu 30 zu Gunsten einer Nutzung (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2010 – 1 ZB 09.1910 – juris). Die Bandbreite der typischen Eigenart des Mischgebiets wird aber, wie bereits ausgeführt, auch nicht erst dann verlassen, wenn eine der beiden Hauptnutzungsarten als eigenständige Nutzung im Gebiet verdrängt wird und das Gebiet deshalb in einen anderen Gebietstyp umkippt mit der Folge, dass die Festsetzung als Mischgebiet letztlich funktionslos wäre (vgl. BVerwG, U.v. 4.5.1988 – 4 C 34/86 – juris). Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts München (U.v. 3.2.2016 – M 9 K 15.2357, nachfolgend: BayVGH, B.v. 26.3.2018 – 1 ZB 16.589) wird unter Verweis auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (BayVGH, U.v. 3.9.2001 – 1 N 98.48 – juris Rn. 39 ff.) ausgeführt, dass die Funktionslosigkeit der Festsetzung als Mischgebiet bei einer Dominanz von mehr als 80% durch eine Hauptnutzungsart in Betracht kommt. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass ein Vorhaben abzulehnen ist, wenn nach seiner Verwirklichung 85% der Grundfläche des Mischgebietes von gewerblichen Betrieben in Anspruch genommen wird, vgl. BVerwG, U.v. 4.5.1988 – 4 C 34/86 – juris.
Das Landratsamt kommt in seinen Berechnungen im Vorbescheid vom 18. Dezember 2018 u.a. zu dem Schluss, dass bei einer Betrachtung der Grundflächen ein Verhältnis von mit Wohnbebauung bebauten Flächen unter Einrechnung des Vorhabens des Vorbescheids zu einer noch möglichen gewerblichen Bebauung ein Verhältnis von Wohnen zu gewerblicher Bebauung von 78% zu 22% besteht. Was die Geschossflächen angeht, ergibt sich ein Verhältnis von 74% Wohnnutzung (unter Einrechnung des Vorhabens des Vorbescheides) zu 26% gewerblicher Nutzung. Auf die Gründe des Bescheids vom 20. Juli 2020 und des Vorbescheids vom 18. Dezember 2018, denen das Gericht folgt, wird verwiesen, § 117 Abs. 5 VwGO. Auch wenn sich die Vorhaben des Vorbescheides vom 18. Dezember 2018 und des nun streitgegenständlichen Baugenehmigungsbescheids vom 20. Juli 2020 unterscheiden, kann dennoch auf die diesbezüglichen Ausführungen im Vorbescheid vom 18. Dezember 2018 und die diesem zugrundeliegenden Berechnungen (S. 136 ff. der Behördenakte) abgestellt werden, da das nun streitgegenständliche Bauvorhaben, wie bereits ausgeführt, gegenüber dem Vorhaben des Vorbescheids sogar kleiner ausfällt.
Die Einwände der Antragstellerseite zu den vom Landratsamt angestellten Berechnungen verfangen nicht. Wenn die Antragstellerin moniert, dass bereits errichtete Nebengebäude auf den FlNrn. …, …, …, … nicht berücksichtigt wurden, so ist dem entgegenzuhalten, dass gemäß § 20 Abs. 4 BauNVO Nebenanlagen i.S.d. § 14 BauNVO etc. bei der Ermittlung der Geschossflächen unberücksichtigt bleiben. Die diesbezügliche Nichtberücksichtigung der Nebengebäude hat der Antragsgegner in seiner Tabelle (S. 200 der Behördenakte) auch deutlich gemacht. Bei der Grundflächenberechnung wurden die Nebengebäude berücksichtigt (S. 196 ff. der Behördenakte). Auch der Hinweis der Antragstellerin, dass ein auf dem Grundstück FlNr. … beantragtes Wohnvorhaben mit einer Geschossfläche von 249,97 m2 vom Antragsgegner mit Verweis auf die mangelnde Gebietsverträglichkeit im festgesetzten Mischgebiet abgelehnt worden sei, andererseits der Antragsgegner für dieses Grundstück eine Geschossfläche von 450 m2 annehme, greift nicht. Die vom Landratsamt angenommenen 450 m2 beziehen sich auf eine im Mischgebiet noch mögliche gewerbliche Bebauung und treffen keine Aussage zu einer Bebauung des fraglichen Grundstücks mit einer Wohnbebauung. Wie sich dem vorgelegten Ablehnungsbescheid entnehmen lässt, hat das Landratsamt bei seiner Berechnung die hier streitgegenständliche Wohnbebauung auf dem Grundstück Fl.Nr. … bereits miteinberechnet, so dass die Ablehnung eines weiteren beantragten Wohngebäudes in dem Mischgebiet kein Widerspruch zu den Ausführungen zur Gebietsverträglichkeit