Baurecht

Erneute Erteilung einer Genehmigung zum Verkehr mit Taxen

Aktenzeichen  11 B 21.491

Datum:
19.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9432
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
PBefG § 13 Abs. 3, Abs. 5 S. 3 Nr. 2, § 21 Abs. 4, § 47 Abs. 1

 

Leitsatz

Beantragt ein vorhandener Unternehmer die erneute Erteilung einer Genehmigung zum Verkehr mit Taxen, wird er gegenüber Mitbewerbern unter anderem dann nachrangig behandelt, wenn er sein Unternehmen nicht als Hauptbeschäftigung betrieben hat. Eine Unterbrechung der zuvor hauptberuflich ausgeübten Tätigkeit aufgrund einer Befreiung von der Betriebspflicht durch die zuständige Behörde hat jedoch nicht zur Folge, dass deshalb von einer Nebenbeschäftigung mit der Folge einer Nachrangigkeit auszugehen wäre. (Rn. 23 – 27)

Verfahrensgang

M 23 K 20.1885 2020-08-11 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
V. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die erneute Erteilung einer Genehmigung zum Verkehr mit Taxen, deren Ablehnung die Beklagte darauf gestützt hat, dass der Kläger sein Unternehmen im vorangegangenen Genehmigungszeitraum nicht als Hauptbeschäftigung betrieben habe.
Der Kläger ist seit 2007 selbstständiger Taxiunternehmer mit einem Fahrzeug. Die ihm hierfür zuletzt von der Beklagten erteilte Genehmigung galt ab dem 21. Juni 2016 und war bis zum 31. Januar 2018 befristet. Anträgen des Klägers, ihn zur Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs für die Zeit vom 21. Juni 2016 bis 20. Dezember 2016 sowie vom 22. Dezember 2016 bis 21. Juni 2017 von der Betriebspflicht zu entbinden, gab die Beklagte jeweils statt. Die Entbindungsbescheide enthielten Nebenbestimmungen und den Hinweis, die Befreiung könne Auswirkungen bei einer Wiedererteilung der Genehmigung zum Taxiverkehr haben.
Den Antrag des Klägers vom 20. Dezember 2017 auf Wiedererteilung der Genehmigung zum Taxiverkehr lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 26. März 2018 mit der Begründung ab, der Kläger sei in der Gesamtschau unzuverlässig. Außerdem habe er sein Unternehmen nicht nachhaltig betrieben. Auf Antrag des Klägers, der gegen die Antragsablehnung auch Widerspruch erhoben hatte, verpflichtete das Verwaltungsgericht München die Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 20. März 2019 (Az. M 23 E 19.585) zur vorläufigen Erteilung der Genehmigung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens bis zum 30. September 2019, und zur Aushändigung der Genehmigungsurkunde. Die fehlende Zuverlässigkeit des Klägers sei nicht mit hinreichender Sicherheit anzunehmen. Daraufhin verpflichtete die Regierung von Oberbayern die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2019 unter Aufhebung des Bescheids vom 26. März 2018, den Antrag auf Erteilung der Genehmigung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Widerspruchsbehörde erneut zu verbescheiden.
Mit Bescheid vom 28. August 2019 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Wiedererteilung der Genehmigung zum Taxiverkehr nochmals ab. Er habe seine Betriebspflicht vom 21. bis 25. Juni 2017 nicht erfüllt, ohne hierfür eine Befreiung beantragt zu haben. Seine Einlassung, in dieser Zeit an einer Sommergrippe gelitten zu haben, könne ihn nicht entlasten. Er genieße auch keinen Bestandsschutz, da er im letzten Genehmigungszeitraum für 365 Tage von der Betriebspflicht befreit gewesen sei und daher sein Unternehmen weder nachhaltig noch in einer dem öffentlichen Verkehrsinteresse entsprechenden Weise betrieben habe. Wer nicht beabsichtige, das Taxengewerbe als Hauptbeschäftigung zu betreiben, sei nachrangig zu behandeln. Dies sei beim Kläger der Fall, weil er im Genehmigungszeitraum vom 21. Juni 2016 bis 31. Januar 2018 sein Taxi nur an 224 Tagen eingesetzt und damit weniger als die Hälfte der möglichen Zeit für seinen Betrieb aufgewendet habe. Zahlreiche Konzessionsbewerber auf der Warteliste und Genehmigungsinhaber hätten ausdrücklich erklärt, das Taxigewerbe – anders als der Kläger in der Vergangenheit – hauptberuflich betreiben zu wollen.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers hat die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2020 zurückgewiesen. Zuvor hatte der Kläger mit Schreiben vom 3. Mai 2020 zunächst Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht München erhoben und in diesem Verfahren zuletzt beantragt, die Beklagte zur Erteilung bzw. Verlängerung der Genehmigung für zwei Jahre zu verpflichten.
