Baurecht

Erfolglose Klage eines Dritten gegen beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis

Aktenzeichen  M 2 K 16.3417

Datum:
7.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG WHG § 6 Abs. 1 Nr. 3, § 10 Abs. 1, § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 3
BayWG BayWG Art. 15
VwGO VwGO § 86 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Verletzung eines subjektiven Rechts eines Dritten kann sich bei einer beschränkten Erlaubnis (§ 10 Abs. 1 WHG iVm Art. 15 BayWG) nur insoweit ergeben, als aus dem in § 6 Abs. 1 Nr. 3, § 13 Abs. 1 WHG verankerten wasserrechtlichen Rücksichtnahmegebot folgt, dass bei allen wasserrechtlichen Gestattungen im Rahmen der Ermessensbetätigung auch Belange Privater einzubeziehen sind, deren rechtlich geschützte Interessen von der beantragten Gewässerbenutzung in individualisierter und qualifizierter Weise betroffen werden. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Amtlichen Auskünften und Gutachten der Wasserwirtschaftsämter kommt entsprechend ihrer Stellung als wasserwirtschaftlichen Fachbehörden eine besondere Bedeutung zu. Die Notwendigkeit einer Beweiserhebung durch das Gericht ist erst dann geboten, wenn sich der Eindruck aufdrängt, dass die gutachterliche Äußerung des Wasserwirtschaftsamts tatsächlich oder rechtlich unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen Gründen fehlerhaft ist. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage als Dritter gegen die dem Beigeladenen erteilte beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis gemäß § 10 Abs. 1 WHG i.V.m. Art. 15 BayWG zur Einleitung gesammelten Oberflächenwassers in die … (§ 88 VwGO). Die Verletzung eines subjektiven Rechts eines Dritten kann sich bei einer solchen beschränkten Erlaubnis (nur) insoweit ergeben, als aus dem in § 6 Abs. 1 Nr. 3, § 13 Abs. 1 WHG verankerten wasserrechtlichen Rücksichtnahmegebot folgt, dass bei allen wasserrechtlichen Gestattungen, somit auch bei der beschränkten Erlaubnis, im Rahmen der Ermessensbetätigung auch Belange Privater einzubeziehen sind, deren rechtlich geschützte Interessen von der beantragten Gewässerbenutzung in individualisierter und qualifizierter Weise betroffen werden; diesen Privaten steht ein Anspruch auf Beachtung und Würdigung ihrer Belange mit demjenigen Gewicht zu, das ihnen unter den konkreten Umständen objektiv zukommt (BayVGH, B. v. 17.7.2012 – 8 ZB 11.1285 – juris Rdnr. 10 m.w.N.; VG München, U. v. 27.11.2012 – M 2 K 12.3526 – juris Rdnr. 16 m.w.N.). Hingegen findet § 14 Abs. 3 WHG bei der beschränkten Erlaubnis (anders als bei der gehobenen Erlaubnis) keine Anwendung, wie sich im Umkehrschluss aus § 15 Abs. 2 WHG ergibt (VG München, a.a.O.).
Daran gemessen kann die Klage des Klägers keinen Erfolg haben, weil durch die dem Beigeladenen erteilte beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis zur Einleitung gesammelten Niederschlagswassers in die … schon keine rechtlich geschützten Interessen des Klägers in individualisierter und zugleich qualifizierter Weise betroffen sind, bzw. jedenfalls einem etwaigen Anspruch des Klägers auf Beachtung und Würdigung seiner Belange mit demjenigen Gewicht, das ihnen unter den konkreten Umständen objektiv zukommt, genüge getan ist. Insbesondere ergibt sich ein die klägerischen Rechte verletzender Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nicht daraus, dass sein Grundstück Fl.Nr. … infolge der erlaubten Einleitung von Niederschlagswasser in die … stärker als bisher überschwemmt würde. Derartiges ist entgegen den vorgetragenen Vermutungen des Klägers nicht zu befürchten, wie sich aus den überzeugenden Einschätzungen des amtlichen Sachverständigen Wasserwirtschaftsamt … im Gutachten vom 24. November 2015, der ergänzenden Stellungnahme vom 16. Februar 2016 und in der mündlichen Verhandlung am 7. März 2017 ergibt. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass in der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs allgemein anerkannt ist, dass amtlichen Auskünften und Gutachten der Wasserwirtschaftsämter entsprechend ihrer Stellung als wasserwirtschaftliche Fachbehörden eine besondere Bedeutung zukommt. Solche fachbehördlichen Aussagen beruhen auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall. Die Notwendigkeit einer Abweichung und Beweiserhebung durch das Gericht (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) ist daher erst dann geboten, wenn sich der Eindruck aufdrängt, dass die gutachterliche Äußerung des Wasserwirtschaftsamts tatsächlich oder rechtlich unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen Gründen fehlerhaft ist (st. Rspr.; vgl. z.B. BayVGH, B. v. 17.11.2016 – 8 ZB 14.543 – juris Rdnr. 13 m.w.N.). Vorliegend sind für das Gericht trotz der zahlreichen Einwände des Klägers gegen die Bewertung des Wasserwirtschaftsamts … keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich geworden, die darauf hindeuteten, dass die fachliche Bewertung des Wasserwirtschaftsamts fehlerhaft sein könnte: Das Wasserwirtschaftsamt ist schon in seinem Gutachten vom 24. November 2015 ausführlich und überzeugend auf die klägerischen Einwendungen eingegangen (3.5 des Gutachtens). Entsprechendes gilt für die nachfolgende gutachterliche Stellungnahme des Wasserwirtschatsamts mit Schreiben vom 16. Februar 2016, die sich mit neuerlichen Einwendungen des Klägers intensiv auseinandersetzt. Auch in der mündlichen Verhandlung hat das Wasserwirtschaftsamt, nachdem der Kläger nochmals ausführlich seine Einwände dargelegt hatte, ausdrücklich bekundet, dass diese an der Richtigkeit der bisherigen Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamts nichts ändern können. An alledem können auch die Ausführungen des Klägers in den nach Schluss der mündlichen Verhandlung und Übergabe des Urteilstenors an die Geschäftsstelle eingegangenen, nicht nachgelassenen Schriftsätzen etwas ändern (unbeschadet der Frage, inwieweit diese überhaupt verwertbar sind). Keine durchgreifende Rolle kann in diesem Zusammenhang auch der Umstand spielen, dass der Kläger nach eigenem Bekunden früher Mitarbeiter eines anderen Wasserwirtschaftsamts war: Dies ändert nichts daran, dass vorliegend nicht er, sondern das Wasserwirtschaftsamt … der zuständige amtliche Sachverständige ist und es mithin auf die Einschätzung der dort derzeit tätigen Fachleute ankommt. Der Kläger ist auch nicht mit einem privaten Sachverständigen vergleichbar, da er vorliegend in eigener Sache und im eigenen Interesse tätig ist, ihm mithin die sachliche Distanz und Unvoreingenommenheit eines Sachverständigen fehlt.
Widerlegt hat das Wasserwirtschaftsamt insbesondere die vorgebrachte Behauptung des Klägers, durch die erlaubte Einleitung von Oberflächenwasser komme es zu einer Wasserspiegelerhöhung im Überschwemmungsgebiet der …, er gehe davon aus, dass sich dies bis zu seinem Wohnhaus auswirken werde (etwa wegen eines Rückstaus der Entwässerung des Weiherfeldes in den …graben). Hierzu hat das Wasserwirtschaftsamt … bereits in seinem Gutachten vom 24. November 2015 (S. 6, Spiegelstrich 2) und erneut in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 16. Februar 2016 (S. 2 Spiegelstriche 1 und 2 sowie S. 3 Spiegelstrich 1) mit nachvollziehbarer und überzeugender Begründung im Einzelnen dargelegt, dass und warum mit keiner relevanten Erhöhung des Hochwasserpegels in der … zu rechnen ist. Diese Einschätzung hat das Wasserwirtschaftsamt … in der mündlichen Verhandlung am 7. März 2017 nochmals bekräftigt. Insbesondere kommt es nach den Berechnungen des Wasserwirtschaftsamts … selbst im ungünstigsten Fall des Zusammentreffens eines örtlichen Starkregens mit der Einleitung der maximalen Wassermenge über die Rohrleitungen in die … zu einer Wasserspiegelanhebung um lediglich ca. 5 cm. Für das Gericht leuchtet ohne Weiteres ein, dass selbst dieser Extremfall keine qualifizierte Auswirkung auf das klägerische Grundstück haben kann, das mehrere hundert Meter von der Grenze des vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiets der … und noch viel weiter von der … selbst entfernt ist.
