Baurecht

Eilrechtsschutz gegen Bebauungsplan: Beeinträchtigung durch Baustellenzufahrt

Aktenzeichen  9 NE 21.2048

Datum:
11.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31012
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1, Abs. 6
BauGB § 1 Abs. 7
BImSchG § 3 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Abwägungsbeachtlich sind nur private Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind. Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Interesse des Eigentümers eines außerhalb des Planbereichs gelegenen Grundstücks, bei der späteren Realisierung des Bebauungsplans nicht von baustellenbedingten Auswirkungen beeinträchtigt zu werden, gehört wegen der zeitlichen Begrenzung dieser Auswirkungen – auch wenn der Zeitraum mehrere Jahre umfasst – grundsätzlich nicht zu den Belangen, die in der Abwägung zu berücksichtigen sind. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auf besondere Empfindlichkeiten oder Bedürfnisse wegen des Vorliegens einer Krankheit kommt es für die Frage, ob Immissionen erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft iSd § 3 Abs. 1 BImSchG herbeiführen, nicht an. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 20.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gegen den am 5. August 2020 bekanntgemachten Bebauungsplan Nr. … „J. …“ und zugleich gegen die am selben Tag bekannt gemachte 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. … „H. …“ der Antragsgegnerin.
Mit dem Bebauungsplan Nr. … „J. …“ wird das bisher zu Sportzwecken genutzte Grundstück FlNr. … Gemarkung R. mit einer Fläche von ca. 1 ha, welches im Norden an die J. straße angrenzt und ansonsten von Wohnbebauung umgeben ist, überplant. Im Wesentlichen wird ein allgemeines Wohngebiet mit einer Nettobaufläche von 0,73 ha festgesetzt. Die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, zur Bauweise und zur überbaubaren Grundstücksfläche erlauben eine Einfamilienhaus- und zum Teil eine Doppelhausbebauung mit zwei Vollgeschossen, ganz im Norden zwei Mehrfamilienhäuser mit je drei Vollgeschossen und maximal elf bzw. sechs Wohnungen. Die Erschließung des Baugebiets erfolgt über die J. straße im Norden des Plangebiets. Im Süden ist als Anbindung zum Bebauungsplangebiet Nr. … „H. …“ eine Verkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung (Geh- und Radweg) festgesetzt. Nach der Begründung zum Bebauungsplan Nr. … soll dieser Weg als Rettungszufahrt ausgebildet werden, die mit Sperrmitteln gegen unbefugtes Benutzen gesichert wird. Die hierfür erforderliche Breite über den festgesetzten Geh- und Radweg hinaus soll mittels Rasenfugenpflaster oder Rasengittersteinen hergestellt werden. Der Begründung ist außerdem zu entnehmen, dass der Baustellenverkehr als Einbahnverkehr von Süden über den Knotenpunkt N. Straße / Gewerbering und das Baugebiet „H.“ vom neuen Baugebiet nach Norden über die J. straße wieder zur N. Straße abgeleitet werden soll. Wegen des Bauzwanges von maximal drei Jahren sei von einer Bauphase von maximal fünf Jahren auszugehen. An den bestehenden Straßen, die ausreichend dimensioniert seien, werde im Vorfeld der Bauausführung eine Beweissicherung im Hinblick auf baustellenbedingte Schäden vorgenommen.
Die streitgegenständliche 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. … betrifft ausschließlich das Grundstück FlNr. … Gemarkung R., wo im Interesse einer Zuwegung für Fußgänger und Radfahrer sowie der Schaffung eines zweiten Rettungsweges zum Bebauungsplangebiet Nr. … im Bereich einer bislang festgesetzten Grünfläche unter Anbindung an eine mit dem Bebauungsplan Nr. … schon festgesetzte und bestehende Verkehrsfläche (Fußweg) die Festsetzung Verkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung (Geh- und Radweg sowie Feuerwehrzufahrt) erfolgt. Zur Ausbildung des Rettungsweges und zur Baustellenabwicklung hinsichtlich des Baugebiets „J.“ finden sich Ausführungen in der Begründung zur Planänderung.
