Baurecht

Einfügen in die nähere Umgebung und Gebäude als singuläre Ausreißer

Aktenzeichen  M 1 K 16.5374

Datum:
24.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Als Gebäude, die hinsichtlich des „Maßes der baulichen Nutzung“ nicht mehr als prägend angesehen werden können und deshalb auszusondern sind, können nur solche baulichen Anlagen angesehen werden, die nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen. Hierzu wäre es erforderlich, dass es sich um eine singuläre Anlage handelt, die in einem auffälligen Kontrast zur übrigen Bebauung steht. Ein solches Unikat ist umso eher anzunehmen, je einheitlicher die nähere Umgebung im Übrigen baulich genutzt ist.  (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Oktober 2016 verpflichtet, der Klägerin einen positiven Vorbescheid zur Frage 1 des Vorbescheidsantrags vom … April 2016 zu erteilen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf die positive Beantwortung der Vorbescheids-frage 1 zum Vorbescheidsantrag vom … April 2016. Die negative Beantwortung dieser Frage im Bescheid vom 25. Oktober 2016 ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist nach der Klarstellung durch den Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 2017 lediglich die Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 25. Oktober 2016 und die Verpflichtung der Beklagten zur positiven Beantwortung der Vorbescheidsfrage 1 im Vorbescheidsantrag vom … April 2016. Die mit dem Vorbescheidsantrag vom … April 2016 neben der Frage 1 begehrte Klärung der Stellplatzpflicht in Frage 2 ist nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens.
Da die Beklagte im Bescheid vom 25. Oktober 2016 keine Sachentscheidung zu Frage 2 getroffen hat, sondern angesichts der Verneinung von Frage 1 von einem fehlenden Sachbescheidungsinteresse ausging, ist in der Klarstellung des Streitgegenstands durch die Erklärung des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 2016 keine teilweise Klagerücknahme zu sehen, sondern die bloße Klarstellung, dass lediglich eine Entscheidung über die Frage zu treffen ist, die auch Gegenstand des angefochtenen Bescheides war.
Das Gericht versteht die Frage 1 des Vorbescheidsantrages vom … April 2016 in der Weise, dass damit die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des mit den Antragsunterlagen dargestellten Vorhabens hinsichtlich Art und Maß der baulichen Nutzung geklärt werden soll. Durch die Verwendung der Begrifflichkeit „Art und Maß der baulichen Nutzung“ aus § 34 Abs. 1 BauGB ist ersichtlich, dass die Vorbescheidsfrage sich ausschließlich auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit hinsichtlich dieser Kriterien bezieht, nicht jedoch auch auf bauordnungsrechtliche Fragen.
Nachdem die Beklagte bereits im streitgegenständlichen Bescheid vom 25. Oktober 2016 ausdrücklich ausgeführt hat, dass das Vorhaben hinsichtlich der Art der Nutzung bauplanungsrechtlich zulässig ist, bedarf es hierzu keiner weiteren Ausführungen des Gerichts, das die Einschätzung der Beklagten teilt.
Zu klären war daher lediglich die Zulässigkeit des Vorhabens hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung.
2. Das Vorhaben ist im Rahmen der gestellten Vorbescheidsfrage hinsichtlich des Maßes der Nutzung bauplanungsrechtlich zulässig.
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit bestimmt sich vorliegend nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Hiernach ist innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Das Maß der geplanten Nutzung ist bei Betrachtung des maßgeblichen Umgriffs (2.1) und des durch die dort vorhandene Bebauung vorgegebenen Rahmens (2.2) noch im Bereich dessen, was die Umgebungsbebauung vorgibt (2.3). Jedenfalls werden von dem Vorhaben keine bodenrechtlichen Spannungen ausgelöst (2.4).
2.1 Maßgeblicher Bereich und damit nähere Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB für das Maß der baulichen Nutzung ist im vorliegenden Fall der Straßenzug beidseits der F* …straße – beginnend mit dem Grundstück FlNr. 298 (* …hof, F* …str. 17) im Westen bis zum Grundstück FlNr. 319 (F* …str. 41) im Osten sowie die diesen Gebäuden gegenüberliegende Straßenseite vom Grundstück FlNr. 395/1 bis zum Grundstück FlNr. 365.
