Baurecht

Erfolglose Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung für den Anbau eines Wintergartens an ein Reihenhaus

Aktenzeichen  AN 9 K 19.02532

Datum:
5.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 14593
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 6 Abs. 1 S. 3, Art. 55, Art, 57, Art. 68 Abs. 1 S. 1
BauGB § 30, § 34

 

Leitsatz

1. Eine Konfliktbewältigung auf der Grundlage des Rücksichtnahmegebots setzt voraus, dass der Bebauungsplan für sie noch offen ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Festsetzungen eines Bebauungsplans auch Ausdruck einer „planerischen Zurückhaltung“ sind. Nachbarrechte werden im Lichte des Rücksichtnahmegebots aber nur verletzt, wenn das Bauvorhaben zu unzumutbaren Auswirkungen für die Nachbargrundstücke führt. (Rn. 52 – 53) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit Blick auf das Gebot der Rücksichtnahme ist ein objektiver Maßstab anzulegen: Die Unzumutbarkeit richtet sich in persönlicher Hinsicht weder nach besonders empfindsamen, nervösen Personen, noch nach robusten, etwa lärmunempfindlichen Naturen; maßgeblich sind die auf Immissionen durchschnittlich reagierenden Menschen.  (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 18. November 2019, Aktenzeichen …, ist rechtmäßig und verletzt keine subjektiv öffentlichen Rechte der Klägerin. Vielmehr war die Baugenehmigung nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO zu erteilen, da dem Vorhaben der Beigeladenen keine zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen.
I.
Vor allem wahrt der nach den Art. 55, 57 BayBO genehmigungspflichtige Wintergarten die Vorgaben des Bauplanungsrechts. Auch Probleme des bauordnungsrechtlichen Abstandflächenrechts bestehen nicht. Sonstige einer Genehmigung entgegenstehende Aspekte sind ebenfalls nicht ersichtlich.
1.
a.
Der von den Beigeladenen geplante Wintergarten auf dem Vorhabengrundstück …, Gemarkung … liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans … der beklagten Stadt … in der geänderten Fassung vom 29. März 1999.
Dies ergibt sich bereits aus der Lage im vom Planblatt des Bebauungsplans … grafisch gekennzeichneten Bereich. Die Änderungssatzung des Jahres 1999 hat dies nicht verändert.
aa.
Mit ihrem anderslautenden Vortrag vermochte die Klägerin nicht durchzudringen. Richtig ist zwar, dass die Gebietsbeschreibung im Planblatt des sowie der Begründung zum Bebauungsplan … des Jahres 1969 („Gebiet zwischen …, Fussweg zwischen … und …, …, … und …“) von der Gebietsbeschreibung in der Änderungssatzung vom 29. März 1999 sowie der Begründung zur Änderung des Bebauungsplanes … vom 20. Oktober 1998 („für ein Teilgebiet südlich der …, beiderseits der … und der …“) abweicht.
Indes folgt daraus keine Änderung des räumlichen Geltungsbereichs. Es gibt keinen Grundsatz, wonach eine Ausgangs- und eine Änderungssatzung dasselbe Gebiet mit derselben Formulierung umschreiben müssen. Eine Formulierungsänderung deutet für sich betrachtet nicht hinreichend auf einen „Gebietsänderungswillen“ des Satzungsgebers hin.
bb.
Vielmehr änderte die Änderungssatzung des Jahres 1999 weder den räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans …, noch verfolgte sie das Ziel, dass die in ihrem Art. 1 getroffenen erweiternden Festsetzungen nur für Teile der Reihenhausbebauung im 1969 bestimmten Plangebiet gelten sollen.
(1)
Der Wortlaut „zur Änderung […] für ein Teilgebiet“ (Begründung der Änderungssatzung) beziehungsweise „für ein Teilgebiet […] ergänzt“ (Änderungssatzung) lässt nicht zwingend darauf schließen, dass der räumliche Geltungsbereich der Änderungssatzung begrenzt wurde.
Vielmehr führt die Umschreibung „Gebiet zwischen …, …, …, Fussweg zwischen … und …, …, … und …“ der Ausgangssatzung und die ausreichend bestimmte Gebietsbeschreibung der Änderungssatzung vom 29. März 1999 sowie der Begründung zur Änderung des Bebauungsplanes … vom 20. Oktober 1998 „für ein Teilgebiet südlich der* …, beiderseits der … und der …“ zum identischen räumlichen Geltungsbereich.
