Baurecht

Entstehung der Pflicht zur Entrichtung des Straßenausbaubeitrags

Aktenzeichen  AN 3 K 19.00010

Datum:
31.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 20672
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 5

 

Leitsatz

Sofern eine Gemeinde in ihrer Straßenausbausatzung bestimmt hat, dass als Merkmal des Entstehens der Beitragsschuld auch der Grunderwerb gehört, führt allein eine Verfügungsbefugnis der Gemeinde nach Art. 13 BayStrWG noch nicht zum Entstehen der sachlichen Beitragspflicht. (Rn. 19 – 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2013 in Form des Abhilfebescheids vom 4. Mai 2016 und in der Form des Widerspruchbescheids vom 5. Februar 2018 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckund Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist hinsichtlich Ziffer 2 bereits unzulässig. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie auch begründet.
1. Der Antrag, die Beklagte zur Rückzahlung des bereits geleisteten Straßenausbaubeitrags zu verurteilen, ist unzulässig, da es am Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Voraussetzung für die Leistungsklage ist ein vorheriger Antrag bei der Beklagten auf Rückzahlung des geleisteten Beitrags, nachdem der streitgegenständliche Bescheid aufgehoben wurde. Erst bei Ablehnung der Rückzahlung durch die Beklagte entsteht ein Rechtsschutzbedürfnis für den hier gestellten Antrag. Mangels dieser Voraussetzungen war die Klage in Ziffer 2 bereits unzulässig (so auch BVerwG, U.v. 4. November 1976 – II C 59.73; VG München, U.v. 27. Juli 2006 – M 10 K 05.2557).
2. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2013 in der Fassung des Abhilfebescheids vom 4. Mai 2016 und des Widerspruchbescheids vom 5. Februar 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Straßenausbaubeitragsbescheid ist rechtswidrig, weil die abzurechnende Maßnahme noch nicht vollständig abgeschlossen war und deshalb die sachliche Beitragspflicht bislang noch nicht entstehen konnte. Es fehlt nach wie vor am vollständigen notwendigen Grunderwerb, den die Beklagte in ihrer Ausbaubeitragssatzung (ABS) als Merkmal des Entstehens der Beitragsschuld (sachliche Beitragspflicht) bestimmt hat, § 3 ABS in der Fassung vom 27. Januar 2003.
Für das Erschließungsbeitragsrecht hat das Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 9. August 2013 – Az. 9 B 31.13 Folgendes ausgeführt:
„Das Eigentum der Gemeinde an den Straßenflächen muss zwar nicht, darf aber als Herstellungsmerkmal in der Satzung angeordnet werden. Der Zweck des § 132 Nr. 4 BauGB, den betroffenen Bürgern die endgültige Herstellung der Erschließungsanlage möglichst eindeutig erkennbar zu machen, wird nicht gefährdet, wenn der Grunderwerb zum Herstellungsmerkmal erklärt wird. Denn er lässt sich anhand eines objektiven, eindeutig erkennbaren Kriteriums feststellen, nämlich der Eintragung im Grundbuch.“
(so auch VGH München, B.v. 4. März 2013 – 6 B 12.2097, für das Straßenausbaubeitragsrecht BayVGH, B.v. 10. April 2014 – 6 ZB 14.85; OVG Mecklenburg-Vorpommern, U.v. 27. Januar 2016 – 1 L 1/12).
Dieses Merkmal ist vorliegend nicht erfüllt.
Unstreitig hat die Beklagte das Eigentum an Grundstücken, die Teil der auszubauenden Maßnahme waren (Fl.-Nrn. … und …, Gemarkung …), nicht erlangt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten hat es auch eines Grunderwerbs und nicht nur einer Verfügungsbefugnis nach dem BayStrWG bedurft (dazu a.). Der Grunderwerb war nach Auffassung der Kammer auch notwendig im Sinne des § 3 ABS (dazu b.).
a. Bereits der Wortlaut des § 3 ABS lässt nicht den Schluss zu, dass für das Merkmal „Grunderwerb“ eine bloße Verfügungsbefugnis genügt. Grunderwerb bedeutet endgültiger Abschluss der Eigentumsübertragung mit Eintragung in das Grundbuch. Dass die Beklagte nicht Eigentümerin oben genannter Grundstücke ist, ist unbestritten und dies zeigen insbesondere Grundbuchauszüge.
Unabhängig hiervon kann aus Rechtsgründen keine korrigierende Auslegung dahingehend erfolgen, dass eine bloße Verfügungsbefugnis genügt (wie sie von der Beklagten ins Auge gefasst wird). Denn eine solche Auslegung würde dem Bestimmtheitsgebot widersprechen. Eine Merkmalsregelung, die im Wege der Interpretation ausgeweitet werden kann, wäre mit dem Gebot der Bestimmtheit nicht zu vereinbaren (vgl. BVerwG, U. v. 19.11.1982, a. a. O.; BayVGH, U. v. 17.12.2004, a. a. O.).
b. Die bislang nicht erworbenen Grundstücke waren für die Entstehung der Beitragspflicht auch notwendig im Sinne des § 3 ABS.
Zum einen ergibt sich die Notwendigkeit von Grundstücken/Grundstücksflächen für die Ausbaumaßnahme aus dem Inhalt des Bauprogramms der Beklagten. Durch die Bestimmung des Umfangs der Ausbaumaßnahe bestimmt sich die Notwendigkeit der zu erwerbenden Grundstücken. Hat sich die Beklagte auf einen gewissen Umfang der Maßnahme und für ein Bauprogramm entschieden, so ist der Erwerb von Grundstücken, die von der Maßnahme umfasst sind, notwendig.
Aus den Akten und insbesondere den Plänen zum Bau des Gehweges geht hervor, dass die hier inmitten stehenden Grundstücke (Fl.-Nrn. … und … Teil der Erneuerung des Gehwegs sind und somit Bestandteil der ausgebauten und abgerechneten Maßnahme.
Eine andere Auslegung des Begriffs der „Notwendigkeit“ verstößt auch gegen das Bestimmtheitsgebot. Die Beitragspflichtigen müssen aus den Unterlagen (Bauprogramm, Pläne etc.) eindeutig und unmissverständlich erkennen können, welche Grundstücke von der Ausbaumaßnahme erfasst und überbaut werden, mithin „notwendig“ sind. Eine einseitige Auslegung der Beklagten, welche Grundstücke sie unabhängig vom Bauprogramm für „notwendig“ für die abzurechnende Maßnahme hält, würde wiederum dem Gebot der Bestimmtheit widersprechen.
Es fehlt demnach an einem notwendigen Grunderwerb oben genannter Grundstücke und damit an einem Merkmal zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht.
Der Klage war somit in Ziffer 1 stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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