Baurecht

Erfolgreiche Streitwertbeschwerde bzgl. Klageerweiterung auf Erteilung eines Zeugnisses über eine sanierungsrechtliche Genehmigung

Aktenzeichen  9 C 19.2062

Datum:
13.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2020, 247
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 52 Abs. 1 u. Abs. 2, § 68 Abs. 1
BauGB § 22 Abs. 5 S. 4, § 145 Abs. 1 S. 1 Hs. 2

 

Leitsatz

1. Da der Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit für sanierungsrechtliche Genehmigungen nach BauGB keine Empfehlung vorsieht, ist die Höhe des wirtschaftlichen Interesses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu schätzen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Bemessung des Eigentümerinteresses an der Durchführung des Grundstückskaufvertrags erscheint es  sachgerecht, von einem geringeren Betrag als dem Grundstückskaufpreis auszugehen und als Streitwert ein Viertel des Kaufpreises zu veranschlagen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 17 K 19.1196 2019-06-19 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

Der Streitwert wird unter Abänderung der Nr. 4 des Beschlusses vom 19. Juni 2019 bis zur Abtrennung auf 132.750,00 Euro und ab der Abtrennung auf 82.750,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die nach § 68 Abs. 1 GKG zulässige Streitwertbeschwerde der Kläger, über die nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet, hat in der Sache Erfolg.
In verwaltungsgerichtlichen Streitsachen ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Kläger für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (sog. Auffangwert).
Gegenstand der Klageerweiterung vom 10. Oktober 2018, die nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19. Juni 2019 vom Verfahren AN 17 K 18.01746 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen AN 17 K 19.01196 eingestellt wurde, war die Erteilung eines Zeugnisses über die sanierungsrechtliche Genehmigung nach § 145 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. § 22 Abs. 5 Satz 5 BauGB für einen Kaufvertrag vom 1. Juni 2018 über die Grundstücke FlNr. … und … Gemarkung O … sowie über Einrichtungs- und Inventargegenstände in darauf befindlichen Immobilien (notarieller Kaufvertrag des Notars … vom 1.6.2018, URNr. …). Die bereits mit Schriftsatz vom 5. September 2018 erhobene Klage (AN 17 K 18.01746) betraf ursprünglich nur die Anfechtung des Bescheids der Beklagten vom 9. August 2018, mit dem diese bezogen auf das Grundstück FlNr. … Gemarkung O … zum Kaufvertrag vom 1. Juni 2018 ein Vorkaufsrecht ausübte. Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert für das abgetrennte Verfahren unter Nr. 4 des Beschlusses vom 19. Juni 2019 bis zur Abtrennung auf 55.000,00 Euro und ab der Abtrennung auf 5.000,00 Euro festgesetzt. Hierbei stützte es sich für das das Vorkaufsrecht betreffende Klagebegehren auf Nr. 9.6.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie auf Angaben der Kläger zu dem auf das Grundstück FlNr. … Gemarkung O … entfallenden Kaufpreisanteil; für die ein Zeugnis über die sanierungsrechtliche Genehmigung des Kaufvertrags über alle drei Grundstücke betreffende Klageerweiterung legte es den sogenannten Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000,00 Euro zugrunde.
Die Kläger sind der Ansicht, dass der Streitwert betreffend die Erteilung eines Zeugnisses über die sanierungsrechtliche Genehmigung nicht nach dem Auffangstreitwert, sondern höher zu bemessen sei. Das begehrte Zeugnis sei Wirksamkeitsvoraussetzung für den gesamten Kaufvertrag bzw. sei es im Ergebnis darum gegangen, die erforderliche sanierungsrechtliche Genehmigung zu erstreiten bzw. deren fiktive Erteilung bestätigt zu erhalten, damit die Kläger Eigentümer der Grundstücke werden können. Somit sei das objektive wirtschaftliche Interesse der Kläger als Erwerber der Grundstücke an der Gültigkeit und Durchführung des Kauvertrags maßgeblich und nach § 52 Abs. 1 GKG zu bewerten. Es empfehle sich eine analoge Anwendung der Nr. 9.6.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Unter Zugrundelegung eines Gesamtkaufpreises von 578.500,00 Euro sei somit ein Streitwert von 144.625,00 Euro festzusetzen. Der Auffassung der Kläger ist teilweise zu folgen.