Die im Einleitungssatz aufgeführten Straßen … und … laufen von der … aus fast parallel von Nordosten nach Südwesten durchs Plangebiet. Sie sind die einzigen Straßen in Nord-Ost-Süd-West-Richtung, an denen sich im Straßenverlauf rechts und links – mithin beiderseits – Baugebiete anschließen. Südöstlich der … endet das Plangebiet mit der … als nächster Straße in Nordost-Südwest-Richtung. Im Nordwesten endet das Plangebiet mit der … und der …, an die nur einseitig Baugebiete angrenzen. Somit grenzen hinter den an die … und an die … angrenzenden Wohngebieten Straßen, die das Plangebiet begrenzen.
Als seitlich zur … liegendes Grundstück liegt das Baugrundstück der Beigeladenen … somit auch nach der Änderungssatzung im Plangebiet.
(2)
Für diese Auslegung spricht auch, dass Art. 1 Nr. 1 der Änderungssatzung des Jahres 1999 ausführt, die „im Planblatt des Bebauungsplans … enthaltenen Festsetzungen“ werden „ergänzt“. Dies verdeutlicht, dass etwas zu den bisherigen Festsetzungen im Sinne des § 9 Abs. 1 (Festsetzungen zu Art und Maß baulicher Nutzung et cetera) sowie § 9 Abs. 7 BauGB (räumlicher Geltungsbereich eines Bebauungsplans) hinzutritt, ohne die früheren Festsetzungen anzutasten – wie diejenigen zum räumlichen Geltungsbereich.
(3)
Zu beachten ist auch, dass es der Beklagten als Satzungsgeber bei Erlass der Änderungssatzung des Jahres 1999 nach der Begründung der Änderungssatzung explizit darum ging, im gesamten Plangebiet bauliche Erweiterungen von Reihenhäusern durch Wintergärten zu ermöglichen.
So seien die Grundstücke im Änderungsbereich abgesehen von zwei Ausnahmen entsprechend der Festsetzungen des Bebauungsplans von 1969 mit zweigeschossigen Hausgruppen (Reihenhäusern) bebaut. Die Beklagte habe zuvor vermehrt beantragte erdgeschossige Erweiterungen durch Wintergärten im Wege von Befreiungen nach § 31 BauGB genehmigt. Da die Rechtsaufsichtsbehörde dies beanstandet habe, sei es nötig geworden, den Bebauungsplan … zu ändern, um eine Rechtsgrundlage für die beabsichtigten Baumaßnahmen zu schaffen. Dies solle im betreffenden Wohngebiet einheitlich für alle Reihenhäuser die planungsrechtliche Voraussetzung schaffen, erdgeschossige bauliche Erweiterungen in Form von Wintergärten vorzunehmen.
Diesen aus den Unterlagen gefolgerten Willen des Satzungsgebers stellt auch die oben dargelegte abweichende Umschreibung des Geltungsbereichs der Änderungssatzung in deren Art. 1 sowie in ihrer Begründung nicht infrage. Denn wie skizziert entspricht die Umschreibung im Ergebnis der im Jahr 1969 getroffenen Formulierung zur Gebietsumgrenzung. Im Übrigen deutet die Formulierung „für ein Teilgebiet“ keine Änderung des Geltungsbereichs des Bebauungsplans 3657 respektive eine Begrenzung der diesbezüglich in der Änderungssatzung getroffenen erweiternden Festsetzungen an. Vielmehr liegt es näher, die Floskel „für ein Teilgebiet“ in Art. 1 der Änderungssatzung von 1999 und in der Einleitung der diesbezüglichen Satzungsbegründung so zu verstehen, dass es dem Satzungsgeber nicht darum ging, das Plangebiet zu verändern, sondern zu beschreiben, dass die Möglichkeit baulicher Erweiterungen nur für Teile des schon 1969 festgesetzten Plangebiets bestehen soll. So soll die Erweiterung der überbaubaren Grundstücksfläche um die Möglichkeit rückwärtiger Wintergärten (Art. 1 Nr. 1 der Änderungssatzung aus dem Jahr 1999) „einheitlich für alle Reihenhäuser“ die Voraussetzung für Wintergärten schaffen – mithin nicht für die nicht mit Reihenhäusern bebauten Grundstücke im Plangebiet – konkret für zwei Grundstücke, von denen eines mit einem viergeschossigen Mehrfamilienhaus und eines mit einem erdgeschossigen Laden bebaut ist.
