Baurecht

Erfolglose Klage gegen die Erteilung einer Baugenehmigung für Anbau bei einer bereits betriebenen Kfz-Werkstatt

Aktenzeichen  M 11 K 16.2587

Datum:
20.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 2, § 34 Abs. 1, § 214 Abs. 3 S. 2
WEG WEG § 21 Abs. 1, Abs. 2
BauNVO BauNVO § 6 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1 Stimmt ein Wohnungseigentümer einem Bauvorhaben zu, dann ist er mit einer Klage gegen die Baugenehmigung nicht nur als Sondereigentümer präkludiert, sondern auch, soweit er durch seine Zustimmung die Wohnungseigentümergemeinschaft ermächtigen will, gegen die Baugenehmigung vorzugehen. In diesem Fall scheidet auch ein Notgeschäftsführungsrecht nach § 21 Abs. 2 WEG aus. (red. LS Andreas Decker)
2 Eine Kfz-Werkstatt mit mindestens 10 Mitarbeitern und bis zu acht Hebebühnen ist ein das Wohnen wesentlich störender Gewerbebetrieb und daher im Mischgebiet (§ 6 BauNVO) unzulässig. (red. LS Andreas Decker)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin zu 2) hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 7.500,– festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs).

Gründe

Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die Klage der Klägerin zu 1) ist bereits unzulässig, die Klage der Klägerin zu 2) ist dagegen zulässig.
a) Der Klägerin zu 1) fehlt vorliegend die Prozessfähigkeit, da sie nicht ordnungsgemäß vertreten ist, § 62 Abs. 3 VwGO.
Gemäß § 21 Abs. 1 WEG obliegt die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und somit auch die Befugnis zur Vertretung in rechtlichen Angelegenheiten den Eigentümern gemeinschaftlich. Dass die Wohnungseigentümer allgemein eine anderweitige Regelung getroffen hätten, wurde nicht vorgebracht. Die Einlegung eines Rechtsbehelfs sowie die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts ist somit ein Geschäft, an dem alle Eigentümer mitwirken müssen. Vorliegend handelte allerdings die Klägerin zu 2) alleine für die Klägerin zu 1).
Auch liegt kein Beschluss sämtlicher Eigentümer vor, der die Klägerin zu 2) zur Einlegung eines Rechtsbehelfs und zur Beauftragung eines Rechtsanwalts ermächtigt. Selbst das Vorliegen eines solchen Beschlusses wäre vorliegend nicht geeignet, der Klägerin zu 1) die Klagebefugnis zu verleihen, da die anderen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft …-straße 20, das Ehepaar …, die Bauvorlagen unterzeichnet und damit gemäß Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BayBO zugestimmt haben. Durch die Zustimmung sind sie nicht nur als Sondereigentümer präkludiert, sondern auch soweit sie durch ihre Zustimmung die Wohnungseigentümergemeinschaft zum Vorgehen ermächtigen.
Auch war die Klägerin zu 2) nicht im Rahmen der Notgeschäftsführung nach § 21 Abs. 2 WEG berechtigt, für die Klägerin zu 1) zu handeln. Ob diese Vorschrift Vertretungsmacht für die Wohnungseigentümergemeinschaft begründet oder lediglich Klagen einzelner Miteigentümer als Prozessstandschafter ermöglicht, muss vorliegend nicht entschieden werden, da jedenfalls die strengen Voraussetzungen dieser Norm nicht vorliegen. Zum einen wurde weder geltend gemacht noch ist ersichtlich, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft, nicht einmal unter Einberufung einer außerordentlichen Versammlung, nicht durch Fassung eines entsprechenden Beschlusses, gegen den Genehmigungsbescheid vorzugehen, hätte handeln können. Das Notgeschäftsführungsrecht greift jedoch nicht ein, wenn noch die Möglichkeit besteht, einen Verwalter bzw. die übrigen Wohnungseigentümer vorher einzuschalten (vgl. BGH, U. v. 25.09.2015 – V ZR 246/14, NZM 2016, 169, 171). Zum anderen steht der Annahme der Voraussetzungen eines Notgeschäftsführungsrechts gemäß § 21 Abs. 2 WEG ebenso bereits der Umstand entgegen, dass die übrigen Wohnungseigentümer dem Vorhaben durch ihre Unterschrift zugestimmt haben. In einem solchen Fall kann schon nicht vom Vorliegen eines dem gemeinsamen Eigentum unmittelbar drohenden Schadens ausgegangen werden. Jedenfalls wären die insoweit getroffenen Maßnahmen nicht notwendig i. S. d. § 21 Abs. 2 WEG gewesen.
