Baurecht

Erfolglose (Untätigkeits-)Klage auf Baugenehmigung wegen bestehender Fremdenverkehrssatzung nach BauGB 1986

Aktenzeichen  M 1 K 19.3929

Datum:
14.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 43499
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 75 S. 1
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 6, § 22 Abs. 1, Abs. 9, § 244 Abs. 6
BayBO Art. 65 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1. Eine Klage, die darauf gerichtet ist, den Beklagten zur Erteilung der begehrten Baugenehmigung zu verpflichten, ist als Untätigkeitsklage nach § 75 Satz 1 VwGO zulässig, wenn über den Bauantrag ohne zureichenden Grund sachlich nicht entschieden wurde und der Bauantrag auch nicht nach Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBO als zurückgenommen gilt. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach § 22 Abs. 10 Satz 1 BauGB 1986 kann in einer Fremdenverkehrssatzung gemäß § 22 Abs. 2 BauGB 1986 neben der Bestimmung des Genehmigungsvorbehalts die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB festgesetzt werden. Die Rechtsgrundlage entspricht zum Zeitpunkt der 1. Änderung der Festsetzung 2008 dem damaligen wie heute geltenden § 22 Abs. 9 Satz 1 BauGB. Die Rechtsfolge der Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB hat als bauplanungsrechtliche Festsetzung selbständige Bedeutung neben dem grundbuchrechtlichen Genehmigungsvorbehalt (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 139. EL August 2020, § 22 Rn. 72). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es reicht für die Beeinträchtigung der Zweckbestimmung des Gebiets für den Fremdenverkehr durch die unter Genehmigungspflicht gestellten Rehtsgeschäfte (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 BauGB) aus, wenn nach den allgemeinen Erfahrungen in der betreffenden Gemeinde davon ausgegangen werden kann, dass ein entsprechendes Gefährdungspotenzial besteht oder entsteht, wenn die genannten Rechte und Regelungen entstehen oder bei Nebenwohnungen bestimmter Leerstand entsteht. Dabei liegt dem § 22 BauGB eine entsprechende Vermutung zu Grunde; ein konkreter Nachweis der Beeinträchtigung oder die Widerlegung einer entsprechenden Vermutung ist beim Erlass der Satzung nicht erforderlich. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Unanwendbarkeit einer Satzung nach § 244 Abs. 6 Satz 3 BauGB, die auf der Grundlage des § 22 BauGB in der vor dem 20. Juli 2004 geltenden Fassung erlassen wurde, erfasst nur den Genehmigungsvorbehalt, nicht aber auch die Festsetzung der höchstzulässigen Wohnungszahl nach § 22 Abs. 10 Satz 1 BauGB 1986 bzw. § 22 Abs. 9 Satz 1, § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB durch § 1 Nr. 2 der Satzung. (Rn. 49 – 50) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.    Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.  
II.    Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Gründe

I.
Soweit die Klagepartei in der mündlichen Verhandlung die Rücknahme der Klageanträge II. und III. zur Niederschrift erklärt hat, war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
II.
Die mit Klageantrag I. erhobene Verpflichtungsklage in Form einer Untätigkeitsklage hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klage, die darauf gerichtet ist, den Beklagten zur Erteilung der begehrten Baugenehmigung zu verpflichten, ist als Untätigkeitsklage nach § 75 Satz 1 VwGO zulässig. Über den Bauantrag der Klägerin wurde sachlich nicht entschieden. Ein zureichender Grund hierfür ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Bauantrag gilt auch nicht nach Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBO als zurückgenommen. Entsprechende Nachweise der Aufforderung zur Vervollständigung des Bauantrags nach Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBO und der Einstellung einschließlich ihrer Zustellung wurden seitens des Beklagten nicht erbracht.
Die Klage ist unbegründet, weil die Unterlassung der begehrten Baugenehmigung nicht rechtswidrig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Umnutzung des Gebäudeteils auf dem Grundstück FlNr. 91/21 in zwei Wohneinheiten in Entsprechung ihres Bauantrags vom 7. März 2019, wobei der Bauantrag in der mündlichen Verhandlung unter Verzicht auf die Errichtung der Garage teilweise zurückgenommen war. Verfahrensgegenstand ist hingegen nicht die Erteilung einer Genehmigung nach § 22 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 7 BauGB, für die die Klägerin im Übrigen wohl auch noch keinen Antrag gestellt hat.
Das Vorhaben verstößt gegen die im einschlägigen vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO i.V.m. § 30 Abs. 1 BauGB.
