Baurecht

Erhebung einmaliger Straßenausbaubeiträge in Thüringen für Ausbaumaßnahmen, die vor dem 1. Januar 2007 abgeschlossen wurden

Aktenzeichen  3 K 189/21 Ge

Datum:
16.6.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Gera 3. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:VGGERA:2022:0616.3K189.21GE.00
Normen:
§ 7 Abs 1 S 1 KAG TH
§ 7 Abs 12 S 2 KAG TH
§ 21a Abs 10 S 1 KAG TH
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

Für den Erhalt der Beitragserhebungsberechtigung gem. § 7 Abs. 12 Satz 2 ThürKAG (juris: KAG TH) in der Fassung vom 29. März 2011 bedarf es lediglich eines Satzungsbeschlusses bis zum Ablauf des 31. Dezember 2015. Die Norm stellt nicht auf das Inkrafttreten einer wirksamen Satzung ab.(Rn.41)

Tenor

Der Bescheid vom 4. November 2019 wird insoweit aufgehoben, als er einen Beitrag von mehr als 1.527,84 € festsetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zu 32 %, die Beklagte zu 68 %.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Straßenausbaubeiträgen. Er ist Eigentümer des Flurstücks a, Gemarkung Pößneck, das an die S… grenzt und mit einem zweigeschossigen Haus bebaut ist.
1995 erfolgten Arbeiten in der S…. Im Bereich von der O… bis zum E… wurden die Teileinrichtungen Fahrbahn, Gehweg, Beleuchtung, Oberflächenentwässerung, Parkflächen und Straßenbegleitgrün ausgebaut.
Mit Beitragsbescheid vom 4. November 2019 wurde der Kläger zu einem Straßenausbaubeitrag i.H.v. 4.793,37 € (unter Anrechnung der bereits geleisteten wiederkehrenden Beiträge i.H.v. 342,39 €) herangezogen. Die Beklagte bestätigte den form- und fristgerechten Eingang des Widerspruchs mit Schreiben vom 27. November 2021. Im Rahmen der Widerspruchsbearbeitung hat die Beklagte am 13. Januar 2020 einen Klarstellungsbescheid zur Fälligkeit erlassen. Eine Widerspruchsentscheidung steht noch aus.
Am 19. Februar 2021 hat der Kläger Klage erhoben.
Er rügt die Rechtmäßigkeit des Satzungserlasses. Es sei zwischenzeitlich Festsetzungsverjährung eingetreten. Eine Satzung habe es schon 1993 gegeben und die sachliche Beitragspflicht sei schon entstanden. Die Beitragsfestsetzung sei verjährt. Auch verstoße die nun zu Grunde gelegte Satzung vom 30. Mai 2016 gegen § 7 Abs. 12 ThürKAG a.F., nach dem die gültige Satzung bei Abschluss der Baumaßnahme beschlossen sein müsse. Es handele sich zwar um eine wiederholende Satzung, die aus Rechtssicherheitsgründen nochmals veröffentlicht worden sei. Sie stimme indes mit der vorangegangenen, rechtmäßigen Satzung überein. Darüber hinaus sei die Regelung in § 5 Abs. 7, wonach die Zahl der Vollgeschosse sich aus der Zahl der überwiegend auf den anderen Grundstücken vorhandenen Vollgeschosse bestimme, zu unbestimmt. Es erschließe sich nicht, was als nähere Umgebung maßgeblich sei.
Die grundhafte Sanierung der Straße sei damals nicht notwendig gewesen. Der Gehweg sei vor dem Ausbau 1995 zwar unbefestigt gewesen. Allerdings sei die mit Bitumen befestigte Fahrbahn für DDR-Verhältnisse in Ordnung gewesen. Ende der 70er Jahre sei im Rahmen der Verlegung von Leitungen eine neue Bituminierung der Fahrbahn bis zum Beginn des Kieses am Rand erfolgt. Jedenfalls habe die Beklagte keine Fördermittel beantragt, weshalb der Kläger nun mit völlig unverhältnismäßig hohen Beiträgen belastet werde.
Die S…_ sei als Hauptverkehrsstraße einzustufen. Sie diene dem durchgehenden Verkehr. Es handele sich um die Zufahrt zum Krankenhaus und der Verkehr werde überwiegend, d.h. zu ca. 70 %, vom Krankenhaus verursacht. Die S…_ sei der einzige logische Weg zum Krankenhaus und zum Neubaugebiet. Das Krankenhaus weise einen überörtlichen Einzugsbereich auf.
Der Umrechnungsfaktor für das klägerische Grundstück von 1,5 sei fehlerhaft. In der näheren Umgebung befinde sich lediglich eine zweigeschossige Bebauung. Die dreigeschossige Bebauung in der O… dürfe nicht einbezogen werden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 4. November 2019 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Satzung sei rechtmäßig erlassen worden. Es sei keine Festsetzungsverjährung eingetreten, da frühere Satzungen gerichtlich für unwirksam erklärt worden seien. Die 1992 beschlossene Satzung sei zwar veröffentlicht worden. Es lägen aber weder die Anzeige bei der Rechtsaufsichtsbehörde noch eine Ausfertigung vor. Darüber hinaus sei die Vorteilsregelung in § 6 zu pauschal gewesen. Die 1994 beschlossene Satzung habe wiederkehrende Beiträge vorgesehen und gerichtlichen Bedenken unterlegen. Die 1997 und 2004 veröffentlichten Satzungen seien vom Verwaltungsgericht für nichtig erklärt worden.
Die Beitragserhebungsberechtigung habe noch bestanden. Die Regelung des § 7 Abs. 12 in der Fassung des 7. Änderungsgesetzes zum ThürKAG vom 29. März 2011 habe eine Frist von 4 Jahren vorgesehen. Für Altmaßnahmen habe diese Frist gem. § 21a Abs. 10 ThürKAG erst mit dem Ablauf des 31. Dezember 2011 zu laufen begonnen. Die Satzung sei 2015 beschlossen worden. Selbst wenn die Satzung fehlerhaft wäre, würde keine Festsetzungsverjährung eintreten. Es bestehe die Möglichkeit einer Heilung. Die Satzung 2015 habe in § 5 Abs. 7a eine fehlerhafte Regelung enthalten. Dies sei 2016 korrigiert worden.
Die Einstufung der S…__ als Haupterschließungsstraße sei nicht fehlerhaft. Die Straße nehme den Verkehr des Viertels auf. Hierzu gehöre auch der Ziel- und Quellverkehr des Krankenhauses. Eine überörtliche Verkehrsfunktion besteht nicht.
Die Umgebungsbebauung weise überwiegend dreigeschossige, zum Teil viergeschossige Bebauung auf. Die Bebauung der O… sei nicht einbezogen worden.
Die Einzelrichterin hat die Örtlichkeiten im Rahmen der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen. Auf den Inhalt des Protokolls wird verwiesen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Behördenvorgangs (eine Heftung) sowie auf die im Verfahren 3 K 961/20 Ge beigezogenen Behördenvorgänge 2 und 3 (eine Heftung, ein Ordner) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage hat lediglich Erfolg, soweit der Beitragsbescheid vom 4. November 2019 einen Beitrag von mehr als 1.527,84 € festsetzt. Insoweit ist der Beitragsbescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Beitragserhebung für den Straßenausbau ist in Höhe von 1.527,84 € nicht zu beanstanden. Die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge mit dem 10. Änderungsgesetz vom 10. Oktober 2019 (GVBl. 396 – im Folgenden ThürKAG 2019 -) berührt nach der in diesem Gesetz geregelten Übergangsbestimmung des § 21b Abs. 1 Satz 1 ThürKAG 2019 nicht die Erhebung des Straßenausbaubeitrags, da die sachliche Beitragsschuld vor Ablauf des 31. Dezembers 2018 entstanden ist.