Die Klage der Klägerin zu 1) ist daher als unzulässig abzulehnen.
Soweit die Klägerin zu 2) allerdings in eigenem Namen handelt, ist ihre Prozessfähigkeit zu bejahen.
b) Die Klägerin zu 2) ist gemäß § 42 Abs. 2, 1. Alt. VwGO auch klagebefugt. Zwar ist sie als einzelne Wohnungseigentümerin wohl nicht berechtigt, aufgrund ihres ideellen Anteils am gemeinschaftlichen Eigentum am Grundstück Fl. Nr. … wegen Beeinträchtigung dieses Eigentums Abwehrrechte gegen ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück geltend zu machen (BayVGH, B. v. 12.09.2005 – 1 ZB 05.42 – juris Rn. 13; U. v. 12.07.2012 – 2 B 12.1211 – juris). Allerdings kann die Klägerin zu 2) geltend machen, als Inhaberin von auf dem Grundstück liegendem Sondereigentum in ihren Rechten verletzt zu sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gelten die zum baurechtlichen Nachbarschutz entwickelten Grundsätze auch für das Sondereigentum nach dem WEG, dessen Schutz den Behörden in gleicher Weise aufgetragen ist wie der Schutz etwa eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks (BVerwG, B. v. 20.08.1992 – 4 B 92/92 – juris Rn. 10). Die Klagebefugnis ist daher zu bejahen, da es im vorliegenden Fall zumindest möglich erscheint, dass die Klägerin zu 2), deren Sondereigentum sich in unmittelbarer Nähe des geplanten Vorhabens befindet, durch die Baugenehmigung in ihren Nachbarrechten verletzt wird.
2. Die Klage der Klägerin zu 2) ist allerdings unbegründet.
a) Zu berücksichtigen ist im vorliegenden Fall, dass Nachbarn, wie sich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergibt, eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten können, wenn sie hierdurch in einem ihnen zustehenden subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sind. Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen. Eine baurechtliche Nachbarklage kann allerdings auch dann Erfolg haben, wenn ein Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt (BVerwGE 52, 122).
b) Der Klägerin zu 2) steht kein Gebietserhaltungsanspruch gegen das Vorhaben der Beigeladenen zu.
aa) Zwar verleiht die Festsetzung der Art der Nutzung in einem Bebauungsplan gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt., § 9a Nr. 1a) Baugesetzbuch (BauGB) i. V. m. der Baunutzungsverordnung (BauNVO) grundsätzlich drittschützende Wirkung. Ein Nachbar desselben Plangebiets kann sich folglich mit dem Gebietserhaltungsanspruch gegen die Zulassung ihrer Art nach in dem jeweiligen Gebiet unzulässiger Vorhaben wenden. Allerdings ist das Gericht aufgrund der beim Augenschein und im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisse zu der Überzeugung gelangt, dass die Festsetzung des Gebiets, in dem sich das streitgegenständliche Grundstück befindet, als Mischgebiet, von Anfang an fehlerhaft war. Der von der Gemeinde für diesen Bereich festgesetzten Art der baulichen Nutzung (Mischgebiet) liegt ein nicht nach § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB unbeachtlicher Mangel im Abwägungsergebnis zugrunde. Wie der Begründung des Bebauungsplans (S. 3) zu entnehmen ist, hat die Gemeinde diese Fläche „wegen des bestehenden Kfz-Betriebs“ als Mischgebiet festgesetzt. Diese Ausführungen sind nicht so zu verstehen, dass die Gemeinde nur – was zutreffend gewesen wäre – angenommen hat, die Gebietsfestsetzung lasse den bestehenden Bestandsschutz des Werkstattbetriebs unberührt. Die Gemeinde hat sich vielmehr für diese Festsetzung entschieden, weil sie gemeint hat, dass der bestehende Werkstattbetrieb eine mit der Mischgebietsfestsetzung materiell konform gehende Art der baulichen Nutzung darstellt, der Werkstattbetrieb also ein „das Wohnen nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb“ im Sinne des § 6 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 BauNVO sei. Das ist jedoch unzutreffend. Bei der Kfz-Werkstatt handelte es sich auch damals nicht um einen im Mischgebiet zulässigen, das Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieb. Der Bebauungsplan ist insoweit unwirksam, so dass die Klägerin zu 2) keinen hierauf gestützten Gebietserhaltungsanspruch geltend machen kann.
