Baurecht

Einzelfall einer unbegründeten Klage gegen Straßenausbaubeitrag

Aktenzeichen  6 B 18.114

Datum:
14.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14562
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 5 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

Bei einer beitragsfähigen Ausbaumaßnahme ist grundsätzlich auf die einzelne Ortsstraße als öffentliche Einrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 und 3 BayKAG abzustellen; zur Beurteilung von deren Beginn und Ende kommt es nicht auf Straßennamen oder Grundstücksgrenzen, sondern darauf an, inwieweit sich die zu beurteilende Straße als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßenbildes darstellt.  (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 4 K 16.146 2017-08-16 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 16. August 2017 – B 4 K 16.146 – abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet.
Der Ausbaubeitragsbescheid des Beklagten vom 8. Dezember 2014 ist auch in dem allein noch streitigen Umfang von insgesamt 657,50 Euro rechtmäßig und kann die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage ist insoweit unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung insgesamt abzuweisen.
Bei der abgerechneten Straßenbaumaßnahme handelt es sich, wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, unabhängig von ihrem konkreten Anlass um die Erneuerung und Verbesserung einer Ortsstraße, für die der Beklagte nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG sowie seiner Ausbaubeitragssatzung von den Eigentümern der bevorteilten Grundstücke, wozu auch das der Klägerin zählt, Straßenausbaubeiträge verlangen darf (und muss). Das Verwaltungsgericht hat allerdings die Ausdehnung der beitragsrechtlich maßgeblichen Einrichtung rechtsfehlerhaft gebildet und infolge dessen den Kreis der an der Aufwandsverteilung zu beteiligenden Grundstücke zu groß bemessen. Entgegen seiner Ansicht bilden der ausgebaute, etwa 100 m lange, in West-Ost-Richtung verlaufende Straßenzug des Marktplatzes und die in südliche Richtung zur E. Hauptstraße abzweigende Straße gleichen Namens keine einheitliche (T-förmige) Verkehrseinrichtung. Bei letzterer handelt es sich vielmehr um eine eigene, beitragsrechtlich selbstständige Ortsstraße, weshalb die an dieser gelegenen vier Grundstücke nicht an der Aufwandsverteilung für den Ausbau der in West-Ost-Richtung verlaufenden Ortsstraße „Marktplatz E.“ teilnehmen. Die Beitragsforderung des Beklagten ist daher auch in der noch strittigen Höhe nicht zu beanstanden.
Bei einer beitragsfähigen Ausbaumaßnahme ist grundsätzlich auf die einzelne Ortsstraße als die maßgebliche öffentliche Einrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG abzustellen. Wo eine solche Ortsstraße beginnt und wo sie endet, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Einrichtung als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. Deshalb hat sich der ausschlaggebende Gesamteindruck nicht an Straßennamen oder Grundstücksgrenzen, sondern ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise an der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und der Ausstattung mit Teileinrichtungen auszurichten (ständige Rechtsprechung, vgl. BayVGH, U.v. 28.1.2010 – 6 BV 08.3043 – juris Rn. 12; B.v. 24.11.2016 – 6 ZB 16.1476 – juris Rn. 8; m.w.N.). Zugrunde zu legen ist dabei der Zustand im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten, also nach Durchführung der Ausbaumaßnahme (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2015 – 6 CS 15.389 – juris Rn. 11).
Gemessen an diesem Maßstab stellen der etwa 100 m lange, in West-Ost-Richtung verlaufende (ausgebaute) Straßenzug einerseits und der nach Süden zur E. Hauptstraße führende Straßenast andererseits – trotz ihrer einheitlichen Bezeichnung als Marktplatz – zwei unterschiedliche beitragsrechtliche Einrichtungen dar. Das hat der vom Senat durchgeführte Augenschein ergeben.
Die erstgenannte Einrichtung, wie sie der Beklagte seiner Abrechnung zutreffend zugrunde gelegt hat, führt aus der Sicht eines objektiven Betrachters vom Einmündungsbereich im Westen (an der Kirche) in Richtung Osten, weitet sich nach etwa 35 m auf einer Länge von etwa 20 m trichterförmig auf (bis zu einer Breite von insgesamt 20 m) und verläuft dann nach einer nur geringfügigen Verschwenkung in nahezu gerader Richtung bis zur Einmündung in die H-straße im Osten. Weder die trichterförmige Aufweitung noch der Umstand, dass die Fahrbahnbreite in dem östlichen Teil der Straße etwas geringer ausfällt (4,20 m) als im westlichen Teil (5 m), zerstören den sich aus jedem Blickwinkel aufdrängenden Eindruck eines einheitlichen, durchgehenden Straßenzugs.
Im Vergleich dazu stellt sich der am östlichen Ende der trichterförmigen Aufweitung nach Süden abzweigende, mit leichtem Gefälle bergab zur E. Hauptstraße führende Straßenast nach dem im Augenscheintermin gewonnenen Eindruck als selbstständige Verkehrseinrichtung dar. Es handelt sich um ein etwa 50 m langes „Gässchen“, das im Bereich der Aufweitung beinahe im rechten Winkel von dem in West-Ost-Richtung verlaufenden Straßenzug abzweigt. Mit einer Fahrbahnbreite von nur 4 m bzw. 3,50 m ist er insgesamt deutlich schmaler als die abgerechnete Straße. Zudem verfügt er nur auf einem kurzen Stück von ca. 5 m über einen lediglich 0,50 m breiten Gehweg, was diesen Eindruck als eigenständiges Gässchen mit Verbindungsfunktion zur E. Hauptstraße noch verstärkt. Dagegen tritt die abzurechnende Anlage insgesamt als „Straße“ in Erscheinung, da sie vor und nach der trichterförmigen Aufweitung mit in etwa gleichbleibender Fahrbahnbreite nahezu gerade in West-Ost-Richtung verläuft. Die trichterförmige Aufweitung hat aus sämtlichen Blickwinkeln auch keine „verklammernde“ Wirkung, die den von West nach Ost verlaufenden Straßenzug mit dem nach Süden abzweigenden „Gässchen“ zu einer einzigen T-förmigen Verkehrseinrichtung verbinden könnte.
Handelt es sich demnach bei der nach Süden abzweigenden Straße um eine selbstständige Einrichtung, schließt das eine Teilnahme der an ihr gelegenen Grundstücke an der Aufwandsverteilung aus (vgl. BayVGH, U.v. 14.4.2011 – 6 BV 08.3182 – juris Rn. 20; B.v. 4.12.2014 – 6 ZB 13.431 – juris Rn. 8; U.v. 30.6.2016 – 6 B 16.515 – juris Rn. 17).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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