Baurecht

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Aktenzeichen  Au 2 S 20.2023

Datum:
2.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 42297
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 4 S. 3, Abs. 5
BauGB § 34 Abs. 1
KAG Art. 5a
BauGB §§ 128 ff.

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 25. September 2020 gegen den Erschließungsbeitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 7. September 2020 wird angeordnet, soweit dieser einen über den Betrag von 17.520,00 EUR hinausgehenden Erschließungsbeitrag festsetzt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu 6/7, die Antragsgegnerin zu 1/7 zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.145,25 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen einen (Straßen-)Erschließungsbeitragsbescheid.
Der Antragsteller ist (Mit-)Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 1 Gemarkung X. Das Grundstück liegt in südlicher Richtung unmittelbar an der Ort straße „A“ (Fl.Nr. 5 Gemarkung X) an. Westlich an das Grundstück des Antragstellers grenzt das Grundstück Fl.Nr. 2 Gemarkung X. Dieses ist in seinem nördlichen Bereich mit einem Wohnhaus bebaut und grenzt im Süden ebenfalls an die Straße „A“ an.
Im Jahr 2018 wurde die Straße „A“ bautechnisch neu hergestellt und dabei u.a. zur Entwässerung der Straßenfläche ein neuer Regenwasserkanal verlegt.
Gestützt auf Art. 5a KAG i.V.m. der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Straßenerschließungsbeiträgen vom 25. April 2012 (Straßenerschließungsbeitragssatzung – SEBS) wurde der Antragsteller zunächst mit Bescheid vom 2. Juni 2020 zu einem Erschließungsbeitrag für das oben genannte Grundstück in Höhe von 18.262 EUR herangezogen. Dagegen legte der Antragsteller Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 7. September 2020 hob die Antragsgegnerin den Straßenerschließungsbeitragsbescheid vom 2. Juni 2020 auf. Nach nochmaliger Überprüfung des Sachverhalts sei festgestellt worden, dass zum einen die Einbeziehung der Fl.Nr. 2 in die Abrechnung fehlerhaft sei, zum anderen seien die Kosten für einen alten Beleuchtungsmast angesetzt worden, der jedoch ersetzt worden sei. Das Grundstück Fl.Nr. 2 (AStraß 24) liege zwar an der südlichen Straße „A“ an, jedoch sei dieser Teil der Straße bereits im Außenbereich. Dadurch sei das vorgenannte Grundstück nicht erschließungsbeitragspflichtig, da es sich bei Straßen im Außenbereich um nicht anbaubare Straßen handele. Der Bescheid vom 2. Juni 2020 sei daher rechtswidrig und werde aufgehoben.
Ebenfalls mit Bescheid vom 7. September 2020 wurde der Antragsteller zu einem Er schließungsbeitrag für das Grundstück Fl.Nr. 1 Gemarkung X zu einem Straßenerschließungsbeitrag in Höhe von nunmehr 20.581 EUR herangezogen. Gemäß § 8a SEBS würden die Straßenerschließungsbeiträge um 30% erlassen, da seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung der Erschließungsanlage mindestens 25 Jahre vergangen seien, die Beitragspflicht im Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis 31. März 2021 entstanden sei und die Erschließungsanlage nicht ausschließlich der Erschließung eines Gewerbe- und/oder Sondergebiets im Sinne der BauNVO diene. Gemäß Art. 5a Abs. 9 KAG i.V.m. § 133 Abs. 1 BauGB unterliege das Grundstück des Antragstellers der Beitragspflicht. Der Beitragspflicht unterlägen erschlossene Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt sei, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürften. Das Grundstück liege gemäß § 34 BauGB innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils und sei tatsächlich bebaut. Berücksichtigt werde nicht die gesamte Fläche von 3.115 m², sondern nur 3.063 m², da ein Teil vom 52 m² als private nicht bebaubare Grünfläche zu werten sei. Unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlung von 18.262 EUR sei ein Restbetrag in Höhe von 2.319 EUR offen und zur Zahlung fällig.
Für die Neuberechnung des Erschließungsbeitrags wurde das Grundstück Fl.Nr. 2 zur Gänze nicht mehr berücksichtigt und dessen Eigentümer nicht mehr zu einem Erschließungsbeitrag herangezogen. Die beitragsfähige Verteilungsfläche verringerte sich dadurch von 7.891 m² auf 7.001 m².
Gegen den Erschließungsbeitragsbescheid vom 7. September 2020 ließ der Antragsteller mit Schreiben vom 24. September, eingegangen am 25. September 2020, erneut Widerspruch einlegen und beantragen, dessen aufschiebende Wirkung anzuordnen. Mit Bescheid vom 29. September 2020 lehnte die Antragsgegnerin diesen Antrag ab.
Daraufhin ließ der Antragsteller am 22. Oktober 2020 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg beantragen,
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 25. September 2020 gegen den Erschließungsbeitragsbescheid Nr. * vom 7. September 2020 wird angeordnet.
