Baurecht

Erfolglose Nachbarklage gegen Baugenehmigung für Doppelhaushälfte

Aktenzeichen  M 9 K 15.1834

Datum:
27.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 31 Abs. 2
BauNVO BauNVO § 15

 

Leitsatz

1. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots (§ 15 BauNVO) kann in Betracht kommen, wenn durch die Verwirklichung eines genehmigten Vorhabens ein in unmittelbarer Nachbarschaft befindliches Wohnhaus eingemauert oder erdrückt wird. (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Annahme einer abriegelnden bzw. erdrückenden Wirkung eines Nachbargebäudes ist grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des nachbarlichen Gebäudes. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Baugenehmigung und die erteilten Befreiungen vom 07. April 2015 verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn diese rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit auf der Verletzung von Normen beruht, die dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B. v. 24.03.2009 – 14 CS 08.3017 -). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Baugenehmigung für eine Doppelhaushälfte verstößt nicht wegen einer etwaigen erdrückenden Wirkung gegen das Rücksichtnahmegebot. Die Grundwasserproblematik betrifft ausschließlich die Bauausführung und ist nicht Gegenstand der Baugenehmigung.
Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot durch die Befreiung von der im Bebauungsplan festgesetzten Wandhöhe um 45 cm ist nicht im Ansatz erkennbar. Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von Festsetzungen eines Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, wenn u. a. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr. 2) und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die Klägerseite hat dazu geltend gemacht, dass die von dem Bauvorhaben ausgehende einmauernde Wirkung bei der Befreiung nicht berücksichtigt worden sei. Zwar kann in Ausnahmefällen nach der Rechtsprechung eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes, § 15 Baunutzungsverordnung (BauNVO), in Betracht kommen, wenn durch die Verwirklichung eines genehmigten Vorhabens ein in unmittelbarer Nachbarschaft befindliches Wohnhaus eingemauert oder erdrückt wird, wobei eine solche Wirkung vor allem bei nach Höhe und Volumen übergroßen Baukörpern im geringen Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht kommt (BayVGH, U. v. 07.10.2010 – 2 B 09.328 -). Für die Annahme einer solchen abriegelnden bzw. erdrückenden Wirkung eines Nachbargebäudes ist grundsätzlich kein Raum, wenn, wie hier, dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des klägerischen Gebäudes. Da eine erdrückende Wirkung regelmäßig ausgeschlossen ist, wenn die landesrechtlichen Vorschriften zu den Abstandsflächen eingehalten sind (BVerwG, B. v. 11.01.1999 – 4 B 128/98 -) und diese eine Konkretisierung des Gebotes der Rücksichtnahme darstellen (BVerwG, U. v. 16.09.1993 – 4 C 2891 -) und da diese Abstandsflächen hier in voller Länge eingehalten sind, war eine einmauernde Wirkung bei Erteilung der Befreiung nicht im Entferntesten anzunehmen. Bei beiden Häusern handelt es sich um Wohnhäuser von vergleichbarer durchschnittlicher Höhe. Die Mindestabstände der Abstandsflächenvorschriften der Bayerischen Bauordnung werden nicht ausgeschöpft. Welche nachbarlichen Interessen bei Erteilung der Abweichung von der Wandhöhe nach dieser Sachlage unter rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen wären, ist nicht ersichtlich. Einen Schutz davor, dass das Nachbargrundstück eines Wohnanwesens ebenfalls mit einem Wohnhaus bebaut wird, gibt es nicht.
Die Grundwasserproblematik und die Entwässerung des Baugrundstückes betreffen ausschließlich die Bauausführung und sind nicht Gegenstand der Baugenehmigung. Der Kläger als Nachbar kann sich diesbezüglich nicht mit Erfolg gegen die Baugenehmigung wenden.
Die Klage war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Gemäß § 162 Abs. 3 VwGO hat der Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen. Diese waren ihm aus Billigkeit aufzuerlegen, da sich der Beigeladene durch die Stellung eines Antrages in ein Kostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO begeben hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 f. Zivilprozessordnung (ZPO).


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