Nicht durchgreifend ist auch der Einwand des Klägers, die Hinterfüllung der Rohrleitungen z.B. in der … Straße mit Riesel verschlechtere die Versickerung des Wassers im Rohrgraben, dadurch komme es zu einem schnelleren und höheren Anstieg des Grundwassers und letztendlich zu einer Flutung der Kellerräume seines Wohnhauses. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass die Art und Weise der Verlegung der Rohrleitungen schon nicht Gegenstand des streitgegenständlichen Bescheids ist, mit dem die Einleitung von Oberflächenwasser in die … erlaubt wird. Zum andern hat das Wasserwirtschaftsamt … zu diesem Einwand im Gutachten vom 24. November 2015 (S. 7 Spiegelstrich 1) und in der gutachterlichen Stellungnahme vom 16. Februar 2016 (S. 3 Spiegelstrich 3) nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass diese Befürchtung des Klägers gemessen an den örtlichen Verhältnissen keinerlei Grundlage hat.
Ferner lassen sich den fachbehördlichen Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamts … (Gutachten vom 24. November 2015, S. 6 Spiegelstrich 3; gutachterliche Stellungnahme vom 16. Februar 2016, S. 3 Spiegelstrich 2) auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass das klägerische Grundstück bei Hochwasser in der … durch einen Rückstau von Wasser im Regenwasserkanal überflutet werden könnte. Jedenfalls für das klägerische Grundstück, das mehrere hundert Meter von dem Regenwasserkanal entfernt ist, gibt es keinerlei objektiven Anhaltspunkte für eine qualifizierte Auswirkung durch einen etwaigen Rückstau von Wasser in diesem Kanal. Derartiges lässt sich auch nicht aus dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schreiben der Freiwilligen Feuerwehr entnehmen. Dahingestellt kann deshalb bleiben, inwieweit diese „Rückstauproblematik“ überhaupt in einem Zusammenhang mit der im streitgegenständlichen Bescheid geregelten Einleitung von Oberflächenwasser in die … steht.
Nicht durchzudringen vermag der Kläger auch mit seinen vielfältigen Angriffen auf die dem streitgegenständlichen Bescheid zugrundeliegenden Berechnungsgrundlagen des Wasserwirtschaftsamts … (z.B.: unzureichende Antragsunterlagen, die Bewertung des Hochwassers im Jahr 2013 als HQ100, den Einfluss der Triebwerksanlage unterhalb der Brücke, etc.). Aufgrund der Ausführungen des Wasserwirtschaftsamts in den gutachterlichen Stellungnahmen und insbesondere auch der detaillierten und nachvollziehbaren Erläuterung der Vertreterinnen des Wasserwirtschaftsamts in der mündlichen Verhandlung am 7. März 2017 (z.B. zur Fortschreibung der Grundlagen für die Bewertung der Jährlichkeit des Hochwassers) hat das Gericht keinen Anlass anzunehmen, dass das Wasserwirtschaftsamt für seine Bewertung von durchgreifend fehlerhaften Berechnungsgrundlagen ausgegangen ist. An diesem Ergebnis können auch die Ausführungen des Klägers in den nach Schluss der mündlichen Verhandlung und Übergabe des Urteilstenors an die Geschäftsstelle eingegangenen, nicht nachgelassenen Schriftsätzen etwas ändern (unbeschadet der Frage, inwieweit diese überhaupt verwertbar sind).
Auch die übrigen Einwendungen des Klägers zeigen keine Anhaltspunkte für eine etwaige Verletzung seiner subjektiver Rechte auf: Soweit der Kläger beispielsweise darauf hinweist, dass die Kreisstraße … * im Bereich der … Straße erhöht werden solle (was der Beigeladene in Abrede stellt), wodurch sich das Überschwemmungsgebiet der … vergrößere, hat dies mit der im streitgegenständlichen Bescheid geregelten beschränkten Erlaubnis für die Einleitung von Oberflächenwasser in die … nichts zu tun, eine etwaige Erhöhung der Straße ist im Bescheid nicht geregelt. Keine Rechtsverletzung aufzeigen kann z.B. auch der Einwand des Klägers, es sei ungeklärt, welchen Einfluss die Baumaßnahme auf die künftige Gebührenberechnung nach dem Kommunalabgabengesetz habe. Entsprechendes gilt für die weiteren Einwendungen des Klägers.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren aus Billigkeit der unterlegenen Klagepartei aufzuerlegen, da der Beigeladene einen Sachantrag gestellt hat und damit wegen § 154 Abs. 3 VwGO ein Kostenrisiko eingegangen ist.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).


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