Baurecht

Einbau eines feuerbeständigen Glaselements in äußere Brandwand eines denkmalgeschützten Gebäudes

Aktenzeichen  15 B 13.2435

Datum:
9.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 24 Abs. 2 S. 1, Art. 28, Art. 55 Abs. 1, Art. 59 S. 1, Art. 63 Abs. 1 S. 1, Art. 68 Abs. 4
DSchG Art. 6

 

Leitsatz

1. Den einschlägigen Vorschriften ist nicht zu entnehmen, dass eine kleinflächige Teilverglasung in einer äußeren Brandwand nach der gegenwärtigen Rechtslage generell verboten (“abweichungsfest”) wäre. (redaktioneller Leitsatz)
2. Soll von einer bautechnischen Anforderung abgewichen werden und kann der mit der gesetzlichen Regelung verfolgte Zweck auch auf andere Weise erfüllt werden, weil der Bauherr eine gleichwertige Lösung plant, bedarf die Abweichung im Allgemeinen keiner weiteren Rechtfertigung. Es genügt, dass der Normzweck auf andere Weise erfüllt werden kann. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 2 K 12.399 2012-05-31 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Aktenzeichen: 15 B 13.2435
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 9. März 2016
(VG Regensburg, Entscheidung vom 31. Mai 2012, Az.: RO 2 K 12.399)
15. Senat
Sachgebietsschlüssel: 920
Hauptpunkte:
Zulassung einer Abweichung,
Äußere Brandwand,
Einbau eines feuerbeständigen Glaselements
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache

gegen
Stadt Regensburg, vertreten durch den Oberbürgermeister, Rechtsamt, Domplatz 3, 93047 Regensburg,
– Beklagte –
beigeladen:
1. …,
2. …
bevollmächtigt: Rechtsanwälte …
wegen Antrag auf Zulassung einer Abweichung (Art. 28 Abs. 8 Satz 1 BayBO);
hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 31. Mai 2012,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 15. Senat,
durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schweinoch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Seidel ohne mündliche Verhandlung am 9. März 2016 folgendes Urteil:
I.
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 31. Mai 2012 wird geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug trägt die Beklagte. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladenen je zur Hälfte. Die Beigeladenen haften gesamtschuldnerisch.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Kostenschuldner können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung Regensburg, das mit einem in die Denkmalliste eingetragenen (D-3-62-000-1030) Wohnhaus (dreigeschossiger und traufständiger Satteldachbau, Vorderhaus 16./17. Jahrhundert, Rückgebäude im Kern um 1200, Umbauten und Überformungen 14. bis 18. Jahrhundert) bebaut ist. Dieses und die umliegenden Gebäude befinden sich zugleich im Ensemble Altstadt Regensburg mit Stadtamhof (E-3-62-000-1).
Im Dezember 2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, ihr für den Einbau von drei Fenstern in die bisher geschlossene Südfassade des rückwärtigen, traufseitig an der Grenze zu den Nachbargrundstücken FlNr. … und … stehenden Gebäudeteils eine Abweichung vom Verbot von Öffnungen in Brandwänden (Art. 28 Abs. 8 Satz 1 BayBO) sowie die denkmalpflegerische Erlaubnis für diese Maßnahmen zu erteilen. Die Klage gegen die – unter Ausklammerung denkmalrechtlicher Fragen – nur auf bauordnungsrechtliche Gesichtspunkte gestützte Ablehnung durch den Bescheid vom 30. Januar 2012 wies das Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 31. Mai 2012 ab. Die Beklagte habe den Antrag auf Abweichung von einer nachbarschützenden Vorschrift zu Recht versagt, da keine atypische Grundstücksituation vorliege, aus der sich ein Konflikt zwischen dem Regelungsziel und der vom Gesetz angeordneten Rechtsfolge ergebe. Der Einbau dreier Fenster der Feuerwiderstandsdauer F 90 verschlechtere die gesetzeskonforme Ausgangssituation auch zulasten der Nachbarn. Bei dem im ersten Obergeschoss betroffenen Raum handele es sich um ein Bad. Von den beiden im zweiten Obergeschoss als Wohn-/Pflegeraum bzw. Schlafraum gekennzeichneten Zimmern sei das östliche bereits durch ein in der dortigen Fassade vorhandenes Fenster belichtet, angesichts zu geringer Raumhöhe fehle hier auch die Eignung als Aufenthaltsraum. Dem zweiten Raum fehle diese Eigenschaft ebenfalls, weil mangels Befensterung keine ausreichende Belichtung mit Tageslicht gegeben sei. Für Räume, die objektiv nicht zum dauernden Aufenthalt geeignet seien, könne sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg auf die Vorschrift des Art. 45 Abs. 2 BayBO berufen, die verlangt, dass Aufenthaltsräume ausreichend belüftet und mit Tageslicht belichtet werden können.
Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin,
die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Entscheidungen
zu verpflichten, der Klägerin die beantragte Abweichung zu erteilen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, über den klägerischen Antrag unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Atypische Grundstückssituationen seien im Gegensatz zur Annahme des Verwaltungsgerichts im konkreten Fall für die Altstadt von Regensburg geradezu typisch. Deshalb gebe es auch zahlreiche Beispielsfälle von Fenstern in grenzständigen Außenwänden. Nach der Argumentation des Verwaltungsgerichts käme eine Abweichung von Art. 28 Abs. 8 Satz 1 BayBO wegen einer Verschlechterung der brandschutzrechtlichen Situation praktisch nie in Frage. Diese Auslegung werde weder dem Eigentumsgrundrecht noch dem planungsrechtlichen Ziel, gesunde Wohnverhältnisse zu schaffen, gerecht. Angesichts der in Regensburg in vergleichbaren Lagen anzutreffenden Verhältnisse verletze die Versagung der Abweichung gerade im Fall der Klägerin auch das Gebot der Gleichbehandlung; die Beklagte gebe keine Gründe an, nach welchen prinzipiellen Erwägungen sie bei der Zulassung von entsprechenden Fenstern vorgehe.
In einem Schriftsatz vom 11. September 2013 erklärte sich die Klägerin dazu bereit, die Verglasung blickdicht („satiniert“) auszuführen. Mit Schreiben vom 7. April 2014 ergänzte die Klägerin, sie strebe selbstverständlich – auch – den Einbau selbstschließender F 90 Brandschutzdrehflügelfenster an. Im Juli 2014 wurde von der Klägerseite schließlich das Angebot einer Fachfirma für den Einbau eines fest eingesetzten, nicht zu öffnenden, 80 cm breiten und 100 cm hohen Elements einer mit einer Mattfolie (Milchglas) ausgestatteten F 90 Verglasung vorgelegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der von der Klägerin nach ihrem im Dezember 2011 eingegangen Antrag geplante Einbau von Fenstern, die nur zur Reinigung geöffnet werden können und feuerbeständig (F 90) verglast sind, entspreche nicht den grundlegenden Anforderung, die an eine Brandwand zu stellen seien. Nähme man für dicht bebauten innerstädtische Bereiche praktisch überall atypische Verhältnisse an, die Abweichungen wie die im Verfahren beantragte grundsätzlich erlaubten, könnten die Brandschutzvorschriften ihren Zweck nicht mehr erfüllen. Anders als bei Abweichungen von den Abstandsvorschriften gehe es hier darum, dass die vorgesehene Bauausführung der vom Gesetz geforderten gleichwertig sei. Daran fehle es hier.
Eine vom Gericht vorgeschlagene Einigung – der Einbau eines bauartzugelassenen, selbstschließenden F 90 Brandschutzdrehflügelfensters in dem mit „Wohn-/Schlafraum Eltern“ bezeichneten Zimmer im zweiten Obergeschoss – scheiterte am Widerstand der Eigentümer des benachbarten Grundstücks FlNr. …, die anschließend zum Verfahren beigeladen wurden.
Die Beigeladenen beantragen,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Es gebe keine Veranlassung, an dem seit langer Zeit bestehenden Zustand etwas zu ihren Lasten zu verändern. Ihr Interesse am Fortbestand des durch den ruhigen Innenhof gegebenen Schutzes ihrer Privatsphäre habe Vorrang vor den Wünschen der Klägerin. Durch die Zulassung einer Abweichung werde ihnen dauerhaft das Recht zum Anbau genommen.