des hier streitigen Bauvorhabens ist, sondern nur logische Konsequenz derselben. Auch der Einwand, dass die vom Landratsamt zugrunde gelegte Grundflächenberechnung von 11.400 m2 falsch sei, es vielmehr nur 11.182 m2 seien, ist unerheblich, denn sowohl bei der Berechnung der Grundflächen (S. 199 der Behördenakte) als auch bei Berechnung der Geschossflächen (S. 200 der Behördenakte) hat das Landratsamt maßgeblich auf das Verhältnis der bereits vorhandenen Bebauung inkl. des geplanten Bauvorhabens (vorhandene Grund- bzw. Geschossfläche) zu der möglichen Bebauung auf den insoweit maßgeblichen drei Grundstücken mit den FlNrn. …, … und … abgestellt, so dass es auf die Größe der Fläche des Mischgebiets nicht entscheidungserheblich ankommt. Wenn die Antragstellerin weiter ausführt, dass das Landratsamt nicht die vorhandene, sondern eine fiktive Gesamtgeschossfläche der Bewertung der Durchmischung zugrunde gelegt habe, so vermag sie auch hiermit nicht durchzudringen. Das Landratsamt hat vielmehr entscheidungserheblich die vorhandene Gesamtgeschossfläche mit Wohnnutzung einschließlich des geplanten Vorhabens einer noch möglichen Geschossfläche mit gewerblicher Nutzung gegenübergestellt und bei letzterer im Sinne einer Worst-case-Betrachtung nur die drei Grundstücke FlNrn. …, … und … in die Berechnung einbezogen unter Berücksichtigung der erforderlichen Abstandsflächen. Letztlich ist auch das Vorbringen, das Landratsamt habe nicht berücksichtigt, ob und in welchem Umfang eine gewerbliche Nutzung noch realisiert werden könne (Stichwort: Abstandsflächen, Heranrücken der gewerblichen Nutzung an die bereits bestehenden Wohngebäude bzw. Lage des Flurstücks inmitten von Wohnbebauung), zu unsubstantiiert. Wie der Antragsgegner zutreffend ausführte, gibt es durchaus gewerbliche Nutzungen, die auch unter den vorhandenen Rahmenbedingungen realisierbar sind, z. B. emissionsarme Büros, Läden.
Zugunsten der Antragsgegnerin ist überdies zu berücksichtigen, dass der Anteil der noch möglichen gewerblichen Bebauung nach dem nunmehr geltenden Art. 6 BayBO, der eine Verkürzung der Abstandsflächen auf 0,4 H vorsieht, noch größer ausfällt. Die insoweit veränderte Rechtslage kann auch berücksichtigt werden. Zwar ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in Drittanfechtungskonstellationen grundsätzlich der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung. Während nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage außer Betracht bleiben, sind solche zu Gunsten des Genehmigungsinhabers zu berücksichtigen (vgl. OVG NRW, U.v. 5.10.2020 – 8 A 894/17 – juris Rn. 62; Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 141. EL März 2021, Art. 66 Rn. 591). Die Wohnbebauung erreicht quantitativ, auch unter Bewertung aller für eine quantitative Beurteilung in Frage kommenden tatsächlichen Umstände, noch nicht die Schwelle, bei der eine Störung des gebotenen quantitativen Mischverhältnisses angenommen werden kann.
Hinzu tritt, dass sich die Eigenart des in einem konkreten Bebauungsplan festgesetzten einzelnen Baugebiets i.S.d. § 15 Abs. 1 BauNVO nicht allein aus den typisierenden Regelungen der BauNVO ergibt. Sie lässt sich vielmehr abschließend erst bestimmen, wenn zusätzlich auch die jeweilige örtliche Situation, in die ein Gebiet „hineingeplant“ worden ist, und der jeweilige Planungswille der Gemeinde, soweit dieser in den zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes unter Berücksichtigung der hierfür gegebenen Begründung zum Ausdruck gekommen ist, berücksichtigt werden (BVerwG, U.v. 4.5.1988 – 4 C 34/86 – juris). Bei einer verhältnismäßig geringen Größe des zu beurteilenden Plangebiets wie beim hier zu beurteilenden Mischgebiet kommen zusätzlich auch noch die örtlichen Verhältnisse in der angrenzenden Umgebung in Betracht (vgl. VGH BW, B.v. 8.7.1993 – 3 S 824/92, juris Rn. 7). Auch dies führt zu keiner für die Antragstellerin günstigeren Beurteilung.