1. Das Vorhaben ist nach Art der baulichen Nutzung zulässig. Dabei kann offenbleiben, ob der Bebauungsplan O … – Dorf in der Fassung der Änderungssatzung vom 11. September 1974, in dessen Umgriff das Vorhaben liegt, wirksam ist, oder ob es sich um ein Innenbereichsvorhaben nach § 34 Abs. 1 BauGB handelt. Denn die beantragte Wohnnutzung ist im festgesetzten Dorfgebiet nach § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 5, § 5 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO zulässig. Sie wäre auch im unbeplanten Innenbereich angesichts der in der näheren Umgebung vorhandenen Wohnnutzung ohne Weiteres zulässig, ohne dass entschieden werden muss, ob und gegebenenfalls welchem Gebietstyp die Eigenart der näheren Umgebung entspricht (§ 34 Abs. 2 BauGB).
2. Bedenken im Hinblick auf die Erschließung bestehen nicht. Aus dem Grundbuch sind die dinglichen Sicherungen der Leitungsrechte und der Geh- und Fahrtrechte über die Grundstücke FlNrn. 91/2 und 91/22 ersichtlich.
3. Dem Vorhaben steht jedoch die Festsetzung der höchstzulässigen Anzahl von drei Wohnungen je Wohngebäude entgegen.
Nach § 1 Nr. 2 der Satzung der Beigeladenen zur Sicherung der Fremdenverkehrsfunktion vom 10. September 1996, geändert mit Satzungen vom 15. Dezember 2008 und vom 4. August 2017 sind im Geltungsbereich der Satzung in Wohngebäuden höchstens drei Wohnungen zulässig. Hiervon ausgenommen sind genehmigte Wohnungen in bestehenden Gebäuden und deren Wiedererrichtung (nach Untergang). Weiter können Ausnahmen zugelassen werden, wenn sich die Überschreitung der zulässigen Wohnungszahl in einem Wohngebäude auf den Ausbau von Dachgeschossen, die keine Vollgeschosse sind, beschränkt und zusätzlich eine Mietwohnung geschaffen wird. Soweit ein Bebauungsplan eine andere Zahl von Wohnungen als höchstzulässig festsetzt, gilt diese Zahl. In § 1 Nr. 1 der Satzung wird eine Genehmigungspflicht u.a. für die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum geregelt.
Rechtsgrundlage für den Erlass der Satzung ist § 22 BauGB in der Fassung vom 8. Dezember 1986 (im Folgenden: BauGB 1986). Nach § 22 Abs. 10 Satz 1 BauGB 1986 kann in einer Fremdenverkehrssatzung gemäß § 22 Abs. 2 BauGB 1986 neben der Bestimmung des Genehmigungsvorbehalts die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB festgesetzt werden. Die Rechtsgrundlage entspricht zum Zeitpunkt der 1. Änderung der Festsetzung 2008 dem damaligen wie heute geltenden § 22 Abs. 9 Satz 1 BauGB. Die Festsetzung ist im Genehmigungsverfahren als einfache Festsetzung nach § 30 Abs. 1 BauGB zu beachten (vgl. VG München, U.v. 7.12.2010 – M 1 K 10.1206 – juris Rn. 21), setzt jedoch nicht das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans voraus. Die Rechtsfolge der Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB hat als bauplanungsrechtliche Festsetzung selbständige Bedeutung neben dem grundbuchrechtlichen Genehmigungsvorbehalt (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 139. EL August 2020, § 22 Rn. 72).
Die Satzung ist formell rechtmäßig (unter a). Die Satzung ist auch materiell rechtmäßig, insbesondere ist die Prägung des maßgeblichen Umgriffs durch die Fremdenbeherbergung gegeben (unter b). Die Satzung ist zwar im Hinblick auf den Genehmigungsvorbehalt unanwendbar, jedoch erfasst dies nicht die Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB (unter c). Das Vorhaben verstößt gegen die Festsetzung (unter d).
a) Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Satzung wurden nicht erhoben und sind auch nicht ersichtlich.
Die Beigeladene ist auf Grundlage der Verordnung der Bayerischen Staatsregierung über die überwiegend durch den Fremdenverkehr geprägten Gemeinden vom 7. Juli 1988 einschließlich ihrer Anlage (GVBl Nr. 14/1988, 2130-4-I) eine nach § 22 Abs. 1 BauGB 1986 zum Erlass einer Fremdenverkehrssatzung ermächtigte Gemeinde. Die Verfahrensvorschriften zum Satzungserlass nach Art. 26 GO wurden eingehalten uns insbesondere die Pläne für den Geltungsbereich der Satzung eigens ausgefertigt. Soweit die Satzung vom 10. Juni 1996 eine rückwirkende Geltung anordnete, war dies nach dem einschlägigen Recht nur für die Behebung von Verfahrens- und Formfehlern zulässig, würde aber allenfalls zur Teilnichtigkeit in Bezug auf den zurückliegenden Zeitraum führen (vgl. VG München, U.v. 7.12.2010 – M 1 K 10.1206 – juris Rn. 20) und hätte für den hier in Rede stehenden Bauantrag keine Auswirkung.
