Baurecht

Erhebung eines Straßenausbaubeitrags

Aktenzeichen  B 4 K 16.137

Datum:
13.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 150933
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 5 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 Nr. 2b
AO § 42

 

Leitsatz

1. Gegenstand einer beitragsfähigen Ausbaumaßnahme ist die einzelne Ortsstraße als maßgebliche öffentliche Einrichtung iSv Art. 5 Abs. 1 S. 1 BayKAG. Wo eine solche Ortsstraße beginnt und wo sie endet, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Dabei ist auf Straßenführung, Straßenlänge, Straßenbreite und Ausstattung mit Teileinrichtungen abzustellen; zugrunde zu legen ist der Zustand nach Durchführung der Ausbaumaßnahme (wie BayVGH BeckRS 2012, 48959). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der beitragsfähige Aufwand besteht aus den Ausbaukosten für die streitgegenständliche Maßnahme, wobei die Beitragsfähigkeit von Kosten durch den Grundsatz der Erforderlichkeit begrenzt wird, der sowohl auf die Art ihrer Durchführung als auch auf die Erforderlichkeit der entstandenen Kosten bezogen ist. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Kosten für die Anlegung von Parkbuchten sind beitragsfähig, da die Herstellung/Erneuerung von Parkbuchten einen wirtschaftlichen Vorteil für die Anliegergrundstücke vermittelt, ohne dass es darauf ankommt, ob die Anlieger konkret auf die Parkplätze angewiesen sind oder ob die Parkplätze nur an einer Teilstrecke der Einrichtung gelegen sind. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Gemeinde muss ihre Ortsstraßen nach ihrer Verkehrsbedeutung typisierend gliedern, d.h. sie muss verschiedene Straßentypen hinsichtlich des Vorteils der Allgemeinheit gegeneinander abgrenzen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
5. Ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (Art. 13 Abs. 1 Nr. 2b BayKAG iVm § 42 AO) liegt vor, wenn mit der Eigentumsübertragung einzig die Vermeidung (oder Verminderung) einer Beitragspflicht verfolgt wird, sie zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist und sie durch wirtschaftliche oder sonstige beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (wie BayVGH BeckRS 2011, 30407). (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom … in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des … vom 28.01.2016 wird aufgehoben, soweit darin ein höherer Straßenausbaubeitrag als 15.579,33 EUR festgesetzt worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner 77% und die Beklagte 23%. Die Beiziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom … in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landratsamts … vom … ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Höhe von 4.556,71 EUR aufzuheben, weil er in diesem Umfang rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Übrigen ist die Klage abzuweisen, weil die Festsetzung eines Straßenausbaubeitrags in Höhe von 15.579,33 EUR rechtmäßig ist.
a. Die Gemeinden können gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG sollen für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch zu erheben sind. Demgemäß war die Beklagte aufgrund ihrer Ausbaubeitragssatzung vom 01.07.2010 (ABS) dem Grunde nach berechtigt, von den Klägern einen Ausbaubeitrag zu verlangen.
b. Gegenstand einer beitragsfähigen Ausbaumaßnahme ist die einzelne Ortsstraße als maßgebliche öffentliche Einrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG. Wo eine solche Ortsstraße beginnt und wo sie endet, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Dabei ist auf Straßenführung, Straßenlänge, Straßenbreite und Ausstattung mit Teileinrichtungen abzustellen. Zugrunde zu legen ist der Zustand nach Durchführung der Ausbaumaßnahme (ständige Rechtsprechung; vgl. BayVGH, Urteil vom 01.06.2011 – 6 BV 10.2467, juris Rn. 41).
Maßgebliche Einrichtung ist hier die K…straße beginnend ab der Einmündung von der C…straße bis zur Einmündung in die E…straße. Die K…straße verläuft durchgehend geradlinig, wird aber durch die rechtwinkelig kreuzenden Straßen B…straße und E…straße jeweils durchschnitten, so dass sich drei Teilstrecken (östlicher – mittlerer – westlicher Teil) ergeben. Nach natürlicher Betrachtung, jeweils vom einen oder anderen Ende der K…straße gesehen, stellen die kreuzenden Straßen jedoch keine so einschneidende Zäsur dar, dass die K…straße in mehrere einzelne Einrichtungen unterteilt erscheint, vielmehr bleibt der Eindruck einer gerade durchlaufenden Straße erhalten.
Diese Einrichtungsbildung ergibt sich für das Gericht anhand der vorgelegten Lagepläne und des beim Augenscheinstermin der berufsrichterlichen Mitglieder der Kammer am 07.09.2017 gewonnenen Eindrucks.
Für die ausbaubeitragsrechtliche Betrachtung bleibt der westliche Teil der K…straße aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen, weil dieser Teil innerhalb des förmlich festgesetzten Sanierungsgebiets III … (Beiakte III) gelegen ist und damit nicht der Beitragserhebung nach dem KAG, sondern den besonderen sanierungsrechtlichen Vorschriften des BauGB (§§ 152 ff.) unterliegt.
Nicht zu folgen ist der Ansicht der Kläger, die eine Zusammenfassung der K…straße mit der C…straße oder der B…straße für richtig halten. Ungeachtet der Einteilung in Straßenkategorien ergibt sich nach natürlicher Betrachtungsweise kein optischer Anhaltspunkt für die Annahme, die K…straße sei Teil der rechtwinkelig zu ihr verlaufenden Kanal- oder B…straße.
c. Die Maßnahme ist beitragspflichtig nach § 1 ABS, weil es sich um eine grundständige Erneuerung/Verbesserung der erstmals in den Jahren 1962/1970 hergestellten K…straße und ihrer Teileinrichtungen handelt.
Nach der Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs, wonach mit Blick auf die Fortentwicklung der Straßenbaukunst und die Verfügbarkeit besserer Materialien ohnehin mit jeder Erneuerung einer 20 bis 25 Jahre alten Straße eine technische Verbesserung einhergehen dürfte, lassen sich die Tatbestände „Erneuerung“ und „Verbesserung“ nicht klar voneinander abgrenzen, sondern fließen ineinander (vgl. BayVGH U. v. 26.03.2002, Az. 6 B 96.3901, juris).
Gegen den von der Beklagten geschilderten Verschleißzustand der Straße wurden keine substantiierten Einwände erhoben. Die Entscheidung, die K…straße ca. 50 Jahre nach ihrer Herstellung grundständig zu erneuern, ist von dem der Beklagten zustehenden Entscheidungsspielraum, ob im konkreten Fall eine Ausbaumaßnahme erforderlich ist, gedeckt und begegnet angesichts des verstrichenen Zeitraums keinen Bedenken. Das gilt auch im Hinblick auf die veraltete Beleuchtungssituation.
d. Der beitragsfähige Aufwand besteht aus den Ausbaukosten für die streitgegenständliche Maßnahme. Die Beitragsfähigkeit von Kosten wird begrenzt durch den Grundsatz der Erforderlichkeit, der auf die Art ihrer Durchführung, als auch auf die Erforderlichkeit der entstandenen Kosten bezogen ist. Der Gemeinde steht auch hier ein weiter, gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Spielraum zu.
Die Anlegung von Parkbuchten im mittleren Teil der K…straße ist unter dem Gesichtspunkt des Gestaltungsermessens der Beklagten nicht zu beanstanden. Die hierfür angefallenen Kosten sind beitragsfähig. Die Herstellung/Erneuerung von Parkbuchten vermittelt einen wirtschaftlichen Vorteil für die Anliegergrundstücke, ohne dass es darauf ankommt, ob die Anlieger konkret auf die Parkplätze angewiesen sind (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 35 Rn. 28) oder ob die Parkplätze nur an einer Teilstrecke der Einrichtung gelegen sind. Beitragsfähig sind auch die Kosten für die neuen zeitgemäßen Leuchtkörper.
Ohne Bedeutung ist, ob der Ausbau einer Straße im Zusammenhang mit oder aus Anlass der Erneuerung von Kanal- oder Wasserleitungen erfolgt ist. Ob und wann ein erneuernder oder verbessernder Straßenausbau erfolgt, steht im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinde. Durch eine einheitliche Baumaßnahme werden Kosten eingespart und Einschränkungen der Nutzbarkeit der Straße zeitlich beschränkt (Hess. VGH U.v. 07.05.2015 – 5 A 2124/13, juris Rn. 18; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 23.07.2010 – 15 A 1189/10).
e. Der beitragsfähige Aufwand, der nach der Kostenaufstellung der Beklagten 187.365,20 EUR beträgt, ist um den satzungsmäßig festgesetzten Gemeindeanteil zu verringern. Die Höhe richtet sich gemäß § 7 ABS nach der jeweiligen Straßenkategorie.
Gem. § 7 Abs. 2 Ziff. 1.1. ABS beträgt der Eigenanteil der Beklagten bei Maßnahmen an Anliegerstraßen jeweils 20% der Kosten für Fahrbahn, Gehwege, unselbständige Parkplätze sowie Beleuchtung und Entwässerung. Als Anliegerstraße gilt gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 1 ABS eine Straße, die ganz überwiegend der Erschließung von Grundstücken dient.
Dagegen ist gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 2 ABS eine Haupterschließungsstraße als Straße definiert, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem durchgehenden örtlichen Verkehr dient und keine Hauptverkehrsstraße ist. Bei solchen Straßen hat die Beklagte gemäß § 7 Abs. 2 Ziff. 1.2 ABS für Maßnahmen an der Fahrbahn 50% und für Maßnahmen an Gehwegen, unselbständigen Parkplätze, Beleuchtung und Entwässerung jeweils 35% des beitragsfähigen Aufwands zu übernehmen.
Ausgangspunkt für die gerichtlich uneingeschränkt überprüfbare Einstufung von Straßen in eine der Kategorien ist die Vorgabe, dass sich die Gemeinde bei Erneuerungs- oder Verbesserungsmaßnahmen an einer Ortstraße selbst in einem Umfang zu beteiligen hat, der die Vorteile der Allgemeinheit angemessen berücksichtigt. Deshalb muss sie ihre Ortsstraßen nach ihrer Verkehrsbedeutung typisierend gliedern, d.h. sie muss verschiedene Straßentypen hinsichtlich des Vorteils der Allgemeinheit gegeneinander abgrenzen. Während Anliegerstraßen ganz überwiegend dem Anliegerverkehr und Hauptverkehrsstraßen ganz überwiegend dem Durchgangsverkehr dienen, haben bei Haupterschließungsstraßen Anlieger- und Durchgangsverkehr in etwa das gleiche Gewicht (vgl. BayVGH, B.v. 08.01.2015 – 6 ZB 13.557, juris Rn. 12; B.v. 27.07.2012 – 6 ZB 12.848 – juris Rn. 5; U.v. 09.02.2012 – 6 B 10.865 – juris Rn. 18; VG Würzburg, U.v. 20.10.2016 – W 3 K 15.829 –, juris Rn. 33). Durchgehender Verkehr ist jeder Verkehr, der die Straße, um deren Abrechnung es geht, als Verbindungsweg zwischen zwei anderen Straßen benutzt, der somit weder von einem durch die Straße erschlossenen Grundstück ausgeht noch ein solches Grundstück zum Ziel hat (OVG Bautzen, U.v. 19.02.2014 – 5 A 199/13, juris Rn 18; OVG NRW, U.v. 25.10.1982, KStZ 1983, 139, 142). Die Begriffswahl „ganz überwiegend“ soll verdeutlichen, dass es nicht um rechnerisch exakte Größenordnungen, sondern, wie es dem Grundsatz der Typengerechtigkeit entspricht, um einen Schwerpunkt gehen soll. Es ist darauf abzustellen, wie sich der Straßentyp aus einer Gesamtbewertung von Art und Größe der Gemeinde, deren weitreichender Verkehrsplanung, der Lage und Führung der Straßen im gemeindlichen Straßennetz und dem gewählten Ausbauprofil ergibt. Lediglich „daneben“, gewissermaßen als Bestätigungsmerkmal, können auch die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse von Bedeutung sein (BayVGH, U.v. 09.02.2012, a.a.O. – juris Rn. 16 m.w.N.). An einer im Rahmen der Verkehrsplanung vorgenommenen Einstufung einer Straße ändert es nichts, wenn entgegen dieser Funktionszuweisung unerwünschter „Schleichverkehr“ stattfindet (VGH Kassel, B.v. 19.12.2014 – 5 A 1420/14).
Legt man diese Maßstäbe zugrunde, handelt es sich bei der K…straße entgegen der Ansicht der Beklagten um eine Haupterschließungsstraße.
Die Beklagte verfügt nach eigenen Angaben nicht über eine Verkehrsplanung. Vielmehr erfolgt die Einstufung der städtischen Straßen im Bedarfsfall durch die Beitragsabteilung im Benehmen mit dem Tiefbauamt. Wie in der mündlichen Verhandlung erklärt wurde, sei bei der Erneuerung der K…straße das Ausbauprofil einer Anliegerstraße gewählt worden, sie sei also nicht für eine Belastung mit Schwerverkehr ausgebaut. Als Haupterschließungsstraßen seien nur die B…- und die E…straße eingestuft. Auf den Ausbau für Schwerlastverkehr, der in der K…straße kaum eine Rolle spielen dürfte, kommt es jedoch nicht entscheidend an, um dennoch eine Haupterschließungsstraße anzunehmen.
An der hier maßgeblichen mittleren (70 m) und östlichen (53 m) Teilstrecke der K…straße liegen gerade mal neun Wohngrundstücke an, die allerdings dreigeschossig bebaut sind. Beidseitig der Straße ist das Parken mit Parkscheibe für 4 Stunden erlaubt, sowohl in den Parkbuchten des mittleren Teils (ca. vier Plätze pro Seite), als auch im östlichen Teil (ca. 7 Plätze pro Seite). Ein Schild weist darauf hin, dass Fahrzeuge den Gehweg mit der Hälfte der Breite zum Parken benützen dürfen. Anwohner können gegen Gebühr einen Parkausweis D erwerben. Die gleiche Parksituation gilt auch in der C…-, B…- und E…straße. Die Beklagte weist in einem Flyer, auf dem alle innerstädtischen Parkmöglichkeiten verzeichnet sind, auf die Parkscheibenregelung im Bereich der K…straße und der umliegenden Straßen hin. Von der K…straße beträgt die Entfernung zum Stadtpark ca. 120 m, zum alten Friedhof ca. 180 m und zum Marktplatz ca. 350 m. Besonders nahe liegen die M…-Schule samt Kindergarten und die …Schule in der E…straße. Zum Zeitpunkt der Ortseinsicht war aufgrund der Sommerferien kein Schulbetrieb. Es waren nahezu alle Parkplätze in der K…straße belegt. Viele Fahrzeuge, die in dieser Zeit wahrgenommmen werden konnten, durchfuhren die K…straße, um in eine der drei rechtwinklig zur die K…straße verlaufenden Parallelstraßen (C…straße, B…straße, E…straße) einzubiegen. Es handelte sich somit um durchgehenden Verkehr, der die K…straße als Verbindungsweg zwischen zwei anderen Straßen benutzte, und kein Grundstück in der K…straße zum Ziel hatte. Auch wenn diese Wahrnehmung nur einen kurzen Zeitausschnitt umfasste, ist es angesichts des umliegenden Bauquartiers, das geprägt ist durch die Schulen, den Stadtpark, den Friedhof und die Nähe zur Innenstadt, naheliegend, dass in der K…straße kein „ganz überwiegender“ Anliegerverkehr stattfindet. Schon ein Gleichgewicht zwischen Anliegerverkehr und durchgehendem Verkehr führt zur Annahme einer Haupterschließungsstraße. Die Beklagte stuft deshalb zu Recht die B…- und die E…straße als Haupterschließungsstraßen ein, was dem Charakter des Bauquartiers entspricht. Die K…straße, die als Bindeglied zwischen beiden dient, und von den Verkehrsteilnehmern auch so genutzt wird, ist nicht anders einzustufen. Hinzu kommt das Parkplatzangebot, auf das die Beklagte durch den Flyer explizit hinweist, um Besucher, denen ein zeitlich begrenztes kostenloses Parken genügt, in diese Straßen zu führen. Der dadurch ausgelöste Parksuchverkehr ist ebenfalls kein Anliegerverkehr. Vorteile der Allgemeinheit an der Ausbaumaßnahme in der K…straße werden nur dann angemessen berücksichtigt, wenn die Beklagte entsprechend § 7 Abs. 2 Ziff. 1.2 ABS den dort ausgewiesenen Eigenanteil an den Ausbaukosten übernimmt. Der umlagefähige Aufwand beträgt laut der von der Beklagten vorgelegten Vergleichsberechnung noch 115.972,17 EUR.
f. Der Ausbauaufwand ist auf alle Grundstücke zu verteilen, denen durch die Ausbaumaßnahme ein beitragsrelevanter Vorteil vermittelt wird. Dies sind alle Grundstücke die an der Einrichtung K…straße anliegen. Das von der Beklagten gebildete Abrechnungsgebiet ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ist unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beigeladenen und der von ihnen vorgelegten Unterlagen nicht von einem Missbrauch der Gestaltungsfreiheit durch Teilung des Betriebsgrundstücks Fl.-Nr. … (alt) auszugehen. Es wurde zu Recht nur das an die Beigeladene zu 1 übereignete Grundstück Fl.-Nr. … in das Abrechnungsgebiet einbezogen.
Ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (Art. 13 Abs. 1 Nr. 2b KAG i.V.m. § 42 AO) liegt vor, wenn mit der Eigentumsübertragung einzig die Vermeidung (oder Verminderung) einer Beitragspflicht verfolgt wird, sie zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist und sie durch wirtschaftliche oder sonstige beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (BayVGH, B.v. 14.3.2011 – 6 B 09.1830 – juris Rn. 18 m.w.N.; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 17 Rn. 102 f.). Ob ein Missbrauch in diesem Sinne gegeben ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen.
Eine rechtliche Gestaltung in diesem Sinne ist dann unangemessen, wenn der Beitragspflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzes das Ziel nicht erreichbar sein soll. Ein solcher Fall kann vorliegen, wenn eine Grundstücksteilung oder -überlassung durch keine wirtschaftlichen oder sonstigen beachtlichen Gründe gerechtfertigt ist. Abgeteilte Grundstücke müssen einer eigenständigen, wirtschaftlich sinnvollen Nutzung unabhängig von der Hauptnutzung zugänglich sein, ansonsten ist die Teilung rechtsmissbräuchlich. Der Verdacht eines Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten drängt sich deshalb insbesondere dann auf, wenn ein nicht selbständig bebaubarer und somit auch wirtschaftlich kaum selbständig verwertbarer Grundstücksteil in zeitlicher Nähe zu einer Beitragserhebung von einem Anliegergrundstück abgetrennt wird und – gegebenenfalls sogar unentgeltlich an nahe Angehörige – übertragen und damit einzig die Vermeidung (oder Verminderung) einer Beitragspflicht verfolgt wird. Im Umkehrschluss hierzu kann von einem Missbrauchstatbestand nicht ausgegangen werden, wenn das (neue) Hinterliegergrundstück eine anderweitige Erschließung z.B. mittels rechtlich gesicherter Zufahrt aufweist, im Verhältnis zu seiner Größe angemessen bebaubar oder gewerblich nutzbar bleibt. Voraussetzung ist zudem eine gewisse zeitliche Nähe des Gestaltungsaktes zur Beitragserhebung. Erheblich in diesem Zusammenhang ist das Wissen des (späteren) Beitragspflichtigen um die voraussichtlichen beitragsrechtlichen Folgen der Straßenbaumaßnahme; deshalb entfällt ein sich aufdrängender sachlicher Zusammenhang zwischen drohender Beitragspflicht und Grundstücksteilung nicht dadurch, dass der Beitragsbescheid selbst erst deutlich später ergeht. Die unangemessene rechtliche Gestaltung muss zweckgerichtet sein; dies bedeutet, dass die Vorgehensweise gerade zum Zweck der Beitragsverminderung oder -vermeidung vorgenommen worden ist und durch keinen vernünftigen Grund zu rechtfertigen ist (vgl. zur gesamten Problematik: Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand: Januar 2016, Rn. 1318 m.w.N.). Als Rechtsfolge eines solchen Gestaltungsmissbrauchs ist nicht der neue zivilrechtliche Eigentümer des Hinterliegergrundstücks heranzuziehen, sondern der Eigentümer des ursprünglichen Gesamtgrundstücks vor Teilung und Übertragung (BayVGH, B.v. 10.9.2009 – 6 CS 09.551 – juris; Driehaus, a.a.O., § 17 Rn. 103).
Nach diesen Maßstäben gelangt die Kammer zu der Ansicht, dass die Teilung des Betriebsgrundstücks Fl.-Nr. … (alt) nicht die Voraussetzungen einer missbräuchlichen Gestaltung erfüllt.
Zwar ist der zeitliche Zusammenhang zwischen der Teilung und der zu erwartenden Beitragserhebung für den Straßenausbau, sowohl der K…straße, als auch der B…- und E…straße augenfällig. Die anstehende Beitragspflicht wurde ausdrücklich im Überlassungsvertrag thematisiert (dort Ziff. V.), so dass eine Kenntnis davon offensichtlich vorlag. Folge der Grundstücksteilung ist eine erhebliche Beitragsminderung, weil jedes der drei neuen Teilgrundstücke nur noch an einer ausgebauten Straße anliegt, während das ungeteilte Gewerbegrundstück an allen drei Straßen anlag. Andererseits sind bei der Teilung drei rechtlich selbständig nutzbare Grundstücke mit verkehrsmäßig unproblematischer Anbindung an das Ortsstraßennetz entstanden, nicht etwa gefangene Hinterliegergrundstücke von fragwürdigem Zuschnitt. Jedes Grundstück stellt für sich ein rentierliches Handelsgut dar, wenngleich sie gegenwärtig nach wie vor überwiegend zusammen dem Betrieb dienen.
Die unentgeltliche Überlassung an einen nahen Angehörigen und der vertraglich bestimmte Teilrückübertragungsanspruch an den Überlassenden im Falle einer Scheidung, sind demgegenüber wieder Anhaltspunkte für einen Missbrauchstatbestand.
Dennoch kann den Beigeladenen nicht angelastet werden, dass die Grundstücksteilung einzig die Vermeidung (oder Verminderung) der Beitragspflicht zum Ziel hatte und durch keinen vernünftigen Zweck zu rechtfertigen ist. Dem vorgetragenen Grund für das Überlassen des abgeteilten Grundstücks Fl.-Nr. … an die Beigeladene zu 2, nämlich ihre Alterssicherung als Ehefrau des Firmeninhabers, die ehevertraglich keinen Zugewinnanteil am Firmenvermögen habe, ist nicht jeglicher vernünftige Gesichtspunkt abzusprechen. Auf dem ihr überlassenen Grundstück befindet sich das Wohn- und Geschäftshaus mit den Firmenbüros, einem Ausstellungsraum und drei Wohnungen, von denen eine von dem Ehepaar selbst bewohnt wird. Es existiert ein Mietvertrag zwischen der Ehefrau und der Firma über die Büroräume und Ausstellungsflächen zu einem angemessenen Mietpreis. Von diesen Einnahmen und denen aus den fremdvermieteten Wohnungen kann die Beigeladene zu 1 Vermögen bilden. Auch der weitere von dem kinderlosen Ehepaar vorgetragene Grund, sie wollten rechtzeitig sukzessive Betriebsvermögen entnehmen und den Entnahmegewinn versteuern, um nicht eines Tages bei einer Betriebsaufgabe bzw. einem -verkauf einen finanziell auf einmal nicht zu stemmenden Entnahmegewinn versteuern zu müssen, ist einleuchtend.
Eine Steuerprüfung hat stattgefunden und zu einer Anhebung des Verkehrswerts des überlassenen Grundstücks geführt. Die vorgelegte Bestätigung über die steuerliche Auswirkung der Transaktion zeigt, dass zwar nicht ein sechsstelliger, aber ein hoher fünfstelliger Betrag an Einkommenssteuer an das Finanzamt gezahlt werden musste. Somit hat die Überlassung auch erhebliche finanzielle Auswirkungen gehabt, die freilich durch die Beitragsminderung für die Ausbaumaßnahmen an den drei Straßen teilweise ausgeglichen werden. Eine Beitragsvermeidung oder –verminderung als Motiv ist aber nur dann missbräuchlich anzusehen, wenn kein anderer vernünftiger Grund ersichtlich ist. Davon geht das Gericht hier nicht aus.
Es verbleibt deshalb dabei, dass nur das Grundstück der Beigeladenen zu 1 an der Aufwandsverteilung teilnimmt.
g. Die auf der Vorgabe „Haupterschließungsstraße“ beruhende Vergleichsberechnung, gegen die keine Einwände erhoben wurden, führt zu einer Verminderung des Beitragssatzes von 21,29 EUR/m² auf 16,47 EUR/m². Auf das Grundstück der Kläger (591 m² x 1,6 NZ = 946 m²) entfällt dann ein Beitrag von 15.579,33 EUR. In dieser Höhe haben die angefochtenen Bescheide Bestand. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung entspricht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen (§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst, da sie keinen Klageantrag gestellt und damit nicht am Kostenrisiko teilgenommen haben (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.


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