Der Antrag sei zulässig und begründet, da eine Abwägung der Interessen ergeben werde, dass die Aussetzungsinteressen des Antragstellers die Vollzugsinteressen der Antragsgegnerin überwiegen würden. Der Widerspruch gegen den Beitragsbescheid werde Erfolg haben, da der Beitragsbescheid aller Voraussicht nach rechtswidrig sei. Es liege bereits keine erstmalige Erschließung der Anlage „A“ vor. In den Abrechnungsunterlagen der Antragsgegnerin finde sich ein Beleg vom 6. August 1965, aus dem sich ergebe, dass die damalige Gemeindeverbindungsstraße von Y nach Z, bei der es sich um die heutige Straße A handele, abgerechnet worden sei. Es liege eine Kostenaufstellung des Landratsamtes vor an die Gemeindeverwaltung, wonach die Restschuld des Landkreises 15.599,73 DM betragen habe. Daraus ergebe sich, dass die Straße bereits zum damaligen Zeitpunkt hergestellt worden und eine Abrechnung, wenn auch nur behördenintern, bereits erfolgt sei. Die Antragsgegnerin habe nunmehr, wie sich aus der Auflistung über den Freilegungs- und Herstellungsaufwand ergebe, diese Posten aus dem Jahr 1965 erneut abgerechnet. Es sei davon auszugehen, dass die Kosten bereits damals beglichen worden seien. Selbst wenn dies aber nicht der Fall sei, zeige die Abrechnung doch, dass eine erstmalige Herstellung schon im Jahr 1965 stattgefunden habe und von daher sämtliche damals entstandenen Beitragsforderungen in jedem Fall verjährt seien. Des Weiteren sei der Bescheid fehlerhaft, da auch der Regenwasserkanal mit einer Gesamtsumme von 36.152,04 EUR abgerechnet worden sei. Von diesem habe der Antragsteller jedoch keinerlei grundstückbezogene Vorteile. Das Grundstück des Antragstellers sei nicht an den Regenwasserkanal angeschlossen. Vielmehr gebe es eigene Rohrleitungen für die Entwässerung des Grundstücks, für die mit der Stadt W auch ein eigener Gestattungsvertrag abgeschlossen und ein Betrag von 11.000 EUR bezahlt worden sei. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 7. September 2020 ergebe sich weiter daraus, dass nunmehr das Grundstück Fl.Nr. 2 aus der Beitragspflicht herausgenommen worden sei, da es nach Auffassung der Antragsgegnerin im Außenbereich liege. Diese Rechtsansicht sei fehlerhaft. Nach allgemeiner Meinung liege die Grenze zwischen dem Innen- und dem Außenbereich an der Grenze der jeweiligen Bebauung. Es sei also durchaus zutreffend, dass diese Abgrenzung nicht identisch sei mit den Grundstücksgrenzen, es könnten jedoch auch nicht willkürlich Linien innerhalb irgendwelcher Grundstücke gezogen werden. Hier erscheine es nicht verständlich, dass die Antragsgegnerin eine Grenze annehme, die nur Bezug nehme auf die südliche Außenwand des Gebäudes auf Fl.Nr. 2. Vielmehr wäre die Grenze zum Außenbereich so zu ziehen gewesen, dass eine Linie gezogen werde von der südwestlichen Ecke des Gebäudes in Richtung der Straße A. Nur dann gebe die Abrechnung der Straße einen Sinn, deren Ausweitung entlang der Grenze zum Grundstück Fl.Nr. 2 durchgeführt worden sei. Zum Innenbereich gehöre durchaus auch ein Stück nutzbarer Garten, der bei der Grenzziehung durch die Gemeinde nahezu vollkommen außer Acht gelassen worden sei. Hier sei eine imaginäre Zufahrt von der Straße A auf das Grundstück mit der Hausnummer 26 zu installieren, die direkt an der südöstlichen Grenze des Grundstücks verlaufen würde. An diesem Punkt sei die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich zu ziehen, sodass das Grundstück Fl.Nr. 2 einen erschließungsrechtlichen Vorteil von der Straße A habe und es falsch gewesen sei, das Grundstück wieder aus der Abrechnung herauszunehmen. Im Übrigen folge die Rechtswidrigkeit des Bescheides auch daraus, dass der erhöhte Beitrag schon deshalb nicht hätte abgerechnet werden dürfen, weil er vorher nach Auffassung der Antragsgegnerin rechtswidrig verteilt worden sei. Rechtswidrig erhobene Beiträge könnten nicht einfach auf andere Beitragspflichtige verteilt werden. Im Übrigen widerspreche sich die Antragsgegnerin selbst, wenn sie nunmehr das Grundstück Fl.Nr. 2 aus der Berechnung herausnehme, jedoch die gesamte Länge der Straße A in der Abrechnung belasse. Es sei anzumerken, dass das Abrechnungsgebiet gerade nicht an der Grenze zwischen den Grundstücken Fl.Nr. 1 und 2 ende, sondern sich die abgerechnete Anlage nach Südwesten um mindestens 29 m fortsetze. Dies bedeute, dass die Anlage in einem viel zu großen Umfang abgerechnet worden sei.
