Baurecht

Erfolglose Klage gegen die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts in Bezug auf Grundstücksteilflächen

Aktenzeichen  Au 2 K 16.324

Datum:
1.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 14 Abs. 1 S. 1, S. 2, Abs. 3
BayNatSchG BayNatSchG Art. 39 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
BayWG BayWG Art. 6, Art. 12, Art. 63 Abs. 3 S. 1, S. 2
AGBGB Art. 47

 

Leitsatz

1 Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung über das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht in Art. 39 BayNatSchG als zulässige eigentumsrechtliche Inhalts- und Schrankenbestimmung bestehen keine Bedenken. (red. LS Andreas Decker)
2 Der Begriff des oberirdischen Gewässers in Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayNatSchG richtet sich nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WHG und Art. 2 Abs. 1 BayWG. (red. LS Andreas Decker)
3 Amtlichen Auskünften und Gutachten der Wasserwirtschaftsämter kommt entsprechend ihrer Stellung als wasserwirtschaftliche Fachbehörde nach Art. 63 Abs. 3 S. 1 und 2 BayWG eine besondere Bedeutung zu. (red. LS Andreas Decker)
4 Die Feststellung der Uferlinie ist nicht erforderlich, wenn sich die Grenze zwischen Gewässer- und Ufergrundstück aus Grundbuch und Katasterplan ergibt. Bei selbstständigen Gewässergrundstücken ist die Uferlinie praktisch auch die Eigentumsgrenze. (red. LS Andreas Decker)
5 Das durch Art. 39 Abs. 1, Abs. 2 BayNatSchG eröffnete Ermessen ist intendiert. Nur in atypischen Fällen kann eine über die Darlegung der in Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG genannten Rechtfertigungsgründe hinausgehende fallbezogene Abwägung veranlasst sein. (red. LS Andreas Decker)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger gesamtschuldnerisch zu tragen.Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Landratsamts … vom 18. Februar 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Die Ausübung des Vorkaufsrechts, die nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z. B. BayVGH, U.v. 11.5.1994 – 9 B 93.1514 – BayVBl. 1994, 657) als privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, erfolgte nach ordnungsgemäßer Anhörung der Betroffenen (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG) innerhalb der zweimonatigen Frist des Art. 39 Abs. 7 Satz 1 BayNatSchG. Der Ausübungsbescheid ist nicht mangels hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) rechtswidrig. Nach Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids wurde bezüglich der durch notariellen Vertrag vom 17. Dezember 2015, Urkundenrolle Nr. 3563/2015, verkauften Grundstücke Fl.Nrn. … und … Gemarkung … für eine Teilfläche von zehn Metern entlang des Gewässers auf dem Grundstück Fl.Nr. … Gemarkung … in der gesamten Länge der Grundstücke, insgesamt ca. 4.000 m², das Vorkaufsrecht ausgeübt. Da der Graben Fl.Nr. … Gemarkung … ein eigenständiges Grundstück darstellt und die verkauften Grundstücke Fl.Nrn. … und … Gemarkung … am südlichen Grabenufer anliegen, sind die längsseitigen Grenzen der vom Vorkaufsrecht betroffenen Uferstreifen klar und eindeutig festzustellen. Die nördliche Grenze der Uferstreifen wird bestimmt durch die südliche Grenze des Grabens, der wiederum durch die nördlichen Grenzen der Fl.Nrn. … und … Gemarkung … festgelegt ist. Die südliche Grenze der Uferstreifen folgt einer Linie parallel zur eben beschriebenen südlichen Grenze des Grabens in einer Entfernung von jeweils zehn Metern. Damit ist der Entscheidungsinhalt der Regelung in Ziffer 1 des Bescheids vom 18. Februar 2016 für die Adressaten nach Art und Umfang aus sich heraus, d. h. ohne Rückgriff auf weitere Unterlagen, verständlich und als hinreichend bestimmt anzusehen (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2001 – 9 ZB 01.625 – juris Rn. 12 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 37 Rn. 12 m. w. N.).