Soweit die für die Festsetzung nach § 9 Abs. 2 Nr. 6 BauGB erforderliche Beteiligung der Öffentlichkeit und der Träger öffentlicher Belange (§ 22 Abs. 10 Satz 2 BauGB 1986 bzw. § 22 Abs. 2 Satz 2 BauGB n.F., vgl. Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 22 Rn. 40) nicht umfassend durchgeführt worden sein soll, wäre dies jedenfalls unbeachtlich geworden, ebenso wie etwaige andere beachtliche Verletzungen der Form- und Verfahrensvorschriften sowie beachtliche Mängel des Abwägungsvorgangs (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 3 Satz 2, § 215 Abs. 1 BauGB 1986 bzw. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 3 Satz 2, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 BauGB n.F.).
b) Die Satzung ist materiell rechtmäßig.
aa) Nach § 22 Abs. 2 BauGB 1986 kann die Gemeinde in einer Satzung bestimmen, dass für die im Satzungsgebiet gelegenen Grundstücke unter anderem bei der Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum ein grundbuchrechtlicher Genehmigungsvorbehalt nach § 22 Abs. 1 BauGB besteht. Voraussetzung hierfür ist, dass durch die Begründung oder Teilung der Rechte die vorhandene oder vorgesehene Zweckbestimmung des Gebiets für den Fremdenverkehr und dadurch die geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt werden kann. Die Zweckbestimmung eines Gebiets für den Fremdenverkehr ist u.a. bei sonstigen Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktionen anzunehmen, die durch Beherbergungsbetriebe und Wohngebäude mit Fremdenbeherbergung geprägt sind (§ 22 Abs. 2 Satz 3 BauGB 1986 und n.F.).
Der Gemeinde steht beim Satzungserlass kein planerischer Gestaltungsspielraum zu. Sie hat ihren Entscheidungen, etwa bezüglich der Festsetzung des räumlichen Geltungsbereichs, sachliche Kriterien zugrunde zu legen, die der Gesetzgeber einer planerischen Beurteilung bewusst entzogen hat (vgl. BVerwG, U.v. 7.7.1994 – 4 C 21/93 – juris Rn. 14). Eine Satzung kommt nur für solche Gebiete in Betracht, in denen tatsächlich von einer Beeinträchtigung der Zweckbestimmung des Gebiets für den Fremdenverkehr und dadurch der geordneten städtebaulichen Entwicklung auszugehen ist. Sie dient, worauf die Klagepartei zu Recht hinweist, nicht der pauschalen Sicherung einer Fremdenverkehrsgemeinde oder der Entwicklung von Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktion, sondern nur dem Schutz tatsächlich schon bestehender Gebiete (vgl. Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 22 Rn. 21). Dabei ist die Gemeinde in der Regel nicht dazu ermächtigt, für ihr gesamtes Gemeindegebiet eine Fremdenverkehrssatzung zu erlassen (vgl. BVerwG, U.v. 7.7.1994 – 4 C 21/93 – juris Ls. 4). Ist hingegen die gesamte bebaute Ortslage einer Gemeinde entsprechend § 22 Abs. 2 Satz 3 BauGB geprägt, kann das gesamte Gemeindegebiet in den Geltungsbereich einer Satzung nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauGB einbezogen werden; dabei muss eine einzelne kleine Straße, in der weder ein Beherbergungsbetrieb noch ein Wohngebäude mit Fremdenbeherbergung vorhanden ist, nicht aus dem Geltungsbereich der Satzung ausgenommen werden (vgl. BVerwG, U.v. 27.9.1995 – 4 C 28/94 – juris Ls. 1 und Rn. 21).
Aufgrund der vorgelegten Unterlagen und der Ausführungen in der mündlichen Verhandlung ist das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass eine derartige Zweckbestimmung des Satzungsgebiets, wie es die Beigeladene durch den Neuerlass der Satzung im Jahr 1996 festgelegt hat, vorhanden ist. Anders als die Klagepartei meint, ist insbesondere in der Umgebung des Vorhabenstandorts im Gemeindeteil O … auch weiterhin ein Gebiet mit Fremdenverkehrsfunktion vorzufinden, das entsprechend geprägt ist, weshalb die Satzung auch nicht nachträglich funktionslos geworden ist.
(1) Gegen den festgesetzten räumlichen Geltungsbereich der Satzung bestehen keine durchgreifenden Einwendungen.
Die Beigeladene hat den Geltungsbereich der Satzung nicht auf das gesamte Gemeindegebiet erstreckt, sondern im Wesentlichen auf die bebauten Bereiche beschränkt. Dies erfolgte im Jahr 1996 unter Aufhebung der Vorgängersatzung aus dem Jahr 1989 gerade in der Erkenntnis, dass eine Einbeziehung des gesamten Gemeindegebietes den rechtlichen Vorgaben nicht standhalten würde. Dem festgelegten Geltungsbereich gingen umfangreiche Erhebungen u.a. zu den vorhandenen Gästebeherbergungen in den einzelnen Ortsteilen voraus, die eine dichte und breite Streuung der Fremdenbeherbergung zeigten. Nach Angaben der Gemeinde sind ca. 140 derzeit unbebaute, aber bebaubare Grundstücke in den Geltungsbereich einbezogen. Ausgenommen sind hiernach das Gewerbegebiet sowie öffentliche Flächen wie etwa der Sportplatz und weitere Freizeitflächen.