Die Antragsteller haben gegen die beiden Bebauungsplansatzungen am 1. August 2021 Normenkontrollanträge (Az. 9 N 21.2042) gestellt, über die noch nicht entschieden ist. Zugleich haben sie Anträge auf einstweilige Anordnung gestellt. Sie machen geltend, das ihr Grundstück FlNr. … Gemarkung R. (H.) unmittelbar an den Geltungsbereich der 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. … angrenze, an den sich der Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … anschließe. Der zu einem durchgehenden Fuß- und Radweg einschließlich Feuerwehrzufahrt geänderte Weg solle in der Bauzeit des Grundstücks „J.“ als Zufahrt für die Baustellenfahrzeuge dienen. Dafür sei die Änderungssatzung erlassen worden. Die Umsetzung des Bebauungsplans Nr. … sei von der Änderung des Bebauungsplans Nr. … abhängig. Die Antragsbefugnis ergebe sich aus der Verletzung des Abwägungsgebots zu Lasten der Antragsteller, weil deren private Belange nur wenig bis gar nicht berücksichtigt worden seien.
Der Normenkontrollantrag sei auch begründet. Es sei anzunehmen, dass keine ordentlichen Mitteilungen der Ergebnisse der Prüfungen der Stellungnahmen aus der Öffentlichkeit erfolgt seien. Die in die Abwägung einzustellenden Belange seien unzureichend ermittelt. Das Verkehrsaufkommen auf der Baustellenzufahrt während der voraussichtlich fünf Jahre oder länger dauernden Bauzeit sei hinsichtlich damit verbundener Lärm-, Abgas- und Erschütterungswirkungen nicht ausreichend begutachtet worden. Der Weg und die anliegenden Grundstücke würden erheblichen Schaden nehmen. Es seien im Verkehrsgutachten der … … GmbH (Stand 26.6.2018) zwar unter 6.7 die Zielfelder Straßenraumgestalt, Verkehrsablauf sowie Umfeldverträglichkeit berücksichtigt worden. Auswirkungen auf die Anwohnergrundstücke bzw. der an den nur 4 m breiten Weg angrenzenden Häuser und die Straßenbeschaffenheit seien jedoch nicht untersucht worden. Auch die Beseitigung des Grünstreifens mit altem Baumbestand entlang des Fußweges sei nicht angemessen in die Abwägung einbezogen worden. Er habe jedoch Bedeutung für gesunde Wohnverhältnisse, einen ästhetischen Gesamteindruck des Ortsbildes und den Umweltschutz an Ort und Stelle. Die Antragsteller hätten sich u.a. wegen des Grünstreifens für das Baugrundstück entschieden. Die Wohnverhältnisse würden zudem deshalb gestört, weil die durch Baufahrzeuge befahrene Anwohner straße durch die Antragsteller nicht mehr genutzt werden könne. Die gesamte veränderte Verkehrslage für die Bewohner sei unzureichend in die Abwägung einbezogen worden. Die Erschließung aller Anliegergrundstücke werde durch die Baustellenfahrzeuge gestört. Verkehrsgefährdungen nähmen zu. Die Vermeidung von Wendemanövern bei alternativer Baustellenerschließung (allein über die J. straße) sei nicht derart gewichtig, dass die privaten Belange der Antragsteller zurückstehen müssten. Die erforderliche Sondernutzung des Fuß- und Radweges dürfe auch nur aufgrund pflichtgemäßen Ermessens erfolgen. Ein störungsfreier Gemeingebrauch, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und die Interessen der verschiedenen Straßennutzer und -anlieger seien hier einzustellen und stünden einer Erlaubnis im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null entgegen. So leide der Antragsteller zu 1 an Leukämie und sei auf eine ruhige Umgebung mit möglichst reiner sauerstoffreicher Luft angewiesen. Von den LKWs aus könne in die Wohnbebauung geblickt werden.