Mit Urteil vom 11. August 2020, den Beteiligten zugestellt am 29. Oktober 2020 (Kläger) bzw. am 13. November 2020 (Beklagte), gab das Verwaltungsgericht der Klage statt und verpflichtete die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28. August 2019 und des Widerspruchsbescheids vom 15. Mai 2020, die Genehmigung zum Taxenverkehr für zwei Jahre zu erteilen bzw. zu verlängern. Auch bei Altunternehmern seien die in § 13 Abs. 5 Satz 3 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) festgelegten Kriterien für die Vor- bzw. Nachrangigkeit des Bewerbers zu prüfen. Der Kläger beabsichtige, das Taxengewerbe als Hauptbeschäftigung zu betreiben. Es falle nicht ins Gewicht, dass er seiner Betriebspflicht vom 21. bis 25. Juni 2017 an fünf Tagen unentschuldigt nicht nachgekommen sei. Zwar habe er im letzten Genehmigungszeitraum die Betriebspflicht aufgrund der Befreiung für ein Jahr an weniger als der Hälfte der Betriebstage erfüllt, weshalb von einer (maximalen) Halbtagstätigkeit auszugehen sei. Auf die negativen Folgen der Befreiung für einen etwaigen Verlängerungsantrag habe ihn die Beklagte auch ausdrücklich hingewiesen. Es sei jedoch gesetzlich nicht zwingend erforderlich und auch personenbeförderungsrechtlich nicht sachdienlich, lediglich und ausschließlich den letzten Genehmigungszeitraum in den Blick zu nehmen. Vielmehr sei eine längerfristige Betrachtungsweise geboten. Da der Kläger bereits seit 2007 über eine Konzession verfüge und keine Erkenntnisse vorlägen, dass er den Betriebspflichten zuvor nicht nachgekommen wäre, sei nicht von einer nur nebenberuflichen Beschäftigung auszugehen. Gleiches gelte, wenn man hinsichtlich der letzten Genehmigung nicht deren kürzere Laufzeit zugrunde lege, für deren Festsetzung durch die Beklagte keine Gründe erkennbar seien, sondern die maximale Geltungsdauer von fünf Jahren.
Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung gegen das Urteil trägt die Beklagte vor, aufgrund der Betriebspflichtbefreiung habe der Kläger sein Unternehmen nicht jahrelang in einer dem öffentlichen Verkehrsinteresse entsprechenden Weise betrieben (§ 13 Abs. 3 PBefG). Trotz der rechtmäßigen Betriebspflichtbefreiung sei er nicht so zu stellen, als hätte er das Unternehmen in dieser Zeit tatsächlich betrieben. Er sei auch als nachrangig gemäß § 13 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 Alt. 1 PBefG zu behandeln, da er seinen Betrieb im fraglichen Zeitraum nicht als Hauptbeschäftigung geführt habe. Hierfür sei nur der letzte konkrete Genehmigungszeitraum, hier also die Zeit vom 21. Juni 2016 bis 31. Januar 2018, zu berücksichtigen. Nur wenn ein Bewerber sein Unternehmen auch während des letzten Genehmigungszeitraums als Hauptbeschäftigung betrieben habe, solle ihm dies als Vorteil bei der Wiedererteilung zugutekommen. Auf diesen Zeitraum von hier 19 Monaten bezogen sei aufgrund der einjährigen Befreiung des Klägers von der Betriebspflicht nicht von einer Hauptbeschäftigung auszugehen. § 13 Abs. 5 PBefG diene dazu, sog. Schubladenkonzessionen zu vermeiden. Andernfalls müssten Konzessionsinhaber gegenüber Neubewerbern auch dann bevorzugt werden, wenn sie im letzten Genehmigungszeitraum nichts zur Versorgung der Öffentlichkeit mit Taxen beigetragen hätten. Das sei nicht im Interesse einer funktionierenden Versorgung der Bevölkerung mit Taxen. Auf das Altunternehmerprivileg könne sich der Kläger daher nicht berufen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der anwaltlich nicht vertretene Kläger tritt der Berufung entgegen