2. Der Bescheid des Landratsamts … vom 18. Februar 2016 ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage für den Bescheid ist Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG.
a) Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung über das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht in Art. 39 BayNatSchG als zulässige eigentumsrechtliche Inhalts- und Schrankenbestimmung bestehen keine Bedenken (vgl. BayVGH, B.v. 18.1.2000 – 9 B 95.31 – juris Rn. 45; B.v. 28.11.2001 – 9 ZB 01.625 – juris Rn. 17 f. m. w. N.).
b) Die Tatbestandsvoraussetzungen des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG liegen vor. Danach steht dem Freistaat Bayern sowie den Bezirken, Landkreisen, Gemeinden und kommunalen Zweckverbänden Vorkaufsrechte zu beim Verkauf von Grundstücken, auf denen sich oberirdische Gewässer einschließlich Verlandungsflächen, ausgenommen Be- und Entwässerungsgräben, befinden oder die daran angrenzen.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 17. Dezember 2015, Urkundenrolle Nr. …, verkaufte der Beigeladene zu 1 u. a. die Grundstücke Fl.Nrn. … und … Gemarkung … an die Kläger. Gründe, die gegen die Wirksamkeit des notariellen Kaufvertrags sprechen könnten, wurden weder vorgetragen, noch sind solche ersichtlich.
Der auf Fl.Nr. … Gemarkung … befindliche Graben stellt ein oberirdisches Gewässer im Sinne des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG dar. Bei der Definition des Begriffs kann grundsätzlich auf den wasserrechtlichen Begriff des oberirdischen Gewässers, wie er in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG und Art. 2 Abs. 1 BayWG verwendet wird, zurückgegriffen werden (vgl. BayVGH, U.v. 19.1.2006 – 9 B 04.1217 – juris Rn. 22; Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt, Naturschutzrecht in Bayern, Stand: April 2016, Art 39 Rn. 6). Erfasst werden demnach alle stehenden und fließenden Gewässer (Art. 1 BayWG, § 2 Abs. 1 WHG), auch wenn sie künstlich angelegt sind. Nach der fachlichen Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts … vom 28. September 2016 (vgl. Niederschrift zum Augenscheinstermin, S. 4) handelt es sich bei dem Graben auf Fl.Nr. … Gemarkung … um ein Gewässer dritter Ordnung. Diese Einstufung ergibt sich auch aus der schriftlichen Stellungnahme der Fachkundigen Stelle für Wasserwirtschaft beim Landratsamt … vom 11. Januar 2016 (Blatt 20 ff. der vorgelegten Behördenakte). Da amtlichen Auskünften und Gutachten der Wasserwirtschaftsämter entsprechend ihrer Stellung als wasserwirtschaftliche Fachbehörde nach Art. 63 Abs. 3 Satz 1 und 2 BayWG eine besondere Bedeutung zukommt (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 17.11.2016 – 8 ZB 14.543 – juris Rn. 13), besteht nach Auffassung des Gerichts kein Grund daran zu zweifeln, dass der Graben auf Fl.Nr. … Gemarkung … ein oberirdisches Gewässer dritter Ordnung darstellt, was im Übrigen von Klägerseite auch nicht bestritten wird.
Bei dem Graben auf Fl.Nr. … Gemarkung … handelt es sich nicht um einen Entwässerungsgraben, der vom Anwendungsbereich des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG ausgenommen ist. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus dem Ergebnis des Augenscheins sowie der dabei eingeholten fachlichen Stellungnahme des Vertreters des Wasserwirtschaftsamts …. Der Graben dient der Ableitung von Oberflächen- und Niederschlagswasser nicht nur in Bezug auf die unmittelbar angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Grundstücke, sondern insbesondere auch bezogen auf die im Westen des Gebiets liegenden Grundstücke und weist damit einen größeren Einzugsbereich auf, als dies bei reinen Entwässerungsgräben der Fall ist. Zudem erfüllt der Graben eine Vorflutfunktion. Vor allem aber weist der Graben eine zusätzliche Biotop- und Lebensraumfunktion auf. Es sind fließgewässerbegleitende Pflanzen, wie beispielsweise Mädesüß, Knöterich und Brunnenkresse vorhanden, die bei reinen Entwässerungsgräben im Regelfall nicht anzutreffen sind. Die Fließgeschwindigkeit des Grabens und die Tatsache, dass die Gewässersohle – wie beim Augenscheinstermin erkennbar – frei von Bewuchs vorgefunden wurde, sprechen darüber hinaus für eine regelmäßige Wasserführung des Gewässers und damit ebenfalls gegen das Vorliegen eines bloßen Be- bzw. Entwässerungsgrabens. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass im Oberlauf und im Zulauf des streitgegenständlichen Grabens Gehölzbestand vorhanden ist, was ebenfalls für dessen Bedeutung als Lebensraum für Flora und Fauna spricht. Der Graben ist folglich ökologisch eng verflochten mit den ihn umgebenden Landflächen. Die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof geforderte Berücksichtigung der Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege, die zu einer teilweise vom wasserrechtlichen Begriff abweichenden Definition des naturschutzrechtlichen Begriffs des oberirdischen Gewässers, wie er in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG verwendet wird (vgl. BayVGH, U.v. 19.1.2006 – 9 B 04.1217 – juris 25 f.), führt, unterstreicht dieses – insbesondere aus dem Augenscheinstermin – resultierende Ergebnis. Das Naturschutzrecht zielt auf die Bewahrung und Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen und die Abwehr von Eingriffen in Natur und Landschaft. Der streitgegenständliche Graben ist nach den im Augenscheinstermin gewonnenen Erkenntnissen naturnah und durch den uferbegleitenden Bewuchs mit den anliegenden Landflächen naturräumlich verflochten. Der Graben mit seinen teils trockenen teils nassen Uferbereichen, die für Flora und Fauna von besonderer Bedeutung sind, stellt sich als natürliche Lebensgrundlage dar (vgl. auch die Stellungnahme der staatlichen Fachkraft für Naturschutz und Landschaftspflege, Landratsamt …, vom 11. Februar 2016; Blatt 36 f. der Behördenakte). Damit geht er in Funktion und Bedeutung für den Naturhaushalt über einen Entwässerungsgraben hinaus und erfüllt die Voraussetzungen für das Vorliegen eines oberirdischen Gewässers im Sinne von Art. 39 Abs. 1 Nr. 1 BayNatSchG.
