Baurecht

Erfolgloser Berufungszulassungantrag gegen Baugenehmigung für Neubau einer Asylbewerberunterkunft

Aktenzeichen  9 ZB 17.2129

Datum:
20.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 37194
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Kläger innerhalb offener Begründungsfrist haben darlegen lassen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 9 K 16.1683 2017-09-14 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. September 2017 für beide Instanzen auf jeweils 15.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Erteilung einer Baugenehmigung durch die Beklagte für den Neubau einer Asylbewerberunterkunft mit Tiefgarage an die Beigeladene.
Die Klage der Klägerin gegen die Baugenehmigung vom 12. Juli 2016 wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 14. September 2017 ab. Zur Begründung wurde angeführt, dass der Klägerin kein Gebietserhaltungsanspruch zustehe und sie sich mangels Befreiung von drittschützenden Festsetzungen des für das Baugrundstück geltenden Bebauungsplans nur auf das Gebot der Rücksichtnahme berufen könne, das ihr gegenüber nicht verletzt sei. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen der allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Die Klägerin beruft sich auf einen Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch. Sie ist der Ansicht, dass sich das Baugrundstück, das im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 3600 der Beklagten liegt, und ihr Grundstück, das ursprünglich ebenfalls im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 3600 der Beklagten lag und für das seit 1988 der Bebauungsplans Nr. 4187 der Beklagten gilt, im selben Baugebiet befinden, weil es sich trotz der teilweisen Änderung, Abtrennung und Neunummerierung um einen einheitlichen Bebauungsplan handle. Das Verwaltungsgericht hat bei Beurteilung der Frage, ob die beiden Grundstücke im selben Baugebiet liegen, allerdings (auch) darauf abgestellt, dass hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung der Bebauungsplan Nr. 4187 der Beklagten, in dem das Grundstück der Klägerin liegt, teilweise ein allgemeines Wohngebiet und teilweise ein Mischgebiet entsprechend der Baunutzungsverordnung 1977 festsetze, während der Bebauungsplan Nr. 3600 ein Mischgebiet entsprechend der Baunutzungsverordnung 1968 festsetze und damit abweichende Festsetzungen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung getroffen worden seien, so dass die beiden Grundstücke nicht im selben Baugebiet lägen. Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander.
Ernstliche Zweifel ergeben sich auch nicht aus dem Vortrag, die Klägerin habe ein Abwehrrecht weil das Bauvorhaben dem Gebietscharakter nicht widersprechen dürfe und der Umfang der erteilten Befreiungen dazu führe, dass die Grundzüge der Planung betroffen seien. Soweit sich die Klägerin im Rahmen der Erteilung einer Befreiung auf den Gebietscharakter beruft, übersieht sie, dass es auch nach der von ihr zitierten Kommentierung auf die Lage im (selben) Baugebiet ankommt (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 1.8.2019 § 31 Rn. 69). Mangels einer Befreiung von drittschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans kommt es hier auch nicht darauf an, ob die Befreiungen – wie die Klägerin meint – die Grundzüge der Planung berühren (BayVGH, B.v. 15.11.2019 – 9 ZB 19.506 – juris Rn. 7). Der bloße Verweis auf eine Vielzahl von Befreiungen zeigt zudem keine Anhaltspunkte dafür auf, dass der Satzungsgeber mehreren Festsetzungen zusammen eine nachbarschützende Wirkung beimessen wollte (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2014 – 2 ZB 12.1787 – juris Rn. 8).
Aus dem Zulassungsvorbringen lassen sich schließlich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung im Rahmen der Befreiungen von nicht nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 3600 nicht die gebotene Rücksicht auf die Interessen der Klägerin genommen hat. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Rücksichtnahmegebot werden im Zulassungsvorbringen nicht angegriffen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladene im Zulassungsverfahren einen rechtlich die Sache förderlichen Beitrag geleistet hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhält (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nach § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Kläger für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Der Senat legt hierbei regelmäßig den jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zugrunde (vgl. BayVGH, B.v. 4.10.2019 – 9 C 190.1608 – juris Rn. 4; B.v. 15.12.2016 – 9 ZB 15.376 – juris Rn. 20), der bei Nachbarklagen im Baurecht einen Rahmen von 7.500 Euro bis 15.000 Euro vorsieht. Da es hier um ein Gebäude geht, das der Unterbringung einer größeren Anzahl von Personen dient, ist eine Orientierung am oberen Wert des Rahmens der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs angemessen (vgl. zu Mehrfamilienhäusern: BayVGH, B.v. 28.2.2019 – 9 C 18.2416 – juris Rn. 4; B.v. 27.4.2018 – 9 C 18.649 – juris Rn. 4 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, den Rahmen zu überschreiten (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2018 – 9 BV 16.1694 – juris Rn. 77 f.), ergeben sich im vorliegenden Fall weder aus dem Vortrag der Klägerin noch aus den Behörden- oder Gerichtsakten.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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