1. Die Erhebung des Straßenausbaubeitrages beruht auf der am 30. Mai 2016 ausgefertigten Straßenausbaubeitragssatzung (im Folgenden SAB 2016).
a) Frühere Satzungen waren nicht wirksam.
aa) Dies betraf die am 16. November 1992 beschlossene und ausweislich der Angaben im Amtsblatt vom 5. März 1993 am 5. März 1993 ausgefertigte Satzung. Die Satzung ist mangels fehlender Ausfertigung rechtswidrig gewesen. Bei der Ausfertigung einer Satzung handelt es sich um eine nach dem Thüringer Landesrecht zu beurteilende Gültigkeitsvoraussetzung, die in § 21 Abs. 1 Satz 1 ThürKO ohne genauere Vorgaben geregelt ist. Es gehört zu den grundlegenden Geboten des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG), dass die auszufertigende Norm nicht mit einem anderen als dem vom Normgeber gewollten Inhalt erlassen wird (BVerwG, Beschluss vom 16. Mai 1991 – 4 NB 26.90 – BRS 52 Nr. 32). Mit der Ausfertigung wird bezeugt, dass der textliche und gegebenenfalls zeichnerische Inhalt der Satzung mit dem Willen des Normsetzungsberechtigten übereinstimmt und die für die Rechtswirksamkeit maßgebenden Umstände beachtet wurden. Es wird eine Originalurkunde der Satzung hergestellt, die den Willen des Normgebers nach außen wahrnehmbar macht (ThürOVG, Urteil vom 9. Januar 2013 – 1 N 664/09 – n.v.; Urteil vom 18. Dezember 2000 – Az: 4 N 472/00 – zit. nach juris, Rn. 80 ff.). Zu diesem Zweck hat der (hier nach §§ 29 Abs. 1, 31, 32 ThürKO zuständige) Bürgermeister, der insoweit den Gemeinderatsbeschluss vollzieht, den beschlossenen Normtext unter Angabe des Datums handschriftlich zu unterzeichnen (ThürOVG, Urteil vom 9. Januar 2013 – 1 N 664/09 – n.v.; Urteil vom 22. September 2008 – 3 KO 1011/05 – juris Rn. 67).
Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob die im Rahmen der Veröffentlichung angegebene Ausfertigung am 5. März 1993 noch vor der öffentlichen Bekanntmachung am 5. März 1993 erfolgt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 1999 – 4 B 129/98 – juris Rn. 6).
Des Weiteren enthielt die Regelung unter § 12 einen anderen Text, der in der entsprechenden Vorlage noch nicht vorhanden gewesen ist. Die veröffentlichte Fassung einer Satzung muss jedoch mit der beschlossenen Fassung übereinstimmen.
Zwar kann die Satzung unabhängig von diesen formellen Mängeln aufgrund materiell Mängel nicht notwendig zur Abrechnung von Hauptverkehrs- bzw. Haupterschließungsanlagen geeignet sein, denn sie hat den Anliegeranteil von Haupterschließungsstraßen bzw. Hauptverkehrsstraßen nicht nach Teileinrichtungen differenziert, sondern pauschal auf 40 bzw. 20 % festgelegt. Damit hat sie die unterschiedliche Verkehrsbedeutung der einzelnen Teileinrichtungen nicht berücksichtigt. Die Gemeinde durfte den Gemeindeanteil nicht nach ihrem freien Ermessen in beliebiger Höhe festlegen, sondern sie musste dabei gem. § 7 Abs. 3 ThürKAG (GVBl. 1991, S. 329) das Vorteilsprinzip beachten. Die gebotene angemessene Berücksichtigung der Vorteile der Allgemeinheit bedeutete, dass sich die Bestimmung des Gemeindeanteils allein an dem Umfang des Vorteils zu orientieren hat, der der Allgemeinheit im Verhältnis zur Gruppe der beitragspflichtigen Grundstückseigentümer durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Teileinrichtung geboten wird. Danach musste der Gemeindeanteil umso größer sein, je mehr die ausgebaute Einrichtung erfahrungsgemäß von der Allgemeinheit genutzt werden wird und je niedriger somit der durch die Inanspruchnahmemöglichkeit den Grundstücksinhabern vermittelte besondere Vorteil im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 ThürKAG ist. Umgekehrt musste der Anliegeranteil umso größer sein, je mehr die ausgebaute die jeweilige Teileinrichtung von den jeweiligen Grundstücken aus benutzt werden wird. Bei einer Hauptverkehrs- bzw. Haupterschließungsstraße unterscheiden sich dies beispielsweise bezüglich Fahrbahn und Gehweg deutlich. Der Gemeinde stand zwar ein ortsgesetzgeberisches Ermessen zu, allerdings musste es sich an die jeweils geltenden landesgesetzlichen Vorgaben und somit an die Grenzen des Vorteilsprinzips halten. Dabei mussten die Gemeinden auch die durch das Vorteilsprinzip gezogene Untergrenze bei der Bestimmung des Gemeindeanteils beachten. Das Verhältnis der durch die Inanspruchnahmemöglichkeit einerseits der Allgemeinheit und andererseits den beitragspflichtigen Grundstückseigentümern gebotenen Vorteile wurde bestimmt von der unterschiedlichen Verkehrsbedeutung der ausgebauten Straßen sowie ihrer jeweiligen Teileinrichtungen und musste entsprechend bei der Bestimmung des Gemeindeanteils berücksichtigt werden (vgl. ThürOVG, Urteil vom 26. Juni 2013 – 4 KO 583/08 – juris Rn. 53 m.w.N.; hierzu auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2022, § 8 Rn. 367 ff.). Daran fehlte es, wenn z.B. der Gehweg, der regelmäßig den Anliegern einen größeren Vorteil vermittelt, lediglich mit 20 % bzw. 40 % bewertet wird. Da sich vorliegend die Abrechnung jedoch lediglich auf Gehweg und Parkflächen mit Begleitgrün beschränkt (siehe hierzu unter 3.), kommt dieser Mangel der Satzung aufgrund des Grundsatzes der regionalen Teilbarkeit aber nicht zur Anwendung. An der Vorteilsgerechtigkeit der Anliegeranteile von 60 % für Gehweg und Parkflächen mit Begleitgrün bestehen keine Bedenken.