Eine einstweilige Anordnung sei dringend geboten. Der Bebauungsplan sei rechtswidrig und es stehe zu befürchten, dass sich die Rechtsposition der Antragsteller mit Beginn der Bauarbeiten und dem dann zu erwartenden Baustellenverkehr erheblich verschlechtern würde. Selbst bei offenen Erfolgsaussichten müsse die Interessenabwägung zu Gunsten der Antragsteller ausfallen.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
den Bebauungsplan Nr. … „J.“ und die 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. … „H.“ außer Vollzug zu setzen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Die Normenkontrollanträge seien unzulässig. Es fehle an der Antragsbefugnis der Antragsteller, weil Baustellenlärm bzw. der aus einer entsprechenden Zuwegung resultierende Lärm grundsätzlich nicht zu den Belangen gehöre, die in der Abwägung Berücksichtigung finden müssten. Einwirkungen, die in der Phase der Realisierung eines Bebauungsplans entstehen, verursachten wegen ihrer zeitlichen Begrenzung in der Regel keine städtebaulichen Konflikte, die der Bebauungsplan selber lösen müsse. Es sei hier auch nicht davon auszugehen, dass die für den Baulärm maßgebenden Immissionswerte unter keinen Umständen eingehalten werden könnten. Dies ergebe sich aus dem Verkehrsgutachten der … … GmbH vom 26. Juni 2018 mit Nachtragsbericht vom 25. Oktober 2019. Eine grobe Abschätzung reiche insoweit. Im Übrigen sei im Hinblick auf den Verkehrslärm und die Größe des Baugebiets zu sehen, dass nicht jede zu erwartende Zunahme von Verkehrslärm durch die Planung von Bedeutung für die Schutzwürdigkeit eines privaten nachbarlichen Belangs sei. Die Antragsteller seien durch die angegriffenen Bebauungspläne allenfalls geringfügig betroffen. Dass sie ihr Grundstück wegen des daneben befindlichen Grünstreifens am Fußweg und der dort derzeit noch stehenden Bäume gekauft hätten, sei unglaubwürdig.
Der Antrag sei auch unbegründet. Die Bebauungspläne seien verfahrensfehlerfrei zu Stande gekommen. Den Anforderungen der Rechtsprechung, wonach anonymisierte Einwendungen in ihren Kernaussagen aufzulisten und den Ausführungen der Verwaltung gegenüberzustellen seien, sei Genüge getan worden. Das Ergebnis der Prüfung sei den jeweiligen Betroffenen schriftlich mitgeteilt worden. Die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Dass die immissionsschutzrechtlichen Belange der Anrainer im Hinblick auf den Baustellenverkehr ermittelt und abgewogen worden seien, sei mangels Erforderlichkeit als Entgegenkommen zu sehen. Jedenfalls sei die Abwägung im Hinblick darauf, dass es keine zumutbare Alternative zur Baufeldzufahrt gebe, fehlerfrei erfolgt und es habe keine unzulässige Konfliktverlagerung auf nachfolgende Verfahren stattgefunden. Die erhöhten Immissionswerte durch die zu erwartenden sporadischen Baustellenbefahrungen, es würden nur 14 Häuser über einen Zeitraum von drei Jahren bzw. in einer zu erwartenden Bauzeit von maximal 5 Jahren errichtet werden, seien hinnehmbar und erreichten keine Erheblichkeitsschwelle. Die Angelegenheit könne im Zuge der Abwicklung mit Mitteln des Bauordnungsrechts und der Straßenplanung gelöst werden. Die vorgesehene Baustellenzuwegung sei mit 4 m ausreichend breit. Es würden auch Beweissicherungen an den Gebäuden der Plannachbarn durchgeführt. Eine Sondernutzung sei möglich. Ohnehin bedürfe es keiner entsprechenden Genehmigung, da die Zuwegung für den Baustellenverkehr schon im Plan vorgesehen sei. Hinsichtlich des Baumbestandes sei zu berücksichtigen, dass auf dem Baufeld J. zusätzliche begrünte ökologische Flächen entstünden. Nach der Bauzeit entstünden auch im Bereich des Weges wieder Grünflächen.
Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die vorgelegten Unterlagen und die beigezogenen Planakten der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die Anträge, mit denen die Antragsteller begehren, sowohl den Bebauungsplan Nr. … „J.“ als auch die 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. … „H.“ gemäß § 47 Abs. 6 VwGO durch Erlass einer einstweiligen Anordnung außer Vollzug zu setzen, haben keinen Erfolg. Sie sind mangels Antragsbefugnis der Antragsteller bereits unzulässig.
