Baurecht

Einheitliche Abwassergebühr aufgrund Frischwassermaßstabs

Aktenzeichen  B 4 K 15.522

Datum:
14.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BGS/EWS 2013 § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1
KAG Art. 2 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 4
BayWG BayWG Art. 18 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

Der modifizierte Frischwassermaßstab eignet sich grundsätzlich uneingeschränkt für die Gebührenbemessung des Abwassers, auch wenn zusätzlich Niederschlagswasser eingeleitet wird. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstrekkenden Betrages leistet.

Gründe

I.
Über die Klage konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten im Erörterungstermin zur Niederschrift ihr Einverständnis erklärt haben.
Die Klage, mit der der Kläger die Aufhebung des Abrechnungsbescheides über Benutzungsgebühren der Beklagten vom 12.01.2015 begehrt, soweit darin Abwassergebühren für das Jahr 2014 in Höhe von 282,00 EUR festgesetzt wurden, ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere konnte das Gericht darüber entscheiden, ohne dass das Landratsamt B. zuvor über den vor Erhebung der Klage am 23.01.2015 erhobenen Widerspruch entschieden hat. Denn zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts hat die Widerspruchsbehörde seit über einem Jahr und 10 Monaten, über den Widerspruch nicht entschieden, so dass die über sechs Monate nach Einlegung des Widerspruchs erhobene Klage gemäß § 75 Satz 1 und 2 VwGO als Untätigkeitsklage zulässig ist.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der Bescheid vom 12.01.2015, soweit er angegriffen wurde, rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen auf Grund einer besonderen Abgabensatzung, welche die Schuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab, den Satz der Abgabe sowie die Entstehung und Fälligkeit der Abgabenschuld bestimmen muss, Benutzungsgebühren erheben. Zu diesen Einrichtungen gehören auch öffentlich betriebene Entwässerungsanlagen.
Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte durch den Erlass ihrer BGS/EWS vom 22.03.2013 Gebrauch gemacht.
Nach Art. 8 Abs. 4 KAG sind die Gebühren in dem Ausmaß zu bemessen, in dem die Gebührenschuldner die öffentliche Einrichtung benutzen. Die Beklagte hat in § 10 Abs. 1 Satz 1 BGS/EWS 2013 bestimmt, dass die Einleitungsgebühr nach der Menge der Abwässer berechnet wird, die der Entwässerungseinrichtung von den angeschlossenen Grundstücken zugeführt wird. Als Abwassermenge gelten die dem Grundstück aus der Wasserversorgungseinrichtung und aus der Eigengewinnungsanlage zugeführten Wassermengen abzüglich der nachweislich auf dem Grundstück verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermengen, soweit der Abzug nicht ausgeschlossen ist (§ 10 Abs. 2 Satz 1 BGS/EWS 2013).
Diese Regelungen sind eine tragfähige Rechtsgrundlage für den darauf gestützten Bescheid vom 12.01.2015. Denn der Kläger dringt mit seinem Vorbringen nicht durch, die Bestimmungen seien unwirksam, weil die Beklagte für das Jahr 2014 eine gesplittete Abwassergebühr hätte einführen müssen.
Die im Streit stehenden Satzungsvorschriften beruhen auf dem modifizierten Frischwassermaßstab, dem die Überlegung zu Grunde liegt, dass je mehr Frischwasser bezogen wird, umso mehr Schmutzwasser der Entwässerungseinrichtung zugeführt wird. Er eignet sich grundsätzlich uneingeschränkt für die Gebührenbemessung des Abwassers, auch wenn zusätzlich Niederschlagswasser eingeleitet wird. Der damit verbundene Verzicht auf eine gesonderte Erhebung von Gebühren für die Einleitung des Niederschlagswassers im Entsorgungsgebiet ist jedoch nur dann unbedenklich, wenn die durch Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung geringfügig sind. Die Erheblichkeitsgrenze liegt dabei bei einem Anteil von 12 Prozent an den Gesamtkosten der Entwässerungseinrichtung, die der Gebührenkalkulation zugrunde liegen (BayVGH, U. v. 31.03.2003 – 23 B 02.1937 – BayVBl 2004, 20/20; st.Rspr.).