bb) Nach Ansicht der Kammer ist bei der Frage, ob eine Kfz-Werkstatt ein im Mischgebiet zulässiger Gewerbebetrieb ist, grundsätzlich eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde zu legen.
Geht man davon aus, dass im Mischgebiet nur atypische, auf wenige emissionsarme Tätigkeiten beschränkte Kfz-Betriebe mit eingeschränkten Betriebszeiten zulässig sind (so BayVGH, Beschluss vom 11. September 2008 – 14 ZB 07.2148 – juris Rn. 3), fiel der Werkstattbetrieb auch zum Zeitpunkt der Planaufstellung ersichtlich nicht mehr in diese „atypische“ Kategorie. Aufgrund der Angaben des Beigeladenen zu 2) steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Betrieb der Beigeladenen bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans durchgängig mindestens zehn Arbeitnehmer beschäftigte, die an bis zu acht Hebebühnen gleichzeitig arbeiteten. Daraus wird ohne weiteres deutlich, dass der Betrieb in seinem damaligen Bestand kein „atypischer“ emissionsarmer Kfz-Betrieb im Sinne dieser Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs war und es sich nicht mehr um einen typischerweise das Wohnen nicht wesentlich störenden und somit nicht um einen mischgebietsverträglichen Gewerbebetrieb handelte (vgl. BayVGH, B. v. 11.09.2008 – 14 ZB 07.2148).
Aber auch dann, wenn man mit dem BVerwG hinsichtlich der Frage, ob eine Kfz-Werkstatt ein im Mischgebiet zulässiger Gewerbebetrieb ist, „nicht vornehmlich auf den Umfang des Betriebes, sondern ausschlaggebend auf das Ausmaß der von dem Betrieb hervorgerufenen Störungen“ abstellt, was dazu zwingt, „stets zu klären, ob es sich im konkreten Fall um einen nicht wesentlich störenden Betrieb im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO handelt oder nicht“ (Beschluss vom 11. April 1975 – IV B 37.75 – juris Rn. 4), war der bestehende Kfz-Betrieb bereits bei Aufstellung des Bebauungsplans ein das Wohnen wesentlich störender Betrieb. Die Ausführungen des BVerwG sind richtigerweise so zu verstehen, dass eine Einzelfallprüfung erforderlich ist, bei der aber gleichwohl die Prüfung des dem Betrieb innewohnenden Störpotentials auf das Ausmaß der typischerweise bei einer solchen Betriebsform auftretenden Störungen auszurichten ist (vgl. BayVGH, B. v. 28.06.2011 – 15 ZB 10.3134 – juris Rn. 13; B. v. 15.07.2016 – 9 ZB 14.1496 – juris Rn. 9). Die damalige Betriebsform, bei der mindestens zehn Mitarbeiter an bis zu acht Hebebühnen gleichzeitig arbeiteten, war generell geeignet eine Wohnnutzung wesentlich zu stören. Sie war im Sinne dieser Rechtsprechung daher nicht mischgebietsverträglich.