bb) Die 1995 erlassene Satzung ist ebenfalls rechtswidrig gewesen. 1995 hat sich die Beklagte dafür entschieden, die Ausbaumaßnahmen nicht mehr über die Erhebung einmaliger Beiträge sondern über wiederkehrende Beiträge nach § 7a ThürKAG in der Fassung vom 28. Juni 1994 (GVBl. S. 796) zu refinanzieren. Allerdings war die im Amtsblatt vom 10. März 1995 veröffentlichte Satzung nichtig, weil die in ihr festgelegten Abrechnungseinheiten („1. Pößneck (ohne den Ortsteil Schwanitz) und 2. Ortsteil Schwanitz“) nicht hinreichend konkret bestimmt waren. Es war weder auf eine Karte, aus der sich die Grenzen der Abrechnungseinheit genau ergab, Bezug genommen worden noch waren derartige Karten bekannt gemacht worden. Dementsprechend blieb völlig unklar, wo die Grenzen der Abrechnungseinheiten konkret verlaufen sollten. Die Grenzen der Abrechnungseinheit mussten jedoch so genau sein, dass zweifelsfrei feststellbar war, welche Grundstücke die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Abrechnungseinheit hatten und damit der Beitragspflicht unterlagen. Des Weiteren erforderte die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes eine konkrete Bestimmung der räumlichen Ausdehnung der Erschließungseinheit. Insbesondere im Übergangsbereich der geschlossenen Ortslage musste erkennbar sein, welche Teilflächen von Straßenflurstücken der Länge oder Breite nach zur Abrechnungseinheit gehörten, denn Ungenauigkeiten in der räumlichen Ausdehnung der Straße machten sich bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes bemerkbar. Angesichts des Umstandes, dass die Gemeinde die Abrechnungseinheit selbst festlegen musste, konnte das Gericht verbleibende Zweifel oder Lücken nicht ausräumen (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 29. Juni 2009 – Az: 4 EO 217/09 – KStZ 2009, S. 218 ff.).
cc) Die Satzung über die Erhebung wiederkehrender Beiträge aus dem Jahr 1997 war ebenfalls fehlerhaft. Sie umfasste nicht das gesamte Gemeindegebiet und enthielt eine fehlerhafte Tiefenbegrenzung (vgl. VG Gera, Urteil vom 6. Februar 2003 – 4 K 245/99 – juris). Darüber hinaus konnte auf der Grundlage dieser Satzung, die erst am Tag nach ihrer Bekanntmachung im P… Stadtanzeiger vom 28. November 1997 in Kraft getreten ist, die sachliche Beitragspflicht für die 1995 durchgeführten Baumaßnahmen nicht entstehen. Hierfür hätte es eines rückwirkenden Inkrafttretens gem. § 7a Abs. 6 ThürKAG in der Fassung vom 28. Juni 1994 bedurft. Gem. § 7a Abs. 6 ThürKAG in der Fassung vom 28. Juni 1994 entstand die Beitragsschuld jeweils mit Ablauf des 31. Dezember für das abgelaufene Jahr. Das setzte aber voraus, dass zu diesem gesetzlich bestimmten Zeitpunkt eine wirksame Satzung in Kraft war. Angesichts dessen reichte es für die Erhebung des wiederkehrenden Straßenausbaubeitrags für ein bestimmtes Kalenderjahr nicht – wie bei der Erhebung einmaliger Beiträge – aus, dass überhaupt eine wirksame Straßenausbaubeitragssatzung zu einem späteren Zeitpunkt existierte. Die Periodenbezogenheit des Beitrages verlangt vielmehr, dass die Satzung dann eine Rückwirkungsanordnung enthält, wobei eine Rückwirkung auf den 31. Dezember des maßgeblichen Jahres genügte (vgl. Kammerbeschluss vom 17. Dezember 2018 – 3 E 1198/18 – n.v.; ThürOVG, Beschluss vom 11. Oktober 2012 – 4 ZKO 655/12 – n.v., S. 3 des Entscheidungsumdrucks; VG Weimar, Urteil vom 5. Februar 2014 – 3 K 1548/12 We – juris Rn. 20; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 2. Oktober 2014 – 4 L 125/13 – juris Rn. 22 ff.). Dementsprechend musste bei wiederkehrenden Beiträgen die satzungsgemäße Festlegung des Beitragssatzes ebenfalls zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres wirksam – gegebenenfalls rückwirkend – erfolgt sein (ThürOVG, Beschluss vom 11. Oktober 2012 – 4 ZKO 655/12 – n.v., S. 3 des Entscheidungsumdrucks; VG Weimar, Urteil vom 5. Februar 2014 – 3 K 1548/12 We – juris Rn. 21; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 2. Oktober 2014 – 4 L 125/13 – juris Rn. 23). Daran fehlte es jedoch vorliegend.
dd) Die 2004 beschlossene Satzung über die Erhebung wiederkehrender Beiträge wurde im Hinblick auf die die Abrechnungseinheiten festlegenden Karten nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht (vgl. Verwaltungsgericht Gera mit Urteils vom 9. Oktober 2008 – 4 K 551/07 – n.v.). Unabhängig hiervon wäre aber auch diese Satzung nicht zur Abrechnung der hier abgerechneten Maßnahme aus dem Jahr 1995 geeignet gewesen, da sie rückwirkend zum 18. November 1997 in Kraft getreten ist und daher nicht das Jahr 1995 erfasste.
ee) Die am 3. Februar 2015 ausgefertigte und am 20. Februar 2015 veröffentlichte Satzung über die Erhebung einmaliger Beiträge hat ebenfalls keine Wirksamkeit erlangt. Die 2015 ausgefertigte und bekannt gemachte Satzung entsprach nicht den Satzungsbeschlüssen des Stadtrates vom 18. Oktober 2012 und 19. Dezember 2013, denn die Regelung des § 5 Abs. 7a SAB in der Ausfertigung („Bei bebauten Grundstücken aus der Höchstzahl der überwiegend vorhandenen Vollgeschosse.“) ist nicht identisch mit der Beschlusslage vom 19. Dezember 2013 gewesen („Bei bebauten Grundstücken aus der Zahl der auf den Grundstücken der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse.“). Damit stimmte die Ausfertigung und Bekanntmachung nicht mit dem in den Beschlüssen zum Ausdruck gekommenen Willen des Satzungsgebers überein.
b) Erst nachdem die Beklagte die am 18. Oktober 2012 und 19. Dezember 2013 beschlossene Satzung erneut am 30. Mai 2016 ausgefertigt und am 17. Juni 2016 veröffentlicht hatte, existierte eine wirksame Satzung. Für die Unwirksamkeit der Satzung vom 30. Mai 2016 bestehen keine zwingenden Anhaltspunkte.
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das Verfahren der Anfechtung eines Beitragsbescheides nicht der eingehenden Kontrolle von Abgabensatzungen dient. Für die Prüfung der Gültigkeit von Satzungen hat der Gesetzgeber in erster Linie das Normenkontrollverfahren (§ 47 VwGO) vorgesehen, in dem allgemeinverbindlich entschieden wird. Die im vorliegenden Verfahren lediglich mögliche Inzidenzkontrolle der Beitragssatzung beschränkt sich darauf, ob eventuelle Mängel der Satzung offensichtlich sind, d. h. auch ohne tiefere Überprüfung auf der Hand liegen, soweit keine spezifischen Rügen vorgetragen worden sind. Dies ist im Ergebnis nicht der Fall.
aa) Die Beklagte hat in den Sitzungen des Stadtrates vom 18. Oktober 2012 und 19. Dezember 2013 eine Satzung über die Erhebung einmaliger Beiträge beschlossen.