Unschädlich sind vorhandene Baulücken, wenn diese die Gebietsstruktur nicht aufheben (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 139. EL August 2020, § 22 Rn. 23b). Die Einbeziehung von möglichem Bauland in den Geltungsbereich der Satzung ist nachvollziehbar und nicht grundsätzlich zu beanstanden. Insbesondere im Hinblick auf den Ortsteil O … ist nicht ersichtlich, dass – wie von der Klagepartei vorgetragen – näherungsweise die Hälfte der Grundstücke unbebaut ist. Nicht erforderlich ist ferner, dass jedes einzelne Grundstück im Satzungsgebiet für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt wird (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 139. EL August 2020, § 22 Rn. 24), solange die Prägung nicht insgesamt in Frage gestellt wird. Die Prägung wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass sich im Gebiet auch Gemeinbedarfsflächen öffentlicher Nutzung finden, die selbst nicht Fremdenverkehrszwecken dienen. Nur wenn Infrastruktureinrichtungen vorhanden sind, die wegen ihrer Anzahl, Größe oder Lage ein derartiges städtebauliches Eigengewicht erhielten, dass der Eindruck entsteht, das betroffene Gebiet biete praktisch keine Beherbergungsgelegenheiten mehr, sodass die Infrastruktur selbst die Rolle der prägenden städtebaulichen Kraft übernehme, darf sich die Satzung auf dieses andersartig geprägte Gebiet nicht erstrecken (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 139. EL August 2020, § 22 Rn. 24). Für einen solchen Fall bestehen hier jedoch keinerlei Anhaltspunkte.
(2) Eine Prägung im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 3 BauGB 1986 (bzw. § 22 Abs. 1 Satz 3 BauGB n.F.) liegt bezogen auf den Geltungsbereich der Satzung der Gemeinde und insbesondere in der Umgebung des Vorhabens im Ortsteil O … vor, letzteres primär durch Wohngebäude mit Fremdenbeherbergung. Dies bestätigen zur Überzeugung des Gerichts insbesondere die Anzahl und die Lage der beherbergenden Einrichtungen und die statistischen Zahlen über den Fremdenverkehr. Dabei macht die Fremdenbeherbergung das Schwergewicht aus und führt zu einer entsprechenden städtebaulichen Prägung, sodass die Einbeziehung des überwiegenden Teils der besiedelten Bereiche aus Sicht des Gerichts keinen Einwänden begegnet.
Im Gemeindegebiet stehen sich 3610 Einwohner (vgl. gemeindliche Homepage) und 2.632 Gästebetten (Stand: 1. November 2020, vgl. die in der mündlichen Verhandlung von der Beigeladenen vorgelegten Tourismuszahlen) gegenüber, wobei letztere auch weiterhin im gesamten Gemeindegebiet gleichmäßig verteilt sind (vgl. hierzu die mit den Standorten der Gastgeber abrufbare Karte unter https://www. …com/de/uebernachten). Das Verhältnis zwischen Einwohnern und Gästebetten liegt damit weit über dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall einer Gemeinde mit 2000 Einwohnern und 500 Betten (U.v. 27.9.1995, a.a.O., Rn. 21), bei dem die Einbeziehung der gesamten bebauten Ortslage (mit Ausnahme eines Gewerbegebiets) bei durchgehender Prägung unbeanstandet blieb.
Insbesondere bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Zweifel an der Einbeziehung des bebauten Bereichs des Ortsteils O …, in dem das Vorhabengrundstück liegt, in den Geltungsbereich der Satzung, weil eine Prägung im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 3 BauGB vorhanden ist. Zunächst ist die Fremdenvermietung bauplanungsrechtlich zulässig. Bei der planungsrechtlichen Qualifizierung des Gebiets spricht viel dafür, entsprechend dem Bebauungsplan davon auszugehen, dass es sich um ein (faktisches) Dorfgebiet im Sinne des § 5 BauNVO handelt, in dem Betriebe des Beherbergungsgewerbes (§ 5 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO) und Ferienwohnungen als nicht störende Gewerbebetriebe nach § 5 Abs. 2 Nr. 6, § 13a BauNVO zulässig sind.
