Baurecht

Erfordernis einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung für eine Werbeanlage

Aktenzeichen  15 ZB 20.144

Datum:
17.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16907
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVO § 33 Abs. 2 S. 1, § 46 Abs. 2 S. 1
BayBO Art. 56 S. 1 Nr. 5

 

Leitsatz

Eine straßenverkehrsrechtliche Genehmigung ist erforderlich, wenn der Schutzbereich des § 33 StVO tangiert ist. Darunter fallen auch Werbeanlagen, die an sich nach § 33 StVO unzulässig sind, aber im Wege einer Ausnahme nach § 46 StVO zugelassen werden können.  (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 7 K 17.47 2019-11-28 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Berufungszulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für eine freistehende und beleuchtete Werbeanlage (Werbefläche 3,6 x 2,56 m) auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung F* …, Große Kreisstadt S* … (Baugrundstück). Das Baugrundstück liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans und grenzt im Norden an die Straßenkreuzung F* … …Straße an. Im Bereich des Vorhabens befindet sich eine Fußgängerbedarfsampel. In der S* …-Straße befindet sich eine Grundschule.
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2016 lehnte die Beklagte die Erteilung einer Baugenehmigung ab. Die Errichtung der Werbeanlage führe zu einer konkreten Verkehrsgefährdung und verstoße daher gegen Art. 14 Abs. 2 BayBO und § 33 Abs. 2 StVO. Die Polizeiinspektion S* … habe sich gegen die Werbetafel ausgesprochen, da diese von der Lichtsignalanlage ablenken könne. Im Bereich der F* … Straße hätten sich in den letzten Jahren auch mehrere Unfälle ereignet.
Die Klage gegen den Bescheid vom 21. Dezember 2016 wies das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 28. November 2019 ab. Die Klage sei unzulässig, da ihr das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Eine Baugenehmigung sei nach Art. 56 Satz 1 Nr. 5 BayBO nicht erforderlich, da die Werbeanlage einer Zulassung nach Straßenverkehrsrecht bedürfe. Dies sei dann der Fall, wenn der Schutzbereich des § 33 StVO tangiert sei. Hier sei vorrangig eine straßenverkehrsrechtliche Genehmigung nach § 33 Abs. 2 Satz 1 und 2 StVO i.V.m. § 46 Abs. 1 Nr. 10, Abs. 2 Satz 1 StVO erforderlich, da die Werbeanlage gegen § 33 Abs. 2 Satz 1 und 2 StVO verstoße. § 33 Abs. 2 Satz 2 StVO sei nicht nur dann erfüllt, wenn Werbung direkt an Verkehrseinrichtungen angebracht werde, sondern es sei ausreichend, wenn ein enger räumlicher Zusammenhang zwischen der Werbung und der Verkehrseinrichtung bestehe. Dies sei hier der Fall, da die Werbeanlage gemäß der beim Augenschein vorgenommenen Messung in einem Abstand von 0,5 m zur Ampel errichtet werden solle. Auch § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO sei verletzt, da dafür auch jede theoretische Möglichkeit einer Beeinträchtigung ausreiche. Eine konkrete Gefährdung müsse nicht eingetreten sein.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem die Beklagte entgegentritt. Die Klägerin macht geltend, § 33 StVO sei nicht anwendbar, da die Voraussetzungen nicht vorlägen und der Schutzbereich der Norm nicht eröffnet sei. Eine straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung sei nicht erforderlich. Die Werbeanlage verstoße nicht gegen § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO, da keine ernsthafte Beeinträchtigungsgefahr bestehe. Es genüge nicht jede theoretische Möglichkeit einer Beeinträchtigung. Aus der Situierung der Anlage und der verkehrlichen Gesamtsituation ergebe sich, dass die Wirkung der Ampel nicht derart beeinträchtigt werde, dass sich die Werbeanlage auf den Verkehr auswirke. Die Werbeanlage sei von der Ampel in Design und Farbe deutlich abgerückt und das Verkehrsgeschehen sei am maßgeblichen Kreuzungsbereich übersichtlich und für die Verkehrsteilnehmer schnell erfassbar. Ein Unfallschwerpunkt liege dort nicht vor. Eine Verwechslungsgefahr bestehe ebenfalls nicht. Auch ein Verstoß gegen § 33 Abs. 2 Satz 2 StVO sei nicht gegeben, da es an einer Verbindung der Werbeanlage mit einem Verkehrszeichen fehle. Es sei deshalb ein Baugenehmigungsverfahren durchzuführen und die Klägerin habe ein Rechtsschutzbedürfnis. Der effektive Rechtsschutz gebiete es, dass sich das erkennende Gericht mit den baurechtlichen Aspekten hätte auseinandersetzen müssen. Die Baugenehmigung sei auch zu erteilen, da das Vorhaben sowohl bauplanungs- als auch bauordnungsrechtlich zulässig sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung, auf die sich gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Prüfung im Zulassungsverfahren beschränkt (BayVerfGH, E.v. 14.2.2006 – Vf. 133-VI-04 – VerfGHE 59, 47/52; E.v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – BayVBl 2016, 49 Rn. 52; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 124a Rn. 54), ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Solche liegen (nur) vor, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453.12 – NVwZ 2016, 1243 Rn. 16; B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587.17 – DVBl 2019, 1400 Rn. 32 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig abgewiesen, da das Vorhaben nach Art. 56 Satz 1 Nr. 5 BayBO keiner Baugenehmigung, sondern einer Ausnahmegenehmigung nach § 33 Abs. 2 i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO bedürfe. Diese Annahme konnte die Klägerin nicht in Zweifel ziehen.
Das Verwaltungsgericht ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass eine straßenverkehrsrechtliche Genehmigung erforderlich ist, wenn der Schutzbereich des § 33 StVO tangiert ist (vgl. BayVGH, U.v. 28.7.2015 – 11 B 15.76 – juris Rn. 20 ff. m.w.N.) und darunter auch Werbeanlagen fallen, die an sich nach § 33 StVO unzulässig sind, aber im Wege einer Ausnahme nach § 46 StVO zugelassen werden können. Hinsichtlich der Frage, ob für eine Werbeanlage eine straßenverkehrsrechtliche Ausnahme notwendig ist, ist es nicht erforderlich, festzustellen, dass durch die Werbeanlage die Wirkung eines Verkehrszeichens konkret beeinträchtigt wird (vgl. Sauthoff in Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage 2016, § 33 StVO Rn. 22), sondern gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO reicht es aus, wenn die jeweiligen Einrichtungen die Wirkung von Verkehrszeichen beeinträchtigen und sich auf den Verkehr auswirken können. Dabei ist zwar nicht jede theoretische Möglichkeit einer Beeinträchtigung ausreichend, sondern es muss eine ernsthafte Beeinträchtigungsgefahr bestehen (Sauthoff a.a.O.). Ob aber tatsächlich Auswirkungen vorliegen, die der Erteilung einer Ausnahme nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO entgegenstehen, muss dann von der Straßenverkehrsbehörde geprüft werden.
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die streitgegenständliche Werbeanlage falle unter den Schutzbereich des § 33 StVO und bedürfe damit einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung, konnte die Klägerin nicht erschüttern. Zum einen wurde von der Polizeiinspektion S* … mit Schreiben vom 25. November 2016 ausführlich begründet, dass eine Werbeanlage in dem als kritisch anzusehenden Verkehrsbereich gefahrerhöhend für die dort querenden Grundschulkinder angesehen wird, da Verkehrsteilnehmer durch die Werbeanlage von der Beachtung der Ampel abgelenkt werden können. Zum anderen ist das Verwaltungsgericht beim Augenschein zu dem Ergebnis gelangt, dass der Abstand der Werbeanlage zur Ampel entgegen der Darstellung im Fotoblatt zum Bauantrag nur einen halben Meter beträgt und deshalb negative Auswirkungen möglich sind. Dass eine solche Werbeanlage keine straßenverkehrsrechtliche Relevanz hat (vgl. BayVGH, U.v. 28.7.2015 – 11 B 15.76 – juris Rn. 21), hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt.
Soweit die Klägerin umfangreich vorträgt, die Werbeanlage habe keine konkreten negativen Auswirkungen auf die Ampel, kommt es bezüglich der Frage, ob eine straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung notwendig ist, darauf nicht entscheidungserheblich an. Dies muss die zuständige Straßenverkehrsbehörde ggf. im Rahmen der Erteilung einer Ausnahme nach § 46 Abs. 2 StVO prüfen, die dabei auch die Aufgaben der Bauaufsichtsbehörde übernimmt (vgl. BayVGH a.a.O. Rn. 21). Hinsichtlich der Frage, ob eine straßenverkehrsrechtliche Genehmigung erforderlich ist, reicht es aus, dass die Werbeanlage negative Auswirkungen auf den Verkehr haben kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 9.1.2.3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, Anhang) und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag, gegen den die Beteiligten keine Einwände erhoben haben.
Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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