und trägt vor, er habe sein Unternehmen als Hauptgeschäft betrieben und hierzu eine Fahrerin eingestellt, die das Taxi in der von ihm nicht abgedeckten Zeit bedient habe. Die Unterbrechung in der Zeit von Juni 2016 bis Juni 2017, für die ihn die Beklagte antragsgemäß von der Betriebspflicht befreit habe, beruhe auf der Notwendigkeit der Anschaffung eines gebrauchten Fahrzeugs als Ersatz für das bisher eingesetzte Fahrzeug. Dies habe längere Zeit als erwartet beansprucht. Aufgrund seiner finanziellen Situation sei er auf die Einnahmen aus dem Betrieb angewiesen. Die Unterstellung der Beklagten, er habe kein ernsthaftes Interesse an der Konzession, sei nicht nachvollziehbar.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 17. März 2021 darauf hingewiesen, dass er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Über die Berufung kann der Senat durch Beschluss nach § 130a VwGO entscheiden, da er die Beteiligten dazu angehört hat (§ 130a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht zur Erteilung der Genehmigung verpflichtet. Die Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren ändern nichts an der Ergebnisrichtigkeit des Ausgangsurteils.
1. Wer als Unternehmer entgeltlich oder geschäftsmäßig Personen mit Personenkraftwagen befördert, die er an behördlich zugelassenen Stellen bereithält und mit denen er Fahrten zu einem vom Fahrgast bestimmten Ziel ausführt (Verkehr mit Taxen), bedarf hierfür einer personenbeförderungsrechtlichen Genehmigung (§ 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Satz 2, § 46 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 47 des Personenbeförderungsgesetzes – PBefG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 8.8.1990 [BGBl I S. 1690], zuletzt geändert durch Gesetz vom 3.12.2020 [BGBl I S. 2694]). Die Geltungsdauer der Genehmigung, deren Voraussetzungen § 13 PBefG regelt, beträgt für den Verkehr mit Taxen höchstens fünf Jahre (§ 16 Abs. 4 PBefG) und ist bei Neubewerbern auf zwei Jahre begrenzt (§ 13 Abs. 5 Satz 5 PBefG).
Bei der Erteilung der Genehmigungen ist nach § 13 Abs. 3 PBefG angemessen zu berücksichtigen, wenn ein Unternehmer den Verkehr jahrelang in einer dem öffentlichen Verkehrsinteresse entsprechenden Weise betrieben hat (Altunternehmerprivileg). Ebenfalls angemessen zu berücksichtigen sind bei der Genehmigungserteilung für den Taxenverkehr Neubewerber und vorhandene Unternehmer (§ 13 Abs. 5 Satz 1 PBefG). Innerhalb dieser Gruppen sollen die Antragsteller nach der zeitlichen Reihenfolge des Eingangs der Anträge berücksichtigt werden (§ 13 Abs. 5 Satz 2 PBefG). Ein Antragsteller wird unabhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung nachrangig behandelt, wenn er das Taxengewerbe nicht als Hauptbeschäftigung zu betreiben beabsichtigt (§ 13 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 PBefG), wenn er sein Unternehmen nicht als Hauptbeschäftigung betrieben hat oder innerhalb der letzten acht Jahre ganz oder teilweise veräußert oder verpachtet hat (§ 13 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 PBefG) oder wenn er seiner Betriebspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist (§ 13 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 PBefG). Dabei erfasst § 13 Abs. 5 PBefG sowohl Anträge vorhandener Unternehmer auf Erteilung zusätzlicher Genehmigungen als auch auf (Wieder-)Erteilung von Genehmigungen, die durch Ablauf der Geltungsdauer erlöschen (BayVGH, U.v. 1.7.1996 – 11 B 95.2169 – juris Rn. 23; VGH BW, U.v. 8.10.2018 – 9 S 804/17 – juris Rn. 26 ff.).