Im Ortsteil O … waren im Jahr 2019 19 Privatvermieter vorhanden; davon befinden sich zwölf südlich der Dorfkirche in unmittelbarer Nähe zum Vorhabengrundstück (vgl. Anlagen zum Schriftsatz des Beklagten vom 18. September 2019 samt Skizze). Damit gibt es in O … 102 Fremdenbetten (aufgeteilt in neun Fremdenzimmer und 26 Ferienwohnungen), die im Jahr 2019 von 1035 Gästen belegt waren und im selben Zeitraum zu der Summe von 8572 Übernachtungen geführt haben (vgl. Gastgeberübersicht 2020, vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung übergeben). Damit findet nachweislich eine erhebliche Ferienvermietung, auch im Verhältnis zu der vorhandenen Bebauung und Bevölkerungsdichte, statt. Ob die Gastgeber durch die Klagepartei kontaktierbar waren, ist für die Prägung des Gebiets daher unerheblich. Unmaßgeblich ist ferner, welchen Anteil die Ferienvermietung am jeweiligen Einkommen des Gastgebers hat, zumal die von der Klagepartei genannten Zahlen spekulativ sind. Aus den Lageplänen und Luftbildern ist auch nicht ersichtlich, dass die so anzutreffende Prägung des Ortsteils O … durch hervorstechende Infrastruktureinrichtungen überlagert würde.
Anhand des Datenmaterials ist nicht nachvollziehbar, dass der Tourismus – wie von der Klagepartei vorgetragen – einen Einbruch erlitten hätte. Vielmehr wird aus den Daten des Bayerischen Landesamtes für Statistik für die Gemeinde U … (Statistik kommunal 2018, herausgegeben im März 2019) deutlich, dass über den Zeitraum 2012 bis 2017 die großen Beherbergungsbetriebe (d.h. solche mit zehn oder mehr Gästebetten) zwar weniger Gästebetten anboten (2012: 613 Betten; 2017: 569 Betten), aber die Zahl der Gästeankünfte stieg (2012: 10.683 Ankünfte; 2017: 14.224 Ankünfte). Bei den kleineren Beherbergungsbetrieben (d.h. solche mit weniger als zehn Gästebetten) stieg die Anzahl der Gästeankünfte im selben Zeitraum ebenfalls (2012: 10.411 Ankünfte; 2017: 12.390 Ankünfte); die Gästeübernachtungen summierten sich im Jahr 2017 auf 75.073 und somit auf einen ähnlichen Wert wie im Jahr 2012 (75.942 Übernachtungen), während in den Zwischenjahren Schwankungen nach oben und unten zu verzeichnen waren. Ausweislich der übrigen, von der Beigeladenen vorgelegten Unterlagen sind im Jahr 2020 die Anzahl der Gästebetten, bezogen auf das gesamte Gemeindegebiet der Beigeladenen, sogar gestiegen (2019: 938 Gästebetten, 2020: 1.021 Gästebetten). Selbst wenn es zutrifft, dass es bei einzelnen Betrieben einen Investitionsbedarf gibt, ändert dies nichts daran, dass die Gästezahlen nahezu auf dem Vorjahresniveau sind und die Verweildauer der Gäste sogar gestiegen ist. Dass sich dieser Verlauf nicht auch auf den Gemeindeteil O … beziehen soll, ist nicht erkennbar.
Für das Gericht besteht kein Zweifel an der Richtigkeit der Aussage, dass der Tourismus der bedeutsamste Wirtschaftszweig für die Beigeladene ist. Angesichts der touristisch attraktiven Lage samt den vorhandenen touristischen Angeboten, wie diese etwa aus der gemeindlichen Internetseite ersichtlich sind, ist dies nachvollziehbar. Entsprechend stellt die Beigeladene finanzielle Mittel für den Tourismus bereit und hat ein Fremdenverkehrskonzept in Auftrag gegeben. Anders als die Klagepartei meint, vermögen diese Aspekte die Annahme der Prägung mit Fremdbeherbergung gerade nicht zu erschüttern. Auch dem Vortrag, dass die Prägung durch die Verkehrsbelastung, die Errichtung eines Lebenshilfehauses oder die Beherbergung von osteuropäischen Arbeitern zu Billigstmieten entfallen sei, kann das Gericht – angesichts der zuvor genannten Aspekte – nicht im Sinne der Klagepartei folgen. Zuletzt vermag auch der Hinweis darauf, der Bürgermeister halte die Schaffung weiterer Bettenkapazitäten durch größere Hotels für keine Option zur Tourismusförderung (vgl. Schriftsatz der Klagepartei vom 30. September 2020 mit Anlage) nicht verfangen. Damit wird die Annahme einer Prägung durch Beherbergungsbetriebe und Wohngebäude mit Fremdenbeherbergung gerade nicht erschüttert, sondern zeigt lediglich die Überlegungen auf, die sich die Beigeladene im Hinblick auf die künftige Entwicklung macht. Selbst bei Unterstellung, dass die Gemeinde ihre Übernachtungskapazitäten in der Zukunft nicht ausbaut, würde dieser Gesichtspunkt als solcher eine vorhandene Prägung nicht aufheben. Soweit die Klagepartei darauf verweist, dass in der Gemeinde ein Wohnungsmangel herrscht, mag das durchaus zutreffen. Doch obliegt es den städtebaulichen Überlegungen der Beigeladenen, wie sie hiermit umgeht; der Satzung mit ihren Festsetzungen wird dadurch jedenfalls nicht die Grundlage entzogen.