Am 11. Mai 2015 hat der Berichterstatter als beauftragter Richter den von der Klägerin und den Beigeladenen angeregten Augenschein auf den benachbarten Grundstücken durchgeführt, auf das Protokoll wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten und des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und den vorgelegte Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung kann ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergehen, weil die Beteiligten beim Ortstermin vom 11. Mai 2015 hierauf verzichtet und sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist abzuändern. Die Klägerin hat – vorbehaltlich des für das Vorhaben positiven Ausgangs der unten (unter 5.) näher beschriebenen Prüfung gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 DSchG – einen Anspruch darauf, dass ihr die Beklagte die beantragte Abweichung von Art. 28 Abs. 8 Satz 1 BayBO für den Einbau eines nicht zu öffnenden, matt verglasten und als F 90 bauartzugelassenen Elements („Fenster“) im zweiten Obergeschoss vor dem in den Bauvorlagen vom 11. November 2011 mit „Wohn-/Schlafraum Eltern“ beschriebenen Raum und mit den in der Anlage zum Schreiben vom 21 Juli 2014 angegebenen Maßen erteilt (Art. 63 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 BayBO, Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO entsprechend). Die Beklagte hat die auf eine Befunduntersuchung beschränkte denkmalfachliche Prüfung nachzuholen (dazu unten 5.).
1. In dem für die vorliegende Verpflichtungsklage maßgeblichen Zeitpunkt der heutigen Entscheidung im schriftlichen Verfahren ist – nur noch – darüber zu befinden, ob der Einbau einer feuerbeständigen Verglasung (Art. 24 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 1 BayBO; Feuerwiderstandsdauer 90 Minuten, vgl. die Begründung zu § 1 Nr. 20 (Art. 28) des Gesetzentwurfs der Staatsregierung zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und Änderungsgesetz vom 15.1.2007, LT-Drs 15/7161 S. 49) in die grenzständige südliche Außenwand des Wohnhauses der Klägerin zugelassen werden kann. Die Klägerin hat den ursprünglich auf den Einbau von drei Fenstern, die zu Reinigungszwecken geöffnet werden können, gerichteten Antrag mit der in ihrem Schreiben vom 21. Juli 2014 enthaltenen Modifizierung dahin präzisiert, dass nunmehr eine bauartzugelassene, blickdichte („Milchglas“) Brandschutzverglasung fest eingesetzt werden soll, die die Anforderungen der DIN 4102-13 an eine Brandschutzverglasung (F 90, feuerbeständig) erfüllt. Damit liegt begrifflich kein Fenster mehr vor. Nach der Fertigstellung des Vorhabens verfügt die Außenwand auch nicht mehr über eine Öffnung.
2. Diese Maßnahme ist baugenehmigungspflichtig, Art. 55 Abs. 1 BayBO, weil die Substanz der baulichen Anlage durch einen Austausch der Baustoffe in dem entsprechenden Bereich geändert werden soll. Das Vorhaben erfüllt keinen der in Art. 57 BayBO genannten Verfahrensfreiheitstatbestände. Es wird kein Fenster errichtet (vgl. Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 Buchst. d BayBO). Die Änderung betrifft eine tragende Außenwand des Wohngebäudes im Sinn des Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 Buchst. b BayBO; diese Regelung stellt jedoch nur Änderungen innerhalb von Wohngebäuden verfahrensfrei.
3. Infolge des ausdrücklich gestellten Abweichungsantrags erstreckt sich der Prüfumfang in diesem Genehmigungsverfahren auf den in Abschnitt IV des Dritten Teils der Bayerischen Bauordnung geregelten baulichen Brandschutz, Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO. Es liegt kein Sonderbau (vgl. Art. 2 Abs. 4 BayBO) vor. Da der Fußboden im Dachgeschoss des Hauses, in dem nach den Maßangaben auf den Schnitten der eingereichten Pläne (wohl) Aufenthaltsräume (Art. 2 Abs. 5, Art. 45 Abs. 1 Satz 2 BayBO) möglich sind, auch vom Niveau der St.-Leonhards-Gasse aus betrachtet nur geringfügig über 8,50 m hoch ist, ist das Baudenkmal nach heutigen Maßstäben in die Gebäudeklasse 4 einzustufen. Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, Satz 2 BayBO definiert diese Gebäude als solche, bei denen das Maß der Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses, in ein Aufenthaltsraum möglich ist, bis zu 13 m über der Geländeoberfläche im Mittel beträgt.
4. Nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von den Anforderungen der Bayerischen Bauordnung zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlichrechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 vereinbar sind.
4.1 Nach Art. 28 Abs. 8 Satz 1 BayBO sind Öffnungen in Brandwänden unzulässig. Das Vorhaben fällt nicht unter dieses Verbot. Feuerbeständige Verglasungen lässt das Gesetz in Art. 28 Abs. 9 BayBO nur in inneren Brandwänden zu, wenn sie auf die für die Nutzung erforderliche Zahl und Größe beschränkt sind. Über die Zulässigkeit der verfahrensgegenständlichen Verglasung in der grenzständigen Gebäudeabschlusswand ist daher im Wege der Abweichung zu entscheiden (so auch: Famers in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand 1.12.2015, Art. 28 Rn. 131). Den einschlägigen Vorschriften ist nicht zu entnehmen, dass eine kleinflächige Teilverglasung in einer äußeren Brandwand nach der gegenwärtigen Rechtslage generell verboten („abweichungsfest“) wäre.
4.1.1 Für Brandwände gelten folgende allgemeine Regeln: Nach Art. 28 Abs. 1 BayBO müssen Brandwände als Gebäudeabschlusswände ausreichend lang die Brandausbreitung auf andere Gebäude verhindern. Brandwände sind grundsätzlich durchgehend (vgl. Art. 28 Abs. 4 Satz 1 BayBO), öffnungslos (Art. 28 Abs. 6 Halbs. 2, Abs. 8 BayBO) und aus einheitlichen Materialien (Art. 28 Abs. 9 BayBO arg. e contrario) zu errichten. Gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO sind Brandwände als Gebäudeabschlusswand erforderlich, wenn diese an der Grenze errichtet werden, es sei denn, dass ein Abstand von mindestens 5 m zu bestehenden oder nach den baurechtlichen Vorschriften zulässigen künftigen Gebäuden gesichert ist. Anstelle von äußeren Brandwänden sind nach Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BayBO bei Gebäuden der Gebäudeklasse 4 Wände zulässig, die auch unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung hochfeuerhemmend sind (vgl. ergänzend Famers in Molodovsky/Famers/Kraus, a. a. O. Art. 28 Rn. 65). Müssen Gebäude, die über Eck zusammenstoßen, durch eine Brandwand getrennt werden, so muss der Abstand dieser Wand von der inneren Ecke nach Art. 28 Abs. 6 BayBO in der Regel mindestens 5 m betragen; dies gilt unter anderem nicht, wenn mindestens eine Außenwand bei Gebäuden der Gebäudeklasse 1 bis 4 auf 5 m als öffnungslose hochfeuerhemmende Wand ausgebildet ist. Hochfeuerhemmend ist ein Bauteil grundsätzlich, wenn es 60 Minuten lang der Brandprüfung standhält (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 Nr. 3, Satz 3 Nr. 2 BayBO und DIN 4102 Teil 2, zitiert nach Famers in Molodovsky/Famers/Kraus, a. a. O. Art. 24 Rn. 13, 70 ff.).
Hier folgt die Notwendigkeit einer Brandwand im verfahrensgegenständlichen Bereich (vgl. Art. 28 Abs. 6 BayBO) aus dem nahezu rechtwinkligen Anbau des Gebäudes der Beigeladenen, welches über die in Ost West-Richtung verlaufende W…straße erschlossen wird, an das Baudenkmal der Klägerin, das an der nach Norden gerichteten St.-L…-Gasse liegt.