Die Antragsbefugnis im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO entspricht der des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO für das Normenkontrollverfahren (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2020 – 9 NE 19.2274 – juris Rn. 16). Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren antragsbefugt, wer geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ist ein Antragsteller – wie hier – Eigentümer oder Nutzer von Grundstücken außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des angegriffenen Bebauungsplans kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen; ein Antragsteller kann sich darauf berufen, dass seine abwägungserheblichen privaten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden. Drittschützenden Charakter hat das Abwägungsgebot aber nur hinsichtlich solcher privater Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Deshalb muss ein Antragsteller, der in einem Normenkontrollantrag eine Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen will, einen eigenen Belang als verletzt bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Abwägungsbeachtlich sind dabei nur private Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind. Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.2020 – 4 BN 50.19 – juris Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, U.v. 19.5.2021 – 9 N 17.2284 – juris Rn. 16 m.w.N.). Für die Prüfung der Antragsbefugnis kommt es grundsätzlich auf die Darlegungen des Antragstellers im Normenkontrollverfahren an. Enthalten sie keine hinreichenden Tatsachen, die die Missachtung eines abwägungserheblichen Belangs im vorgenannten Sinn als möglich erscheinen lassen, ist die Antragsbefugnis zu verneinen (vgl. BayVGH, B.v. 8.7.2021 – 15 N 20.1810 – juris Rn. 19).
Gemessen daran fehlt die Antragsbefugnis der Antragsteller sowohl hinsichtlich der 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. … als auch hinsichtlich des Bebauungsplans Nr. … des Antragsgegners. Sie haben im Hinblick auf ihr außerhalb der jeweils überplanten Gebiete liegendes Grundeigentum abwägungsrelevante eigene Belange, die durch die planerischen Festsetzungen bzw. durch deren Umsetzung verletzt sein könnten, nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Die von ihnen allein wegen der geplanten Baustellenzufahrt zum Baugebiet „J.“ über die Straße H* … und das Wegegrundstück FlNr. … Gemarkung R. geltend gemachten Belange waren nicht abwägungsbeachtlich.
1. Soweit die Antragsteller sich gegen die 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. … „H.“ wenden und Beeinträchtigungen durch die Baustellenzufahrt geltend machen, ist nach dem planerischen und textlichen Teil des Bebauungsplans nicht ersichtlich, dass mit der betreffenden Änderung eines Teils einer Grünfläche hin zu einer Verkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung (Geh- und Radweg sowie Feuerwehrzufahrt) ein verbindliche Regelung hinsichtlich einer Baustellenzufahrt getroffen worden wäre. Nach der Begründung zum Änderungsplan besteht zudem kein Hinweis darauf, dass die Schaffung einer Baustellenzufahrt neben einer Fuß- und Radwegeanbindung an das Baugebiet „J.“ ein (weiterer) Plananlass gewesen sein könnte. Auch dem Vorbringen der Antragsteller kann weder entnommen werden, warum es für die Baustellenzufahrt einer Planänderung des Bebauungsplans „H.“ bedurft haben könnte, noch lässt sich danach ersehen, dass die in der Begründung zur 2. Änderung allerdings thematisierte Baustellenzufahrt zum Plangebiet des Bebauungsplans Nr. … in irgendeiner Weise der Umsetzung der betreffenden Änderungsplanung im Baugebiet „H.“ dienen könnte. Die Abwägungsbeachtlichkeit der Baustellenzufahrt für die Änderungsplanung kommt nach alledem unter keinem Gesichtspunkt in Betracht.
Die Antragsteller wenden sich mit ihrem Antragsvorbringen auch offensichtlich nicht gegen die mit der Änderungsplanung erfolgte Festsetzung eines Geh- und Radweges sowie einer Rettungszufahrt auf der bisherigen Grünfläche auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung R. als solches. Im Übrigen dürfte mit ihr, abgesehen davon, dass sie vom Antragsgegner umfassend abgewogen wurde, nur eine geringfügige Beeinträchtigung verbunden sein, die jedenfalls eine einstweilige Anordnung aller Voraussicht nach nicht rechtfertigen könnte.
