Baurecht

Einbau von Kunststofffenstern in ein Gebäude innerhalb eines denkmalgeschützten Ensembles

Aktenzeichen  AN 9 K 19.01350

Datum:
25.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 38187
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDSchG Art. 6 Abs. 1 S. 3, Abs. 2

 

Leitsatz

1. Der Schutzanspruch des Ensembles ist nicht geringer als der für Einzeldenkmäler, auch wenn er stärker und vorrangiger auf das Erscheinungsbild zielt, das die Bedeutung vermittelt und in seiner Anschaulichkeit zu bewahren ist. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Austausch von Fenstern an einem Anwesen, das selbst kein Baudenkmal ist, kann sich auf das Erscheinungsbild eines Ensembles deutlich auswirken. Fenster und Türen stellen „die Augen“ des Gebäudes dar und prägen das äußere Erscheinungsbild als wesentliche gestalterische und gliedernde Merkmale maßgeblich. (Rn. 41 – 42) (redaktioneller Leitsatz)
3. Vorbelastungen durch bereits bestehende Kunststofffenster innerhalb eines Ensembles schmälern nicht die Schutzwürdigkeit des Ensembles oder rechtfertigen weitere gleichartige Beeinträchtigungen. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der unbestimmte Rechtsbegriff der „gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes“ ist vom Gericht uneingeschränkt überprüfbar und aus verfassungsrechtlichen Gründen im Sinne von „überwiegenden Gründen“ auszulegen. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