Als nähere Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der umliegende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder doch beeinflusst (BayVGH, U.v. 12.12.2013 – 2 B 13.1995 – juris Rn. 15 m.w.N.). Die Grenzen sind nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation zu bestimmen. Dabei ist die nähere Umgebung für jedes der Merkmale des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gesondert zu ermitteln, weil die wechselseitige Prägung unterschiedlich weit reichen kann.
Aufgrund dieser Vorgaben und nach dem beim Augenschein gewonnenen Eindruck ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass das Baugrundstück hinsichtlich des Maßes der Nutzung von dem vorstehend genannten Bereich geprägt wird. Es besteht in diesem Bereich eine zusammenhängende, weitgehend geschlossene Bebauung, die einen einheitlichen Straßenzug ohne deutliche Zäsur bildet.
Die nähere Umgebung zur Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung beinhaltet insbesondere auch das Grundstück FlNr. 298, das mit dem …hof bebaut ist. Auch dieses Gebäude wirkt optisch auf das Baugrundstück und ist Teil der Straßenzeile, die mit dem Baugrundstück einheitlich zu beurteilen ist. Die Einbeziehung dieses Gebäudes folgt insbesondere daraus, dass in der Bebauung – ausgehend vom Baugrundstück bis zum Ende der F* …straße – keine Zäsur feststellbar ist, die es rechtfertigt, diese Gebäudefront zu unterbrechen. Zwar ist der …hof – anders als die östlich davon gelegenen Gebäude – nicht mehr unmittelbar an das jeweilige Nachbargebäude in der F* …straße angebaut. Gleichwohl bilden die Gebäude an dieser Seite der F* …straße ein zusammengehöriges Straßenbild. Die in östlicher Richtung nach dem …hof befindliche Verkehrsfläche hat nur eine sehr geringe Breite und weist nach dem im Augenschein gewonnenen Eindruck keine besondere Verkehrsbedeutung auf. Es handelt sich vielmehr eher um einen Fußgängerbereich, der optisch eine mehr verbindende als trennende Wirkung zwischen dem …hof und dem Grundstück FlNr. 302/2 (im Folgenden: …mühle) hat. Diese verbindende Wirkung wird auch durch das Verhältnis der Baukörper beidseits dieser Verkehrsfläche zu ihrer Breite unterstrichen. Nachdem sowohl die …mühle als auch der …hof hohe und große Baukörper darstellen, tritt die dazwischen befindliche Freifläche deutlich in den Hintergrund.
Die Häuserzeile vom Baugrundstück bis zum …hof vermittelt durch die zwar unterschiedlichen, aber durchwegs stattlichen Baukörper einen Eindruck der Einheitlichkeit und Geschlossenheit. Eine Beschränkung auf die Häuserzeile bis zur so genannten …mühle lässt sich durch äußerlich erkennbare Merkmale nicht rechtfertigen. Eine Aussonderung des …hofs aus dieser einheitlichen Straßenansicht an der Nordseite der F* …straße ist auch durch eine von der Beklagten behaupteten Orientierung desselben zum …platz nicht gerechtfertigt. Zwar ist der …hof vom …platz aus deutlich und fast dominierend zu sehen. Gleiches gilt jedoch für die Nordseite der F* …straße in noch größerem Maße. Hier wird das Straßenbild der …-straße noch deutlicher vom …hof dominiert. Das Gebäude kann nicht allein deshalb aus der näheren Umgebung herausgenommen werden, weil es zugleich zum …platz hin orientiert ist. Eine Zugehörigkeit zu einem geschlossenen Ensemble „…platz“ war beim Augenschein nicht zu erkennen.
Eine Beschränkung des maßgeblichen Bereichs auf die Gebäude östlich des …hofs ist auch nicht aufgrund einer in diesem Bereich von der übrigen Bebauung abweichenden Bebauungsstruktur (ehemaliges Färber- und Handwerkerviertel) gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist in der Häuserzeile nördlich der F* …straße nicht ablesbar, dass sie Teil einer einheitlichen Bebauung durch historisch gewachsene Handwerkerhäuser wäre. Eine einheitliche Bebauungsstruktur mit einer solchen Prägung besteht nach dem Ergebnis des Augenscheins lediglich in der Bebauungszeile F* …str. 1 bis 15. Diese Zeile ist als einheitliche Wohnbebauung mit Nebenanlagen gleicher Ausführung erkennbar. Hier ist die geschichtliche Entwicklung auch in der Baustruktur noch ablesbar. Mit dieser Bebauungszeile ist jedoch die Häuserzeile nördlich der F* …straße vom …hof bis zum Baugrundstück nicht vergleichbar. Sowohl der Bestand auf dem Baugrundstück als auch die westlich angrenzenden Gebäude sind Mehrfamilienhäuser mit mehreren Geschossen. Sie unterscheiden sich deutlich von den kleineren, einheitlichen Häusern auf der gegenüberliegenden Straßenseite und bilden mit diesen kein bauliches Ensemble. Vielmehr ist die Bebauung nördlich der F* …straße – einschließlich des …hofs – zueinander besser abgestimmt als zu den südlich der F* …straße vorhandenen Gebäuden F* …straße 1 bis 15.