2. Der angegriffene Bebauungsplan Nr. … „J.“ enthält zur Baustellenabwicklung ebenfalls keinerlei Regelungen in Form von Festsetzungen in seinem planerischen oder textlichen Teil. Für seine Realisierung bedarf es jedoch u.a. einer Baustellenerschließung, die nach der Begründung zum Bebauungsplan derzeit nicht allein über die das Baugebiet künftig regulär erschließende J. straße, sondern dergestalt geplant ist, dass der Baustellenverkehr als Einbahnverkehr von Süden über den Knotenpunkt N. Straße / Gewerbering und das Baugebiet „H.“ nach Norden zum Plangebiet geführt und über die J. straße nach Norden abgeführt werden soll. Gegen die Auswirkungen einer Baustellenerschließung über die Straße H., von der die Antragsteller sich als Anwohner sowie als Anlieger der provisorischen Baustelleneinfahrt über den derzeitigen Fußweg in das Baugebiet J. betroffen sehen, wenden sich die Antragsteller. Der Antragsgegner hat die Frage der Baustellenerschließung insoweit auch zum Gegenstand seiner Ermittlung und Abwägung gemacht, welche die Antragsteller im Hinblick auf die von ihnen befürchteten Beeinträchtigungen hinsichtlich Lärm, Abgasen, Staub, Erschütterungen Verkehrsfluss, Einblicksmöglichkeiten von Baustellenfahrzeugen aus als nicht ausreichend erachten. Jedoch haben die Antragsteller auch in Bezug auf den Bebauungsplan Nr. … nicht ausreichend dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner die Probleme die sich aus der Realisierung des Bebauungsplans Nr. … durch hierfür notwendige Bauarbeiten ergeben, im Rahmen des Bebauungsplans hat lösen müssen und insoweit überhaupt Abwägungsbeachtlichkeit bestand.
Das Interesse des Eigentümers eines außerhalb des Planbereichs gelegenen Grundstücks, bei der späteren Realisierung des Bebauungsplans nicht von baustellenbedingten Auswirkungen beeinträchtigt zu werden, gehört wegen der zeitlichen Begrenzung dieser Auswirkungen – auch wenn der Zeitraum mehrere Jahre umfasst – grundsätzlich nicht zu den Belangen, die in der Abwägung zu berücksichtigen sind. Planbedingt sind nur solche Nachteile, welche die Festsetzungen des Bebauungsplans den Betroffenen auf Dauer auferlegen. Mögliche Beeinträchtigungen Dritter durch den Betrieb von Baustelleneinrichtungen außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans dürfen ferner bei seiner Aufstellung im Regelfall auch deshalb unbeachtet bleiben, weil sie dem Bebauungsplan typischerweise rechtlich nicht zugeordnet werden können. Selbst wenn sich – wie hier – schon eine konkrete Baustelleneinrichtung (mit Baustelleneinfahrt außerhalb des Plangebiets auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung R.) abzeichnet, kann dieses nicht als eine vom Normgeber schon bei der Planaufstellung gleichsam als unumgänglich mitgeplante Folgemaßnahme angesehen werden. Die Einrichtung der Baustelle einschließlich ihrer Ein- und Ausfahrt stellt einen gegenüber der Bauleitplanung selbständigen Akt dar; Betroffene können gegebenenfalls Rechtsschutz erhalten, indem sie sich unmittelbar hiergegen wenden (vgl. BVerwG, B.v. 12.3.1999 – 4 BN 6.99 – juris Rn. 6; vgl. auch B.v. 21.1.2016 – 4 BN 36.15 – juris Rn. 20; B.v. 16.9.2015 – 4 VR 2.15 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 22.3.2021 – 1 NE 20.2322 – juris Rn. 17, B.v. 20.4.2011 – 15 N 10.1320 – juris Rn. 99 m.w.N.; NdsOVG, U.v. 30.6.2021 – 1 KN 54/19 – juris Rn. 41; OVG NW, B.v. 20.1.2020 – 7 B 961/19.NE – juris Rn. 12 f. m.w.N.; HessVGH, U.v. 19.1.2018 – 4 C 796/17.N – juris Rn. 30; Söfker/Runkel in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautsberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 1 Rn. 197). So ist etwa in Ansehung des auch nachbarschützenden Art. 9 Abs. 1 BayBO, dessen Schutzzweck sich auf die Baustelleneinrichtung und damit auch auf die Anlage der Baustelleneinfahrt bezieht (Nolte in Busse/Kraus, BayBO, Stand Mai 2021, Art. 9 Rn. 4), im bauordnungsrechtlichen Verfahren zu beachten, dass Baustellen so einzurichten sind, dass Gefahren, vermeidbare Nachteile oder vermeidbare Belästigungen nicht entstehen. Dritten, die von der Baustelleneinrichtung negativ betroffen sind, ist danach ggf. Rechtsschutz zu gewähren (vgl. auch HessVGH, U.v. 19.1.2018 – 4 C 796/17.N – juris Rn. 30).
