Baurecht

Erfolglose Nachbarklage gegen Baugenehmigung für Doppelhaushälfte – Fehlende Nachbareigenschaft

Aktenzeichen  Au 4 K 17.707

Datum:
8.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 6 Abs. 4, Art. 66
VwGO VwGO § 42 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Nachbareigenschaft eines Grundstücks im Sinne des Art. 66 BayBO setzt eine bestimmte räumliche Beziehung zum Baugrundstück voraus. Maßgeblich ist der Einwirkungsbereich des Bauvorhabens. Das Bauvorhaben muss so zum klägerischen Grundstück gelegen sein, dass es sich auf dieses und besonders dessen Nutzung unmittelbar und tatsächlich auswirken kann. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Art. 66 BayBO ist keine drittschützende Vorschrift in dem Sinne, dass der Nachbar allein wegen der Missachtung dieser Norm die Baugenehmigung erfolgreich anfechten könnte. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger als Gesamtschuldner zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg, denn die Kläger sind nicht gem. § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Die Kläger können nicht im Sinne dieser Vorschrift geltend machen, durch die streitgegenständliche Baugenehmigung in ihren Rechten verletzt zu sein.
Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn diese rechtswidrig ist sowie die Rechtswidrigkeit (auch) auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade dem Schutz der betroffenen Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. etwa BayVGH, B.v. 6.2.2017 – 15 ZB 16.398 – juris Rn. 16 m.w.N.). Notwendig für eine zulässige Klage ist demnach, dass der Drittkläger im öffentlich-rechtlichen Sinne Nachbar ist. Die Nachbareigenschaft eines Grundstückes i. S.d. Art. 66 BayBO setzt eine bestimmte räumliche Beziehung zum Baugrundstück voraus. Maßgeblich ist der Einwirkungsbereich des Bauvorhabens. Das Bauvorhaben muss so zum klägerischen Grundstück gelegen sein, etwa in einer solchen Entfernung, dass es sich auf dieses und besonders dessen Nutzung unmittelbar und tatsächlich auswirken kann (vgl. Simon/Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 65).
Die Möglichkeit derartiger Auswirkungen der hier streitgegenständlichen Doppelhaushälfte „West“ auf das Grundstück der Kläger ist eindeutig und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen. Diese Doppelhaushälfte ist vom klägerischen Grundstück durch das etwa 14 m breite Grundstück Fl. * getrennt; diese Entfernung bestünde auch dann, wenn die von den Klägern beanstandete Teilung des Grundstücks Fl.Nr. * unterblieben wäre. Andere Auswirkungen auf das klägerische Grundstück als die des Baukörpers selbst – etwa Immissionen – sind bei einem Wohngebäude nicht zu erwarten. Es erscheint hier auch ausgeschlossen, dass durch den Baukörper der Doppelhaushälfte rechtlich schützenswerte Interessen der Kläger beeinträchtigt werden. Schon die Abstandsflächen der zum Grundstück der Kläger ausgerichteten Doppelhaushälfte Ost auf Fl.Nr. * sind deutlich eingehalten. Dies gilt damit erst recht für die vorliegende Doppelhaushälfte. Selbst wenn mit den Klägern – entgegen Art. 6 Abs. 4 BayBO und den Festsetzungen des einschlägigen Bebauungsplans (Nr. 3,4; Nr. 6,1) – auf die Firsthöhe der vorliegenden Doppelhaushälfte abgestellt würde (9,74 m), kämen die für die Belichtung, Belüftung und Besonnung des klägerischen Grundstücks maßgeblichen Abstandsflächen noch mit einem Abstand von mehreren Metern zum klägerischen Grundstück auf dem Grundstück Fl.Nr. * zu liegen. Auch das Interesse an der Aufrechterhaltung einer bestimmten Aussicht ist grundsätzlich kein schutzwürdiger Belang eines Drittbetroffenen (vgl. etwa BayVGH, B.v. 26.7.2007 – 1 CS 07.865 – juris Rn. 17). Eine nicht nur die Aussicht schmälernde, sondern auch andere Belange beeinträchtigende unzumutbare „Riegelwirkung“ oder „erdrückende“ bzw. “einmauernde“ Wirkung auf das klägerische Grundstück (vgl. BayVGH, a.a.O.) ist bei der beschriebenen Sachlage (Abstand zum klägerischen Grundstück; weitgehende Unterschreitung des nötigen Abstands selbst bei Außerachtlassung der einschlägigen bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Vorgaben) offenkundig nicht gegeben.
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Kläger meinen, auf dem Gesamtgrundstück Fl.Nr. * habe nach dem einschlägigen Bebauungsplan nur ein Einfamilienhaus errichtet werden dürfen. Abgesehen davon, dass der Bebauungsplan eindeutig ein „Einzelhaus“ festsetzt und damit gem. § 22 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1968 lediglich Näheres zur (offenen) Bauweise vorgibt, wäre dem Begehren der Kläger bereits mit der – von ihnen im Verfahren Au 4 K 17.701 auch beantragten – Aufhebung der Baugenehmigung vom 13. April 2017 für die Doppelhaushälfte Ost Rechnung getragen.
Sind die Kläger in Bezug auf die streitgegenständliche Doppelhaushälfte keine Nachbarn gem. Art. 66 BayBO, waren sie auch nicht im Sinne dieser Vorschrift am Verfahren zu beteiligen. Im Übrigen ist Art. 66 BayBO keine drittschützende Vorschrift in dem Sinne, dass der Nachbar allein wegen ihrer Missachtung die Baugenehmigung erfolgreich anfechten könnte (vgl. BayVGH, B.v. 6.2.2017 – 15 ZB 16.398 – a.a.O.).
Eindeutig keine Verletzung öffentlicher Nachbarrechte ergibt sich auch durch die Befürchtungen der Kläger, durch Sprengungen während der Bauarbeiten werde es zu Schäden an ihrem Wohnanwesen kommen; insoweit gilt Art. 68 Abs. 4 BayBO, wonach die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt wird.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten billigerweise selbst, da er keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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