Diese Bebauungsstruktur nördlich der F* …straße setzt sich an dieser Straßenseite bis zum Grundstück FlNr. 319 fort. Erst dort besteht eine deutliche Freifläche, die als Zäsur erkennbar ist und die weitgehend geschlossene Bebauung nördlich der F* …straße abschließt.
Der Bereich südlich der F* …straße ist für den vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich und muss dementsprechend nicht genauer abgegrenzt werden. Die von dem Bauvorhaben beanspruchte Obergrenze des zulässigen Maßes der Nutzung wird allein durch die in der nördlichen Bebauungszeile vorhandene Bebauung gebildet.
2.2 Das Gebäude …hof kann nicht als so genannter „Ausreißer“ angesehen werden, der zwar zur näheren Umgebung zählt, aber bei der Beurteilung der prägenden Umgebung auszusondern wäre.
Als Gebäude, die hinsichtlich des „Maßes der baulichen Nutzung“ nicht mehr als prägend angesehen werden können und deshalb auszusondern sind, können nur solche baulichen Anlagen angesehen werden, die nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen. Mit anderen Worten wäre es erforderlich, dass es sich um eine singuläre Anlage handelt, die einem auffälligen Kontrast zur übrigen Bebauung steht. Ein solches Unikat ist umso eher anzunehmen, je einheitlicher die nähere Umgebung im Übrigen baulich genutzt ist (BVerwG, U.v. 15.2.1990 – 4 C 23.86 – juris Rn. 15). Ein solcher singulärer Charakter mit einer isolierten Stellung innerhalb des Straßenbildes nördlich der F* …straße ist dem …hof nicht beizumessen. Zwar handelt es sich um das größte Gebäude im Straßenbild der Nordseite der F* …straße. Es lässt sich angesichts der unterschiedlichen Baukörper jedoch nicht aus der Bebauungszeile nördlich der F* …straße ausgliedern. Allein der Umstand, dass es hinsichtlich seiner Gesamthöhe über die ansonsten vorhandene Bebauung hinausgeht, reicht nicht aus, um die bauliche Anlage als Unikat anzusehen. Auch bei den übrigen Gebäuden dieser Straßenseite handelt es sich um mehrgeschossige Gebäude mit erheblichen Wandhöhen. So wirkt etwa das Gebäude „F* …str. 23“ angesichts der großen Zahl von Dachgauben, die eng nebeneinander stehen, im Straßenbild 4-geschossig. Darüber geht der …hof zwar hinaus, da er neben 4 Geschossen noch ein Dachgeschoss mit einem steilen Dach aufweist. Es handelt sich dabei aber um Abweichungen, die angesichts der unterschiedlichen Bebauung in der F* …straße nur Ausprägungen des weiteren Rahmens der Baukörpergrößen bilden. Der …hof ist hinsichtlich der Bebauungsstruktur nicht so weit von dem ansonsten vorhandenen Rahmen entfernt, wie es für die Einstufung als „Ausreißer“ erforderlich wäre, wenngleich die Architektur einen erkennbar großbürgerlicheren Charakter aufweist, als diejenige des ehemaligen F* …viertels.
2.3 Die streitgegenständliche Planung fügt sich nach dem Maß der Nutzung gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die beschriebene nähere Umgebung ein.