Für die Antragsgegnerin ist beantragt,
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Sachverhaltsdarstellung entspreche den Tatsachen. Zur rechtlichen Würdigung sei Folgendes auszuführen: Mit Beschluss des Gemeinderats X vom 19. Oktober 1964 sollte „die Straße von * Y zur B * … (heute teilweise A) in diesem Jahre noch im Rohbau ausgebaut werden. Straßenbreite 5,5 m“. Hergestellt worden seien damals eine Asphaltdecke, zwei Straßeneinläufe und ein Beleuchtungsmast am nördlichen Ende der Anlage. Die Anlage A habe trotzdem bis 2017 aufgrund nicht ausreichender Straßenentwässerung (zwei Straßeneinläufe auf etwa 115 m Straßenlänge) und Beleuchtung (ein Beleuchtungsmast am unteren Ende der Anlage) nicht den Herstellungsmerkmalen einer Fassung der städtischen Erschließungsbeitragssatzungen seit 1961 entsprochen und sei damit noch nicht erstmalig endgültig hergestellt worden. Die Restschuld in Höhe von 15.599,73 DM habe die Gemeinde damals beglichen. Die Kosten seien bis zur Beitragserhebung 2020 nicht auf Anlieger umgelegt worden. Ein unsubstantiiertes Bestreiten genüge nicht. Sollte der Antragsteller der Ansicht sein, dass diese Kosten bereits durch Anlieger bezahlt worden seien, müsse er dies nachweisen. Die Kosten in Höhe von 4.016,73 EUR heruntergerechnet auf die Erschließungsanlage könnten erst dann an die beitragspflichtigen Anlieger umgelegt werden, wenn die sachliche Beitragspflicht entstanden sei. Die endgültige Herstellung einer Straße könne sich oftmals über Jahrzehnte hinweg ziehen, eine Verjährung von „alten Kosten“ sei ausgeschlossen. Der Regenwasserkanal in der Straße A diene ausschließlich der Straßenentwässerung. Alle beitragspflichtigen Anwohner seien entweder Vollversickerer oder leiteten ihr Niederschlagswasser in private Leitungen ein. Der angemahnte Vorteil der Straßenentwässerung sei nicht darin zu sehen, dass der Antragsteller gegebenenfalls sein Niederschlagswasser einleiten könne, sondern darin, dass das auf der Fahrbahn anfallende Niederschlagswasser gezielt abgeleitet werden könne und nicht auf angrenzende Privatgrundstücke fließe. Beitragsfähig seien daher die Kosten eines Regenwasserkanals auch nur in Höhe des Straßenentwässerungsanteils. Für die private Nutzung der Kanäle würden Entwässerungsbeiträge erhoben werden.
Das Grundstück Fl.Nr. 2 sei nicht aus der Verteilung herausgenommen worden, weil dieses Grundstück im Außenbereich liege. Das Grundstück sei deshalb herausgenommen worden, weil es an einem Teil der Straße A anliege, der sich bereits im Außenbereich befinde. Die Grenze zwischen dem Innen- und Außenbereich liege an der Grenze der jeweiligen Bebauung. Genauso sei es auf dem Grundstück Fl.Nr. 2 gehandhabt worden. Die Grenze sei südlich der Terrasse gezogen worden. Es lasse sich streiten, ob die Grenze nicht direkt an der Hauswand hätte gezogen werden müssen, das Ergebnis könne jedoch dahinstehen. Es ändere nichts an der Tatsache, dass der Teil der Straße, der direkt an das Grundstück Fl.Nr. 2 angrenze, sich bereits im Außenbereich befinde und dieser Teil damit keine zum Anbau bestimmte Straße darstelle. Auch müsse auf dem Grundstück Fl.Nr. 2 keine imaginäre Zufahrt installiert werden. Das Flurstück habe bereits eine Zufahrt auf der nördlichen Seite, die für Zwecke der Wohnnutzung ausreichend sei. Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten des Antragstellers führe die Herausnahme des Grundstücks Fl.Nr. 2 nicht zu einer Änderung der Erschließungsanlage. Die Erschließungsanlage „A“ sei seitens der Stadt nicht verändert worden. Es sei lediglich im Juni 2019 die Grenze Innen- und Außenbereich in Übereinstimmung mit dem Leiter der Stadtplanung richtiggestellt worden. Von dieser Grenze bis zum Ende des ausgebauten Teils der Straße seien es 13 m, die als Angleichungsmaßnahmen zu qualifizieren seien. Innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist sei grundsätzlich eine Nacherhebung nicht nur zulässig, sondern wegen der Beitragserhebungspflicht auch unabdingbar.
Darauf erwiderte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 13. November 2020: Eine erstmalige Erschließung liege dann vor, wenn die Erschließungsanlage so hergestellt worden sei, wie sie dem technischen Stand entspreche, der zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung Maßstab gewesen sei. Hier dürfe also nicht vergessen werden, dass die Straße A als Gemeindeverbindungsstraße von Y nach Z schon im Jahr 1964 hergestellt worden sei. Der Standard zum damaligen Zeitpunkt sei bei weitem nicht von dieser technischen Entwicklung geprägt gewesen wie heute. Von daher werde nach wie vor davon ausgegangen, dass die Straße bereits zum damaligen Zeitpunkt erstmalig hergestellt gewesen sei, sodass die Beträge schon damals auf die Anlieger hätten umgelegt werden können, sodass zwischenzeitlich eine entsprechende Verjährung eingetreten sei. Nicht ganz verständlich seien die Ausführungen bezüglich der Lage des Grundstücks Fl.Nr. 2 im Innen- oder Außenbereich. Entscheidend für die Frage, welche Grundstückseigentümer an den Kosten beteiligt werden könnten sei, ob die Eigentümer einen Vorteil von der Erschließungsanlage hätten. Dies werde grundsätzlich dann angenommen, wenn das Grundstück an der Straße anliege. Dies sei bei dem Grundstück Fl.Nr. 2 der Fall. Ob nunmehr die Bebauungsgrenze am Gebäude selbst ende oder an der Garage, spiele letztlich keine Rolle. Von daher hätte das Grundstück Fl.Nr. 2 in der Berechnung belassen werden müssen.
