Baurecht

Erfolglose Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine Kleinwindkraftanlage

Aktenzeichen  RO 7 K 14.873

Datum:
14.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 35, § 36
VwGO VwGO § 42, § 91

 

Leitsatz

Keine unbedeutende oder untergeordnete Antragsänderungen, bei der der Streitstoff im Wesentlichen der gleiche bleibt, liegt vor, bei der Beantragung einer Kleinwindkraftanlage eines anderen Typs, die Fragen der Genehmigungsfähigkeit erneut aufwirft. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klagen bleiben im Hauptantrag als auch in den Hilfsanträgen ohne Erfolg.
1. Die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist im Haupt- und Hilfsantrag unzulässig. Streitgegenständlich ist insoweit nach der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung allein die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Kleinwindkraftanlage des Typs ANTARIS 6,5kW, mit deren Errichtung der Kläger bereits begonnen hat. Die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Kleinwindkraftanlage des Typs WG-12kW, die mit Bescheid des Beklagten vom 17.4.2014 abgelehnt wurde, wird nicht mehr – auch nicht hilfsweise – weiter verfolgt, sondern diesbezüglich nur mehr ein Feststellungsantrag gestellt (s. nachfolgend Nr. 2).
Es kann dahinstehen, ob die insoweit zuletzt zur Entscheidung gestellten Anträge eine Klageänderung darstellen und diese ggf. nach § 91 VwGO zulässig ist. Die Klage bezog sich bis zur Antragstellung in der mündlichen Verhandlung zumindest nicht eindeutig auf einen bestimmten Anlagentyp. Denn in der Klageschrift vom 29.4.2014 wurden noch keine konkreten Anträge gestellt bzw. angekündigt, sondern nur allgemein darauf abgestellt, dass der Kläger Anspruch auf Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 17.2.2014 und auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer von ihm geplanten Kleinwindkraftanlage bzw. jedenfalls auf entsprechende Neuverbescheidung habe.
Der Verpflichtungsklage fehlt es aber jedenfalls am Rechtsschutzbedürfnis, weil der Beklagten über den geänderten Antrag noch gar nicht entschieden hat.
Der Umstand, dass eine Klageänderung ggf. zulässig ist, entbindet das Gericht nicht von der Verpflichtung, die Zulässigkeit der geänderten Klage zu prüfen. Hierzu gehört u.a., dass das Verwaltungsverfahren (und ggf. das Vorverfahren) durchgeführt worden sein muss, es sei denn, dass die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO vorliegen (vgl. BVerwG, U. v. 24.3.2011 – Az. 5 C 36/84 – BayVBl 1986, 406). Es fehlt hier aber an dem erforderlichen behördlichen Verfahren und einer Entscheidung der Behörde über den geänderten Bauantrag, hinsichtlich dem nun eine Entscheidung des Gerichts begehrt wird. Die ablehnende Entscheidung des Beklagten vom 17.4.2014 bezieht sich auf die Bauantragsunterlagen vom 28.2.2010, mit denen die Genehmigung für einen anderen Anlagentyp beantragt wurde.
Aufgabe der Verwaltungsgerichte ist es, behördliche Entscheidungen über Bauanträge auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, nicht aber, solche Entscheidungen selbst zu treffen. Das Erfordernis, dass der Kläger sein Begehren vor Klageerhebung in einem Verwaltungsverfahren geltend macht, ist eine Sachurteilsvoraussetzung, die auch der Verwirklichung des in Art. 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG verankerten Gewaltenteilungsprinzips dient (vgl. BVerwG a.a.O., BayVGH, B. v. 25.8.1989 – Az. 14 B 87.03332 – BayVBl. 1990, 597; OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 24.3.2011 – Az. OVG 2 B 9.10 – juris). Der Beklagte hat deshalb einen Anspruch darauf, zunächst selbst – ggf. unter Beteiligung ihm zur Verfügung stehender Fachstellen bzw. Fachbehörden – über den zuletzt gestellten Bauantrag zu entscheiden. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob es sich hier um einen Änderungsantrag handelt, wie der Kläger meint, oder wegen des völlig anderen Anlagentyps um einen neuen Bauantrag, worauf der Beklagte abstellt. Im Baugenehmigungsverfahren hat nach § 36 BauGB zudem zunächst die Gemeinde Anspruch darauf, im Verfahren beteiligt zu werden, dies gilt auch bei einem Änderungsantrag. Dazu gehört grundsätzlich, dass sie aus Anlass von Einzelbauvorhaben auch planerisch reagieren kann (vgl. z.B. § 15 Abs. 3 BauGB). Weiter sieht das Baugenehmigungsverfahren eine Nachbarbeteiligung vor (Art. 66 BayBO).