Ein Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung ist nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen insbesondere auf solche Maße zu beziehen, die nach außen hin wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung leicht in Beziehung zueinander setzen lassen. Dies sind ihre absolute Größe nach Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung zusätzlich auch ihr Verhältnis zur Freifläche als vorrangige Bezugsgrößen (BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 17). Dabei bleibt das gesamte Erscheinungsbild und die dadurch entstehende, optisch maßstabsbildende Wirkung von entscheidender Bedeutung (BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 20)
Strittig sind im vorliegenden Fall lediglich die Geschossigkeit sowie die durch die Höhe des Baukörpers zum Ausdruck kommende absolute Größe desselben. Dabei ist zu beachten, dass die Übereinstimmung von Vorhaben und Referenzobjekten in nur einem Maßfaktor nicht genügt, weil sie dazu führen könnte, dass durch eine Kombination von Bestimmungsgrößen, die einzelnen Gebäude in der näheren Umgebung jeweils separat entnommen werden, Baulichkeiten entstehen, die in ihrer Dimension kein Vorbild in der näheren Umgebung haben (BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 20).
Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der geplante Baukörper aufgrund der absoluten Größe des …hofs auch noch im Rahmen der maßgeblichen Umgebungsbebauung.
Dies gilt ohne weiteres für die Höhe des Baukörpers. Der …hof weist nach den Angaben der Beklagten eine Wandhöhe von etwa 15 m auf. Durch das steile Dach erreicht das Gesamtgebäude nach den unwidersprochenen Angaben der Klägerin eine Gesamthöhe von ca. 20 m. Durch die Steilheit des Daches und die sowohl zur F* …straße als auch zum …platz hin bestehenden Quergiebel wirkt das Gebäude somit deutlich höher als die von der Beklagten bis zur Traufe angegebene Wandhöhe von 15 m. Es kann daher dahinstehen, ob die Wandhöhe des streitgegenständlichen Vorhabens bis zur Oberkante des Geländers der Dachterrasse im Terrassengeschoss oder bis zum Dach des Terrassengeschosses gemessen wird. Bei einem Vergleich der absoluten Baukörpergröße bleibt der geplante Baukörper mit einer Gesamthöhe von 15,50 m – hinsichtlich der Gebäudehöhe – hinter dem Rahmen, der durch den …hof gezogen wird, zurück.
Das Vorhaben fügt sich auch hinsichtlich seiner Geschossigkeit in den vorstehend beschriebenen Rahmen ein. Das streitgegenständliche Gebäude soll 5 Geschosse erhalten. Es geht mit dieser Geschossigkeit nicht über die bereits durch den …hof vorgegebene Geschossigkeit hinaus. Zwar sind beim …hof nur 4 Geschosse ohne Dachschräge zu erkennen. Er verfügt jedoch über ein Dachgeschoss, das durch Quergiebel und eine Gaube nach außen deutlich als Geschoss in Erscheinung tritt. Angesichts des hohen und steilen Daches ist das Dachgeschoss auch von außen erkennbar, auf nahezu der gesamten Grundfläche des Gebäudes nutzbar. Wegen im höheren Dachbereich sichtbaren Fenstern ist sogar zu vermuten, dass innerhalb des Dachgeschosses eine zweite Ebene existiert, die zumindest als Speicher nutzbar ist. Das Gebäude tritt nach außen jedenfalls fünfgeschossig in Erscheinung. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Dachgeschoss des …hofs um ein Vollgeschoss handelt. Bei der Beurteilung der Geschossigkeit zur Feststellung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung kommt es nicht auf die Feinheiten der landesrechtlichen Begriffe wie demjenigen des „Vollgeschosses“ an (BVerwG, B.v. 14.3.2013 – 4 B 49/12 – juris Rn. 5). Maßgeblich ist allein das, was nach außen hin wahrnehmbar in Erscheinung tritt.
Das geplante Gebäude geht nicht über die im …hof vorhandene Geschossigkeit hinaus, auch wenn das oberste Geschoss im geplanten Gebäude kein Dachgeschoss mit Satteldach ist. Das für das streitgegenständliche Gebäude vorgesehene zurückgesetzte Terrassengeschoss kann nicht anders beurteilt werden, als ein Dachgeschoss auf einem Gebäude mit geneigtem Dach, sofern das Bauvolumen im obersten Geschoss vergleichbar ist. Die optisch maßstabsbildende Wirkung erzielen die Maßbestimmungsfaktoren durch ihr gesamtes Erscheinungsbild (BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 20). Entscheidend ist daher nicht die Art der Ausführung des letzten Geschosses, sondern der Vergleich der vorhandenen Baukörpergrößen mit dem geplanten Bauvolumen. Die Geschossigkeit erhöht sich auch bei einem Dachgeschossausbau durch Dachgauben um ein Geschoss, sofern die neue Nutzung im Dachgeschoss durch die Fenster nach außen in Erscheinung tritt (BVerwG, a.a.O. Rn. 19). Eine solche Gestaltung kann folglich auch als Bezugsfall für neu hinzukommende Gebäude in der maßgeblichen Umgebung herangezogen werden (BVerwG, U.v. 14.03.2013 – juris Rn. 4). Deshalb kommt es nicht darauf an, ob ein Geschoss als Dach- oder Terrassengeschoss ausgebildet ist, sofern – wie hier – das Baukörpervolumen bei der Ausführung als Terrassengeschoss das Gesamtvolumen des in Bezug genommenen Gebäudes nicht überschreitet.
Nachdem der …hof auch bei einer Gesamtschau hinsichtlich der übrigen Maßfaktoren über die Maße des geplanten Gebäudes hinausgeht, bewegt sich die Planung damit im Rahmen der Umgebungsbebauung.
2.4 Ein Einfügen in die nähere Umgebung gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB wäre hinsichtlich des Maßes der Nutzung selbst dann gegeben, wenn der …hof bei der Beurteilung außer Acht gelassen würde oder entgegen der unter 2.3 vertretenen Auffassung kein Bezugsfall für die geplante Schaffung eines Terrassengeschosses wäre. Die geplante Bebauung würde jedenfalls keine bodenrechtlichen Spannungen auslösen.
Ein Vorhaben kann zulässig sein, auch wenn es den vorgegebenen Rahmen hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung überschreitet, wenn es weder selbst noch infolge einer nicht auszuschließenden Vorbildwirkung geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen (BayVGH, U.v. 14.12.2016 – 2 B 16.1574 – juris Rn. 62).
Solche bodenrechtlich beachtlichen Spannungen durch eine Vorbildwirkung des geplanten Baukörpers scheiden hinsichtlich der Geschossigkeit aus, weil diese in der maßgeblichen Umgebung bereits durch das Gebäude „F* …-straße 39“ angelegt ist. Der dortige Baukörper verfügt – jedenfalls Richtung Nord-Osten – über 5 Geschosse. Nach außen erkennbar ist über dem dritten Obergeschoss ein viertes, zurückgesetztes Obergeschoss vorhanden, das über raumhohe Fenster und einen Zugang zu einer Dachterrasse verfügt. Damit ist ein Vorbild für eine fünfgeschossige Bebauung vorhanden, auch wenn diese Geschossigkeit sich nur auf eine Gebäudeseite beschränkt (BayVGH, U.v. 30.07.2012 – 1 B 12.906 – juris Rn. 21).
Zwar hat das Gebäude F* …straße 39 nach den unwidersprochenen Angaben der Beklagten nur eine „theoretische Traufwandhöhe“ von etwa 14 m. Gleichwohl ist es an seiner Nord-Ostseite angesichts der Ausgestaltung des Daches als Satteldach mit dem streitgegenständlichen Gebäude in der Gesamthöhe vergleichbar. Auch wenn das Volumen des geplanten Gebäudes über das in der F* …straße 39 Vorhandene hinausgehen wird, ist bei der Realisierung des Vorhabens keine neue Vorbildwirkung im Hinblick auf die einzelnen Maßfaktoren zu erwarten. Künftige Planungen können insbesondere nicht beanspruchen, die Wandhöhe des geplanten Gebäudes (gemessen bis zum Dach des Terrassengeschosses) zu übernehmen und zugleich ein Satteldach zu realisieren. Ein solcher Baukörper würde über die vorhandene Bebauung hinsichtlich der Gesamthöhe hinausgehen und hätte in dem streitgegenständlichen Gebäude kein Vorbild. Nachdem die Gebäude im maßgeblichen Bereich regelmäßig nahezu die gesamte Grundstücksfläche beanspruchen, ist auch nicht zu befürchten, dass das Baukörpervolumen des streitgegenständlichen Gebäudes wegen der Kombination der geplanten Höhe und Geschossigkeit mit der Grundfläche des Gebäudes zu bodenrechtlichen Spannungen führt. Die Entstehung größerer Baukörper hinsichtlich des Gesamtvolumens wird durch die öffentlichen Verkehrsflächen und die Größe der privaten Grundstücksbereiche begrenzt.
Eine Verschärfung oder Begründung von städtebaulichen Spannungen lässt sich durch die Realisierung des 5. Geschosses und der geplanten Wandhöhe daher nicht begründen.
Nach alledem war der Klage in vollem Umfang stattzugeben.
Die Beklagte hat als unterlegene Partei gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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