Auf Anfrage des Gerichts teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 28. Oktober 2020 mit, dass es keinen Abwägungsbeschluss des Stadtrates bezüglich der Erschließungsmaßnahme gebe, verwies unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. September 2018 aber darauf, dass es sich bei der Abwägungsentscheidung nach § 125 BauGB um einen gemeindeinternen Vorgang handele. § 125 Abs. 2 BauGB normiere lediglich materiellrechtliche, jedoch keine formalen Voraussetzungen, sodass sich hieraus keine besonderen Anforderungen an eine Dokumentation des Abwägungsvorgangs ergäben.
Hierauf erwiderte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 19. November 2018, dass aus dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Plan ersichtlich werde, dass offensichtlich schon im Jahr 1964 die gesamte Straße, die heute die Bezeichnung A trage, damals erstmalig hergestellt worden sei. Daher dürften jegliche Ansprüche im Zusammenhang mit der Herstellung dieser Anlage verjährt sein. Auch wenn es nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts keine Dokumentationspflicht für eine Abwägung gebe, sei eine entsprechende Festlegung in den Gemeinderatsbeschlüssen doch als erhebliches Indiz dafür zu werten, ob eine solche überhaupt stattgefunden habe. Auch wenn es keine Dokumentationspflicht gebe, lasse das Fehlen jeglicher Dokumentation und das Fehlen jeglicher Erwähnungen in Gemeinderatsprotokollen darauf schließen, dass letzten Endes eine Abwägung nicht stattgefunden habe. Damit fehle es aber an der Grundlage für die Erhebung des Erschließungsbeitrags, sodass der angefochtene Bescheid rechtswidrig und aufzuheben sei.
Die Antragsgegnerin erwiderte mit Schriftsätzen vom 23. und 24. November 2020. Die Straße sei vor den streitgegenständlichen Baumaßnahmen noch nicht im Rechtssinne erstmalig endgültig hergestellt gewesen. Weder die Straßenentwässerung noch die Beleuchtung hätten den damals geltenden Anforderungen entsprochen. Eine Abrechnung gegenüber den Anliegern sei in der Vergangenheit noch nicht erfolgt. Verjährung sei noch nicht eingetreten. Die Festsetzungsverjährung trete gemäß §§ 169 Abs. 2, 170 Abs. 1 AO nach Ablauf von vier Jahren seit Ende des Kalenderjahres ein, in dem die Beitragsforderung entstanden sei. Die Festsetzungsfrist habe hier erst mit der erstmalig endgültigen Herstellung der gesamten Anlage und Eingang der letzten Unternehmerrechnung zu laufen begonnen und sei hier eingehalten. Eine Abwägung nach § 125 Abs. 2 BauGB sei vor Baubeginn erfolgt und dokumentiert. Entsprechende Unterlagen seien mit der Behördenakte vorgelegt worden. Die Abwägungsentscheidung sei ein verwaltungsinterner Vorgang. Zur Sicherheit sei dem Schriftsatz eine Eilentscheidung des Oberbürgermeisters vom 24. November 2020 beigefügt. Eine nicht erfolgte oder fehlerhafte Abwägung könne bis zur abschließenden mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz in einem gerichtlichen Verfahren mit heilender Wirkung nachgeholt werden. Eine rechtzeitige Befassung des Stadtrates unter Einhaltung der Ladungsfristen sei für dieses Eilverfahren nicht mehr möglich gewesen, weshalb eine Eilentscheidung geboten gewesen sei. Das Grundstück Fl.Nr. 2 grenze im Südosten zwar an die Straße A an, allerdings nur im Außenbereich und damit nicht an der Erschließungsanlage selbst. Die abgerechnete Erschließungsanlage sei durch den Innenbereich begrenzt. Sie ende auf Höhe der südwestlichen Begrenzung der Hofeinfahrt des Grundstücks des Antragstellers. Die Erschließung des Grundstücks Fl.Nr. 2 sei durch die im Norden verlaufende Straße gesichert. Die Angleichungsmaßnahmen, die im Bereich des Grundstücks Fl.Nr. 2 erfolgt seien, seien kein originärer Teil der eigentlichen Erschließungsanlage und würden die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich nicht verschieben.