2. Hinsichtlich etwaiger Versagungsgründe für die vom Kläger begehrte Genehmigung ist zwischen den Beteiligten ausschließlich noch streitig, ob die Beklagte dem Kläger im Hinblick auf die bewilligte Betriebspflichtbefreiung vorhalten kann, er habe den Verkehr nicht jahrelang in einer dem öffentlichen Verkehrsinteresse entsprechenden Weise betrieben (§ 13 Abs. 3 PBefG), und ob er wegen Nichtbetriebs seines Unternehmens als Hauptbeschäftigung gegenüber anderen Bewerbern nachrangig zu behandeln ist (§ 13 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 Alt. 1 PBefG). Beides ist nach Auffassung des Senats zu verneinen.
a) Das Gebot, eine den öffentlichen Verkehrsinteressen entsprechende bisherige Verkehrsbedienung durch den Altunternehmer gemäß § 13 Abs. 3 PBefG angemessen zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.2013 – 3 C 30.12 – BVerwGE 148, 307 Rn. 43), verweist zum einen auf den im Gewerberecht bekannten Grundsatz „bekannt und bewährt“. Zum anderen liegt der Regelung auch der Gedanke des Besitzstandsschutzes zugrunde. Die getätigten Investitionen des Altkonzessionärs sollen nicht ohne Not entwertet werden (BVerwG a.a.O. Rn. 45; U.v. 19.10.2006 – 3 C 33.05 – BVerwGE 127, 42 Rn. 47). Dabei geht der Senat davon aus, dass das Altunternehmerprivileg des § 13 Abs. 3 PBefG auch für die Wiedererteilung einer Taxigenehmigung gilt (ebenso OVG RhPf, B.v. 29.8.2017 – 7 A 11067/17 – juris Rn. 14 ff.; OVG NW, B.v. 2.4.2020 – 13 B 1616/19 – NWVBl 2020, 477 = juris Rn. 19 ff. m.w.N.; Bidinger, Personenbeförderungsrecht, Stand Dezember 2020, § 13 PBefG Anm. 75, 81; vgl. auch BVerwG, U.v. 17.1.1969 – VII C 74.67 – BVerwGE 31, 184 = juris Rn. 27) und daher grundsätzlich auch dem Kläger zugutekommt. Es setzt voraus, dass der Unternehmer den Verkehr jahrelang, d.h. mindestens zwei Jahre (vgl. Bidinger, a.a.O. Anm. 77; VGH BW, U.v. 5.7.2017 – 9 S 8/16 – juris Rn. 81) in einer dem öffentlichen Verkehrsinteresse entsprechenden Weise betrieben hat. Das ist der Fall, wenn der Betrieb dem Interesse der Allgemeinheit an einem geordneten Verkehr entsprochen hat (Bidinger, a.a.O. Anm. 78).
Hinsichtlich der Frage, ob der Kläger den Verkehr jahrelang in einer dem öffentlichen Verkehrsinteresse entsprechenden Weise betrieben hat, haben die Zeiten der ihm bewilligten Befreiung von der Betriebspflicht außer Betracht zu bleiben. Grundsätzlich ist auch der Taxiunternehmer verpflichtet, den ihm genehmigten Betrieb aufzunehmen und während der Geltungsdauer der Genehmigung den öffentlichen Verkehrsinteressen und dem Stand der Technik entsprechend aufrechtzuerhalten (§ 21 Abs. 1 Satz 1 PBefG; vgl. BayVGH, U.v. 7.5.2018 – 11 B 18.12 – DAR 2018, 528 = juris Rn. 21). Die Genehmigungsbehörde kann ihn jedoch auf seinen Antrag von dieser Verpflichtung für den gesamten oder einen Teil des von ihm betriebenen Verkehrs vorübergehend oder auf Dauer entbinden, wenn ihm die Erfüllung der Betriebspflicht nicht mehr möglich ist oder ihm dies unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Lage, einer ausreichenden Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals und der notwendigen technischen Entwicklung nicht mehr zugemutet werden kann (§ 21 Abs. 4 Satz 1 PBefG). Die dauerhafte Entbindung von der Verpflichtung zur Aufrechterhaltung des gesamten dem Unternehmer genehmigten Verkehrs führt kraft Gesetzes zum Erlöschen der Genehmigung (§ 26 Nr. 1 Buchst. b PBefG).