Nur ausnahmsweise bedarf es aus Gründen der Verfahrensökonomie dann keines neuen Verwaltungsverfahrens und einer vorgängigen Entscheidung der Behörde(n), wenn es um unbedeutende bzw. untergeordnete Antragsänderungen geht und der Streitstoff im Wesentlichen der gleiche bleibt (vgl. BayVGH v. 25.8.1989, a.a.O.). Gefordert wird, dass die Änderungen in einer ohne weiteres prüffähigen Weise angeboten werden, die Änderung im Hinblick auf die baurechtliche Beurteilung nur untergeordnete Bedeutung hat und die zumindest prinzipielle Genehmigungsfähigkeit des Antrags nicht zweifelhaft ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Erhebliche Änderungen, die Anlass zu einer erneuten Prüfung der Zulässigkeit des Vorhabens bieten, sind dagegen im gerichtlichen Verfahren ohne vorherige Befassung der Behörde nicht zulässig (vgl. BayVGH, U. v. 14.2.2001 – Az. 2 B 99.933, BayVBl. 2002, 22).
Ein derartiger Ausnahmefall ist hier nicht ersichtlich. Denn es handelt sich nicht nur um eine unbedeutende Antragsänderung, bei der der Streitstoff im Wesentlichen der gleiche bleibt und die Genehmigungsfähigkeit prinzipiell nicht wesentlich betroffen ist. Es handelt sich vielmehr in der Gänze um neue Antragsunterlagen für die Errichtung eines anderen Anlagentyps einer Kleinwindkraftanlage, wenn auch der Standort gleich bleibt und die Höhe der Anlage sich nicht wesentlich ändert. Dabei stellt sich die Frage der Genehmigungsfähigkeit für die nun beantragte Anlage in vielen Fragen neu. Dies gilt beispielsweise für die Frage der Lärmbetroffenheit der umliegenden Nachbarschaft, auch wenn in der mündlichen Verhandlung der Antrag abweichend von den vorgelegten Bauantragsunterlagen dahingehend eingeschränkt wurde, dass ausschließlich der Tagbetrieb beantragt wird. Der Umweltschutzingenieur hat in der mündlichen Verhandlung dazu zwar erklärt, dass er davon ausgehe, dass die Tagwerte der TA-Lärm eingehalten werden können und er dies aufgrund der vorgelegten Unterlagen abschließend prüfe könne. Es bleibt aber eben Sache der mit Fachpersonal besetzten Behörde, dies zunächst selbst zu prüfen und verbindlich zu entscheiden. Ausreichende Unterlagen für eine Prüfung durch das Gericht wie ein Lärmgutachten zum konkreten Standort finden sich in den Antragsunterlagen nicht. Auch mag die Verkleinerung des Durchmessers des Rotors von 8 Meter auf 5,3 Meter für den Beklagten Anlass sein, die vorgebrachten Bedenken im Hinblick auf die Belange des Denkmalschutzes anders zu beurteilen. Auch weitere Punkte wie die Eiswurfgefahr sind nach Erklärung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung bislang nicht geprüft. Die Behörde kann den Bauantrag nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BayBO zudem auch wegen Verstößen gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die nicht zum Prüfumfang im vereinfachten Genehmigungsverfahren gehören, ablehnen, was hier z.B. für die Einhaltung der Abstandsflächen in Betracht kommt. Es stellt sich für das nunmehr zur Entscheidung gestellte Vorhaben die Genehmigungsfrage auch neu im Hinblick auf die Frage, ob nun die sog. 10-H-Regel (Art. 82 BayBO) bzw. die Übergangsregel des Art. 83 Abs. 1 BayBO greift. Diese Regelungen galten zum Zeitpunkt der Entscheidung über die zunächst beantragte Anlage nicht.
Gegen das Vorliegen entsprechender Gründe der Verfahrensökonomie spricht unabhängig davon schließlich auch, dass das Gericht bereits anlässlich des Ortstermins am 21.5.2015 die Stellung eines entsprechenden Antrags angeregt hat und mit Schreiben vom 27.11.2015 der Klagepartei eine Frist gemäß § 87 b VwGO bis 23.12.2015 zur Angabe von Tatsachen gesetzt wurde, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung er sich beschwert fühlt. Der Bauantrag wurde nach Ablauf dieser Frist am 13.1.16 gestellt, eine Entscheidung über die in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen ist dem Gericht ohne Einholung von aktuellen Stellungnahmen der Fachbehörden und der Gemeinde nicht möglich und würde zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führen.