Auf Anforderung des Gerichtes übermittelte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 23. November 2020 eine Vergleichsberechnung unter teilweiser Berücksichtigung von Flächen des Grundstücks Fl.Nr. 2 Gemarkung X. Danach errechnete sich ein vom Antragsteller zu zahlender Erschließungsbeitrag von 17.520,00 EUR. Die Antragsgegnerin führte darüber hinaus ergänzend aus, dass an der Auffassung bezüglich des Verlaufs der Grenze zwischen Innen- und Außenbereich festgehalten werde. Es werde auf Bl. 60 der Behördenakte verwiesen.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers trug mit Schriftsatz vom 25. November 2020 ergänzend vor, dass es 1964, als die Straße hergestellt worden sei, gerade einmal zwei Gebäude an der Straße gegeben habe mit den Nrn. 21 und 24; auf die anliegenden Pläne werde verwiesen. Für die Erschließung von lediglich zwei Gebäuden sei der Zustand der Straße 1964 vollkommen ausreichend und ordnungsgemäß gewesen, sodass von einer endgültigen Herstellung ausgegangen werden müsse. Wenn nunmehr versucht werde, die für § 125 Abs. 2 BauGB notwendige Abwägungsentscheidung im „Hauruck“-Verfahren nachzuholen, entspräche dies nicht den gesetzlichen Anforderungen. Möglicherweise könne eine derartige Abwägungsentscheidung nachgeholt werden, sie müsse allerdings dann auch durch das zuständige Beschlussgremium ausgeführt werden. Eine Eilbedürftigkeit gemäß Art. 37 Abs. 3 GO könne nicht angenommen werden, wenn die Gemeinde die Eilbedürftigkeit selbst herstelle. Nachdem eine Abwägung verlange, dass zunächst einmal das Abwägungsmaterial zusammengestellt, sodann gewichtet werde und die abwägungserheblichen Belange gemäß § 1 Abs. 7 BauGB zu einem ordnungsgemäßen Ausgleich geführt werden müssten, könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein derartiger Vorgang innerhalb von wenigen Stunden in der Verwaltung stattfinden könne. Schon aus diesem Grund sei der Bescheid fehlerhaft und die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
Darauf erwidert die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 26. November 2020. Bereits in der Straßenerschließungsbeitragssatzung der Stadt W vom 5. Januar 1962 in der Fassung vom 10. August 1964 würden als Merkmale einer erstmaligen endgültigen Herstellung in § 5 Abs. 1 eine Straßenentwässerung und eine Straßenbeleuchtung gefordert. Soweit der Antragsteller vortragen lasse, dass 1964 an der Straße nur zwei Häuser gelegen seien, habe damit die Straße A nicht die Voraussetzungen einer Erschließungsstraße im Sinne einer Anbaustraße erfüllt. Insofern habe sich zum damaligen Zeitpunkt nicht die Frage gestellt, ob diese bereits endgültig hergestellt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist teilweise begründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder der Anfechtungsklage anordnen, wenn sie gemäß § 80 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO kraft Gesetzes oder durch behördliche Anordnung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO ausgeschlossen ist. Nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt im vorliegenden Fall dem vom Antragsteller eingelegten Widerspruch kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zu, weil mit dem angefochtenen Bescheid der Antragsgegnerin ein Erschließungsbeitrag, also eine öffentliche Abgabe im Sinn von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO gefordert wird (Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 80 Rn. 59; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 24 Rn. 64).
In entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO soll die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach der in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung der Rechtslage (nur) dann erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (vgl. z.B. OVG NW, B.v. 27.2.2015 – 15 B 1092/14 – juris Rn. 4). Das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts kann nur dann angenommen werden, wenn die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids derart überwiegen, dass ein Obsiegen der Antragstellerseite in der Hauptsache wahrscheinlicher ist, als ihr Unterliegen (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2007 – 19 CS 07.400 – juris Rn. 30; OVG NW, B.v. 24.10.2019 – 15 B 1090/19 – juris Rn. 6). Derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Erschließungsbeitragsbescheids bestehen, soweit sich das Grundstück Fl.Nr. 2 Gemarkung X (A-Straße 26) im Innenbereich befindet und bei der Verteilung des Aufwands aber nicht berücksichtigt wurde.
1. Das Gericht geht zumindest im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens davon aus, dass die Rechtmäßigkeit der Herstellung der Erschließungsanlage auf die nachgeholte Dringlichkeitsentscheidung des * der Antragsgegnerin gestützt werden kann und diese den Anforderungen des § 125 Abs. 2 BauGB (derzeit) genügt. Nach § 125 Abs. 2 BauGB dürfen Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB bezeichneten Anforderungen entsprechen, sofern – wie hier – ein Bebauungsplan nicht vorliegt. Die wichtigste materiellrechtliche Bindung in deren Rahmen sich jede Gemeinde bei der bebauungsplanersetzenden Planung einer Erschließungsanlage nach § 125 Abs. 2 BauGB halten muss, ist das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte Gebot, alle von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Gebot bezieht sich sowohl auf das Abwägen als Vorgang als auch auf das Abwägungsergebnis. Das Abwägen als Vorgang setzt ein positives Handeln voraus, das als solches auch dokumentiert sein muss; dabei handelt es sich nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung (BayVGH, U.v. 23.4.2015 – 6 BV 14.1621 – juris Rn. 41 und 42). Eine verwaltungsinterne Abwägung dürfte damit grundsätzlich nicht ausreichend sein. Auch das von der Antragsgegnerin zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. September 2018 (9 B 30.17 – juris) stellt insoweit keine geringeren Anforderungen auf. Der Entscheidung lässt sich vielmehr entnehmen, dass