Nach dem Satzungsbeschluss vom 18. Oktober 2012 hat die Beklagte die Satzung bei der Rechtsaufsichtsbehörde gem. § 2 Abs. 5 Satz 1 ThürKAG angezeigt. Die Aufsichtsbehörde bestätigte den Eingang mit Schreiben vom 14. November 2012. Allerdings bat sie mit Schreiben vom 11. Dezember 2012 jedoch, die Ausfertigung nicht vorzunehmen, da sie zu einer abschließenden Prüfung innerhalb der Monatsfrist nicht in der Lage sei und die Satzung eventuell rechtliche Mängel enthalte. Es folgte umfangreicher Schriftverkehr. Dies führte zu den Änderungen, denen der Stadtrat mit Beschluss vom 19. Dezember 2013 zustimmte. Selbst wenn in dem Schreiben vom 14. November 2012 eine Beanstandung liegt, führt sie nicht dazu, dass der Satzungsbeschluss vom 18. Oktober 2012 zu einem rechtlichen Nullum geworden ist. Das Fehlen einer Beanstandung binnen der Monatsfrist ist ein negatives Tatbestandsmerkmal für die Wirksamkeit einer Satzung und deren Inkraftsetzung. Ohne eine Anzeige bzw. dem Vorliegen einer fristgemäßen Beanstandung besteht ein beachtlicher Verfahrensmangel im Satzungsverfahren (vgl. ThürOVG, Urteil vom 23. November 2005 – 4 KO 877/01 – juris Rn. 29 f.; Holtbrügge in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2022, § 2 Rn. 22). Die Beanstandung führt aber nicht dazu, dass der einmal gefasste Beschluss keinerlei Wirksamkeit mehr entfaltet. Vielmehr ist der Beschluss weiter existent und kann in dem noch laufenden Satzungsverfahren ergänzt werden. Dies hat der Stadtrat der Beklagten getan. Ausweislich der Begründung der Beschlussvorlage bezüglich des Ergänzungsbeschlusses vom 19. Dezember 2013 war nach intensiver Diskussion mit der Rechtsaufsichtsbehörde eine Einigung über den Satzungsinhalt erzielt worden, der die nunmehr zur Abstimmung gestellte Änderung erforderlich gemacht hat. Die Änderungen waren mit der Rechtsaufsichtsbehörde abgestimmt. Damit liegt hier kein Fall vor, in dem eine nichtige Satzung nach Abschluss des Satzungsverfahrens lediglich punktuell geändert worden ist (wie in VG Weimar, Urteil vom 28. Januar 2003 – 3 K 103/02.We – juris Rn. 27; Urteil vom 19. September 2002 – 3 K 4276/99.We – juris Rn. 67 ff.).
bb) Der Satzungsbeschluss vom 18. Oktober 2012 und 19. Dezember 2013 wurde gem. § 2 Abs. 5 ThürKAG ordnungsgemäß der Rechtsaufsichtsbehörde angezeigt. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 9. Januar 2014 der Rechtsaufsichtsbehörde mit den entsprechenden Unterlagen zum Ergänzungsbeschluss sowie den Satzungsentwurf mit den eingearbeiteten Änderungen vorgelegt und darauf hingewiesen, dass die Ausfertigung und Bekanntmachung erfolgen solle. Die Beklagte hat damit die Satzung i.S.d. § 2 Abs. 5 Satz 1 ThürKAG angezeigt. Zwar hat die Rechtsaufsichtsbehörde hierauf nicht reagiert. Es liegt keine Eingangsbestätigung der Aufsichtsbehörde vor, obwohl sie hierzu verpflichtet ist. Allerdings führt dies nicht dazu, dass ein Nichtstun der Aufsichtsbehörde die Inkraftsetzung der Satzung verhindert. Die Beklagte hat der Behörde angezeigt, dass eine Satzung erlassen wurde und deren Ausfertigung und Bekanntmachung beabsichtigt ist. Damit hat sie der Aufsichtsbehörde die mit der Anzeigepflicht bezweckte Möglichkeit eröffnet, ihre Kontrollfunktion wahrzunehmen. Angesichts des Umstandes, dass der Ergänzungsbeschluss mit der Aufsichtsbehörde abgestimmt war, verwundert es auch nicht, dass keine inhaltliche Reaktion erfolgte.
cc) In der Folge wurde unter dem 3. Februar 2015 die Satzung bezüglich § 5 Abs. 7a SAB allerdings erst einmal fehlerhaft ausgefertigt und fehlerhaft im Amtsblatt P… Stadtanzeiger vom 20. Februar 2015 veröffentlicht (s.o. unter a) ee)). Dieser Mangel wurde mit der erneuten Ausfertigung vom 30. Mai 2016 und der Veröffentlichung im Amtsblatt vom 17. Juni 2016 korrigiert. Eine fehlerhafte Bekanntmachung einer Satzung kann durch die ordnungsgemäße Wiederholung des Verkündungsvorgangs geheilt werden. Dies gilt auch für die Ausfertigung. Insoweit bedarf es keines erneuten Satzungsbeschlusses, wenn beispielsweise in einem gerichtlichen Verfahren festgestellt wurde, dass Teile des Satzungsverfahrens fehlerhaft gewesen sind (ThürOVG, Urteil vom 3. Mai 1995 – 1 KO 16/93 – juris Rn. 36; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 1989 – 4 NB 10/89 – juris Rn. 6). Insbesondere hat sich die Rechtslage zwischenzeitlich nicht maßgeblich verändert. Die grundsätzliche Verpflichtung zur Beitragserhebung wurde durch die Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetz und anderer Gesetze vom 20. März 2014 (GVBl. S. 82) beibehalten. Erst mit dem Zehnten Änderungsgesetz vom 10. Oktober 2019 wurden die Straßenausbaubeiträge abgeschafft.
dd) Die Straßenausbaubeitragssatzung 2016 ist des Weiteren nicht wegen inhaltlicher Mängel zur Abrechnung der S…__ ungeeignet. Die Regelung des § 5 Abs. 7a SAB 2016, nach dem sich die Zahl der Vollgeschosse bei bebauten Grundstücken aus der Zahl der auf den Grundstücken der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse ergibt, ist entgegen der Auffassung des Klägers wirksam. Grundsätzlich ist der Vollgeschossmaßstab im Straßenausbaubeitragsrecht zulässig (vgl. BayVGH, Beschluss vom 9. Juni 2004 – 6 CS 03.434 – juris). Für die Bewertung der Inanspruchnahmemöglichkeit durch eine ausgebaute Anlage und dem auf ihr beruhenden Vorteil ist auf den Umfang der wahrscheinlichen Inanspruchnahmemöglichkeit abzustellen. Hierzu ist grundsätzlich die zulässige Grundstücksnutzung maßgeblich. Insbesondere bei unbebauten, aber bebaubaren Grundstücken zeigt sich dies deutlich. Das Fehlen der Bebauung hat keine Vergünstigung im Rahmen der Beitragserhebung zur Folge. Ebenso entspricht bei bebauten Grundstücken das Abstellen auf die zulässige Bebauung § 7 Abs. 1 Satz 1 ThürKAG. Angesichts des Umstands, dass sich die zulässige Bebauung im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB richtet, ist es nur folgerichtig, wenn auf die Bebauung in der näheren Umgebung abgestellt wird. Damit ist eine schematische Beschränkung der Umgebung, z.B. nur auf die abgerechnete Straße bzw. nur auf die unmittelbaren Nachbargrundstücke, nicht möglich. Vielmehr ist darauf abzustellen, inwieweit die vorhandene Umgebungsbebauung das jeweilige Grundstück noch prägt (Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2022, § 8 Rn. 438 f., 454). Das kann sich auf einen Teil der jeweiligen Erschließungsstraße beschränken, aber auch anderen Bereich umfassen. Bedenken an der Bestimmtheit dieser Regelung bestehen nicht. Bei dem Begriff der näheren Umgebung handelt es sich lediglich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der insbesondere im Rahmen des § 34 BauGB eine inhaltliche Ausgestaltung erfahren hat (vgl. nur Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2021, § 34 Rn. 34 ff.).