cc) Das festgesetzte Mischgebiet besteht zudem gerade einmal aus sechs Grundstücken, wobei sich auf dem deutlich größten bereits der mischgebietsunverträgliche Betrieb der Beigeladenen befindet und zudem ein weiteres Grundstück im Eigentum der Beigeladenen steht. Abgesehen von der im Obergeschoss des Bürogebäudes durch den Beigeladenen zu 2) vorhandenen Wohnnutzung, findet lediglich auf dem Grundstück der Klägerinnen Wohnnutzung (2 Parteien) statt, die aber aller Voraussicht nach nicht wesentlich erweitert werden kann. In diesem kleinräumigen Bereich nahm der Betrieb der Beigeladenen, der auch zur damaligen Zeit hinsichtlich Angestelltenzahl und Umfang der Reparaturarbeiten in etwa bereits die heutige Größe besaß, schon damals flächenmäßig ca. ein Viertel des gesamten als Mischgebiet festgesetzten Bereichs ein. Die Zahl der durchgeführten Reparaturarbeiten war mit acht Hebebühnen, an denen gleichzeitig gearbeitet werden konnte, sogar höher als heute mit sechs Hebebühnen. Angesichts dieser bezogen auf Fläche und Arbeitsintensität dominanten Stellung des – bestandsgeschützten – streitgegenständlichen Betriebs in dem damals festzusetzenden Gebiet ist anzunehmen, dass dieser im zu überplanenden Baugebiet eine gewichtige Stellung innehatte und dieses somit seit jeher wesentlich mitgeprägt hat. Insbesondere das Wohngebäude der Klägerin zu 2), das dicht an den Betrieb der Beigeladenen angrenzt und das einzige vollständig zu Wohnzwecken dienende Gebäude war bzw. ist, war daher den das Wohnen wesentlich störenden Emissionen dieses Betriebs von Anfang an schutzlos ausgesetzt. Selbst unter der Annahme, im restlichen als Mischgebiet festgesetzten Bereich siedle sich nur Wohnbebauung an, konnte der Bestimmung eines Mischgebiets, einem Nebeneinander von Wohnen und das Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben zu dienen, nicht Rechnung getragen werden, da zum einen in diesem Fall gerade nur ein Nebeneinander von Wohnen und das Wohnen wesentlich störendem Gewerbe gegeben gewesen wäre und somit schon der Definition nach ein Mischgebiet nicht vorgelegen hätte und zum anderen der Betrieb der Beigeladenen angesichts dessen Größe und Emissionen von einem derartigen Gewicht gewesen ist, dass im gesamten vorliegenden Gebiet mit dem Vorliegen das Wohnen wesentlich störender Immissionen zu rechnen war. Auch gesetzt den Fall, dass sich auf den noch unbebauten Grundstücken ein annähernd ausgewogenes Verhältnis von Wohnnutzung und nicht wesentlich störendem Gewerbe etabliert hätte, wäre die Gesamtbelastung gewerblicher Emissionen für die vorhandene Wohnnutzung darüber hinaus noch verschlimmert worden. Unter all diesen Umständen ist nicht erkennbar, wie der Bestimmung eines Mischgebiets, nämlich gleichrangig dem Wohnen und der Unterbringung das Wohnen nicht wesentlich störender Gewerbebetriebe zu dienen, Rechnung getragen werden kann und zum Zeitpunkt der Festsetzung des streitgegenständlichen Gebiets als Mischgebiet Rechnung getragen werden konnte. Die Festsetzung dieses Mischgebiets gemäß §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt., 9a Nr. 1a) BauGB i. V. m. § 6 BauNVO ist somit ermessensfehlerhaft und mithin unwirksam, da ihr ein nicht nach § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB unbeachtlicher Mangel im Abwägungsergebnis zugrunde liegt.
c) Das nachbarliche Rücksichtnahmegebot ist nicht verletzt. Aufgrund der Unwirksamkeit der Mischgebietsfestsetzung richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 BauGB. § 34 Abs. 2 BauGB ist nicht anwendbar, da es sich bei der Kfz-Werkstätte mit Kfz-Handel der Beigeladenen um einen das Wohnen wesentlich störenden Gewerbebetrieb handelt, so dass eine Gemengelage vorliegt, die keinem Gebiet der BauNVO eindeutig zuzuordnen ist. Im Rahmen der vorliegenden Nachbaranfechtung ist somit lediglich entscheidend, ob das über das Merkmal des „Einfügens“ gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu prüfende Gebot der Rücksichtnahme in nachbarschützender Weise verletzt ist.