Die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO liegen offenkundig nicht vor, nachdem der Kläger erst am Nachmittag vor der mündlichen Verhandlung bei der Gemeinde und beim Beklagten die entsprechenden Bauantragsunterlagen eingereicht hat.
Für die Verpflichtungsklage besteht daher im Haupt- und Hilfsantrag zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ohne vorherige Befassung der Behörde kein Rechtsschutzbedürfnis.
2. Auch der Feststellungsantrag ist unzulässig.
Denn soweit sich der Kläger gegen die Ablehnung einer Baugenehmigung für die ursprünglich beantragte Anlage des Typs WG-12KW wendet und nun die Feststellung der Genehmigungsfähigkeit der ursprünglich beantragten Anlage und damit die Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheids begehrt, steht dem die Subsidiarität der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegenüber der Verpflichtungsklage entgegen.
In Betracht kommt eine Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO (ggf. analog), wenn man von davon ausgeht, dass eine Erledigung der Klage gegen die Ablehnungsentscheidung (ggf. schon vor Klageerhebung) dadurch eingetreten ist, dass die Anlage nicht mehr am Markt verfügbar ist und deswegen ein Rechtsschutzbedürfnis für die Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung entfallen ist, weil der Kläger das Bauvorhaben faktisch nicht mehr realisieren kann. Insoweit hat der Kläger zuletzt aber vortragen lassen, dass solche Anlagen noch bei Händlern im Bestand sind und auch als gebrauchte Anlagen auf dem Markt – wenn auch zu sehr hohen Preisen – erwerbbar sind. Der Kläger geht demnach selbst nicht davon aus, dass sich das Rechtsschutzbegehren im Hinblick auf eine Erteilung einer Baugenehmigung für diese Anlage erledigt hat, sondern die Anlage grundsätzlich erwerbbar ist. Erledigung demnach im Hinblick auf eine Verpflichtungsklage nicht eingetreten, da allein die Tatsache, dass der Kläger kein Interesse mehr an der weiteren Rechtsverfolgung hat, keine Erledigung der Hauptsache begründet (vgl. BVerwGE 46, 81).
Zudem ist ein Feststellungsinteresse nicht dargelegt oder sonst ersichtlich. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Fallgruppe einer Wiederholungsgefahr. Der Kläger hat zwar einen Antrag auf Genehmigung einer Kleinwindkraftanlage an dem ursprünglichen Standort gestellt, dies betrifft jedoch eine andere Anlage. Wie ausgeführt ist deren Genehmigungsfähigkeit auf einer geänderten Rechts- und Tatsachengrundlage vom Beklagten zu prüfen. Im Falle einer ablehnenden Entscheidung steht dem Kläger wiederum der Rechtsweg im Rahmen einer Versagungsgegenklage offen.
Unabhängig davon ist der Antrag auch unbegründet. Denn die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheids vom 17.4.2014 ergibt sich jedenfalls daraus, dass dem beantragten Vorhaben, das auch den Nachtbetrieb zum Gegenstand hatte, die Gefahr schädlicher Umwelteinwirkungen (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB) entgegen stand. Nach der Stellungnahme des Umweltschutzingenieurs war aufgrund einer überschlägigen Prognose zu erwarten, dass an den nächstgelegenen Immissionsorten jedenfalls die einschlägigen Nacht-Immissionsrichtwerte bei Weitem überschritten werden. Dies wurde dem Kläger bereits mit Schreiben vom 24.11.2011 mitgeteilt. In einer dem Kläger mit Schreiben vom 7.2.2012 übermittelten Stellungnahmen vom 6.2.2012 hat der Umweltschutzingenieur nochmals ausgeführt, dass ein aussagekräftiges Schallgutachten gefordert werde. Nach einem Aktenvermerk vom 7.4.2014 hat der Kläger gegenüber dem Landratsamt erklärt, ein schalltechnisches Gutachten in Auftrag gegeben zu haben. Ein solches wurde aber bis zur Entscheidung nicht vorgelegt.
Die Klagen waren nach alledem abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entsprach nicht der Billigkeit im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO, auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen dem Kläger aufzuerlegen, nachdem die Beigeladene keinen Antrag zur Sache gestellt hat und damit auch kein Kostenrisiko eingegangen ist, § 154 Abs. 3 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.


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