eine Abwägung durch den Gemeinderat aufgrund einer Beschlussvorlage stattgefunden hat. Nach dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 26. November 2020 geht diese davon aus, dass ein förmlicher Abwägungsbeschluss – falls erforderlich – durch den Stadtrat gefasst werden muss. Nach Art. 37 Abs. 3 Satz 1 Gemeindeordnung – GO ist der erste Bürgermeister befugt, anstelle des Gemeinderats oder eines Ausschusses dringliche Anordnungen zu treffen und unaufschiebbare Geschäfte zu besorgen. Dies setzt sowohl eine zeitliche Eilbedürftigkeit als auch eine inhaltliche Unaufschiebbarkeit voraus (Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand Februar 2020, Art. 37 Rn. 14 und 15). Von einer zeitlichen Eilbedürftigkeit ist auszugehen, da nach Angaben der Vertreterin der Antragsgegnerin die nächste Sitzung des Stadtrates erst am 22. Dezember 2020 stattfindet. Auch inhaltlich dürfte die Angelegenheit unaufschiebbar gewesen sein. Zwar kommt, je größer der Gestaltungsspielraum der Gemeinde und das Gewicht der Sache sind, desto weniger eine Entscheidung durch den ersten Bürgermeister in Betracht. Hier war eine Abwägungsentscheidung Gegenstand der dringlichen Anordnung, die Straße A war hier allerdings – wenn auch nicht im jetzigen „Ausbauzustand“ – tatsächlich bereits vorhanden. Damit waren an die Abwägung formal und materiellrechtlich nur geringe Anforderungen zu stellen. Im Übrigen verweist die Antragsgegnerin wohl zu Recht darauf, dass ein Stadtratsbeschluss bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens nachgeholt werden kann. Der Oberbürgermeister hat auch keine untergesetzliche Rechtsnorm erlassen; nur diesbezüglich wird vertreten, dass dann eine Norm nichtig wäre und auch durch einen nachträglichen Gemeinderatsbeschluss nicht geheilt werden kann (Widtmann/Grasser/Glaser, a.a.O., Art. 29 Rn. 25 a.E.).
2. Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids der Antragsgegnerin vom 7. September 2020 bestehen jedoch dahingehend, als das Grundstück Fl.Nr. 2 Gemarkung X nicht wenigstens teilweise im Rahmen der Aufwandsverteilung berücksichtigt wurde. Das Gericht geht nach vorläufiger Beurteilung im Rahmen des Eilverfahrens davon aus, dass dieses jedenfalls zum Teil dem Innenbereich zuzuordnen und damit auch bei der Verteilung des Erschließungsaufwands zu berücksichtigen ist.
Der Aufwand für eine Erschließungsanlage ist nach § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Grundstücke fallen danach nicht unter § 131 Abs. 1 BauGB, wenn sie unfähig sind, die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 BGB jemals zu erfüllen. Die Prüfung, ob ein Grundstück durch eine bestimmte beitragsfähige Erschließungsanlage im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossen wird, muss sich darauf erstrecken, ob aufgrund der gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse die Annahme gerechtfertigt ist, dieses Grundstück werde auch die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 BauGB erfüllen können. Das trifft für Grundstücke, die im Außenbereich liegen, nicht zu. Außenbereichsgrundstücke sind ungeachtet ihrer potenziell nicht ausgeschlossenen Bebaubarkeit nicht nach der Verkehrsauffassung „Bauland“ und stehen nicht „nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung“ an (§ 133 Abs. 1 Satz BauGB). Diese Grundsätze finden nicht nur bei insgesamt im Außenbereich liegenden Grundstücken Anwendung, sondern auch dann, wenn nur eine Teilfläche eines im Übrigen im Innenbereich liegenden Grundstücks in den Außenbereich hineinragt (BVerwG, U.v. 12.11.2014 – 9 C 7.13 – juris Rn. 18 u. 19). Ein Grundstück ist danach nur erschlossen, wenn und soweit ihm durch diese Straße entweder eine Bebaubarkeit oder eine der Bebaubarkeit erschließungsbeitragsrechtlich gleichgestellte Nutzbarkeit vermittelt wird.
Ein Grundstück befindet sich im Innenbereich, wenn es innerhalb eines Bebauungszusammenhangs liegt, der einem Ortsteil angehört (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Ausschlaggebend für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs ist, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und von Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehen Fläche selbst diesem Zusammenhang noch angehört (BVerwG, B.v. 18.6.1997 – 4 B 238.96 – juris Rn. 4). Hierüber ist allerdings nicht nach geografischmathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Wertung und Bewertung des im Einzelfall gegebenen konkreten Sachverhalts zu entscheiden (BVerwG, B.v. 1.9.2010 – 4 B 21.10 – juris Rn. 5). Grundlage und Ausgangspunkt einer solchen wertenden und bewertenden Beurteilung sind die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten, also insbesondere die vorhandenen baulichen Anlagen sowie außerdem auch andere topografische Verhältnisse wie etwa Geländehindernisse, Erhebungen oder Einschnitte, z.B. Dämme, Böschungen, Gräben, Flüsse aber auch Verkehrswege wie z.B. Straßen (BVerwG, U.v. 12.2.1990 – 4 C 40.87 – juris Rn. 22; B.v. 1.10.2008 – 4 B 53.08 – juris Rn. 4; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2020, § 34 Rn. 25 f.). Die Berücksichtigung solcher äußerlich erkennbaren Umstände kann dazu führen, dass der Zusammenhang im Einzelfall nicht – wie dies allerdings der Regel entspricht – am letzten Baukörper endet (vgl. BVerwG, U.v. 12.10.1973 – IV C 3.72 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 17.1.2011 – 15 B 10.1446 – juris Rn. 16). Die Abgrenzung des Außenbereichs vom Innenbereich erfolgt dabei unabhängig von Flurstücksgrenzen. Zwar endet der im Zusammenhang bebaute Ortsteil grundsätzlich mit der letzten Bebauung, doch bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass die Grenze zum Außenbereich damit unmittelbar an der Außenwand des letzten Baukörpers verläuft, vielmehr kommt es darauf an, ob sich die anschließende unbebaute Fläche als „selbständig“ darstellt oder nicht, wobei es nicht auf die Grenzen des Buchgrundstücks ankommt (BVerwG, U.v. 6.11.1968 – IV C 47.68; Buchholz 406.11 § 19 BBauG Nr. 20).