A.
Streitgegenstand vorliegender Klage ist das Begehren der Klägerin, die Beklagte zur Erteilung der denkmalrechtlichen Erlaubnis für das Bauvorhaben „Einbau von Kunststofffenstern“ auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung … zu verpflichten, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über den klägerischen Antrag neu zu entscheiden.
B.
Die zulässige Klage ist im Hauptantrag unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis zum Einbau von Kunststofffenstern auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 13. Juni 2019 nach pflichtgemäßem Ermessen zu Recht abgelehnt (§ 114 VwGO). Der Bescheid der Beklagten ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
1.
Der Einbau von Kunststofffenstern in das streitgegenständliche Anwesen bedurfte einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 DSchG.
1.1
Zwar ist der Einbau von Fenstern nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 d) BayBO verfahrensfrei. Dies entbindet aber gem. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 letzter Hs. BayBO gerade nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an die baulichen Anlagen gestellt werden.
1.2
Es handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Anwesen nicht um ein eigenständiges Denkmal, es liegt aber unstreitig im Bereich des in die Denkmalliste eingetragenen Ensembles „Altstadt“ (Art. 1 Abs. 3 DSchG). Gem. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 DSchG bedarf aber auch die Veränderung eines Ensembles einer Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 DSchG, wenn die Veränderung sich auf das Erscheinungsbild eines Ensembles auswirken kann.
Der Schutzanspruch des Ensembles ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht geringer als der für Einzeldenkmäler, auch wenn er stärker und vorrangiger auf das Erscheinungsbild zielt, das die Bedeutung vermittelt und in seiner Anschaulichkeit zu bewahren ist (BayVGH, U.v. 3.1.2008 – 2 BV 07.760 – juris Rn. 18 m.w.N).
1.3
Der Einbau von Kunststofffenstern in das streitgegenständliche Anwesen stellt auch eine nach Art. 6 Abs. 1 DSchG erlaubnispflichtige Änderung dar.
1.3.1
Insbesondere ist nicht darauf abzustellen, dass bereits zuvor Kunststofffenster eingebaut waren; diese waren gerade nicht aufgrund einer Genehmigung eingebaut und vermögen somit keinerlei Bindungswirkung zu entfalten. Es ist daher bezüglich der Frage, ob eine Änderung vorliegt, auf einen Vergleich mit dem ursprünglichen Zustand des Gebäudes – Ausstattung mit Holzfenstern – abzustellen.
1.3.2
Der Austausch von Fenstern an einem Anwesen, das selbst kein Baudenkmal ist, kann sich auf das Erscheinungsbild eines Ensembles deutlich auswirken (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 29.2.2016 – 9 ZB 15.1134 – juris Rn. 5).
1.3.2.1
Dies ist damit zu begründen, dass die Fenster und Türen „die Augen“ des Gebäudes darstellen und das äußere Erscheinungsbild als wesentliche gestalterische und gliedernde Merkmale maßgeblich prägen (vgl. Martin/Spennenmann in Eberl/Martin/Spennemann, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 2016, Art. 6 Rn. 86). Eine Auswirkung auf das Ensemble ist unter anderem dann gegeben, wenn unter dem Gesichtspunkt der Materialgerechtigkeit der Kunststoffcharakter der eingebauten Fenster im Vergleich zu Holzfenstern deutlich erkennbar ist (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 29.2.2016 – 9 ZB 15.1146 – juris Rn. 5).
1.3.2.2
Der durchgeführte Einbau der Kunststofffenster stellt zweifellos eine Änderung dar, die sich auf Grund ihrer Gestaltung sowie des verwendeten Materials auf das Erscheinungsbild des Ensembles, wie es in der Denkmalliste niedergelegt wurde und auch weitgehend heute noch in der relevanten Umgebung des Nahbereichs um das klägerische Anwesen herum erhalten ist – so das Ergebnis des durchgeführten Augenscheins -, auswirken kann. Die eingebauten Kunststofffenster werden sich nach den plausiblen und nachvollziehbaren Aussagen der Fachbehörde mit zunehmendem Zeitablauf immer stärker von den natürlichen Fassadenmaterialien unterscheiden, da sich gerade nicht altern, sondern nur verschmutzen. Zudem weisen sie konstruktionsspezifische Details wie beispielsweise Regenschutzschienen auf, die sie grundsätzlich von handwerklichen Holzfenstern unterscheiden.
Soweit in der näheren Umgebung bereits Kunststofffenster anzutreffen sind, handelt es sich vorrangig um Gebäude, die aus den 1970er Jahren stammen, so dass sich die Kunststofffenster für diese Gebäude als bauzeitlich darstellen. Überdies schmälern auch Vorbelastungen durch bereits bestehende Kunststofffenster innerhalb des Ensembles gerade nicht die Schutzwürdigkeit des Ensembles oder rechtfertigen weitere gleichartige Beeinträchtigungen (vgl. hierzu VG München, U.v. 25.6.2019 – M 1 K 17.1445 – juris Rn. 26).
Eine Erlaubnispflicht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 DSchG ist daher gegeben.
2. Der klägerseits bereits vorgenommene Einbau von Kunststofffenstern ist auch nicht nachträglich erlaubnisfähig, da gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen.
2.1
Der unbestimmte Rechtsbegriff der „gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes“ ist vom Gericht uneingeschränkt überprüfbar (BayVGH, U.v. 27.9.2007 – 1 B 00.2474 – juris Rn. 70) und aus verfassungsrechtlichen Gründen im Sinne von „überwiegenden Gründen“ auszulegen (vgl. BayVGH, aaO. Rn. 87 ff.). Die Erlaubnis darf nur versagt werden, wenn die Gründe, die für die mit dem Denkmalschutz grundsätzlich bezweckte, möglichst unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen, so viel Gewicht haben, dass sie die für das Vorhaben streitenden öffentlichen und privaten Belange überwiegen.
Maßgeblich für die Beurteilung der gewichtigen Gründe sind die Umstände des Einzelfalls, wobei zunächst die Bedeutung des Denkmals zu ermitteln ist (vgl. VG Ansbach, U.v. 19.3.2015 – AN 9 K 15. 00179 – juris Rn. 47).