Zwar können aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität grundsätzlich auch einfachere Verfahren zur Bestimmung der baulichen Ausnutzbarkeit eines Grundstücks genutzt werden. Allerdings kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob allein auf die tatsächlich vorhandene Bebauung abgestellt werden darf (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 6. November 2008 – 2 LA 27/08 -, juris Rn. 18; SächsOVG, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 5 D 5/06 – juris Rn. 126 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. November 2008 – 6 A 11081/08 – juris Rn. 22; ebenso im Erschließungsbeitragsrecht: BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1971 – IV C 28.70 – juris Rn. 15). Denn selbst wenn solche Regelungen möglich sind, steht es im satzungsgeberischen Ermessen, welches Verfahren der jeweilige Satzungsgeber zur Ermittlung der baulichen Ausnutzbarkeit wählt.
c) Die Beklagte hat des Weiteren die Berechtigung zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen nicht verloren. Zwar wurde mit dem 7. Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes vom 29. März 2011 (GVBl. S. 61) in § 7 Abs. 12 Satz 2 ThürKAG die Regelung aufgenommen, dass die Satzung spätestens 4 Jahre nach Beendigung der Ausbaumaßnahme zu beschließen war. Kam die Gemeinde dem nicht innerhalb der Frist nach, verlor sie ihre Erhebungsberechtigung (ThürOVG, Beschluss vom 30. September 2014 – 4 EO 172/14 – juris Rn. 19). Nach der Übergangsvorschrift des § 21a Abs. 10 ThürKAG 2011 begann die Vierjahresfrist aber erst mit dem Ablauf des 31. Dezember 2011 zu laufen und endete damit mit Ablauf des Jahres 2015.
Soweit in der Übergangsbestimmung des § 21a Abs. 10 Satz 1 ThürKAG 2011 geregelt ist, dass für Maßnahmen, die vor dem 1. Januar 2007 beendet wurden, die Satzung innerhalb von zwölf Monaten nach dem Inkrafttreten des 7. Änderungsgesetzes zu beschließen ist, führte dies nicht zu einer Änderung der in § 7 Abs. 12 Satz 2 geregelten Vierjahresfrist. Es sollte in diesen Fällen lediglich eine beschleunigte Bearbeitung erfolgen (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 11. Januar 2018 – 4 EO 941/17 – juris Rn. 14). § 21a Abs. 10 Satz 3 ThürKAG 2011 macht indes auch deutlich, dass der Gesetzgeber hier sicherstellen wollte, dass in den Altfällen rechtsaufsichtliche Maßnahmen ergriffen werden sollten, wenn die jeweiligen Gemeinden nicht binnen einer Jahresfrist tätig geworden sind. Die Beitragserhebungspflicht sollte dann entsprechend durchgesetzt werden. Dies wäre nicht mehr möglich gewesen, wenn der Ablauf der Jahresfrist schon zum Wegfall der Beitragserhebungsberechtigung geführt hätte.
Die Beklagte hat mit den Satzungsbeschlüssen aus den Jahren 2012 und 2013 rechtzeitig vor 2015 eine Satzung beschlossen. Nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 12 Satz 2 ThürKAG kommt es lediglich auf einen Satzungsbeschluss und nicht auf das Inkrafttreten der Satzung an. So wurde in der Begründung des Gesetzesentwurfes bereits darauf hingewiesen, dass eine fristgemäß beschlossene Satzung, deren Nichtigkeit später festgestellt wird, geheilt werden könne (Gesetzesentwurf der Landesregierung – Drs. 5/1759 S. 16). Im Zusammenhang mit der Einfügung der Übergangsvorschrift des § 21a Abs. 10 ThürKAG wird in der Begründung des Weiteren auf Folgendes hingewiesen (Gesetzesentwurf der Landesregierung – Drs. 5/1759 S. 24):
Die Vierjahresfrist des § 7 Abs. 12 Satz 2 soll nicht dazu führen, dass wegen des zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits erfolgten Ablaufs von vier Jahren nach Beendigung der Maßnahme keine Beiträge mehr erhoben werden können. In diesen Fällen beginnt nach § 21a Abs. 10 die Frist erst mit Ablauf des 31. Dezember 2011 zu laufen. Die Beitragssatzung kann für die betroffene Maßnahme daher bis zum 31. Dezember 2015 beschlossen werden. Die Bekanntmachung kann auch nach diesem Zeitpunkt erfolgen.
Damit wird deutlich, dass der Gesetzgeber bewusst auf den Satzungsbeschluss und nicht auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens abgestellt hat. Der Gesetzgeber hat auch in anderen Bereichen des ThürKAG zwischen dem bloßen Satzungsbeschluss und dem Inkrafttreten der Satzung differenziert. Dies zeigt die 2011 bestehende Regelungen zur Festsetzungsverjährung in § 15 Nr. 4 b) cc), nach dem § 170 Abs. 1 AO mit der Maßgabe galt,
– dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und
– dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung beschlossen worden ist und § 170 Abs. 3.
Im Fall des 2. Spiegelstrichs machte es einen erheblichen Unterschied, ob auf den Satzungsbeschluss und nicht auf das Inkrafttreten der Satzung abgestellt worden ist (vgl. nur ThürOVG, Beschluss vom 28. August 2008 – 4 EO 405/08 – juris).
Zwar wird in der Gesetzesbegründung auch ausgeführt, dass die Heilung durch ein rückwirkendes Inkraftsetzen der Satzung erfolgt. Dies lässt sich dem Gesetzestext selbst indes nicht entnehmen. Die Gesetzesbegründung dürfte vielmehr die Fallkonstellation im Blick gehabt haben, in der es nach 2015 eines erneuten Satzungsbeschlusses für die Beseitigung der Nichtigkeit bedarf. Wird dieser Beschluss dann rückwirkend in Kraft gesetzt, wird den Anforderungen an § 7 Abs. 12 ThürKAG genügt. Dass damit auch der Fall erfasst sein sollte, in dem zur Heilung einer unwirksamen Satzung nur formelle Mängel bzgl. der Ausfertigung bzw. der Bekanntmachung ausreichen, ist nicht ersichtlich. Auch der Hinweis in der Gesetzesbegründung, dass die Regelung geschaffen wurde, um die Heranziehung der Grundstückseigentümer in absehbarer Zeit sicher zu stellen (vgl. Drs. 5/1759 S. 16), führt hier nicht weiter. Im Hinblick auf die 2011 bestehenden Regelungen zur Festsetzungsverjährung in § 15 Nr. 4 b) cc) 2. Spiegelstrich ThürKAG lief dieses Ziel bei dem Beschluss einer unwirksamen Satzung noch leer, denn die Festsetzungsverjährung begann erst mit dem Beschluss der wirksamen Satzung zu laufen.