(3) Es liegt auch die weitere Voraussetzung vor, dass durch die unter Genehmigungspflicht gestellten Rechtsgeschäfte (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 BauGB) die Zweckbestimmung des Gebiets für den Fremdenverkehr beeinträchtigt werden kann. Es reicht aus, wenn nach den allgemeinen Erfahrungen in der betreffenden Gemeinde davon ausgegangen werden kann, dass ein entsprechendes Gefährdungspotenzial besteht oder entsteht, wenn die genannten Rechte und Regelungen entstehen oder bei Nebenwohnungen bestimmter Leerstand entsteht. Dabei liegt dem § 22 BauGB eine entsprechende Vermutung zu Grunde; ein konkreter Nachweis der Beeinträchtigung oder die Widerlegung einer entsprechenden Vermutung ist beim Erlass der Satzung nicht erforderlich, weil das Instrument des § 22 BauGB auch die schleichende Umstrukturierung des betroffenen Gebiets durch Nebenwohnungen verhindert (vgl. BVerwG, U.v. 27.9.1995 – 4 C 28.94 – juris Ls. 4 und Rn. 13 ff.). Hiernach ist auch der Einwand unerheblich, dass der maßgebliche Gebäudeteil nicht zu Beherbergungszwecken genutzt worden ist. Dem Gericht sind die Erwägungen der Beigeladenen, auch in der Satzungsbegründung, nachvollziehbar, dass das Gebiet aufgrund seiner attraktiven Lage und seiner Nähe zum Ballungsraum München in besonderem Maße für die Errichtung von Zweitwohnungen attraktiv ist, zumal schon ein nennenswerter Anteil an Zweitwohnsitzen im Gemeindegebiet vorhanden ist, wie die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung ausführte: Bei ca. 3600 Einwohner kommen noch ca. 700 Zweitwohnsitze hinzu. Die Vermutung des Gesetzgebers kann nicht durch die – in welcher Form auch immer – erklärte Absicht des Klägers widerlegt werden, das Wohnungseigentum nicht als Zweitwohnung nutzen zu wollen (vgl. BVerwG, U.v. 27.9.1995 – 4 C 28.94 – juris Ls. 5).
bb) Auch die Festsetzung nach § 22 Abs. 10 BauGB 1986 bzw. § 22 Abs. 9 BauGB n.F., § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB begegnet keinen durchgreifenden Bedenken und wurde überdies in der Satzungsbegründung mit städtebaulichen Gründen gerechtfertigt. Zweck der Festsetzung ist die Verhinderung größerer Wohnhäuser mit einer Vielzahl kleinerer Wohnungen, was typische Voraussetzung für die Bildung von Zweitwohnungen ist.
c) Zwar dürfte die Fremdenverkehrssatzung im Hinblick auf den in ihrem § 1 Nr. 1 enthaltenen Genehmigungsvorbehalt nicht mehr anwendbar sein, dies hat jedoch keine Auswirkungen auf den hier zu entscheidenden Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung.
Nach § 244 Abs. 6 Satz 2 BauGB bleibt eine Satzung, die auf der Grundlage des § 22 BauGB in der vor dem 20. Juli 2004 geltenden Fassung erlassen wurde, nur dann anwendbar, wenn dem Grundbuchamt vor Ablauf des 30. Juni 2005 eine Mitteilung gemacht worden ist, die den Vorschriften von § 22 Abs. 2 Satz 3 und 4 BauGB genügt. Ist diese Mitteilung nicht fristgerecht erfolgt, ist die Satzung auf die von ihr erfassten Vorgänge nicht mehr anzuwenden, § 244 Abs. 6 Satz 3 BauGB.
Eine derartige Mitteilung ist den Satzungsakten der Beigeladenen nicht zu entnehmen. Eine weitergehende Nachforschung, etwa beim Grundbuchamt, war aus Sicht des Gerichts jedoch nicht veranlasst. Denn das Gericht ist der Auffassung, dass die Unanwendbarkeit nach § 244 Abs. 6 Satz 3 BauGB nur den Genehmigungsvorbehalt, den die Satzung in § 1 Nr. 1 bestimmt, erfasst, nicht aber auch die hier inmitten stehende Festsetzung der höchstzulässigen Wohnungszahl nach § 22 Abs. 10 Satz 1 BauGB 1986 bzw. § 22 Abs. 9 Satz 1, § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB durch § 1 Nr. 2 der Satzung.