4.1.2 In Bezug auf den Einbau von Teilflächen aus geeignetem Glas in Brandwände enthielt Art. 31 Abs. 10 BayBO in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung eine (gesetzesunmittelbare) „materielle Erleichterung“ (vgl. LT-Drs. 13/7008 vom 22.1.1997, Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung der Bayerischen Bauordnung, § 1 Nr. 20 g, S. 33). Danach waren in Brandwänden kleine Teilflächen aus lichtdurchlässigen, nichtbrennbaren Baustoffen zulässig, wenn diese Flächen feuerbeständig sind, der Brandschutz gesichert ist und Rettungswege nicht gefährdet werden. Die mit Wirkung vom 1. Januar 1998 (vgl. GVBl 1997 S. 433) eingeführte Erleichterung gegenüber den Vorläuferbestimmungen (vgl. bereits Art. 32 Abs. 5 BayBO 1962) bestand darin, dass auf die Notwendigkeit einer Gestattung im Einzelfall verzichtet wurde; ansonsten blieb der Wortlaut der Vorschrift mehr als 45 Jahre unverändert.
Die am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Bauordnungsnovelle hat den Text der nun in Art. 28 Abs. 9 BayBO enthaltenen Vorschrift gestrafft und den Anwendungsbereich dieser gesetzlichen Ausnahmeregelung auf innere Brandwände beschränkt. Einen Grund für diese Einschränkung nennt die Begründung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung nicht; der neue, Brandschutzverglasungen zulassende Absatz 9 „entspreche in der Zielrichtung Art. 31 Abs. 10 a. F.“ (vgl. LT-Drs. 15/7161 vom 15.1.2007, § 1 Nr. 20 und Zu § 1 Nr. 20 S. 49). Die dargestellte Historie legt den Schluss nahe, dass der Gesetzgeber mit den zuletzt vorgenommenen Änderungen hinsichtlich der Zulässigkeit von Verglasungen in äußeren Brandwänden lediglich den vom 1. Oktober 1962 bis zum 31. Dezember 1997 ununterbrochen geltenden Rechtszustand wieder herstellen wollte, wonach dafür eine Zulassung im Einzelfall („können gestattet werden“) erforderlich ist.
Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht nicht zuletzt, dass die Bayerische Bauordnung anlässlich der Umsetzung des Brandschutzkonzepts der überarbeiteten Musterbauordnung in Landesrecht (vgl. LT-Drs. 15/7161 Zu § 1 Nr. 20, v.a. S. 46 bis 50) bei den brandschutztechnischen Anforderungen in zahlreichen Einzelfällen Erleichterungen eingeführt hat. So wurde etwa zusätzlich zu den bisherigen beiden Kategorien für die Feuerwiderstandsfähigkeit von Bauteilen (Art. 28 Abs. 1 BayBO 1998: feuerbeständig bzw. feuerhemmend, F 90 bzw. F 30) eine dritte, dazwischen liegende Anforderungsstufe (Art. 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayBO: hochfeuerhemmend, F 60) eingeführt und der – ebenfalls neuen – Gebäudeklasse 4 (Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, Satz 2 BayBO: Oberkante des Fußbodens von Aufenthaltsräumen bis zu 13 m, Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 m²) zugeordnet. Die Ausnahmen von der Forderung, dass Brandwände aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen müssen, wurden deutlich erweitert. Nach Art. 31 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 BayBO 1998 waren bei Wohngebäuden geringer Höhe (Art. 2 Abs. 3 Satz 1 BayBO 1998: Gebäude, bei denen der Fußboden keines Geschosses, in dem Aufenthaltsräume möglich sind, an einer Stelle mehr als 7 m über der Geländeoberfläche liegt) feuerbeständige Wände zulässig. Jetzt lässt Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BayBO bei allen Gebäuden bis zu einer Fußbodenoberkantenhöhe von 7 m über der Geländeoberfläche im Mittel (Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BayBO: Gebäudeklasse 3) hochfeuerhemmende Wände genügen.
4.2 Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass ihr Antrag positiv beschieden wird.