Die oben wiedergegebenen 2011 gültigen Verjährungsregelungen, die im Ergebnis eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit von kommunalen Abgaben ermöglichten, verstießen zwar gegen das verfassungsrechtlich verankerte Gebot der Rechtssicherheit (BVerfG, Urteil vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – juris zu einer Vorschrift aus dem bayerischen Kommunalabgabengesetz). Allerdings führte der Umstand, dass diese Unvereinbarkeit in der Vergangenheit bestanden hat, nicht zu dem Ergebnis, dass deshalb ein entsprechender Beitragsbescheid rechtswidrig und aufzuheben ist. Das BVerfG hatte vielmehr dem Landesgesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt, eine verfassungsgemäße Neuregelung herbeizuführen, denn die Nichtigkeit der Vorschrift sollte erst eintreten, wenn der Gesetzgeber nicht bis zum 1. April 2014 die Verjährung verfassungsgemäß neu geregelt hat. Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen die streitentscheidende Verjährungsregelung des BayKAG entscheidungserheblich war, blieben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder waren auszusetzen (BVerfG, Beschluss vom 05. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – juris Rn. 51). Das Bundesverfassungsgericht hat damit die Beitragserhebung für länger zurückliegende Baumaßnahmen nicht generell für verfassungswidrig erklärt, sondern eine Verjährungsregelung gefordert, anhand derer dann die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung zu prüfen ist. Dass damit für die Bürger bis zum Zeitpunkt der Neuregelung noch keine konkret bestimmte Frist für die Verjährung vorhanden war, steht der Beitragserhebung folglich nicht entgegen.
Der Thüringer Gesetzgeber hat mit dem 7. Änderungsgesetz von 2011 § 7 Abs. 12 Satz 2 ThürKAG 2011 sowie mit der Änderung des § 15 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc ThürKAG 2014 schließlich sichergestellt, dass die Heranziehung zu einmaligen Beiträgen nicht mehr zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage möglich ist. Der Landesgesetzgeber bezweckte mit diesen Regelungen, dass die Grundstückseigentümer in absehbarer Zeit herangezogen werden, sich für sie die Voraussehbarkeit der Beitragsbelastung erhöht und eine zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme bestand (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung vom 2. November 2020, LT-Drs. 5/1759, S. 16 und des Gesetzesentwurfs vom 20. März 2014, LT-Drs. 5/6711, S. 2, vgl. ThürOVG, Beschluss vom 30. September 2014 – 4 EO 172/14 – juris Rn. 19).
Gem. § 15 Nr. 4 b) cc) 3. Spiegelstrich ThürKAG in der Fassung vom 20. März 2014 (GVBl. S. 82) galt § 170 Abs. 1 AO mit der Maßgabe,
– dass bei Ersetzung einer ungültigen Satzung für die Erhebung von Beiträgen durch eine gültige Satzung mit Wirkung für die Zukunft die Festsetzungsfrist mit Ablauf des achten Kalenderjahres beginnt, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Beitragsschuld nach Maßgabe der ungültigen Satzung entstanden wäre.
Unabhängig von der Frage, welche ungültige Satzung der Berechnung der 8-Jahres-Frist zu Grunde gelegt wird, stellt die Übergangsregelung des § 21a Abs. 12 Satz 1 ThürKAG in der Fassung vom 20. März 2014 jedenfalls sicher, dass bei der Ersetzung einer ungültigen Satzung, die vor Inkrafttreten der Fassung vom 20. März 2014 beschlossen worden ist, durch eine gültige Satzung die Verjährung nicht vor Ablauf des 31. Dezembers 2021 eintritt. Dementsprechend war die Festsetzungsverjährung bei Erlass des Bescheides vom 4. November 2019 noch nicht abgelaufen.
3. Lediglich bezüglich des Gehweges, der Parkflächen sowie des Straßenbegleitgrüns lässt sich eine beitragsfähige Baumaßnahme feststellen. Bezüglich der übrigen Teileinrichtungen fehlt es hieran.
Baumaßnahmen an den einzelnen Teileinrichtungen sind beitragsfähig, wenn sie sich als Erneuerung, Verbesserung, Erweiterung, Herstellung oder Anschaffung gem. § 7 ThürKAG, § 1 Abs. 1 SAB 2016 bewerten lassen. Eine Erneuerung liegt vor, wenn eine nicht mehr voll funktionsfähige Anlage infolge ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung verschließen ist und nach Ablauf der üblichen Nutzungsdauer in einen im Wesentlichen vergleichbaren Zustand versetzt wird (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2022, § 8 Rn. 292). Eine beitragsfähige Verbesserung ist gegeben, wenn sich der Zustand der Anlage nach dem Ausbau in irgendeiner Hinsicht von ihrem ursprünglichen Zustand im Zeitpunkt der Erneuerung in der Weise unterscheidet, die positiven Einfluss auf ihre Benutzbarkeit hat. Ob dies zutrifft ist bezogen auf jede Teileinrichtung zu prüfen (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2022, § 8 Rn. 301).
Allerdings hat die Beklagte entgegen der Anforderung mit der Erstzustellung unter 2. sowie mit gerichtlicher Verfügung vom 8. Dezember 2021 keine Beschreibung der Anlage vor dem Ausbau vorgelegt. Aus dem folgenden Schriftverkehr und dem Vorbringen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ergibt sich allerdings, dass die Teileinrichtungen Gehweg, Parkflächen und Begleitgrün verbessert worden sind. Vor dem Ausbau bestand der Gehweg lediglich aus einem Kies- bzw. Sandgemisch. Angesichts des Vortrags, dass die bituminöse Fahrbahn bis an den Gehweg herangereicht hat, ergibt sich, dass auch keine gesonderten Parkplätze mit dem entsprechenden Begleitgrün vorhanden gewesen waren. Vielmehr erfolgte vor 1995 das Parken am Rand der Fahrbahn.
In der mit dem Ausbau 1995 erfolgten Pflasterung des Gehweges liegt eine deutliche Verbesserung des ursprünglich vorhandenen Zustandes. Die erstmalige Befestigung durch eine Pflasterung führt dazu, dass der Gehweg ebenflächiger sowie haltbarer ist und damit besser seiner bestimmungsgemäßen Funktion dient (Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2022, § 8 Rn. 314). Des Weiteren stellt das erstmalige Anlegen von Parkflächen in einer schon vorhandenen Anlage aufgrund der damit verbundenen Verbesserung der klaren Aufteilung der Straßenfläche zwischen fließenden und ruhenden Verkehr und der damit verbundenen Erhöhung der Sicherheit der Verkehrsteilnehmer eine Verbesserung dar (VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 16. August 2021 – 3 K 1459/15 – juris Rn. 42). Das Straßenbegleitgrün, das hier die Parkplätze untereinander bzw. zu Einfahrten abgrenzt (vgl. Foto 1 des Ortstermins), ist als Teil der Parkflächen an Stelle einer sonst üblichen Befestigung bzw. zur Auflockerung angelegt und damit regelmäßig als unselbständiger Bestandteil des Parkstreifens anzusehen. Das Grün teilt insoweit das rechtliche Schicksal der jeweiligen Teileinrichtung (vgl. NiedersächsOVG, Urteil vom 19. Februar 2020 – 9 LB 132/17 – juris Rn. 193; VG Gera, Beschluss vom 23. Oktober 2013 – 3 E 498/13 -, Entscheidungsumdruck S. 12 f. – n.v.). Zwar weist die Satzung das Begleitgrün als eigenständige Teileinrichtung aus. Dies ist indes unschädlich, da der Anliegeranteil von Parkflächen und unselbständigen Grünanlagen gleich ist.