Nicht von Bedeutung ist, ob der Graben im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens künstlich geschaffen wurde, ob er Verlandungsflächen aufweist und/oder auch von Quellen gespeist wird bzw. wer für die Bewirtschaftung des Grabens zuständig ist. Diese allenfalls indizielle Bedeutung besitzenden Aspekte werden dadurch überlagert, dass der Graben nach seinem gesamten Erscheinungsbild und den fachlichen Aussagen des Wasserwirtschaftsamts sowie der Fachkraft für Naturschutz und Landschaftspflege ein für den Naturhaushalt relevantes oberirdisches Gewässer und nicht lediglich einen Entwässerungsgraben darstellt.
Die Grundstücke Fl.Nrn. … und … Gemarkung … grenzen an das oberirdische Gewässer auf Fl.Nr. … Gemarkung … an. Zum Angrenzen reicht es aus, dass das Grundstück an einer Stelle mehr als nur punktförmig an dem Gewässer anliegt. Für die Frage, wo das Gewässer endet und das angrenzende Land beginnt, kann im Regelfall auf Art. 12 BayWG abgestellt werden (vgl. Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt a. a. O. Art. 39 BayNatSchG Rn. 7). Art. 6 BayWG findet keine Anwendung, da der Graben katasterrechtlich als selbstständiges (Gewässer-) Grundstück (Fl.Nr. … Gemarkung …) gebucht ist. Nach Art. 12 Abs. 1 BayWG wird die Grenze zwischen Gewässer und Ufergrundstück durch die Linie des Mittelwasserstandes unter besonderer Berücksichtigung der Grenze des Pflanzenwuchses (Uferlinie) bestimmt, auf deren einer Seite vorwiegend wasserwirtschaftliche und auf deren anderer Seite vorwiegend Bodennutzung möglich ist. Die Uferlinie trennt das Ufergrundstück vom Gewässergrundstück. Die Feststellung der Uferlinie hat deshalb den Zweck, den Anwendungsbereich der auf oberirdische Gewässer anzuwenden Rechtsvorschriften tatsächlich zu bestimmen und vom Anwendungsbereich der für Landgrundstücke anzuwendenden Vorschriften abzugrenzen. Die Feststellung der Uferlinie ist nicht erforderlich, wenn sich die Grenze zwischen Gewässer- und Ufergrundstück aus Grundbuch und Katasterplan ergibt. Bei selbstständigen Gewässergrundstücken ist die Uferlinie praktisch auch die Eigentumsgrenze (Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt a. a. O. Rn. 7a). Die vorliegenden und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Lichtbilder zeigen in Bezug auf das Gewässergrundstück die Abgrenzung zwischen der Bodennutzung im Uferbereich und dessen vorwiegend wasserwirtschaftliche Nutzung ab der Böschungskante. Selbst wenn die Grenze zwischen den Buchgrundstücken Fl.Nrn. …, … Gemarkung … und Fl.Nr. … Gemarkung … nicht auf der gesamten Länge mit der durch die Böschungsoberkante definierten Grenze im Sinn des Art. 12 BayWG übereinstimmen sollte, ist davon auszugehen, dass das Buchgrundstück Fl.Nr. … Gemarkung … der ökologisch relevanten Ausdehnung des Gewässers weitgehend entspricht. Damit war hier eine Uferlinienfeststellung nicht erforderlich (vgl. VG Regensburg, U.v. 23.7.2013 – RO 4 K 13.539 – NuR 2014, 141).
Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist durch Belange des Naturschutzrechts gemäß Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG gerechtfertigt. Im Bescheid vom 18. Februar 2016 sind die hierfür erforderlichen Rechtfertigungsgründe ausführlich dargestellt. Hierauf wird Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Soweit dem Sachvortrag der Klägerseite zu entnehmen ist, es genüge im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 GG nicht, dass Belange des Naturschutzes die Ausübung eines Vorkaufsrechts lediglich rechtfertigten, greift dieser Einwand nicht durch, da die Ausübung eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts grundsätzlich im Rahmen einer zulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG liegt und keine unzulässige Enteignung des Käufers darstellt (BVerwG, B.v. 7.3.1996 – 4 B 18.96 – NVwZ-RR 1996, 500 m. w. N.; BayVGH, U.v. 11.5.1994 – 9 B 93.1514 – BayVBl 1994, 657 m. w. N.).
Die zur Begründung der Vorkaufsrechtsausübung dargelegten naturschutzfachlichen Gründe und die damit einher gehenden Zielvorstellungen genügen den gesetzlichen Anforderungen an die zu treffende Einzelfallprüfung. Es wird zum Ausdruck gebracht, auf welche Weise die naturschutzfachlichen Planungen für die Vorkaufsflächen verwirklicht werden sollen. Die geplanten Maßnahmen stellen insoweit ein hinreichendes Grundkonzept dar (vgl. Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt a. a. O. Art. 39 Rn. 19a m. w. N.). Da die für die zukünftige Grundstücksnutzung vorgesehenen Planungen des Vorkaufsrechtsbegünstigten zeitlich nicht unmittelbar zur Verwirklichung anstehen müssen, reicht auch ein künftiger Bedarf aus. Eine bloße „Reservierungsvorkaufsrechtsausübung“ liegt deshalb hier nicht vor.
Der Einwand der Klägerseite, die Ausübung des Vorkaufsrechts sei angesichts anderer Gestaltungsmöglichkeiten, wie die Aufnahme der Flächen in den Vertragsnaturschutz, die Begründung privatrechtlicher Dienstbarkeiten usw., nicht gerechtfertigt bzw. geboten, führt nicht zum Erfolg. Es gilt als allgemeine Erfahrungstatsache, dass Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand dem vom Gesetz vorausgesetzten Zweck, dem Bedürfnis der Allgemeinheit nach Naturgenuss und Erholung zu dienen, mit größerer Sicherheit und damit besser Rechnung tragen als Grundstücke in der Hand von Privatpersonen, deren privatnützige Interessen nur zu leicht mit dem genannten Bedürfnis der Allgemeinheit in Konflikt geraten können (BayVGH, U.v.. 11.8.1989 – 9 B 86.02748 – BayVBl 1990, 277; B.v. 26.7.2006 – 9 ZB 05.1233 – juris Rn. 31). Daran vermögen auch ernstgemeinte Absichtserklärungen und rechtliche Sicherungen nichts entscheidend zu ändern. Während der private Grundstückseigentümer im Interesse des Erholungsbedürfnisses der Allgemeinheit lediglich Beschränkungen seiner Befugnisse passiv zu dulden hat, sind Staat und Gemeinden kraft Verfassungsauftrags (vgl. Art. 141 Abs. 3 Satz 3 BV) verpflichtet, zu diesem Zweck aktiv zu werden. Auch Bewirtschaftungsvereinbarungen (Vertragsnaturschutz, Förderprogramme) können den Eigentumserwerb nicht ersetzen. Die Laufzeit der Verträge gewährleistet nämlich keine Sicherheit auf Dauer. Denn der Abschluss oder die Verlängerung der vertraglichen Vereinbarungen können nicht erzwungen werden und spätere Erwerber sind hieran nicht gebunden. Der allgemeine Erfahrungssatz ist vorliegend auch nicht widerlegt. Die Tochter der Kläger will die streitgegenständlichen Flächen landwirtschaftlich nutzen (z. B. privilegierter Erwerbsobstbau, Pferdehaltung). Damit ist zwangsläufig die Absicht verbunden, zumindest langfristig einen Gewinn zu erzielen. Dies kann die Gefahr einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung der streitgegenständlichen Flächen in sich bergen und ist grundsätzlich in der Lage, die Verbesserung oder Pflege der Flächen im Sinne des Naturschutzes in Frage zu stellen (vgl. Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt a. a. O. Art. 39 Rn. 21a).
