Baurecht

Erfolgloses Berufungszulassungsverfahren: Baurechtliche Beseitigungsanordnung gegen einen Nebenerwerbslandwirt bezüglich einer Lager- und Maschinenhalle im Außenbereich

Aktenzeichen  9 ZB 20.2337

Datum:
3.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 3164
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 5, Nr. 7
BayBO Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 lit. c, Art. 76 S. 1

 

Leitsatz

1. Nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 lit. c BayBO sind nur solche Gebäude verfahrensfrei, die ausschließlich zur Unterbringung von Sachen bestimmt sind. Die bloße Behauptung einer derartigen Zweckbestimmung durch den Bauherrn muss ihre Entsprechung in dem objektiv vorhandenen Nutzungspotential finden. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals des „Dienens“ nimmt Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 lit. c BayBO ausdrücklich auf § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB Bezug. Für die Auslegung des Begriffs sind daher die bauplanungsrechtlichen Maßstäbe heranzuziehen (BeckOK BauordnungsR Bayern/Weimann, 20. Ed. 1.11.2021, BayBO Art. 57 Rn. 43, 49 mwN). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 18.1373 2020-08-25 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger, ein Nebenerwerbslandwirt, wendet sich gegen die Beseitigungsanordnung für ein in Teilen errichtetes „landwirtschaftliches Gebäude mit Sozialräumen im Außenbereich“.
Das Verwaltungsgericht hat seine entsprechende Klage als unbegründet abgewiesen. Das Vorhaben sei formell und materiell illegal. Die Privilegierungsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB seien nicht erfüllt. Aufgrund des Augenscheins stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ein vernünftiger Landwirt gerade auch im Hinblick auf das Gebot größtmöglicher Schonung des Außenbereichs ein solches Vorhaben nicht errichtet hätte. Als sonstiges Vorhaben (gemäß § 35 Abs. 2 BauGB) sei es aufgrund der Beeinträchtigung öffentlicher Belange (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und 7 BauGB) nicht genehmigungsfähig.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter und macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geltend. Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils in diesem Sinn bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 36; B.v. 13.5.2020 – 1 BvR 1521/17 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 8 ZB 21.23 – juris Rn. 8). Das ist hier nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht gelangt zu Recht zum Ergebnis, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben formell und materiell rechtswidrig ist: Es unterliegt der Genehmigungspflicht und wurde bereits in Teilen ohne Genehmigung errichtet. Die Voraussetzungen einer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB liegen nicht vor. Als nach § 35 Abs. 2 BauBG zu beurteilendes sonstiges Vorhaben beeinträchtigt es öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Die Einschätzung, dass die Rückbauanordnung keine Ermessensfehler aufweist und nicht unverhältnismäßig ist, begegnet ebenfalls keinen ernstlichen Zweifeln.
1.1 Nach Überzeugung des Senats ist das Vorhaben nach Art. 55 BayBO genehmigungspflichtig. Das Verwaltungsgericht hat eine Verfahrensfreiheit gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO zutreffend verneint, weil das Gebäude zum einen nach den objektiven Umständen nicht nur ausschließlich zur Unterbringung von Sachen bestimmt ist, sondern auch einen als Aufenthaltsraum geeigneten Raum aufweist, und es zum anderen nicht dem Nebenerwerbsbetrieb des Klägers dient (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB).
1.1.1 Nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO sind nur solche Gebäude verfahrensfrei, die ausschließlich zur Unterbringung von Sachen bestimmt sind. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich anhand objektiver Kriterien wie etwa Größe, Bauausführung und Gestaltung (Lechner/Busse in Busse/Kraus, BayBO, Art. 57 Rn. 121 m.w.N.). Die bloße Behauptung einer derartigen Zweckbestimmung durch den Bauherrn muss ihre Entsprechung in dem objektiv vorhandenen Nutzungspotential finden. Der Gesetzgeber stellt ein Gebäude zur Unterbringung von Sachen nur deshalb vom präventiven Bauverbot frei, weil ein solches im Verhältnis zu anderen Vorhaben ein weitaus geringeres Konfliktpotential aufweist (vgl. BayVGH, U.v. 11.4.2017 – 1 B 16.2510 – juris Rn. 15; König in Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 57 Rn. 12 m.w.N.). Es darf daher vor allem keinen Aufenthaltsraum erhalten. Dabei ist auch ein Raum, der zwar dazu nicht bestimmt, aber nach Lage und Größe dazu geeignet ist, als Aufenthaltsraum anzusehen (vgl. Art. 2 Abs. 5 BayBO; Lechner/Busse, a.a.O.). So zieht etwa ein Arbeitsraum die Genehmigungspflicht nach sich (vgl. BayVGH, U.v. 10.7.1970 – 281 II 67 – BayVBl 1970, 367).
Soweit das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung der Gesamtumstände davon ausgegangen ist, dass das Gebäude zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen geeignet ist, begegnet dies keinen ernstlichen Zweifeln. Der Kläger räumt selbst ein, dass in der Werkstatt (mangels eigener Hofstelle) die in seinem Betrieb erforderlichen Reparatur- und Wartungsarbeiten durchgeführt werden sollen. Die massive Bauweise, die Anzahl und Anordnung der Fenster sowie die Nasszelle mit Dusche unterstreichen das objektiv vorhandene Nutzungspotential im Hinblick auf einen längeren Aufenthalt von Personen.
1.1.2 Das Vorhaben dient auch nicht dem landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb. Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals des „Dienens“ nimmt Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO ausdrücklich auf § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB Bezug. Für die Auslegung des Begriffs sind daher die bauplanungsrechtlichen Maßstäbe heranzuziehen (Weinmann in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Stand 1.11.2021, Art. 57 Rn. 43, 49 m.w.N.). Die Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Zur Begründung kann, um Wiederholungen zu vermeiden, vollumfassend auf den Beschluss vom 3. Februar 2022 im Verfahren 9 ZB 20.2336 verwiesen werden, der die Ablehnung des klägerischen Bauantrags zum Gegenstand hat.
1.2 Die umfassende Bezugnahme auf die genannte Entscheidung erfolgt auch in Bezug auf die planungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens im Übrigen (§ 35 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und 7 BauGB). Das angefochtene Urteil unterliegt insofern aus den dort genannten Gründen ebenfalls keinen ernstlichen Zweifeln.
1.3 Schließlich begegnen auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Ermessensausübung keinen durchgreifenden Bedenken. Entgegen dem klägerischen Einwand ist das Vorhaben nicht verfahrensfrei (vgl. oben 1.1). Die Behörde hat dem Kläger ausdrücklich Möglichkeiten aufgezeigt, einen genehmigungsfähigen Bauantrag zu stellen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013 und entspricht der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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