4.2.1 Soll von einer bautechnischen Anforderung abgewichen werden und kann der mit der gesetzlichen Regelung verfolgte Zweck auch auf andere Weise erfüllt werden, weil der Bauherr eine gleichwertige Lösung plant, bedarf die Abweichung im Allgemeinen keiner weiteren Rechtfertigung. Es genügt, dass der Normzweck auf andere Weise erfüllt werden kann. Kann der Schutzzweck der gesetzlichen Anforderung mit der vom Bauherrn verfolgten Planung nicht oder nur eingeschränkt verwirklicht werden, müssen im Einzelfall rechtlich erhebliche Umstände vorliegen, die das Vorhaben als einen von der Regel unterscheidbaren, atypischen Fall erscheinen lassen und dadurch eine Abweichung rechtfertigen können. Erweist sich die von der fraglichen Anforderung abweichende Planung als annähernd gleichwertig mit einer gesetzeskonformen Ausführung, sind an das Vorliegen eines atypischen Falls geringe Anforderungen zu stellen (zum Ganzen: Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 63 Rn. 10 bis 12).
Gemessen daran ist eine Abweichung hier grundsätzlich gerechtfertigt. Der in Rede stehende Einbau eines feuerbeständigen, 0,80 m² großen Glaselements in die Außenwand des Baudenkmals bringt in Bezug auf den bisher durch diese Wand vermittelten Brandschutz – wenn überhaupt – keine ins Gewicht fallende Verschlechterung der Situation mit sich. Eine andere Möglichkeit, die Lichtverhältnisse in dem grundsätzlich zu Aufenthaltszwecken geeigneten Raum im zweiten Obergeschoss des Baudenkmals wenigstens geringfügig zu verbessern, gibt es nicht. Die beengte Lage innerhalb der dicht und vielfach grenzständig bebauten historischen Innenstadt von Regensburg ist vorgegeben.
4.2.2 Mit in den Art. 28 Abs. 9 BayBO enthaltenen, einschränkenden Bestimmungen über die einzelerlaubnisfreie Zulässigkeit von Verglasungen in inneren Brandwänden bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass er in Brandwänden fest eingebaute Glasteile („feuerbeständige Verglasungen“) den Bauteilen nicht als völlig gleichwertig ansieht, die durchgängig aus anderen, wenn auch verschiedenen (vgl. bezüglich hochfeuerhemmend: Art. 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Satz 3 Nr. 2 BayBO) Baustoffen bestehen. Denn diese Verglasungen sind in inneren Brandwänden kraft Gesetzes nur zulässig, wenn sie auf die für die Nutzung erforderliche Zahl und Größe beschränkt bleiben. Nach fachlicher Einschätzung können feuerbeständige Verglasungen nicht widerstandfähig gegen mechanische Beanspruchung sein, weshalb die Funktion der Brandwand im Bereich der Verglasungsfläche geschwächt wird (vgl. Famers in Molodovsky/Famers/Kraus, a. a. O., Rn. 133). Die Erteilung einer Abweichung für den Einbau von Verglasungen in eine äußere Brandwand kommt deshalb in Bezug auf ihre Zahl und Größe nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht.
Im vorliegenden Fall spricht für eine Zulassung einer weniger als 1 m² großen Verglasung neben der geringen Größe auch der Umstand, dass dieses Bauteil selbst mit seinen Eigenschaften (F 90) die vom Gesetz an die Brandwand eines Neubaus vor Ort allgemein aufgestellten Anforderungen übertrifft. Die Regelanforderung des Art. 28 Abs. 3 Satz 1 BayBO, wonach Brandwände auch unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung feuerbeständig sein und aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen müssen, wird für die Gebäudeklasse 4 durch Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BayBO abgeschwächt. Hier genügen Wände, die unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung hochfeuerhemmend (F 60) sind.
Inwiefern der von der Klägerin zuletzt erwogene Einbau eines festen, feuerbeständigen Glaselements die Standfestigkeit der Südwand des Hauses im Brandfall insgesamt sollte schwächen können, ist weder ersichtlich, noch wurde dafür etwas vorgetragen. Es ist ferner nicht anzunehmen, dass die Verwirklichung des in seinen Abmessungen im Verhältnis zur gesamten Wand äußerst kleinen Vorhabens zu einer mehr als nur ganz geringfügigen und deshalb zu vernachlässigenden Schwächung der Brandschutzfunktion der vorhandenen Wand führt.