Bezüglich der übrigen Teileinrichtungen (Fahrbahn, Entwässerung und Beleuchtung) lässt sich indes mangels Kenntnis des Ausbauzustandes vor 1995 nicht feststellen, ob eine beitragspflichtige Maßnahme vorliegt. Für die Annahme einer Erneuerung bedarf es der Angabe des Alters der jeweiligen Teileinrichtung, da nur dann bestimmt werden kann, wann die übliche Nutzungsdauer abgelaufen ist. Darüber hinaus muss auch die Feststellung getroffen werden können, dass die Anlage verschlissen gewesen ist. Die Beklagte hat hierzu jedoch keine Angaben gemacht bzw. aussagekräftige Unterlagen vorgelegt. Der Kläger hat die Erneuerungsbedürftigkeit der Anlage bestritten. Bezüglich der Fahrbahn hat er vorgetragen, dass nach seiner Erinnerung Ende der 70er Jahre im Rahmen der Verlegung von Leitungen die gesamte Fahrbahndecke bituminiert worden und die Fahrbahn vor dem Ausbau 1995 für DDR-Verhältnisse in Ordnung gewesen sei. Dies hat die Beklagte indes nicht substantiiert bestritten. Zwar befindet sich in dem Behördenvorgang eine Beschreibung der Anlage durch einen Mitarbeiter Tiefbau vom 9. Dezember 1991 (Bl. 15, BA 2, 3 K 961/20 Ge). Ihr lässt sich die Bewertung entnehmen, dass die Infrastruktur im Bereich der S…__ beginnend an der O…__ unterentwickelt und verschlissen gewesen sei. Zwischen Fahrbahnrand und Scheunen habe sich eine stark verlandete Entwässerungsmulde aus Kieselpflaster befunden. Die darin enthaltenen Rosteinläufe seien funktionslos gewesen. Allerdings reicht es nicht aus, dass die einzelnen Teileinrichtungen (hier Fahrbahn und Entwässerung) verschlissen waren. Dies ist zusätzlich neben dem Ablauf der Nutzungsdauer der Teileinrichtung erforderlich. Das Kriterium der üblichen Nutzungsdauer hat den Zweck sicherzustellen, dass eine Anlage nicht “vorzeitig” auf Kosten der Anlieger saniert wird, weil der Straßenbaulastträger die laufende Instandhaltung vernachlässigt hat oder z.B. mit einer neuen Straßenbeleuchtungsanlage für die Anlieger nicht relevante deutliche Einsparungen beim Energieverbrauch erzielen möchte. Hier gibt es keine festen Werte, sondern die übliche Nutzungsdauer ist von der Qualität der Teileinrichtung und ihrer Belastung abhängig, auch wenn für „normale“ Straßen sowie für Gehwege im Allgemeinen ein Wert von 20 – 25 Jahren angesetzt wird. Um dies ermitteln zu können, bedarf es der Angabe, wann und in welcher Qualität die jeweilige Teileinrichtung letztmalig ausgebaut wurde. Für die Beleuchtung fehlen jegliche Angaben. Der Kläger hat zwar ausgeführt, dass eine so umfassende Baumaßnahme wie 1995 für alle Teileinrichtungen zu DDR-Zeiten nach seiner Erinnerung nicht durchgeführt worden war. Dass indes überhaupt keine Maßnahmen nur bezüglich einzelner Teileinrichtungen realisiert wurden, hat er jedoch nicht behauptet.
Für das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale trifft die Beklagte im Ergebnis die materielle Beweislast.
Damit beschränkt sich der umlagefähige Anliegeranteil auf
 Gehweg
 17.493,67 €
 Parkstreifen
 12.050,63 €
 Straßenbegleitgrün
 4.823,31 €
 Gesamtbetrag
 34.367,61 €
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der entstandene Aufwand nicht völlig unverhältnismäßig. Der Gemeinde steht bei der Frage, mit welchen Teileinrichtungen sie die einzelne Anlage ausstattet, ein weiter, gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Dieser ist nur dann überschritten, wenn keine Gründe ersichtlich sind, die die Maßnahme im durchgeführten Umfang rechtfertigen und die Maßnahme schlechthin unvertretbar ist. Die Gemeinde ist nicht nur auf Maßnahmen beschränkt, für die ein dringendes öffentliches Bedürfnis besteht (vgl. BayVGH, Beschluss vom 4. Dezember 2014 – 6 ZB 13.467 – juris Rn. 11; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2022, § 8 Rn. 348 m.w.N.). Es ist nicht ersichtlich, dass die Anlegung eines einseitigen Parkstreifens mit dem Begleitgrün diese äußerste Grenze überschritten hat.
Insbesondere führt der Umstand, dass bei der Ermittlung des umlagefähigen Anliegeranteils keine Fördermittel zu Gunsten der Anlieger eingesetzt worden sind, nicht zur mangelnden Erforderlichkeit dieser Kosten. Vorliegend ist weder erkennbar, dass es überhaupt einschlägige Fördermittelprogramme gab, die zur Entlastung der Anlieger von Beiträgen hätten eingesetzt werden können, noch dass die Beklagte derartige Fördermittel erhalten hätte. Ob Fördermittel zu Gunsten der Anlieger berücksichtigt werden dürfen, bestimmt der jeweilige Fördermittelgeber. Er entscheidet jedoch regelmäßig, dass die Fördermittel nur zur Entlastung der Gemeinde bei der Tragung des gemeindlichen Anteils, nicht aber zu Gunsten der Anlieger einzusetzen sind. Dies gilt beispielsweise für die Förderung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 24. November 2008 – Az: 4 ZKO 313/05 – juris Rn. 45; BVerwG, Urteil vom 30. Januar 1987 – 8 C 10.86 – juris), aber auch z.B. für Fördermittel auf der Grundlage der Richtlinie des damaligen Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt zur Förderung der Dorferneuerung vom 1. Januar 1997 – StAnz. Nr. 37/96, S. 1693 ff. – Nr. 5.4.5).
4. Ob die S…_ zutreffend als Haupterschließungsstraße oder Hauptverkehrsstraße eingestuft wurde, ist damit nicht mehr von Bedeutung. Für die nur noch zur Abrechnung stehenden Teileinrichtungen Gehweg, Parkstreifen mit Straßenbegleitgrün unterscheiden sich die Anliegeranteile von Haupterschließungs- und Hauptverkehrsstraßen nicht.
Unabhängig hiervon ist die Einstufung als innerörtliche Haupterschließungsstraße aber auch nicht zu beanstanden. Haupterschließungsstraßen sind nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 SAB Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem Verkehr innerhalb von Baugebieten oder innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen dienen, soweit sie nicht Hauptverkehrsstraßen nach Ziffer 3 sind. Letzteres ist der Fall, wenn die Straßen überwiegend dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr oder dem überörtlichen Durchgangsverkehr dienen, insbesondere Bundes-, Landes- und Kreisstraßen.
Bei der Einstufung der Straße handelt es sich um die Anwendung der Satzung durch die Verwaltung, die von dem Gericht voll nachgeprüft werden kann. Dabei sind die vom Satzungsgeber verwendeten Begriffe nicht straßenrechtlich, sondern beitragsrechtlich und damit relativ, d.h. bezogen auf die Funktionen der Straßen im Hoheitsgebiet der jeweiligen Gemeinde zu verstehen (OVG Niedersachsen, Urteil vom 11. November 1986 – 9 A 25/86 – KStZ 1987, S. 136 f.; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2022, § 8 Rn. 378 ff.). Maßgeblich für die Einordnung der Straße sind die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht. Sie orientiert sich in erster Linie an der Funktion der jeweiligen Anlage im Gesamtverkehrsnetz der Gemeinde, die sich aus einer Gesamtbetrachtung der weiterreichenden Verkehrsplanungen, der Lage und Führung im gemeindlichen Straßennetz und dem gewählten Ausbauprofil ergibt. Die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse, die in Verkehrszählungen zum Ausdruck kommen, sind lediglich allenfalls als Bestätigungsmerkmal von Bedeutung, denn sie können sich jederzeit ändern (ThürOVG, Urteil vom 15. September 2011 – 4 KO 805/06; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2022, § 8 Rn. 380). In diese Bewertung fließt auch die Beschilderung der Straßen ein (Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2022, § 8 Rn. 382).