Zwar kann dem Wortlaut des § 244 Abs. 6 Satz 3 BauGB, wonach die Satzung „auf die von ihr erfassten Vorgänge“ nicht mehr anzuwenden ist, nicht eindeutig entnommen werden, ob die Unanwendbarkeit der Satzungsbestimmungen auf die Genehmigungspflicht zu beschränken ist. Die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-DrS 15/2250 v. 17.12.2013, S. 67, zum damaligen Abs. 5) sieht vor, dass durch rechtzeitige Mitteilung „der Genehmigungsvorbehalt“ weiterhin wirksam bleibt, und anderenfalls „die bestehende Genehmigungspflicht“ nicht mehr anwendbar ist (so auch Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 244 Rn. 7 „Hat die Gemeinde die Frist versäumt, entfällt […] die Genehmigungspflicht […]“); Aussagen zum Schicksal etwaiger Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB werden jedoch nicht getroffen. Der Regelungszusammenhang sowie Sinn und Zweck der Regelung des § 244 Abs. 6 Satz 3 BauGB sprechen dafür, dass von der Anwendungssperre nur die Genehmigungspflicht für die Tatbestände nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BauGB erfasst ist und nicht auch die mitgeregelte städtebauliche Regelung nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB, die selbständig danebensteht. Denn die Mitteilung an das Grundbuchamt, um die es nach § 244 Abs. 6 Satz 2 BauGB geht, spielt einzig für die Genehmigungspflicht eine Rolle; die städtebauliche Festsetzung der höchstzulässigen Wohnungszahl betrifft den Aufgabenbereich des Grundbuchamts und den mit diesem verbundenen „Vorgängen“ nicht. Hintergrund der Überleitungsvorschrift ist, dass die Bestimmungen über die Fremdenverkehrssatzung in § 22 BauGB durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau umfangreiche Änderungen erfahren haben und das Grundbuchverfahren in den Fällen erleichtert werden sollte, in denen eine Gemeinde – wie dies bei den meisten bayerischen Gemeinden der Fall ist – von der Satzungsermächtigung des § 22 BauGB keinen Gebrauch gemacht hat. Vor Erlass der Überleitungsvorschrift entsprach es der Praxis der Grundbuchämter, in jedem Fall der Begründung von u.a. Wohnungseigentum die Vorlage eines Negativattestes zu verlangen, auch wenn die Gemeinde keine Fremdenverkehrssatzung erlassen hatte. Die Neuregelung zielt darauf ab, das Negativattest entbehrlich zu machen, indem nunmehr die Gemeinde dem Grundbuchamt die maßgeblichen Satzungsinformationen mitteilt (§ 22 Abs. 2 Satz 3 BauGB). Damit erhält das Grundbuchamt allgemein vom Genehmigungsvorbehalt Kenntnis, so dass es immer dann, wenn dem Grundbuchamt eine entsprechende Mitteilung nicht vorliegt, keines Negativzeugnisses bedarf (vgl. Vollzugshinweise zur Novelle des BauGB durch das Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau – EAG BAU), zit. nach Busse/Kraus in Simon/Busse, BayBO, 139. EL Oktober 2020). Für die Umstellung und die Übergangszeit zwischen alter und neuer Rechtslage wurde den Gemeinden die – zeitlich auf ein Jahr befristete – Möglichkeit eingeräumt, dem Grundbuchamt entsprechende Mitteilung von Fremdenverkehrssatzungen, die nach altem Recht ergangen waren, zu machen. Die Vereinfachung des grundbuchrechtlichen Verfahrens weist jedoch keinen inhaltlichen Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden städtebaulichen Festsetzung auf, die einzig für das Baugenehmigungsverfahren im Verhältnis Bauwerber – Gemeinde – Bauaufsichtsbehörde eine Rolle spielt. Zuletzt ist auch keine Auseinandersetzung darüber erforderlich, unter welchen Voraussetzungen die Teilnichtigkeit der Satzung zu ihrer Gesamtnichtigkeit führt, weil es sich hier lediglich um die Unanwendbarkeit der Normen zur Genehmigungspflicht handelt, neben diesen die Feststellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ohne weiteres anwendbar bleiben kann.
d) Das Vorhaben, mit dem der Einbau von zwei Wohneinheiten in das bestehende Hotelgebäude erfolgen soll, ist mit der Festsetzung der höchstzulässigen Anzahl von drei Wohnungen je Wohngebäude nicht vereinbar.
aa) Der alte Hotel-Gasthof-Komplex auf den Grundstücken FlNrn. 91/2, 91/21 und 91/22 ist als ein Wohngebäude im Sinne der Festsetzung zu qualifizieren.
(1) Anknüpfungspunkt der Regelung ist hier nach dem Wortlaut der Festsetzung nicht die Bauparzelle, sondern das Gebäude. Die erfolgten Grundstücksteilungen sind diesbezüglich daher ohne Belang; es dürfte nicht einmal eine Begrenzung der Wohnungszahl je Parzelle erfolgen (vgl. BayVGH, U.v. 12.9.2000 – 1 N 98.3549 – juris Ls. 2, Rn. 21).