2.
Der geplante Wintergarten ist bauplanungsrechtlich zulässig, da er den Vorgaben des Bebauungsplans … nicht widerspricht, §§ 30 Abs. 1, 3, 34 Abs. 1 BauGB.
Nach § 30 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, zulässig, wenn es den Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Sofern ein Bebauungsplan nur einzelne Festsetzungen im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB enthält, ist er als einfacher Bebauungsplan zu qualifizieren. In diesem Fall ist ein Vorhaben zulässig, wenn es den vorhandenen Festsetzungen nicht widerspricht und im Übrigen nach §§ 34 oder 35 BauGB zulässig ist.
a.
Der von den Beigeladenen geplante Wintergarten soll eingeschossig ausgeführt werden und wahrt insofern die Maßgabe der Erdgeschossigkeit aus Art. 1 Nr. 1 Satz 2 der Satzung zur Änderung des Bebauungsplans … vom 29. März 1999.
b.
Dabei beachtet er die Vorgaben des Art. 1 Nr. 1 Satz 1 der Satzung zur Änderung des Bebauungsplans … vom 29. März 1999 zur überbaubaren Grundstücksfläche.
So ist er zum einen auf der rückwärtigen Gebäudeseite, mithin auf der von der Straßenverkehrsfläche der … abgewandten Gartenseite geplant.
Zum anderen soll er eine Tiefe von 3,5 Metern aufweisen, was genau der im Jahr 1999 beschlossenen Erweiterung der überbaubaren Grundstücksfläche im Plangebiet entspricht. Wie die Beklagte näher ausführte, ergab sich dies bereits aus den genehmigten Bauplänen der Beigeladenen. Letzte durch eine einzelne widersprüchliche Planangabe von 3,9 Metern hervorgerufene Zweifel an der geplanten und genehmigten Länge von 3,5 Metern räumte die Beklagte am 7. August 2020 aus, als sie diese einzelne Angabe von 3,9 Metern mittels Blaueintrag strich.
b.
Schließlich fügt sich der Wintergarten mit Blick auf dessen geplante Nutzung zu Wohnzwecken in die Eigenart der näheren Umgebung ein, vgl. §§ 30 Abs. 3 in Verbindung mit § 34 Abs. 1 BauGB. Anderes drängt sich weder auf, noch haben die Parteien derartiges ausgeführt.
2.
Die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verletzt ferner nicht die Vorgaben des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts.
Zwar soll sich der geplante Wintergarten über die gesamte Grundstücksbreite von 5,25 Metern erstrecken. Er hält folglich keinerlei Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken ein. Allerdings müssen Wintergärten und sonstige Anbauten innerhalb der im Bebauungsplan … für Reihenhäuser (Hausgruppen) festgelegten Baugrenze keine Abstandsflächen einhalten. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO sind keine Abstandsflächen einzuhalten, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder darf.
Dies ist hier der Fall: So setzt der Bebauungsplan … nach seinem Planblatt unter anderem für die Grundstücke … und …, Gemarkung … – mithin auch für Flurnummer … der Beigeladenen und … der Klägerin – eine einheitliche, alle acht Grundstücke umschließende Baugrenze fest. Art. 1 Nr. 1 der Änderungssatzung erweitert diese Grenze um 3,5 Meter gerechnet ab den im Planteil festgesetzten rückwärtigen Baugrenzen – wo der von den Beigeladenen geplante Wintergarten entstehen soll. Art. 1 Nr. 2 lit. b) statuiert dabei explizit, dass die ermöglichten Wintergärten und Anbauten auf Reihenmittelgrundstücken, wie dem der Beigeladenen, beidseits an die seitlichen Grundstücksgrenzen errichtet werden müssen.
3.
Schließlich steht der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nicht das Rücksichtnahmegebot entgegen.