Vorliegend gehört jedenfalls die Bebauung auf der Fl.Nr. 2 Gemarkung X östlich des (Feld) Weges zum Innenbereich des Ortsteils Y „A“. Unter Beachtung der o.g. Grundsätze geht das Gericht im Eilverfahren – auch vorbehaltlich einer möglicherweise in einem Hauptsacheverfahren erforderlichen Ortseinsicht – davon aus, dass das Grundstück Fl.Nr. 2 dem Innenbereich über den von der Antragsgegnerin angenommenen Bereich hinaus auch nach Süden umgriffartig zuzuordnen ist in Form eines angemessenen Hausgartens als typische wohnakzessorische Nutzung bebauter Grundstücke. Zum Innenbereich zählt – nach Maßgabe der zeichnerischen Darstellung auf dem der angeforderten Vergleichsberechnung beigefügten Lageplan (Bl. 44 Gerichtsakte) – die Fläche zwischen der – gedachten – östlichen Grundstücksgrenze bis zu einer Verlängerung der westlichen Wohnhauswand im Westen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der für die Abgrenzung von Innen- und Außenbereich maßgebliche Bebauungszusammenhand in aller Regel am letzten Baukörper der Ortslage endet, betrifft in erster Linie die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bebaute Grundstücke in Ortsrandlagen noch Teil des Bebauungszusammenhangs sind, steht aber nicht der Annahme entgegen, dass die typische wohnakzessorische Nutzung bebauter Grundstücke, insbesondere ein angemessener Hausgarten noch dem Innenbereich zugeordnet werden kann (BVerwG, U.v. 12.11.2014 – 9 C 7.13 – juris Rn. 18). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung erscheint es hier angemessen, eine solche wohnakzessorische Nutzung auf dem Grundstück Fl.Nr. 2 über die Terrasse am vorhandenen Wohnhaus hinaus nach Süden bis zur Erschließungsanlage A anzunehmen. Eine solche Grenzziehung verhindert, dass auch der Bereich westlich der westlichen Hauswand bzw. der gedachten Verlängerung zur Straße A – obwohl auch Gartenbereich – ebenfalls noch dem Innenbereich zugeordnet wird. Dies hat zur Folge, dass nach Westen keine ungebremste Besiedlung des Außenbereichs herbeigeführt werden könnte. Diese Gefahr besteht nach Süden nicht, da die Straße A dort eine „natürliche“ sichtbare Grenze des Grundstücks Fl.Nr. 2 darstellt. Dabei handelt es sich um eine relevante topografische Begrenzung, die dazu führt, dass der Bebauung in diesem Bereich der Eindruck eines Abschlusses vermittelt und die über den Terrassenbereich hinausgehende Fläche noch – bis zur gedachten Verlängerung der westlichen Hauswand – zum Innenbereich zu zählen ist (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger a.a.O. § 34 Rn. 26). Im Übrigen ist hierzu anzumerken, dass von der Antragsgegnerin auch bei dem auf der gegenüberliegenden Seite vorhandenen Grundstück Fl.Nr. 4 (A-Straße 27) ein Gartenbereich als dem Innenbereich zugehörig angesehen (vgl. Plan Bl. 60 Verwaltungsakte) und bei der anrechenbaren Grundstücksfläche berücksichtigt wurde, obwohl auch bei diesem Grundstück die Teilfläche, soweit sie über die südliche Hauswand bzw. Terrasse hinausgeht, nach Süden/Südosten in den Außenbereich hineinragt. Dies gilt in eingeschränktem Maße ebenso für die Fl.Nr. 3 (A-Straße 25). Ausweislich des auch von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Luftbilds mit Lageplan auf Bl. 60 der Verwaltungsakte hätte dann auch bei den Fl.Nrn. 3 und 4 jeweils keine gerade Linie zur Begrenzung des Außenbereichs gezogen werden dürfen, sondern diese müsste an der Bebauung, jedenfalls aber an der Terrasse des Wohngebäudes auf Fl.Nr. 4 erfolgen.