Den Klägern ging es bei der Klageerweiterung ersichtlich darum, den Nachweis der (fingierten) Erteilung der erforderlichen sanierungsrechtlichen Genehmigung und damit sogleich den Nachweis zu erstreiten, dass das Fehlen einer sanierungsrechtlichen Genehmigung der Wirksamkeit des Grundstückskaufvertrags nicht entgegensteht (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 23.2.2017 – OVG 10 B 1.15 – juris Rn. 23; vgl. § 22 Abs. 5 Satz 4 f., § 22 Abs. 6 Satz 1 BauGB). Die nach § 22 Abs. 5 Satz 4 BauGB fingierte Genehmigung hat die gleiche Rechtswirkung wie die tatsächlich erteilte Genehmigung (s. § 22 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 145 Abs. 6 Satz 1 BauGB; vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2019, § 22 Rn. 56a). Für die Streitwertbemessung erscheint damit ebenso wie bei einem Rechtsstreit um die Erteilung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung das objektive wirtschaftliche Interesse der Kläger als Käufer an der Gültigkeit und Durchführung des Kaufvertrags maßgeblich.
Da der Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, an dem sich der Senat grundsätzlich orientiert, für sanierungsrechtliche Genehmigungen nach § 145 Abs. 1 BauGB bzw. ihre Fiktion (§ 22 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. § 145 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BauGB) keine Empfehlung vorsieht, ist die Höhe des wirtschaftlichen Interesses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu schätzen. Bei der Bemessung des Eigentümerinteresses an der Durchführung des Kaufvertrags erscheint es allerdings nicht sachgerecht, vom vollen Grundstückskaufpreis auszugehen, sondern von einem geringeren Betrag, weil die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag noch von weiteren Umständen abhängt. Wegen der vergleichbaren Interessenlage erscheint es vielmehr angemessen, zur Bemessung des Interesses der als Käufer auftretenden Kläger am Zustandekommen des Kaufvertrages Nr. 9.6.1 des Streitwertkatalogs 2013 entsprechend heranzuziehen und als Streitwert ein Viertel des Kaufpreises zu veranschlagen. Ebenso wie die Verweigerung der sanierungsrechtlichen Genehmigung für den Abschluss eines Grundstückskaufvertrages führt auch die Ausübung des Vorkaufsrechts dazu, dass die Erfüllung dieses Vertrages unmöglich gemacht wird. Sowohl durch die Anfechtung der Ausübung des Vorkaufsrechtes als auch durch die Verpflichtung zur Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung soll die Durchführung des Kaufvertrages ermöglicht werden (vgl. NdsOVG, B.v. 18.1.2017 – 1 ME 189/16 – juris Rn. 13; OVG Rh-Pf, B.v. 5.11.2014 – 8 E 10972/14 – juris Rn. 5; vgl. auch VGH BW, B.v. 1.10.2019 – 8 S 950/19 – juris Rn. 7).
Soweit die Kläger allerdings mit ihrem im Wege der Klageerweiterung geltend gemachten Begehren, ein Zeugnis nach § 22 Abs. 5 Satz 5 i.V.m. § 145 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BauGB zu erteilen, auch bezogen auf das Grundstück FlNr. … Gemarkung O … einen weiteren Streitgegenstand eingeführt haben, begründet dies im Hinblick auf die Anfechtungsklage gegen den dieses Grundstück betreffenden Bescheid der Beklagten vom 9. August 2018 keinen weiteren nach Nr. 9.6.1 des Streitwertkatalogs 2013 zu bemessenden Streitwert. Zwar werden nach § 39 Abs. 1 GKG die Werte mehrerer Streitgegenstände in demselben Verfahren zusammengerechnet; dies gilt indes nur, sofern die mehreren Ansprüche von selbständigem Wert sind, mithin nicht wirtschaftlich denselben Gegenstand haben (vgl. Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013; BVerwG, B.v. 22.9.1981 – 1 C 23.81 – juris Rn. 1). Das Zeugnis über die sanierungsrechtliche Genehmigung des Grundstückskaufvertrags betrifft hinsichtlich des Grundstücks FlN. … Gemarkung O … jedoch wirtschaftlich gesehen denselben Gegenstand wie der Angriff auf das insoweit ausgeübte Vorkaufsrecht. Mit beiden Rechtsmitteln wird das Ziel verfolgt, die Durchführung des am 1. Juni 2018 abgeschlossenen Grundstückskaufvertrags zu ermöglichen (vgl. OVG Rh-Pf, B.v. 5.11.2014 – 8 E 10972/14 – juris Rn. 6).
Somit ist bei der gegenständlichen Streitwertberechnung vom Kaufpreis für alle drei Grundstücke in Höhe von 531.000,00 Euro (578.500,00 Euro abzgl. Kaufpreisen von 32.500,00 Euro und 15.000,00 Euro für Einrichtungs- und Inventargegenstände; s. S. 18 des notariellen Kaufvertrags) entsprechend des von den Klägern erstinstanzlich empfohlenen Wertansatzes für das Grundstück FlNr. … Gemarkung O … ein Betrag von 200.000,00 Euro abzuziehen. Ein Viertel des somit für die Grundstücke FlNr. … und FlNr … Gemarkung O … anteilig anzusetzenden Kaufpreises von 331.000,00 Euro beträgt 82.750,00 Euro. Dieser Betrag und der hinzuaddierte Streitwert von 50.000,00 Euro für die Anfechtungsklage gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts betreffend das Grundstück FlNr. … Gemarkung O … bilden den Gesamtstreitwert vor der Abtrennung (§ 39 GKG). Auch der Streitwertbeschluss vom 23. Juli 2019 im Verfahren AN 17 K 18.01746 vom 23. Juli 2019 wird in Bezug auf den Gesamtstreitwert dementsprechend von Amts wegen abzuändern sein. Nach der Abtrennung ist für das abgetrennte Verfahren ein Streitwert von 82.750,00 Euro festzusetzen.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben