Baurecht

Erhebung eines Verbesserungsbeitrags bei Gesamtschuldnern

Aktenzeichen  AN 1 K 18.01037

Datum:
1.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 3791
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5 Abs. 1
BGB § 421
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 117 Abs. 5, § 124a Abs. 1
VBS/EWS § 1 Abs. 1, § 9

 

Leitsatz

1 Nimmt die Behörde einen der Miteigentümer des veranlagten Grundstücks als Gesamtschuldner gem. Art. 5 Abs. 6 S. 2 KAG in Anspruch, muss sie nicht begründen, weshalb sie sich nicht an den anderen Miteigentümer gewendet hat. (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)
2 Dachgeschosse stellen auch dann beitragsrelevante Gebäudeflächen dar, wenn sie die baulichen Voraussetzungen für Vollgeschosse oder für Aufenthaltsräume nicht erfüllen (in Anschluss an BayVGH BeckRS 2012, 55170). (Rn. 65) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2017 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … vom 2. Mai 2018 sind nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Soweit der Kläger rügt, die Beklagte habe entgegen Art. 5 Abs. 1a KAG die voraussichtlich Beitragspflichtigen nicht möglichst frühzeitig über beabsichtigte beitragsfähige Vorhaben und das Verfahren der Beitragserhebung einschließlich in Betracht kommender Billigkeitsmaßnahmen informiert, hat die Beklagte dargelegt, dass sie in Bürgerversammlungen und auch in einem Pressebericht am 10. Februar 2017 über die bevorstehende Abrechnung der Verbesserungsmaßnahmen informiert hat. Zudem hätte ein Verstoß gegen die bloße Sollvorschrift des Art. 5 Abs. 1a KAG nicht die Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides zur Folge.
Die Beklagte war berechtigt, den Kläger als Miteigentümer des veranlagten Grundstücks gemäß des Art. 5 Abs. 6 Satz 2 KAG als Gesamtschuldner heranziehen. Einer gesonderten Begründung, weshalb der Kläger und nicht seine Ehefrau, die weitere Miteigentümerin des veranlagten Grundstücks ist, als Gesamtschuldner ausgewählt worden ist, bedurfte es nicht (vgl. BayVGH, B.v. 18.8.2010 – 20 CS 10.1642, juris Rn. 8; B.v. 28.8.2003 – 23 CS 03.2169).
Der Beitragsbescheid vom 13. Februar 2017 findet seine Rechtsgrundlage in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.d.F. d. Bek. vom 4. April 1993 (GVBl S. 264, BayRS 2024-1-I), in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 8. März 2016 (GVBl S. 36), und in den Bestimmungen der Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Entwässerungseinrichtung der Beklagten vom 28. Oktober 2016 (VBS/EWS).
Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG können Gemeinden für die Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtung einen besonderen Vorteil bietet.
Die Beklagte betreibt eine öffentliche Einrichtung zur Abwasserbeseitigung (§ 1 Abs. 1 der Satzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung der Beklagten – EWS – vom 26.11.2014), an die das veranlagte Grundstück des Klägers angeschlossen ist.
Die Beklagte hat von der Ermächtigung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG Gebrauch gemacht und die Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Entwässerungseinrichtung vom 28. Oktober 2016 (VBS/EWS) erlassen, die gemäß § 9 VBS/EWS eine Woche nach ihrer Bekanntmachung im Amtsblatt vom 5. November 2016 am 12. November 2016 in Kraft getreten ist.
Bedenken gegen die formelle und materielle Rechtswirksamkeit der genannten Satzung bestehen nicht. Bei den in § 1 Abs. 1 VBS/EWS bezeichneten Maßnahmen handelt es sich um Verbesserungsmaßnahmen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG zur Hebung der Qualität und Leistungsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung, die sich nach der Verkehrsauffassung positiv auf die Gesamtanlage auswirken (vgl. BayVGH, U.v. 19.5.2010 – 20 N 09.3077, GK 2010/19; U.v. 11.3.2010 – 20 B 09.1890, GK 2010/12; U.v. 19.8.2004 – 23 B 04.200). Der Gemeinde kommt bei der Durchführung von Verbesserungsmaßnahmen ein weites (Beurteilungs-)Ermessen zu, das vorliegend nicht überschritten worden ist.
Soweit der Kläger rügt, dass in § 1 Abs. 1 VBS/EWS auch der „Austausch des Sammlers auf den Gebäuden der Fa. …“ als beitragspflichtige Verbesserungsmaßnahme genannt wird, handelt es sich, wie von den Vertretern der Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden ist, um einen offensichtlichen Schreibfehler. Wie sich dem letzten Absatz des § 1 Abs. 2 VBS/EWS entnehmen lässt, befindet sich der Sammler nicht auf den Gebäuden, sondern auf dem Grundstück der Fa. …, und ist Bestandteil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung der Beklagten. Es ist in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof geklärt, dass auch dinglich gesicherte Leitungen, die auf Privatgrund verlaufen, durch Widmung in die öffentliche Entwässerungseinrichtung einbezogen werden können (BayVGH, B.v. 15.4.2004 – 4 ZB 03.773, juris Rn. 4). In Verbindung mit der oben genannten Erläuterung in § 1 Abs. 2 VBS/EWS ist es zweifelsfrei erkennbar, dass es in § 1 Abs. 1 VBS/EWS statt „Gebäuden der Fa. …“ richtig „Grundstück der Fa. …“ heißen muss.
Ebenfalls rechtlich nichts zu erinnern ist gegen die in § 5 Abs. 4 Satz 3 VBS/EWS getroffene Regelung, wonach Dachgeschosse nur herangezogen werden, soweit sie ausgebaut sind und (zu Gunsten der Beitragspflichtigen) hiervon nur 60% berechnet werden.
Sie entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, nach der Dachgeschosse auch dann beitragsrelevante Gebäudeflächen darstellen, wenn sie die baulichen Voraussetzungen für Vollgeschosse oder für Aufenthaltsräume nicht erfüllen (BayVGH, B.v. 6.8.2012 – 20 CS 12.1143, juris Rn. 19 m.w.N., B.v. 26.3.2007 – 23 ZB 07.49, juris Rn. 4, m.w.N). Ein Verstoß liegt auch nicht darin, dass ausgebaute Dachgeschosse nur mit 60 v. H. berechnet werden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erachtet in ständiger Rechtsprechung solche Regelungen für zulässig, weil Dachgeschosse im Verhältnis zu den darunter liegenden Geschossen wegen der Dachschräge in der Regel nur eingeschränkt nutzbar sind (BayVGH, B.v. 26.3.2007 – 23 ZB 07.49, juris Rn. 4 m.w.N.). Für den Satzungsgeber, der unter Beachtung eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabes typisieren und generalisieren kann, war es nicht geboten, für Dachgeschosse mit schrägen Decken eine eigene, die beitragspflichtige Geschossfläche je nach Dachneigung reduzierende Berechnung, vorzusehen.
Die Beklagte hat zeitgleich mit dem Erlass der Verbesserungsbeitragssatzung vom 28. Oktober 2016 auch eine geänderte Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (5. Änderungssatzung) mit neuen Beitragssätzen erlassen und in Kraft gesetzt, und damit den Vorgaben der Rechtsprechung Rechnung getragen (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2015 – 20 ZB 15.217, juris; B.v. 26.2.2007 – 23 ZB 06.3286, GK 2008/26).
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass die Beklagte in der Globalkalkulation den Verbesserungsaufwand zu 75 v.H. über Beiträge und zu 25 v.H. über Entwässerungsgebühren deckt. Eine Mischfinanzierung ist dem leitungsgebundenen Abgabenrecht nicht fremd. Vielmehr ist es im Regelfall so, dass der Satzungsgeber im Wege seines Ermessens nicht den höchstzulässigen Beitragssatz in der Satzung beschließt, sondern einen geringeren Beitragssatz. Die nicht über Beiträge gedeckten Kosten werden dann über Gebühren refinanziert. Hierbei muss lediglich sichergestellt sein, dass es nicht zu einer „Doppelabschöpfung“ kommt (vgl. Lohmann in Driehaus, KAG, § 8 Rn. 847). Die von der Beklagten gewählte Form ist somit ein zulässiges Finanzierungsmodell (vgl. Thimet, Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Stand Nov. 2018, Teil IV, Art. 5 Abschn. A, Frage 1 Nr. 7).
Da im Übrigen keine substantiierten Einwände gegen die Globalkalkulation vorgetragen wurden, war eine Überprüfung der Beitragskalkulation von Amts wegen (§ 86 VwGO) nicht veranlasst (vgl. BayVGH, B.v. 2.12.2014 – 20 ZB 14.1744, juris; 3.7.2012 – 20 ZB 12.941, juris; U.v. 29.4.2010 – 20 BV 09.2024, juris bestätigt durch BVerwG, B.v. 13.4.2011 – 9 B 63.10).
Der Kläger kann mit seiner Rüge, sein Grundstück profitiere nicht von den durchgeführten Verbesserungsmaßnahmen, nicht durchdringen. Wie im Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt worden ist, wirkt sich die Verbesserungsmaßnahme auf das gesamte Gebiet der öffentlichen Entwässerungseinrichtung aus. Es gilt das Prinzip der Solidargemeinschaft (BayVGH, B.v. 14.1.2004 – 23 ZB 03.3115).
Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, vor der Festsetzung der beitragspflichtigen Geschossflächen eine Ortsbesichtigung durchzuführen. Der Kläger räumt selbst ein, dass das Dachgeschoss des veranlagten Grundstücks ausgebaut ist und über Fremdenzimmer verfügt. Wie oft die Fremdenzimmer tatsächlich genutzt werden, ist für den Vorteil, den das Grundstück mit seiner Bebauung aus der öffentlichen Entwässerungseinrichtung ziehen kann, unerheblich.
Im Übrigen konnte die Beklagte die beitragspflichtigen Geschossflächen anhand der ihr als Baugenehmigungsbehörde (Art. 9 Abs. 2 GO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrKrV) vorliegenden Unterlagen errechnen. Es wäre wiederum Sache des Klägers angebliche Unrichtigkeiten bei der Ermittlung der Geschossflächen substantiiert zu rügen.
Die Heranziehung (auch) des überbauten Teils des Grundstücks zu einem Grundstücksflächenbeitrag ist zulässig. Zur Grundstücksfläche zählt nämlich auch die Dachfläche der Gebäude, da gerade hier Niederschlagswasser anfällt. Die Kostenmassen, die auf die Grundstücksflächen verteilt werden, beziehen sich auf die Niederschlagswasserbeseitigung, die Kostenmassen, die auf die Geschossflächen verteilt werden, auf die Schmutzwasserbeseitigung. Eine unzulässige Doppelbelastung liegt deshalb nicht vor.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch keine Festsetzungsverjährung eingetreten.
Insoweit wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … vom 2. Mai 2018 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.
Die Klage war deshalb abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.


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