(2) Unter Wohngebäuden sind Gebäude zu verstehen, die ganz oder teilweise Wohnzwecken dienen; dabei kann die Festsetzung auch für ein gemischt genutztes Gebäude getroffen werden, vorausgesetzt, die Wohnnutzung ist im Verhältnis zu den anderen Nutzungen nicht nur von untergeordneter Bedeutung. Ein Überwiegen der Wohnnutzung ist nicht erforderlich (vgl. BayVGH, U.v. 4.4.2006 – 1 N 04.1661 – juris Rn. 29; U.v. 13.4.2006 – 1 N 04.3519 – juris Ls. 1 und Rn. 16).
Die Voraussetzungen der Wohnnutzung im vorgenannten Sinn ist bei dem gemischt genutzten Gebäude erfüllt. Denn die Wohnnutzung nimmt jedenfalls einen nennenswerten Teil der Nutzfläche ein. In den auf den heutigen Grundstücken FlNrn. 91/2 und 91/22 liegenden nordöstlichen und mittleren Teilen des Gebäudes wurden mit Bescheid vom 14. Februar 2019 neben Büros der Einbau von drei Wohnungen genehmigt, deren Wohnflächen ca. 400 m², 370 m² und 340 m² betragen. Unerheblich ist hierbei, dass es sich um das Eigentum eines Dritten handelt; die Eigentumsverhältnisse an dem jeweiligen Wohngebäude bleiben außer Betracht (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 139. EL August 2020, § 9 Rn. 69).
(3) Maßgeblich für die Frage des Gebäudebegriffs ist hier das gesamte Gebäude; eine Einzelbetrachtung nur des südwestlichen Gebäudeteils, von der Klagepartei als Bungalow bezeichnet, ist nicht angezeigt. Zwar handelt es sich im Falle von Doppelhäusern und Hausgruppen im Sinne einer Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB um mehrere Wohngebäude, d.h., die Festsetzungen beziehen sich auf die Doppelhaushälfte und auf das einzelne Haus (Reihenhaus) einer Hausgruppe (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 139. EL August 2020, § 9 Rn. 69). Diese Grundsätze sind hier auf den ehemaligen Hotel-Gasthof-Komplex jedoch nicht anzuwenden. Bei dem maßgeblichen Gebäudeteil, in dem das Vorhaben realisiert werden soll, handelt es nicht um einen selbständigen Gebäudeteil, der baulich und von der Nutzung vom übrigen Gebäude – vergleichbar einer Doppelhaushälfte – abgetrennt ist. Wenngleich sich dies anhand der von der Klagepartei vorgelegten Fotos nicht beurteilen lässt, lassen die vorgelegten Eingabepläne (Plan A-8.1 und A-8.2) erkennen, dass der maßgebliche Gebäudeteil Wanddurchbrüche zu dem weiter östlich gelegenen Gebäudeteil aufweist, die im Zuge der Bauarbeiten geschlossen werden sollen. Auch die in der mündlichen Verhandlung betrachteten Eingabepläne von 1981 zeigen, dass der hier streitgegenständliche Gebäudeteil mit dem östlichen Teil verbunden war und gemeinsam als Lokalfläche genutzt wurde.
bb) Da für den Hotel-Gasthof-Komplex mit Bescheid vom 14. Februar 2019 eine Baugenehmigung für drei Wohnungen erteilt worden ist, ist die höchstzulässige Anzahl an Wohnungen in dem Wohngebäude bereits ausgeschöpft. Eine weitere Genehmigung kommt daher nicht infrage. Auch die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme sind ersichtlich nicht gegeben. Ohne dass die Erteilung einer Befreiung nach § 31 BauGB beantragt ist, über die entschieden werden könnte, sähe das Gericht hierfür die Voraussetzungen nicht als gegeben an. Wenngleich der ehemalige Hotel-Gasthof-Komplex in seiner Kubatur nicht vergleichbar mit der vorherrschenden Bebauung durch Ein- und Zweifamilienhäuser im näheren Umgriff ist, dürften durch Zulassung weiterer Wohnungen die Grundzüge der städtebaulichen Festsetzung berührt sein. Grundsätzlich unabhängig von der Gebäudegröße ist der tragende Gedanke der Festsetzung, größere Wohnhäuser mit einer Vielzahl kleinerer Wohnungen zu verhindern, weil dies typischerweise Voraussetzung für die Bildung von Zweitwohnungen ist. Genau diese Überlegung würde jedoch durch Erteilung einer Befreiung für das Bauvorhaben der Klägerin, das zwei Wohnungen vorsieht, konterkariert.
III.
Die Kostenentscheidung beruht in Hinblick auf die zurückgenommenen Klageanträge auf § 155 Abs. 2 VwGO und im Übrigen auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO, der Klägerin auch die Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese sich durch die Stellung von Anträgen einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 2 VwGO).
IV.
Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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