a) Vorliegend ist von den Antragstellern auch nicht dargelegt oder sonst ersichtlich, dass hier Folgeprobleme bautechnischer Art, die nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand gelöst werden können, und von denen die Antragsteller zudem in besonderer Weise betroffen sein würden, ausnahmsweise eine Abwägungserheblichkeit nach sich ziehen (vgl. BayVGH, B.v. 17.6.2021 – 15 N 19.1438 – juris Rn. 3; U. v. 17.12. 2018 – 15 N 16.2373 – juris Rn. 43; VGH BW, U.v. 22.11.2017 – 8 S 1861/16 – juris Rn. 22).
b) Nach dem Gutachten der … … GmbH (Stand 26.6.2018, S. 27 ff.) ist die Variante der Baustellenerschließung über H. und J. straße im Einbahnverkehr zwar möglicherweise die vorzugswürdige Lösung der Baustellenerschließung im Hinblick auf die Vermeidung von Wendemanövern von Lastzügen und Begegnungsverkehr von Baufahrzeugen in J. straße und H. sowie eine gleichmäßigere Belastung der betroffenen Anwohner. Dem Gutachten lässt sich aber trotz der dargestellten Nachteile der alleinigen Erschließung über die J. straße, insbesondere im Hinblick auf Lastzüge, die nur von Norden kommend in die J* … straße einbiegen könnten, was ein Wendemanöver über den Kreisverkehr im Ortskern notwendig machen würde, nicht entnehmen, dass sie auch die einzig umsetzbare Erschließung der Baustelle, noch dazu für die gesamte Bauzeit wäre. Unabhängig davon bildet der Bebauungsplan Nr. … mit seinen Festsetzungen in Plan- und Textteil, die in keiner Weise Fragen der Baustelleneinrichtung oder -abwicklung betreffen, jedenfalls keine planerische Grundlage für eine Baustellenerschließung allein im Sinne der derzeit vom Antragsgegner favorisierten Einbahnstraßenlösung. Es ist somit hier ausgeschlossen, sie als unumgänglich mitgeplante Folgemaßnahme der Bebauungsplanung anzusehen (vgl. BVerwG, B.v. 12.3.1999 – 4 BN 6.99 – juris Rn. 5 f.; B.v. 9.7.1992 – 4 NB 39/91 – juris Rn. 14).
c) Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass selbst bei einer tatsächlich ausschließlich möglichen Baustellenerschließung über die Straße H. wegen der von den Antragstellern vorgebrachten damit verbundenen Belastungen unüberwindbare tatsächliche oder rechtliche Hindernisse für die Errichtung der Gebäude im Baugebiet „J.“ bestünden, was dazu führen könnte, dass der Bebauungsplan gegen die Vorschrift des § 1 Abs. 3 BauGB verstieße. Es kann dementsprechend dahingestellt bleiben, ob die Antragsteller sich losgelöst von einer nach Abwägungsgrundsätzen – hier nicht – bestehenden Planungspflicht wegen des Gebots der Konfliktbewältigung (vgl. Söfker/Runkel in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautsberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 1 Rn. 41) in Bezug auf das Erforderlichkeitsgebot auf Drittschutz berufen könnten (vgl. HessVGH, U.v. 19.1.2018 – 4 C 796/17.N – juris Rn. 31).