Die festgestellte Funktion der Straße spricht vorliegend für eine Haupterschließungsstraße und noch nicht für eine Hauptverkehrsstraße. Die S… ist nach ihrer Lage im Verkehrsnetz nicht darauf ausgerichtet, überwiegend durchgehenden innerörtlichen Verkehr oder überörtlichen Durchgangsverkehr zu dienen. Zwar ist erkennbar, dass das in der Straße H… befindliche Krankhaus überwiegend über die S…__ angefahren wird. Die S…___ weist im Vergleich mit den übrigen Straßen (H…__ bzw. E…__), die zu der Straße H… führen, noch die breiteste Verkehrsfläche auf. Die H…___ und der E…__ lassen Begegnungsverkehr im Vergleich zur S…__ nur deutlich eingeschränkter zu. Spätestens wenn der Bus durch die S…_ fährt, ist aber auch hier der Begegnungsverkehr nur noch eingeschränkt möglich. Ein solcher Ausbauzustand entspricht nicht dem einer Hauptverkehrsstraße. Die S…_ verbindet auch nicht überörtliche Straßen bzw. Straßen des durchgehenden innerörtlichen Verkehrs (wie z.B. die N…____). Bei dem durch das Krankenhaus in der angrenzenden Straße hervorgerufenen Verkehr handelt es sich nicht um einen über- oder innerörtlichen Durchgangsverkehr, sondern um kleinräumigen Ziel- bzw. Quellverkehr aus dem Bauquartier (vgl. BayVGH, Urteil vom 31. Juli 2018 – 6 B 18.481 – juris Rn. 23; Beschluss vom 4. Juni 2014 – 6 CS 14.716 – juris Rn. 11; Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand Dez. 2021, 2. Zuordnung der Straße zu einem bestimmten Straßentyp, Rn. 2123).
5. Für die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung kommt es im Übrigen nicht darauf an, inwieweit die Anlieger bereits vor der Entstehung von Aufwendungen über die Straßenbaumaßnahme und deren Refinanzierung über Beiträge informiert worden waren. Erst die seit 17. November 1995 geltende frühere Vorschrift des § 7b ThürKAG i. d. F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes vom 10. November 1995 (GVBl. S. 342) sah eine Informationspflicht der Gemeinden insbesondere über die Durchführung beitragsfähiger Maßnahmen, die Erhebungsgrundlagen und die Art und Weise der Beitragserhebung vor. Zum Zeitpunkt des Ausbaus existierte diese Regelung jedoch noch nicht. Darüber hinaus war diese Informationspflicht, wie auch die entsprechende Vorschrift in der späteren Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes vom 23. Juli 1998 (GVBl. S. 247) und die durch das Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes und zur Einführung von Verbraucherbeiräten vom 18. Juli 2000 (GVBl. S. 178) eingefügte Nachfolgebestimmung des § 13 ThürKAG jedoch nur eine Ordnungsvorschrift: Ihre Verletzung kann zwar von der kommunalen Aufsichtsbehörde kontrolliert und durchgesetzt werden, sie berührt aber nicht die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung (ThürOVG, Beschluss vom 23. November 2012 – 4 EO 571/09 – juris Rn. 42; VG Meiningen, Beschluss vom 31. August 2007 – 1 E 183/06.Me – juris Rn. 15; Hinkel/Hofmann/Erlenkämper, Stand Nov. 2017, § 13 ThürKAG, Anm. 2 (S. 2b); Blomenkamp in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand Sept. 2017, § 8 Rn. 1529; Begründung des dem Dritten Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes vom 23. Juli 1998 zugrunde liegenden Gesetzentwurfs der Landesregierung vom 23. Juni 1998 [LT-Drs. 2985, S. 11]).
6. Die Beklagte hat bei der Beitragsberechnung das klägerische Grundstück zutreffend mit drei Vollgeschossen berücksichtigt. Nach § 5 Abs. 7a SAB 2016 ist auch bei bebauten Grundstücken bei der Berechnung des Nutzungsfaktors auf die Zahl der auf den Grundstücken der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse abzustellen. Die Regelung ist nicht zu beanstanden (siehe hierzu oben 1. a) dd)). Deshalb kommt es vorliegend nicht darauf an, dass das Grundstück lediglich mit zwei Vollgeschossen bebaut ist.
Da das Abstellen auf die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse auf die mögliche bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks zurückgreift, ist für Bestimmung des räumlichen Geltungsbereichs der näheren Umgebung darauf abzustellen, inwieweit sich die Umgebung auf das jeweilige Grundstück auswirkt und inwieweit das Grundstück selbst seine Umgebung prägt (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2021, § 34 Rn. 36). Dabei ist der Kreis der zu berücksichtigenden Grundstücke größer zu ziehen, wenn die von einem Grundstück ausgehenden Emissionen sich auf einen größeren Bereich erstrecken. Die Zahl der Vollgeschosse wirkt sich indes im Regelfall prägend nur in einem kleinräumigeren Bereich aus. Grundstücke, deren Bebauung von bzw. an dem maßgeblichen Grundstück nicht erkennbar ist, prägen die Bebaubarkeit des jeweiligen Grundstücks nicht mehr.
Gleichzeitig ist nur die im Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht maßgebliche Bebauung zu berücksichtigen. Rechtliche oder tatsächliche Veränderungen, die nach diesem Zeitpunkt eintreten, bleiben unberücksichtigt. Dementsprechend ist die Bebauung auf der süd-östlichen Seite der S…___, die erst innerhalb der letzten fünf Jahre errichtet worden ist (ein zweigeschossiges Einfamilienhaus und ein zweigeschossiger Rohbau), nicht relevant.
Auf dieser Grundlage beschränkt sich die nähere Umgebung des klägerischen Flurstücks auf die Bebauung in der S…__ von der Einmündung der O…__ bis zu den Flurstücken b bzw. höchstens c. Wie sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ergibt, ist damit auf 6 Grundstücken eine Bebauung mit 3 Vollgeschossen vorhanden und lediglich das klägerische Gebäude auf den Flurstück a und das Flurstück d sind zweigeschossig bebaut. Damit überwiegt in der näheren Umgebung die dreigeschossige Bauweise.
Der Beitrag für das klägerische Grundstück berechnet sich bei einem umlagefähigen Anliegeranteil von 34.367,61 € wie folgt:
Bei einer gewichteten Fläche im Abrechnungsgebiet von 15.325,70 m² ergibt sich ein Beitragssatz von 2,242482 €/m² (34.367,61 € / 15.325,70 m²). Damit entfallen auf das klägerische Grundstück mit einer gewichteten Grundstücksfläche von 834 m² insgesamt 1.870,23 € (2,242482 €/m² x 834 m²). Abzüglich der Anrechnung der geleisteten wiederkehrenden Beiträge i.H.v. 342,39 € ergibt sich deshalb ein festzusetzender Beitrag i.H.v. 1.527,84 €.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO und richtet sich nach dem Umfang des Obsiegens bzw. Unterliegens.
III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.793,37 € festgesetzt (§ 52 GKG).


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