Nach der „Globalberechnung und Gebührenbedarfsberechnung“ der Beklagten von Februar 2013 (Seite 27) beträgt der Anteil der Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung aus Grundstücken im Jahr 2014 11,88% der Gesamtkosten der Entwässerungseinrichtung. Bei der Berechnung des Anteils wurden die Kosten der Straßenentwässerung von vornherein außen vor gelassen. Stattdessen wurden ausschließlich die auf die Benutzer der Einrichtung umlegbaren, gebührenfähigen Gesamtkosten der Entwässerungseinrichtung einbezogen. Zu diesen zählen die betriebsfremden Kosten der Straßenentwässerung nicht, sondern ausschließlich die Kosten der Grundstücksentwässerung Entgegen der Auffassung des Klägers hatte die Beklagte auch nach der Neuregelung des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs zum 01.03.2010 diese Vorgehensweise beizubehalten.
Zwar obliegt seither die Beseitigung des Niederschlagswassers, das von Bundesfernstraßen, Staatsstraßen oder von Straßen mit mehr als zwei Fahrstreifen eingeleitet wird, dem jeweiligen Straßenbaulastträger (Art. 18 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BayWG). Damit fällt nur noch die Beseitigung des Niederschlagswassers von Straßen mit zwei oder weniger Fahrstreifen unter den Gemeingebrauch.
Diese wasserrechtliche Gesetzesänderung hat jedoch keine Auswirkung darauf, dass die Kosten der Straßenentwässerung bei der Entscheidung der Beklagten über die Einführung einer gesplitteten Abwassergebühr von vornherein außen vor zu bleiben haben. Denn die Beklagte erhebt auf der Grundlage ihrer BGS/EWS Einleitungsgebühren nur für das Abwasser, das ihrer Entwässerungseinrichtung von den angeschlossenen Grundstücken der Gebührenpflichtigen zugeführt wird (§ 9 Abs. 1 Satz 1 BGS/EWS). Deshalb ist für die Frage, ob die Erheblichkeitsgrenze für den Niederschlagswasseranteil überschritten ist, auch nur auf die Grundstücksentwässerung abzustellen. Der nicht auf die Grundstückseigentümer umlegbare Straßenentwässerungsanteil hat demgegenüber gebührenrechtlich außer Betracht zu bleiben, unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die Beklagte zur Beseitigung des von den Straßen in ihrem Gemeindegebiet eingeleiteten Abwassers verpflichtet ist (auch für die Zeit nach dem 01.03.2010 in diesem Sinne Thimet in Thimet, Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Stand September 2016, Teil IV Art. 8 Frage 11 Ziff. 2; Stadlöder in Schieder/Happ, Bayerisches Kommunalabgabengesetz, Stand Juli 2015, Art. 8 Rn.65).
Die Kosten für die (Mit-)Benutzung der gemeindlichen Kanalisation für die Beseitigung des Niederschlagswassers, das von Straßen eingeleitet wird, kann die Beklagte anderen zuständigen Straßenbaulastträgern durch vertragliche Vereinbarung oder als Straßenentwässerungsgebühr aufbürden (Thimet, a.a.O. Teil IV, Art. 8 Frage 8 Ziff. 2.7). Soweit sie selbst Straßenbaulastträger ist, muss sie die Kosten dagegen aus allgemeinen Haushaltsmitteln aufbringen (Thimet, a.a.O. Teil IV, Art. 8 Frage 11 Ziff. 2).
Da der Kläger ausdrücklich keine weiteren Einwände gegen die dem Bescheid zugrundeliegenden Satzungsvorschriften erhoben hat, war die Überprüfung darauf zu beschränken und die Klage insgesamt abzuweisen.
II.
Als unterliegender Teil trägt der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO, § 711 ZPO.


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