Der Antragstellerseite ist insoweit zu folgen als dass nach dem städtebaulichen Willen der Gemeinde das Mischgebiet als Pufferzone zwischen dem Wohngebiet und der gewerblichen Nutzung dienen soll. Das Gericht folgt allerdings nicht der weiteren Begründung, dass der städtebauliche Wille verdeutlicht worden sei, wonach im Hinblick auf die bereits vorhandenen gewerblichen Ansiedlungen und die dadurch hervorgerufenen Emissionen im Bereich des Mischgebietes ein deutliches Übergewicht an gewerblicher Nutzung erwünscht und insbesondere auf dem Vorhabengrundstück, das unmittelbar an das ausgewiesene Industriegebiet angrenze, eine gewerbliche Nutzung erwünscht gewesen sei. Diesen Schluss lassen weder die textlichen noch die zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplanes …, 1. Änderung, noch dessen Begründung zu. Vielmehr heißt es in dessen Begründung, Anlass zur ersten Änderung des Bebauungsplanes … sei das Ziel, die Wohnbebauung neu zu ordnen und eine sinnvolle Abstufung (Mischgebiet, eingeschränktes Gewerbegebiet und Gewerbegebiet) zum neuen Industriegebiet, Bebauungsplan …festzulegen. Außerdem solle durch einen Lärmschutzwall im bestehenden Industriegebiet der Fa. … die bestehende und neue Wohnbebauung geschützt werden. Zum Schutz vor Immissionen sei der Geltungsbereich des Bebauungsplanes in die Teilbereiche Wohngebiet (§ 4 BauNVO – WA), Mischgebiet (MI), eingeschränktes Gewerbegebiet (eGE), Gewerbegebiet (GE) und Industriegebiet (GI) erfolgt.
Aus der hiermit zum Ausdruck gekommenen vorrangigen städtebaulichen Zielsetzung der Schaffung eines Mischgebiets als Pufferzone zwischen gewerblicher Nutzung (Industriegebiet, Gewerbegebiet, eingeschränktes Gewerbegebiet) und Wohnnutzung folgt, dass der planerische Wille der Gemeinde in erster Linie nicht auf die Schaffung eines Gebiets, dass qualitativ und quantitativ – annähernd – gleichwertig der Wohnnutzung und der Nutzung durch das Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbes dienen soll, gerichtet war, sondern vielmehr den Zweck hatte, die Wohnnutzung in der Nähe gewerblicher Nutzung planungsrechtlich zu sichern und die Wohnbebauung im Mischgebiet mit geringeren Abwehransprüchen gegen die westlich und südlich benachbarte gewerbliche Nutzung auszustatten. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Betrachtung nur des Plangebiets des Bebauungsplanes …, 1. Änderung, als auch hinsichtlich einer Betrachtung der örtlichen Verhältnisse in der angrenzenden Umgebung, wo sich südöstlich des Bebauungsplangebietes …, 1. Änderung, die mit Bebauungsplan … festgesetzten Industrie-, Gewerbe- und eingeschränkten Gewerbegebiete finden und nordöstlich Wohnbebauung (Bebauungsplangebiet …). In solchen Fällen ist, abweichend von dem durch die Gebietsvorschrift des § 6 BauNVO vorausgesetzten, auch quantitativ zu verstehenden Mischungsverhältnisses, ausnahmweise sogar eine Nutzung des Mischgebiets überwiegend für Wohnzwecke, zulässig (vgl. VGH BW, B.v. 8.7.1993 – 3 S 824/92, juris Rn. 7).
Zu den bereits ausgeführten Aspekten, die für eine Zulässigkeit des Vorhabens aus quantitativer Sicht sprechen, tritt in qualitativer Hinsicht damit noch der von der normativen Typisierung des Mischgebiets abweichende Charakter des hier festgesetzten Mischgebiets aufgrund seiner Pufferfunktion, so dass die Genehmigung des Vorhabens in Anbetracht aller Umstände daher, auch am Maßstab des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO gemessen, rechtlich unbedenklich ist.
Die nach dem Bebauungsplan in Ziffer 1.8.2 vorgeschriebene Zisterne wurde in den Plänen eingefügt, die Festsetzung des Bebauungsplanes auch in dieser Hinsicht erfüllt. Im Übrigen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass das Vorhaben, dessen Erschließung gesichert ist, sonstige Vorgaben des maßgeblichen Bebauungsplanes nicht einhält, so dass die gemeindliche Planungshoheit durch die Baugenehmigung nicht verletzt sein kann.
c) Selbiges gilt für etwaige Verstöße gegen andere, dem Schutz der Gemeinde dienende Normen.
3. Da der Hauptantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ohne Erfolg bleibt, ist über den Antrag auf Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 VwGO, der als unechter Hilfsantrag gestellt war, nicht zu entscheiden. Im Übrigen bliebe ein solcher Antrag aufgrund der Erfolglosigkeit des Antrages in Ziffer 1 ohne Erfolg.
4. Der Antrag war damit mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 3, 162 Abs. 3 VwGO abzulehnen. Es entspricht der Billigkeit, der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese durch Stellung eines Antrages ein Kostenrisiko eingegangen ist.
5. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 9.10 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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