Die Beklagte hat den Kläger antragsgemäß zunächst vom 21. Juni 2016 bis 20. Dezember 2016 sowie anschließend nochmals vom 22. Dezember 2016 bis 21. Juni 2017 und damit vorübergehend von der Betriebspflicht entbunden, um ihm die Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs zu ermöglichen. Ohne ein solches Fahrzeug war es ihm nicht möglich, die Betriebspflicht zu erfüllen. Wäre die Beklagte der Auffassung gewesen, dass ein Entbindungsgrund nicht oder zumindest nicht für den begehrten Zeitraum vorlag, hätte sie die Befreiung ablehnen können. Auch die Besorgnis einer Beeinträchtigung der öffentlichen Verkehrsinteressen war dabei zu berücksichtigen (vgl. § 21 Abs. 4 Satz 2 PBefG). Die Beklagte hat jedoch in ihren Befreiungsbescheiden vom 28. Juni 2016 und vom 23. Dezember 2016 ausgeführt, angesichts der in München derzeit gegebenen Zulassungszahl beeinträchtige die vorübergehende Einstellung des klägerischen Betriebs die öffentlichen Verkehrsinteressen nicht.
Die bewilligte Befreiung hatte zur Folge, dass der Kläger die Betriebspflicht im betroffenen Zeitraum nicht erfüllen musste. Insofern wäre es widersprüchlich, ihm nunmehr vorzuhalten, die bewilligte Befreiung rechtfertige die Annahme, er habe den Verkehr nicht jahrelang in einer dem öffentlichen Verkehrsinteresse entsprechenden Weise betrieben. Etwas Anderes mag gelten, wenn sich im Nachhinein herausgestellt hätte, dass er die Befreiungsvoraussetzungen nur vorgetäuscht oder die Wiederaufnahme des Betriebs vorwerfbar verzögert hätte. Dafür ist hier jedoch nichts ersichtlich. Daher ist hinsichtlich des Betriebs in einer dem öffentlichen Verkehrsinteresse entsprechenden Weise ausschließlich auf den Zeitraum vor und nach der Entbindung des Klägers von der Betriebspflicht abzustellen.
Zwar ist der Kläger seiner Betriebspflicht nach Ablauf des Befreiungszeitraums ohne Mitteilung an die Beklagte aufgrund einer angeblichen Erkrankung in der Zeit vom 21. bis 25. Juni 2017 nicht nachgekommen. Diese vergleichsweise kurze Zeitspanne fällt jedoch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht erheblich ins Gewicht und kann dem Kläger daher nicht entgegengehalten werden. Dies gilt auch für die von der Widerspruchsbehörde insoweit angenommene Nachrangigkeit gemäß § 13 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 PBefG wegen nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der Betriebspflicht. Ob im Falle einer kurzzeitigen Erkrankung überhaupt eine Entbindung von der Betriebspflicht erforderlich ist, kann somit dahinstehen. Dass der Kläger darüber hinaus den Verkehr nicht in einer dem öffentlichen Verkehrsinteresse entsprechenden Weise betrieben hätte, ist von der Beklagten weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
b) Der Kläger muss sich gegenüber Mitbewerbern auch nicht gemäß § 13 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 Alt. 1 PBefG als nachrangig behandeln lassen, weil er sein Unternehmen nicht als Hauptbeschäftigung betrieben hätte. Vielmehr hat auch insoweit der Zeitraum, für den die Beklagte ihn antragsgemäß unter Bejahung der Voraussetzungen des § 21 Abs. 4 PBefG von seiner Betriebspflicht befreit hat, außer Betracht zu bleiben.
Zwar wird ein sog. Altunternehmer, der die erneute Erteilung einer Genehmigung zum Verkehr mit Taxen beantragt, gegenüber Mitbewerbern nachrangig behandelt, wenn er sein Unternehmen nicht als Hauptbeschäftigung betrieben hat. Das Verwaltungsgericht ist aufgrund der Einbeziehung der vorangegangenen Genehmigungszeiträume, alternativ aufgrund der nicht erkennbaren Gründe für die Verkürzung des letzten Genehmigungszeitraums durch die Beklagte, von einer Hauptbeschäftigung des Klägers ausgegangen, weil jedenfalls eine längerfristige Betrachtung des Verhaltens eines Konzessionsinhabers erforderlich sei und der Zeitraum der Befreiung des Klägers von der Betriebspflicht dann weniger ins Gewicht fiele. Darauf kommt es jedoch für die Prüfung, ob ein Antragsteller sein Unternehmen zuvor als Hauptbeschäftigung betrieben hat, nicht an.