Das allgemeine Rücksichtnahmegebot folgt im durch Bebauungsplänen geordneten Baugebiet aus § 15 Abs. 1 BauNVO. Das Rücksichtnahmegebot ergänzt die Festsetzungen des Bebauungsplans. Eine Konfliktbewältigung auf der Grundlage des Rücksichtnahmegebots setzt dabei voraus, dass der Bebauungsplan für sie noch offen ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Festsetzungen eines Bebauungsplans auch Ausdruck einer „planerischen Zurückhaltung“ sind (BVerwG, U.v. 5.8.1983 – 4 C 96/79 – NJW 1984, 138; U.v. 12. 9. 2013 – 4 C 8/12 – NVwZ 2014, 69).
Nachbarrechte werden im Lichte des Rücksichtnahmegebots aber nur verletzt, wenn das Bauvorhaben zu unzumutbaren Auswirkungen für die Nachbargrundstücke führt (vgl. z.B. BayVGH B.v. 14.6.2007 – 1 CS 07.265 – BeckRS 2010, 45289). Nach gefestigter Rechtsprechung hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – juris; BayVGH B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris; BayVGH, B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 4 m.w.N).
Dabei ist zu beachten, dass mit Blick auf das Gebot der Rücksichtnahme ein objektiver Maßstab anzulegen ist: Die Unzumutbarkeit richtet sich in persönlicher Hinsicht weder nach besonders empfindsamen, nervösen Personen, noch nach robusten, etwa lärmunempfindlichen Naturen; maßgeblich sind die auf Immissionen durchschnittlich reagierenden Menschen (BVerwG Urt. v. 7.10.1983 – 7 C 44.81, BVerwGE 68, 62 [67] = NJW 1984, 989 [990] = DVBl. 1984, 227 [229]; auch nach OVG Münster Urt. v. 18.11.2002 – 7 A 2127/00, NVwZ 2003, 756 = ZfBR 2003, 275 = BauR 2003, 517, kommen als rechtlich relevante Parameter der Zumutbarkeitsbewertung von Lärmimmissionen nur objektive Umstände in Betracht, die persönlichen Verhältnisse einzelner Betroffener wie etwa besondere Empfindlichkeiten oder der Gesundheitszustand spielen hingegen keine Rolle (König/Roeser/Stock/Roeser, 4. Aufl. 2019, BauNVO § 15 Rn. 32). Daraus folgt zugleich, dass die besondere Empfindlichkeit eines Nachbarn nicht zu einem Heraufsetzen der Zumutbarkeitsschwelle führen kann. Das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme ist nicht „personenbezogen“, so dass besondere individuelle Empfindlichkeiten oder der Gesundheitszustand von Einzelpersonen bei der Bewertung von Immissionen keine Rolle spielen (BVerwG, U.v. 23.9.1999 – 4 C 6.98 – BVerwGE 109, 314 = juris Rn. 29 m.w.N.; BayVGH, B.v. 2.3.2015 – 9 ZB 12.1377 – juris Rn. 20; B.v. 28.8.2015 – 9 ZB 13.1876 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 16.4.2019 – 15 CE 18.2652 – juris Rn. 40).
Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin hinsichtlich der von ihr vorgetragenen Aspekte „Verschattung“ und „Luftstau“ in baurechtlich beachtenswerter Weise betroffen ist. In der Gesamtschau sind bauliche Situationen, wie sie hier bei Umsetzung der angegriffenen Baugenehmigung für die Klägerin entstehen, geradezu typisch für innerstädtische Lagen.
Eine Rücksichtslosigkeit aufgrund einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung kommt bei nach Höhe, Breite und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – DVBl. 1981, 928 ff. = juris Rn. 32 ff.: zwölfgeschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zu zweieinhalb geschossigem Wohnhaus; BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – DVBl. 1986, 1271 f. = juris Rn. 15: grenznahe 11,5 m hohe und 13,31 m lange, wie eine „riesenhafte metallische Mauer“ wirkende Siloanlage bei einem sieben Meter breiten Nachbargrundstück; vgl. auch BayVGH, B.v. 3.5.2011 – 15 ZB 11.286 – juris Rn 13; B.v. 17.7.2013 – 14 ZB 12.1153 – BauR 2014, 810 f. = juris Rn. 14; B.v. 30.9.2015 – 9 CS 15.1115 – juris Rn. 13; B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 5; VGH BW, B.v. 16.2.2016 – 3 S 2167/15 – juris Rn. 38; Sächs.OVG, B.v. 4.8.2014 – 1 B 56/14 – juris Rn. 16 ff.; B.v. 16.6.2015 – 1 A 556/14 – juris Rn. 16; B.v. 25.7.2016 – 1 B 91/16 – juris Rn. 13 ff.; ein Rechtsprechungsüberblick findet sich bei Troidl, BauR 2008, 1829 ff.).
Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls ist hier aber keine erdrückende, abriegelnde oder einmauernde Wirkung zu Lasten der Klägerin erkennbar. Der geplante Wintergarten der Beigeladenen weist unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse keine außerordentliche Höhe auf. Daher ist auch nicht ersichtlich, dass er der Klägerin förmlich „die Luft nimmt“, weil er derartig übermächtig wäre, dass das Gebäude der Klägerin nur noch oder überwiegend wie von einem „herrschenden“ Gebäude dominiert und ohne eigene Charakteristik wahrgenommen würde (zum Ganzen: OVG NW, U.v. 19.7.2010 – 7 A 3199/08 – BauR 2011, 248 ff. = juris Rn. 58; B.v. 14.6.2016 – 7 A 1251/15 – juris Rn. 7; OVG RhPf, B.v. 27.4.2015 – 8 B 10304/15 – juris Rn. 6; VG Cottbus, B.v. 16.2.2016 – 3 L 193/15 – juris Rn. 19).
Verringerungen des Lichteinfalls beziehungsweise ein Verschattungseffekt sind als typische Folgen der Bebauung insbesondere in innerstädtischen Lagen bis zu einer einzelfallabhängigen Unzumutbarkeitsgrenze hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2008 – 1 CS 08.2770 – juris Rn. 24; B.v. 16.10.2012 – 1 CS 12.2036 – juris Rn. 5; U.v. 18.7.2014 – 1 N 13.2501 – BayVBl. 2015, 166 ff. = juris Rn. 34; B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 7 f.; OVG Bremen, B.v. 19.3.2015 – 1 B 19/15 – BauR 2015, 1802 ff. juris Rn. 19; Sächs.OVG, B.v. 4.8.2014 – 1 B 56/14 – juris Rn. 19).
Eine Unzumutbarkeit ist hier aber nicht gegeben: Die Belichtung des Grundstücks der Klägerin … wird durch den Wintergarten allenfalls zeitlich beschränkt eingeschränkt. Dabei ist auch zu beachten, dass ein Wintergarten aufgrund seiner Verglasung eine andere Wirkung entfaltet, als ein massiv errichtetes Gebäude. Weiterhin ist einzustellen, dass die Belichtung weiter Teile des, verglichen mit dem Vorhabengrundstück großen Reihenendhausgrundstücks der Klägerin, vom Wintergarten nicht beeinflusst werden dürften. Schließlich ist es planungsrechtlich nicht geschützt, falls es der Klägerin um eine „freie Aussicht“ beziehungsweise eine Aufrechterhaltung der Blickbeziehung nach Nord-Westen gehen sollte. Der Fortbestand einer ungeschmälerten Aussicht ist grundsätzlich nur eine Chance, die das Gebot der Rücksichtnahme nicht schützt (dazu: BayVGH, B.v. 14.6.2013 – 15 ZB 13.612 – NVwZ 2013, 1238 ff. = juris Rn. 11 m.w.N; BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 -, Rn. 27 – 32, juris).
4.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass eine Baugenehmigung nach Art. 68 Abs. 5 BayBO unbeschadet der Rechte Dritter erteilt wird. Über die Frage nach dem Bestehen einer gemeinsamen Grenzanlage, die diesbezüglichen Eigentumsverhältnisse sowie eine etwaige Beeinträchtigung durch den geplanten Wintergarten war im Verwaltungsrechtsstreit nicht zu entscheiden.
Im Ergebnis war die Klage abzuweisen.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren gemäß § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, da diese einen eigenen Antrag gestellt und somit an dem Kostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO) teilgenommen hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 167 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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