Im Übrigen ist die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts nicht erst dann erforderlich, wenn Maßnahmen nach anderen Gesetzen nicht denselben Effekt gewährleisten. Das Naturschutzrecht stellt keinen nachrangigen oder subsidiären Rechtsbereich dar (Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt a. a. O. Art. 39 Rn. 18). Demnach kommt es nicht darauf an, ob beispielsweise eine Reduzierung des Nährstoffeintrags auch durch andere Maßnahmen erreicht werden könnte. Die geplanten Maßnahmen gehen darüber hinaus und beinhalten – wie im angefochtenen Bescheid vom 18. Februar 2016 dargelegt und von den Vertretern des Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2016 erläutert – weit mehr als nur das Ziel einer Reduzierung von Nährstoffeinträgen.
Das dem Beklagten bei Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrecht eingeräumte Ermessen wurde durch das Landratsamt … ordnungsgemäß ausgeübt. Die Abwägung des öffentlichen Interesses am Erwerb der an den Graben angrenzenden Grundstücksteilflächen mit dem Interesse der Kläger, die Gesamtfläche der Grundstücke Fl.Nrn. … und … Gemarkung … für den künftigen landwirtschaftlichen Betrieb ihrer Tochter nutzen zu können, ist nicht zu beanstanden. Im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der Ermessensentscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber selbst eine Vorrangentscheidung getroffen hat, indem er ein Vorkaufsrecht geschaffen und seine Ausübung an bestimmte Rechtfertigungsgründe des öffentlichen Interesses gekoppelt hat. Liegen diese vor, kann das Vorkaufsrecht regelmäßig ausgeübt werden, die Ermessensentscheidung ist dann zugunsten der Vorkaufsrechtsausübung intendiert. Der Eigentumsübertragungsanspruch des Käufers ist von vornherein mit der Möglichkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts belastet. Dass der Käufer sein Interesse am Erwerb des Grundstücks nicht realisieren kann, ist eine unvermeidliche und vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommene Folge der Einräumung des Vorkaufsrechts. Folglich kann nur in atypischen Fällen eine über die Darlegung der in Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG genannten Rechtfertigungsgründe hinausgehende fallbezogene Abwägung veranlasst sein, wenn entsprechende Umstände vorgebracht werden (Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt a. a. O. Art. 39 Rn. 22a, 22b). Ein solcher atypischer Fall liegt hier nicht vor. Eine unzumutbare Belastung der Kläger durch die auf eine nur ca. 4.000 m² große Teilfläche beschränkte Vorkaufsrechtsausübung ist nicht erkennbar. Hierzu reicht es nicht aus, dass wirtschaftliche Dispositionsmöglichkeiten des Käufers gestört werden, da dies praktisch immer der Fall ist und vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen wird. Die klägerseits angeführte Notwendigkeit des Erwerbs auch der vorkaufsrechtsbetroffenen Teilflächen zur Sicherung des landwirtschaftlichen Privilegierungstatbestands (§ 35 BauGB), begründet keinen atypischen Fall. Zum einen sieht Art. 39 BayNatSchG nicht vor, dass von der Ausübung des Vorkaufsrechts abgesehen werden soll, wenn die Fläche – wie hier – dem potentiellen privaten Käufer der Gründung oder Erweiterung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs zu dienen bestimmt ist. Dies ist bereits deshalb gerechtfertigt, weil in derartigen Fällen die Erwerbschance des Käufers schon bei Vertragsabschluss unter der Bedingung steht, dass das gesetzliche Vorkaufsrecht nicht ausgeübt wird. Die Erwerbschance ist nicht Teil des durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Eigentumsrechts (BayVGH, U.v. 11.5.1994 – 9 B 93.1514 – BayVBl 1994, 657). Zum anderen ist nicht erkennbar und im Übrigen auch nicht substantiiert vorgetragen, dass die wirtschaftliche Existenz der Kläger bzw. ihrer Tochter gerade von dem Erwerb der streitgegenständlichen Grundstücksstreifen abhängt.
Nachdem andere Gründe, die die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Vorkaufsrechtsausübung in Frage stellen könnten, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, konnte die Klage keinen Erfolg haben. Sie war deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Es entspricht vorliegend der Billigkeit, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, da sie keine Anträge gestellt und sich damit dem Kostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO nicht ausgesetzt haben (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe, die Berufung gemäß § 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 2.959,70 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziffer 9.6.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,– EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.


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