Das streitgegenständliche Anwesen ist Bestandteil des Ensembles Altstadt der Beklagten, dem eine überregionale Bedeutung zukommt. Aus denkmalpflegerischer Sicht sind Kunststofffenster mit dem Charakter des denkmalgeschützten Ensembles grundsätzlich nicht vereinbar, sofern nicht – wie etwa bei modernen Gebäuden, die bereits bauzeitlich mit Kunststofffenstern errichtet wurden – fachliche Argumente für die Kunststofffenster sprechen. Nach Angaben des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege ist die Forderung nach Materialgerechtigkeit bei Fenstern im denkmalgeschützten Bestand bayernweit einheitlicher Standard. Die Materialgerechtigkeit ist grundsätzlich nur durch traditionelle Materialien wie Holz gewahrt. Die Beklagte hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass 2015 in einem Leitfaden der Behörde festgelegt worden sei, dass zur Herstellung des bauzeitlichen Zustandes im Ensemblebereich keine Kunststofffenster mehr zugelassen werden sollen, sofern diese sich nicht als bauzeitlich darstellten oder es sich um einen Neubau handele. Die Beklagte verfolgt somit ein schlüssiges, an denkmalfachlichen Maßstäben orientiertes Konzept, das dem Ensembleschutz Wirkung und Durchsetzungskraft verleiht (vgl. hierzu vgl. VG Ansbach, U.v. 19.3.2015 – AN 9 K 15. 00179 – juris Rn. 48).
Auch aufgrund der beim Augenschein gewonnen Erkenntnisse gelangt die Kammer zu der Überzeugung, dass die klägerseits eingebauten Kunststofffenster im konkreten Einzelfall unter dem Gesichtspunkt der Denkmalverträglichkeit einen nach Art und Intensität erheblichen Eingriff in das Erscheinungsbild des denkmalgeschützten Ensembles darstellen. Dieser Eindruck wird gestützt durch die nachvollziehbaren fachlichen Ausführungen der Denkmalfachbehörden, auf die auch in den Bescheidsgründen Bezug genommen wird. Wie schon erörtert, beeinträchtigt der Einbau von Kunststofffenstern nach der Auffassung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege Denkmäler und damit auch Ensembles nachhaltig negativ. Die von den Klägern eingebauten Kunststofffenster stehen insbesondere im Widerspruch zu dem Gebot der Materialgerechtigkeit (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 9.8.1996 – 2 B 94.3022 – BayVBl. 1997, 633).
Das klägerische Vorhaben erweist sich somit in seiner konkreten Ausführungsart als denkmalunverträgliche Veränderung.
2.2
Die Beklagte hat auch das ihr eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt (§ 114 VwGO).
Die Entscheidung, dass gewichtige Gründe des Denkmalschutzes die Interessen der Klägerin überwiegen, ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat die Nutzungsinteressen der Klägerin erkannt, ihnen allerdings gegenüber dem Erhaltungsgebot des Denkmalschutzgesetzes den Nachrang eingeräumt. Auch die der Klägerin entstehenden Mehrkosten sowie die bestehenden Mietverträge wurden im Wege einer schriftsätzlich sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung erfolgten Ergänzung der Ermessenserwägungen (§ 114 Satz 2 VwGO) in die Abwägung eingestellt und in nicht zu beanstandender Weise mit den Interessen und Belangen des Denkmalschutzes abgewogen.
Es gilt auch zu berücksichtigen, dass sich die Holzfenster im Vergleich zu Kunstofffenstern nicht als derart kostenintensiver darstellen, dass die Forderung nach denkmalverträglichen Fenstern als unverhältnismäßig erscheint. So entstehen nach Angaben der Klägerin Mehrkosten von ca. 17.300 EUR, was bezogen auf die Größe, die Lage und den damit einhergehenden Gebäudewert durchaus den Rahmen des Hinnehmbaren wahrt (vgl. VG Ansbach, U.v. 19.3.2015 – AN 9 K 15.00179 – juris Rn. 56).
Zudem wurde der Einbau der Fenster bereits vor einer abschließenden Entscheidung der Beklagten vorgenommen. Die Tatsache, dass mit Antrag vom 13. Februar 2019 eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis beantrag wurde, zeigt gerade, dass die Klägerin sich der denkmalschutzrechtlichen Relevanz durchaus bewusst war. Dass sie dennoch das Risiko eines Einbaus ohne vorliegende Erlaubnis eingegangen ist, ist ein von ihr allein zu vertretender Umstand.
Sowohl die Fenster auf der Straßenseite als auch die Fenster auf der Hofseite sind nach den Lichtbildern und den beim Augenschein gewonnenen Erkenntnissen vom öffentlichen Straßenraum aus zu erkennen, so dass sich auch unter dem Gesichtspunkt, dass durch die Beklagte nicht zwischen den beiden Gebäudeseiten differenziert wurde, kein Ermessensfehler ergibt.
Auch unter Heranziehung des Gleichbehandlungsgrundsatzes lässt sich kein Anspruch auf Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis ableiten. Eine entsprechende Ermessensbindung lässt sich weder aus den von der Klägerin angeführten Bezugsfällen noch aus sonstigen Umständen herleiten. Wie der gerichtliche Augenschein ergeben hat, ist zwar nur ein Teil der sich im relevanten Nahbereich zum klägerischen Anwesen befindlichen Häuser mit Holzfenstern ausgestattet. So weisen die in der …, …, … und … befindlichen Häuser zur Straßenseite hin Holzfenster auf. Diese vorgenannten Anwesen können deshalb nicht als Vergleichsfälle herangezogen werden. Die mit Kunststofffenstern versehenen Gebäude sind ebenfalls nicht mit dem Anwesen der Klägerin vergleichbar, da die Kunststofffenster nach den Angaben der Beklagtenvertreter zum Teil in den siebziger und achtziger Jahren ohne Genehmigung eingebaut wurden (so z. B. …und **) oder die Gebäude nicht aus der historischen Zeit des Wiederaufbaus stammen, sondern aus den siebziger Jahren und damals bereits Kunststofffenster genehmigt wurden, so beispielsweise das Anwesen in der … … bei dem zuletzt im Jahr 2019 der Einbau von Kunststofffenstern genehmigt wurde.
Letztmalig wurde im Jahr 2009 im Gebäude …, das im Jahr 1957 genehmigt worden war, der Einbau von Kunststofffenster und damit eine Abweichung vom bauzeitlichen Zustand seitens der Beklagten genehmigt. Nach den glaubhaften und nicht substantiiert bestrittenen Angaben der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung am 25. November 2020 wurde jedoch der Leitfaden aus dem Jahr 2015, basierend auf der Initiative des Landesamtes für Denkmalpflege, wonach keine Kunststofffenster mehr in den Bereichen zugelassen werden, bei denen der bauzeitliche Zustand gleichwertig wiederhergestellt werden soll, seit 2016 konsequent umgesetzt.
Die angestellten Ermessenserwägungen genügen damit den gesetzlichen Vorgaben. Der Hauptantrag ist somit als unbegründet abzulehnen.
C.
Gleiches gilt für den hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Neuverbescheidung. Insoweit ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen.
D.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin, § 154 Abs. 1 VwGO.


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