4.2.3 Die Einwände der Beigeladenen gegen das Vorhaben sind nicht stichhaltig. Die Baumaßnahme führt nicht zu neuen, bisher nicht vorhandenen Einblicksmöglichkeiten in den Innenhof ihres Grundstücks oder in die Fenster ihres rechtwinklig an das Baudenkmal angebauten Wohnhauses. Der Behauptung, nach dem Einbau könnte in diesem Bereich auf dem eigenen Grundstück nicht mehr angebaut werden, kann gegenwärtig nicht näher nachgegangen werden, weil die Beigeladenen keine konkreten Planungsabsichten geäußert haben. Über die öffentlichrechtliche Pflicht der Klägerin zur Duldung eines Grenzanbaus ist zu gegebener Zeit nach den Grundsätzen über das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot zu entscheiden (vgl. BayVGH, U. v. 27.11.1992 – 14 B 91.3209 – juris Rn. 25; U. v. 16.7.1997 – 2 B 96.201 – juris Rn.19). Im Übrigen ergeht die Baugenehmigung gemäß Art. 68 Abs. 4 BayBO unbeschadet der privaten Rechte Dritter.
Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass sich in der zum Innenhof ausgerichteten Westfassade des Hauses der Beigeladenen großflächige Fenster befinden, die für sich gesehen nicht mit den Anforderungen zu vereinbaren sind, die Art. 28 Abs. 6 BayBO an die Entfernung solcher Öffnungen von der inneren Ecke zweier Gebäude stellt, die in einem Winkel von 120 Grad oder kleiner zueinander stehen. Gegenwärtig profitieren die Beigeladenen von der Ausnahmeregel des Art. 28 Abs. 6 Halbs. 2 Alt. 2 BayBO, die es ausreichen lässt, wenn eine der betroffenen Wände – hier die des Hauses der Klägerin – als öffnungslose, hochfeuerhemmende Wand ausgebildet ist.
5. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 DSchG ist die Veränderung eines Baudenkmals erlaubnispflichtig. Die Erlaubnis nach dem Denkmalschutzgesetz entfällt gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 1 DSchG, wenn eine Baugenehmigung erforderlich ist. Das ist hier der Fall (vgl. oben unter 2.). Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO erstreckt den Prüfumfang im Baugenehmigungsverfahren auf den mit dem Vorhaben verbundenen denkmalrechtlichen Erlaubnistatbestand.
Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG kann die Erlaubnis versagt werden, soweit gewichtige Gründe des Denkmalschutzes die für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. In Bezug auf das äußere Erscheinungsbild der Wand sind keine Gesichtspunkte hervorgetreten, die dem beabsichtigten Einbau der streitigen Verglasung entgegengehalten werden könnten. Für die Entfernung des vorhandenen Mauermaterials im Bereich des Vorhabens dürfte nichts anderes gelten. Art. 1 Abs. 1 DSchG verlangt als zentrale Norm des Denkmalrechts, dass die Erhaltung der entsprechenden Gegenstände aus vergangener Zeit wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt. Der Eingriff in die vorhandene Substanz erscheint marginal; Gründe dafür, weshalb es im öffentlichen Interesse geboten sein könnte, dass das vorhandene Mauerwerk in einem derart geringen Umfang nicht entfernt und gegen ein Glaselement ausgetauscht wird, sind nach Lage der Dinge zumindest gegenwärtig nicht erkennbar. Eine messbare Beeinträchtigung der Denkmaleigenschaft des Gebäudes insgesamt ist mit dieser Maßnahme nicht verbunden.
Ungeachtet dessen muss die Beklagte die bisher unterbliebene Befunduntersuchung noch nachholen.
6. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits in der ersten Instanz. Die Beklagte und die Beigeladenen tragen als Unterlegene die Kosten des Rechtstreits in der zweiten Instanz je zur Hälfte, die Beigeladenen haften als Gesamtschuldner, § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3, § 159 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
7. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder der Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligen, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt, § 52 Abs. 1 GKG.


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