Baurecht

Erfolglose Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für Dachausbau im Außenbereich (Splittersiedlung)

Aktenzeichen  M 11 K 15.3645

Datum:
29.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34 Abs. 1 S. 1, § 35 Abs. 2, Abs. 3
BayBO BayBO Art. 59, Art. 68 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Ein Ortsteil liegt vor, wenn eine gewisse Anzahl prägender Bauten vorhanden ist, die keine unerwünschte, unorganische Splittersiedlung darstellen, weil sich die vorhandene Siedlungsstruktur fortentwickeln kann. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 7. August 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dem Kläger steht kein Anspruch auf die Verpflichtung des Beklagten, den Bauantrag neu zu verbescheiden, zu.
Die unter dem … Dezember 2013 beantragte Baugenehmigung wurde zu Recht versagt. Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich unzulässig; ihm stehen damit im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO).
Bei dem beabsichtigten Vorhaben handelt es sich um ein nicht privilegiertes Vorhaben im Außenbereich nach § 35 Abs. 2 BauGB, das öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt.
Das Grundstück Fl.Nr. 2115/4, Gemarkung …, liegt nicht im Bebauungszusammenhang eines Ortsteils im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil im Sinne dieser Vorschrift ist jede Bebauung im Gebiet einer Gemeinde, die den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit erweckt, nach der Zahl der vorhandenen Gebäude ein gewisses Gewicht hat und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (BVerwG v. 6.11.1968 BVerwGE 31, 22).
Der Begriff der organischen Siedlungsstruktur ist seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. November 1986 (IV C 47.68 – juris) dadurch gekennzeichnet, dass er im Gegensatz zur unerwünschten Splittersiedlung das einschließt, was dem inneren Grund für die Rechtsfolge des § 34 BauGB entspricht, nämlich die nach der Siedlungsstruktur angemessene Fortentwicklung der Bebauung innerhalb des gegebenen Bereichs zu gewährleisten. Eine organische Siedlungsstruktur kann auch dann vorliegen, wenn es sich nicht um eine nach Art und Zweckbestimmung einheitliche Bebauung handelt, die Bebauung nicht einem bestimmten städtebaulichen Ordnungsbild entspricht oder nicht als städtebauliche Einheit in Erscheinung tritt oder
sich nicht als Schwerpunkt der baulichen Entwicklung eines Gemeinwesens darstellt. Ein Ortsteil liegt danach vor, wenn eine gewisse Anzahl prägender Bauten vorhanden ist, die keine unerwünschte Splittersiedlung darstellen, weil sich die vorhandene Siedlungsstruktur fortentwickeln kann.
Vorliegend wurde im Rahmen des gerichtlichen Augenscheins festgestellt, dass die Bebauung in der näheren Umgebung des klägerischen Grundstücks lediglich eine unerwünschte, unorganische Splittersiedlung im Außenbereich darstellt.
Einen Zusammenhang kann man vor Ort lediglich zwischen den Häusern „… 12, 14“ sowie den Häusern auf dem streitgegenständlichen Grundstück erkennen. Die Grundstücke der Häuser Nrn. 2a, 4, 8 und 10 sind vom Vorhabensgrundstück aus nicht wahrnehmbar. Sie haben auch keinen Bezug auf die Häuser Nrn. 12, 14 sowie 16 – 26, da sie nicht – wie man auf den Lageplänen vermuten könnte – über die Fl.Nr. 2115/6 erschlossen werden. Wie genau sie erschlossen sind, konnte im Augenschein zum Teil nicht ermittelt werden, obwohl das Gericht im Augenschein einige Straßen in der Umgebung abgefahren ist.
Die gewerblich geprägten Grundstücke nördlich der Fl.Nr. 2115 werden durch eine Straße mit hoher Sichtschutzwand abgetrennt und sind daher für die südlich der Straße liegenden Grundstücke nicht wahrnehmbar.
Es handelt sich bei den nördlichen gewerblichen Grundstücken, dem ehemaligen … (… 6), der Villa (Nr. 4) sowie bei den Häusern Nrn. 2a, 8 und 10 um jeweils einzelne Bebauungssplitter, die keinen Bezug zu dem wiederum von den Häusern auf … Nrn. 12, 14, und auf dem streitgegenständlichen Grundstück gebildeten Bebauungssplitter haben. Die auf „… 14“ stehenden landwirtschaftlichen Gebäude und die Wohnhäuser Nr. 12 (Fl.Nr. 2115/5) und Nrn. 16 – 26 (Fl.Nr. 2115/4) bilden für sich schon kein hinreichendes Gewicht, wie es ein Ortsteil der Stadt S…, zu der die Gemarkung … gehört, erfordert.
Selbst wenn man jedoch ein entsprechendes Gewicht annehmen würde, so bilden sie nicht den Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur.
Durch die Schaffung neuen Wohnraums würde die Splittersiedlung nach § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB verfestigt. Es wird auf die Ausführungen im Bescheid vom 7. August 2015 verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Kostenentscheidung sowie die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeben sich aus § 154 Abs. 1, § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 10.000,– festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. dem Streitwertkatalog).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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