Wie sich die Kammer im Augenschein überzeugen konnte, verstößt die angefochtene Baugenehmigung nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
Der Anbau nimmt bezogen auf die Fläche des bestehenden Betriebs lediglich einen deutlich untergeordneten Teil ein und befindet sich zur …-straße hin, also auf der der Klägerin zu 2) abgewandten Seite. Das Dach ist nur um ca. 1,4 m höher als das Dach der bestehenden Bergehalle und vom Wohngebäude der Klägerin zu 2) aus kaum erkennbar. Zudem dient der Anbau lediglich zur Unterbringung der optischen Vermessungsanlage, deren Inbetriebnahme von der Volkswagen AG spätestens zum 1. Januar 2017 verlangt wird. Dort werden also lediglich staub- und geräuscharme optische Vermessungsarbeiten vorgenommen werden und keine staub- und geräuschintensiven Reparaturarbeiten. Zudem ist nicht mit einer wesentlichen Erhöhung des Kfz- und Lkw-Verkehrs aufgrund der Realisierung des Anbaus und des Einbaus der optischen Vermessungsanlage zu rechnen, da die Vermessungsarbeiten größtenteils im Zuge der VW-Service- und Inspektionsarbeiten, also vor allem an Fahrzeugen vorgenommen werden, die sich ohnehin bereits zu Wartungsarbeiten im Betrieb der Beigeladenen befinden. Das Untergeschoss des Anbaus dient nur zur Lagerung von Geräten und Werkzeug. Zudem wurde in der Baugenehmigung vom 10. Mai 2016 der Betrieb der Kfz-Halle zur Nachtzeit untersagt. Des Weiteren dürfen gemäß Auflage Nr. 5 sämtliche mit dem Betrieb des Anbaus zusammenhängenden Emissionen in der Summe mit den Geräuschen des bereits bestehenden Kfz-Betriebs tagsüber am Wohngebäude der Klägerin zu 2) den Wert von 60 dB(A) nicht überschreiten. Dies entspricht gemäß Nr. 6.1 c) TA Lärm einem in Mischgebieten zulässigen Beurteilungspegel. Gemäß Auflage Nr. 6 darf der Betrieb der Beigeladenen nur gemäß den Betriebsbeschreibungen (Schreiben vom 24. März 2016 sowie die E-Mail vom 27. April 2016), die Bestandteil der Baugenehmigung sind, betrieben werden. Die normalen Öffnungszeiten sind hiernach 07:30 – 17:00 Uhr, abgesehen vom 24-Stunden-Notdienst. Allerdings werden abgesehen von Bergemaßnahmen im Rahmen des Notdienstes keine Reparaturen, auch keine Notfallreparaturen außerhalb der normalen Öffnungszeiten vorgenommen, insbesondere die Durchführung der im Anbau vorgesehenen Wartungsmaßnahmen erfolgt nicht außerhalb der normalen Öffnungszeiten von 07:30 – 17:00 Uhr. Eine Erweiterung des 24-Stunden-Notfalldienstes durch den Anbau erfolgt gerade nicht, da dort keine Bergefahrzeuge untergestellt werden. Schließlich werden auch das Geh- und Fahrtrecht der Klägerin zu 2) im südlichen Bereich des Grundstücks Fl. Nr. …-sowie die unterhalb verlaufenden Versorgungsleitungen durch das streitgegenständliche Vorhaben nicht beeinträchtigt, da die Ein- und Ausfahrt in den geplanten Anbau direkt von der …-straße her über den Hof des Betriebs der Beigeladenen erfolgt und eine Überfahrt des südlichen Bereichs des Grundstücks Fl. Nr. … aufgrund des konkreten Vorhabens nicht stattfindet.
Alle diese Umstände lassen zur Überzeugung der Kammer feststehen, dass durch die Errichtung und den Betrieb des streitgegenständlichen Anbaus keine immissionsmäßige Verschlechterung der Situation der Klägerin zu 2) gegeben ist, so dass die Realisierung des Vorhabens nicht rücksichtslos ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 und 155 Abs. 4 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Klägerin zu 2) die gesamten Gerichtskosten, da sie aufgrund ihres Verschuldens die unbeteiligte Klägerin zu 1) im Wege der vollmachtlosen Vertretung in den Prozess gezogen hat. Auch entspricht es der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der Klägerin zu 2) aufzuerlegen, da erstere sich durch Stellung eines Sachantrags dem Kostenrisiko ausgesetzt haben.


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