Als Hauptbeschäftigung betreibt das Taxigewerbe, wer den überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit und Arbeitskraft dem Taxigeschäft widmet und dabei als Unternehmer den Pflichten nachkommt, die sich für ihn aus den Regelungen des Personenbeförderungsrechts ergeben (OVG NW, B.v. 9.11.2017 – 13 B 1187/17 – juris Rn. 12; VG Augsburg, U.v. 20.9.2005 – Au 3 K 05.327 – juris Rn. 19; Bidinger, § 13 PBefG Anm. 91 j; Fielitz/Grätz, Personenbeförderungsgesetz, Stand Dezember 2020, § 13 Rn. 63). Eine Hauptbeschäftigung liegt demnach nicht vor, wenn der Unternehmer die Tätigkeit im „Nebenberuf“ (Bidinger a.a.O. Anm. 91 j) bzw. nur „nebenbei“ (Fielitz/Grätz a.a.O. Rn. 63) ausgeübt hat oder ausüben will. Eine Unterbrechung der zuvor hauptberuflich ausgeübten Tätigkeit mit Genehmigung der hierfür zuständigen Behörde durch Befreiung von der Betriebspflicht gemäß § 21 Abs. 4 PBefG führt aber nicht dazu, dass sich die bis dahin als Hauptbeschäftigung anzusehende Betriebsführung mit zunehmender Dauer der Unterbrechung in eine Nebentätigkeit oder in den untergeordneten Teil einer ausgeübten Beschäftigung umwandelt. Für die Frage, ob er zuletzt eine Hauptbeschäftigung ausgeübt hat, ist allein maßgeblich, ob er den überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit und Arbeitskraft dem Taxigeschäft gewidmet hat. Zeiten einer von der Genehmigungsbehörde bewilligten Befreiung muss er sich dabei nicht entgegenhalten lassen. Daher kommt es insoweit nicht auf das zeitliche Verhältnis der Befreiungsdauer im Vergleich zum letzten oder einem fingierten Genehmigungszeitraum oder zu einer Summe der bisherigen Genehmigungszeiträume an.
Soweit die Beklagte einwendet, die Bevorzugung von Bewerbern, die im letzten Genehmigungszeitraum nichts zur Versorgung der Öffentlichkeit mit Taxen beigetragen hätten, könne dazu führen, dass die Versorgung im schlimmsten Fall nicht mehr gesichert wäre, erweist sich diese Befürchtung als unbegründet. Gleiches gilt für die vom Verwaltungsgericht geäußerten Zweifel hinsichtlich der Dauer der Befreiung, die die Beklagte dem Kläger für die Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs erteilt hat. Zum einen obliegt es der hierfür zuständigen Behörde, nach Maßgabe von § 21 Abs. 4 PBefG zu entscheiden, ob und für welchen Zeitraum sie einen Unternehmer von der Betriebspflicht befreit. Dabei hat sie der Bedeutung der Aufrechterhaltung des konkreten Betriebs für einen funktionsfähigen Taxenverkehr als schutzwürdiges Gemeinschaftsgut im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 11.2.1992 – 1 BvL 29.87 – BVerfGE 85, 238 = juris Rn. 29) Rechnung zu tragen. Die Befreiungsgründe und die begehrte Dauer der Befreiung müssen deshalb zumindest plausibel sein, was mit zunehmender Dauer sicherlich kritisch zu prüfen ist, etwa im Falle einer längeren Erkrankung eines Einzelunternehmers oder aber auch bei ernsthaftem Bemühen hinsichtlich der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs jedoch durchaus in Betracht kommen und jedenfalls nicht ex post zur Bewertung einer zuvor ausgeübten Hauptbeschäftigung als Nebentätigkeit führen kann. Zum anderen hat die Genehmigungsbehörde im Rahmen der Entscheidung über die Wiedererteilung einer Genehmigung neben etwaigen Verstößen gegen die Betriebspflicht (§ 13 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 PBefG) und der bisherigen Unternehmensführung (§ 13 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 PBefG) auch zu prüfen, ob der Bewerber beabsichtigt, das Taxengewerbe künftig weiterhin als Hauptbeschäftigung zu betreiben (§ 13 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 PBefG). Für diese Einschätzung kann auch sein Verhalten im abgelaufenen Genehmigungszeitraum von Bedeutung sein. Hierdurch kann der Vermeidung sogenannter Schubladenkonzessionen (vgl. auch VG Leipzig, U.v. 4.4.2016 – 1 K 169/13 – juris Rn. 28) hinreichend Rechnung getragen werden.