In Anbetracht des Umstands, dass im neuen Baugebiet „nur“ 14 Häuser, darunter Einfamilienhäuser und ggf. Doppelhäuser sowie im Norden des Baugebiets zwei Mehrfamilienhäuser mit maximal 11 bzw. 6 Wohnungen entstehen sollen, ist nicht nachvollziehbar dargetan oder ersichtlich, dass der von dem Baustellenverkehr verursachte Lärm auf der geplanten provisorischen Baustellenzufahrt neben dem Hausgrundstück der Antragsteller die maßgebenden Immissionsrichtwerte, selbst im Fall der Anordnung von Maßnahmen zur Minderung des Baulärms, überschreiten würde (vgl. § 66 Abs. 2 BImSchG i.V.m. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm, Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 160 vom 1. September 1970, abgedruckt in MABl. Nr. 1/1971; vgl. auch HessVGH, U.v. 19.1.2018 – 4 C 796/17.N – juris Rn. 30; BayVGH, U.v. 20.4.2011 – 15 N 10.1320 – juris Rn. 100). Vergleichbares gilt hinsichtlich der vom Baustellenverkehr ausgehenden Abgas- und Staubentwicklung oder der Erschütterungswirkung, zumal auch unabhängig von der vom Antragsteller in Aussicht gestellten Beweissicherung hinsichtlich auf die Baustelleneinrichtung zurückzuführender Schäden nicht ersichtlich ist, dass die Traglast der vorgesehenen provisorischen 4 m breiten Baustellen straße und ihre Deckschicht, die auf dem nach dem Lageplan an dieser Stelle ausreichend breiten Grundstück FlNr. … errichtet werden soll, nicht an die zu erwartenden Belastungen angepasst werden könnte.
Es ist zudem nicht substantiiert dargetan, dass die nur vorübergehende Beseitigung des Grünstreifens mit altem Baumbestand auf dem benachbarten Wegegrundstück FlNr. …, durch die die Rechtssphäre der Antragsteller, auch in Anbetracht ihrer Motivlage beim Grundstückskauf, nicht unmittelbar berührt wird, der vorgesehenen Baustellenzufahrt unüberwindlich entgegensteht. Nichts Anderes gilt hinsichtlich der noch geltend gemachten Einblicksmöglichkeiten in private Bereiche des Grundstücks der Antragsteller von vorbeifahrenden Baustellen-LKWs aus, zumal das Bauplanungsrecht insoweit grundsätzlich auch keinen Schutz bietet (vgl. etwa BayVGH, B.v. 7.6.2021 – 9 CS 21.953 – juris Rn. 16 m.w.N.; B.v.12.2.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn. 20 m.w.N.; OVG LSA, U.v. 22.10.2020 – 2 K 62/19 – juris Rn. 64; OVG NW, U.v. 30.8.2012 – 2 D 81/11.NE – juris Rn. 53 ff.; NdsOVG, B.v. 18.5.2005 – 1 MN 52/05 – juris Rn. 41).
Auch soweit die Antragsteller den baustellenbedingten Verkehrslärm auf der Straße H. ansprechen, kann ihrem gesamten Vorbringen in Anbetracht der zu erwartenden Größe der in Rede stehenden Baustelle nicht entnommen werden, dass die vorübergehende Lärmzunahme unzumutbar sein könnte, etwa, weil die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung (von tags/nachts 70/60 dBA) nennenswert und dauerhaft überschritten würde und noch dazu keine Gegenmaßnahmen möglich wären. Es besteht zudem im Hinblick auf die Vielzahl in Frage kommender verkehrsregelnder Maßnahmen auch kein Anhalt dafür, dass erhebliche baustellenbedingte Verkehrsbehinderungen auf der aus Sicht der Antragsteller zu schmalen Straße H. zu befürchten wären oder gar die Erschließung ihres Grundstücks gefährden könnten. Die Straße H. ist nach dem Gutachten der … … GmbH (Stand 26.6.2018) mindestens 5 m breit; danach sei sogar ein Begegnungsverkehr zwischen Pkw und Lkw mit eingeschränkten Bewegungsspielräumen möglich.
Mit besonderen Empfindlichkeiten oder Bedürfnissen wegen des Vorliegens einer Krankheit können rechtliche Hindernisse für die Errichtung der Gebäude im Baugebiet „J.“ nicht begründet werden, weil es hierauf für die Frage, ob Immissionen erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG herbeiführen, nicht ankommt (vgl. BayVGH, U.v. 17.6.2008 – 22 N 06.3069 – juris Rn. 35; Thiel in Landmann/Rohmer UmweltR, Stand Mai 2021, BImSchG § 3 Rn. 48 m.w.N.). Dass eine ggf. erforderliche Sondernutzungserlaubnis nach Art. 18 BayStrWG nicht erteilt werden dürfte, ist nach alledem nicht plausibel.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts resultiert aus § 52 Abs. 1 und 8, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.8.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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