Dass der Kläger seine Tätigkeit vor den Befreiungen von der Betriebspflicht in der Zeit vom 21. Juni 2016 bis 20. Dezember 2016 sowie vom 22. Dezember 2016 bis 21. Juni 2017 und danach nicht hauptberuflich mit dem überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit und Arbeitskraft, sondern nur nebenberuflich ausgeübt hätte, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Auch der Umstand, dass er den von der Beklagten genehmigten Verkehr mit Mietwagen (§§ 46 Abs. 2 Nr. 3, 49 Abs. 4 PBefG) mit einem Fahrzeug offenbar ununterbrochen weitergeführt hat, ändert daran nichts. Dieser Unternehmensbereich war ersichtlich nicht so umfangreich, dass der vom Kläger betriebene Verkehr mit Taxen demgegenüber in den Hintergrund getreten und der ratio des § 13 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 PBefG entsprechend als nachrangige Nebenbeschäftigung anzusehen wäre. Ansonsten und abgesehen von der erteilten Betriebspflichtbefreiung zur Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs hat der Kläger sein Gewerbe durchgehend hauptberuflich ausgeübt und beabsichtigt nach seiner Einlassung auch, das Unternehmen weiterhin als Hauptbeschäftigung betreiben zu wollen. Damit kann die Versagung nicht auf eine Nachrangigkeit gegenüber Mitbewerbern gemäß § 13 Abs. 5 PBefG gestützt werden.
c) Weitere Gründe, die der Genehmigung entgegenstünden, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hierzu ausdrücklich erklärt, dass es „ausschließlich um die Entbindung von der Betriebspflicht bzw. das Nichtbetreiben des Taxigewerbes“ gehe. Hiervon ist die Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht abgerückt. Sonstige Versagungsgründe stehen damit nicht (mehr) im Raum. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte daher zu Recht zur Erteilung bzw. Verlängerung der Genehmigung zum Taxiverkehr verpflichtet.
Für die dem Kläger zugesprochene Genehmigung mit einer Dauer von zwei Jahren weist der Senat darauf hin, dass die Genehmigung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 PBefG im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheids wirksam wird. Der Beginn ihrer Geltungsdauer setzt voraus, dass der Inhaber der Genehmigung von ihr auch in zulässiger und rechtssicherer Weise Gebrauch machen kann (BVerwG, U.v. 8.11.2018 – 3 C 26.16 – BVerwGE 163, 321 Rn. 15). Da für den Gelegenheitsverkehr mit Taxen oder Mietwagen eine rückwirkende Genehmigung nicht erteilt werden kann (BayVGH, B.v. 7.12.2016 – 11 ZB 16.1703 – juris 15), hat der Kläger Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung und Aushändigung einer Genehmigungsurkunde, deren Geltungsdauer baldmöglichst, spätestens mit Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 8.11.2018 a.a.O. Rn. 35) zu laufen beginnt.
3. Als unterlegene Rechtsmittelführerin hat die Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Dabei hat der Senat im Einklang mit der Ausgangsentscheidung berücksichtigt, dass die Geltungsdauer der vom Kläger begehrten Genehmigung gegenüber der in § 16 Abs. 4 PBefG vorgesehenen Höchstdauer von fünf Jahren verkürzt ist und somit auch eine Reduzierung des in Nr. 47.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vorgesehenen Streitwerts angemessen erscheint.
5. Die Revision wird zugelassen, da die Frage, wie der Begriff der Hauptbeschäftigung im Sinne von § 13 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 und 2 PBefG auszulegen ist, höchstrichterlich noch nicht geklärt ist und ihr deshalb grundsätzliche Bedeutung zukommt.


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