Damit liegt aber jedenfalls ein Teilbereich der südlichen Grundstücksfläche der Fl.Nr. 2 an der Straße A an und ist insoweit auch zum Anbau bestimmt. Sie vermittelt in diesem Bereich (von der östlichen Grundstücksgrenze bis zur – gedachten – Verlängerung der westlichen Hauswand nach Süden) im Sinne von § 127 Abs. 1 Nr. 2 BauGB das, was es zu seiner zulässigen baulichen Nutzung an verkehrsmäßiger Erschließung braucht, nämlich eine Erreichbarkeit in Form eines mit Kraftfahrzeugen auf der Fahrbahn an das Grundstück Heranfahren und es von da ab – über den Gehweg – Betretenkönnens; die Verkehrsanlage ist folglich insoweit zum Anbau bestimmt. Der Vortrag der Antragsgegnerin, auf einer Strecke von 13 m lägen nur Angleichungsmaßnahmen vor, kann im Übrigen in dieser Form nicht ohne weiteres nachvollzogen werden. Ausweislich des Plans „Ausführungsplanung – A – Deckenhöhen- und Gestaltungslageplan“, Bl. 51 Verwaltungsakte) sollten die geplanten Angleichungsmaßnahmen erst im Anschluss an den eigentlichen Beginn der Baustrecke erfolgen. Der Plan – „A – Bestand nach Bau“ (Bl. 56 der Verwaltungsakte) entspricht dem und stellt die von der Antragsgegnerin benannte Strecke von ca. 13 m bis zum Beginn der Hofeinfahrt des Antragstellers als eigentliche Baumaßnahme (nach Ansicht der Antragsgegnerin im Außenbereich verlaufend) dar.
Die Erschließungskosten waren anteilig auch auf die im Innenbereich liegende Fläche der Fl.Nr. 2 Gemarkung X aufzuteilen unter gleichzeitiger Einbeziehung einer Fläche von 52 m² auf dem Grundstück Fl.Nr. 1 des Antragstellers, die bisher nicht einbezogen wurde, aber auch im Innenbereich liegt und eine erschlossene beitragspflichtige Fläche darstellt. Daraus ergibt sich nach der Vergleichsberechnung der Antragsgegnerin ein auf den Antragsteller entfallender Erschließungsbeitrag von 17.520,00 EUR. Damit war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 7. September 2020 – wie tenoriert – (nur) hinsichtlich des überschießenden Teils anzuordnen.
3. Im Übrigen war der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Wi derspruchs jedoch abzulehnen, da die vom Antragsteller geltend gemachten Einwände derzeit nicht dazu führen, dass die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides derart überwiegen, dass ein Obsiegen im Widerspruchsverfahren wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen. Derart ernstliche Zweifel bestehen zum Entscheidungszeitpunkt nicht, auch wenn derzeit noch Aufklärungsbedarf besteht.
a) Dies gilt zum einen hinsichtlich der Frage der erstmaligen Herstellung der Straße A. Zum einen werden sog. historische Straßen aus dem Anwendungsbereich des Erschließungsbeitragsrechts ausgenommen, d.h. solche Anlagen, die am 30. Juni 1961 (bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes) bereits als Anbaustraßen fertiggestellt waren. Auf eine solche bereits erfolgte Herstellung beruft sich der Antragsteller in dem er vorträgt, dass die Fahrbahnoberfläche, Randstein, Regenwasserkanal und Lampen im Bereich A (Süd) vor 1960 fertiggestellt worden seien. Gegen das Vorliegen einer historischen Straße spricht derzeit aber, dass die Straße A im Jahr 1964 nicht die Voraussetzungen einer Anbaustraße erfüllt hat, weil selbst nach dem Vortrag des Antragstellers zum damaligen Zeitpunkt nur zwei anliegende Grundstücke bebaut waren (Haus 21 und 24) und deshalb wohl (noch) kein Ortsteil im Sinne von § 34 BBauG a.F. vorgelegen hat.
Eine endgültige erstmalige Herstellung der Straße jedenfalls bereits im Jahr 1965 setzt voraus, dass sie nach den damals gültigen Erschließungsbeitragssatzungsbestimmungen endgültig hergestellt war. Insoweit wird insbesondere zu prüfen sein, welcher Art die Straßenentwässerung vor der nunmehr vorgenommenen Errichtung der Regenwasserkanäle war. Wohl zumindest seit den 1950er Jahren war auch für kleinere ländliche Gemeinden eine, wenn auch primitive, technisch abgegrenzte Einrichtung zur Beseitigung des Niederschlagswassers von der Straßenfläche (z.B. mit Randsteinen oder Rinnen) erforderlich, in Gemeinden mit 6.000 Einwohnern waren im Jahr 1960 Randsteine erforderlich (Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand April 2020, Erschließungsbeitragsrecht Rn. 181c).
Falls noch keine erstmalige Herstellung anzunehmen sein sollte, dürfte nicht zu beanstanden sein, dass die anlässlich des Ausbaus der Gemeindeverbindungsstraße Y-Z durch den landkreiseigenen Bauhof angefallenen Gesamtbaukosten dem beitragsfähigen Aufwand hinzugerechnet werden. Die auf Bl. 69 der Verwaltungsakte diesbezüglich vorgenommene Berechnung der beitragsfähigen Kosten (Gesamtbaukosen abzüglich eines 30%igen Abschlags) und deren Umlegung lassen sich allerdings noch nicht widerspruchsfrei nachvollziehen. Es bleibt insbesondere unklar, ob es sich bei der „Restschuld des Landkreises“ in Höhe von 15.599,73 DM um eine durch den Landkreis zu erbringende Zahlung oder um eine solche der damaligen Gemeinde Y gehandelt hat.
b) Soweit davon auszugehen ist, dass noch keine endgültige Herstellung zu einem früheren Zeitpunkt vorlag, dürfte auch die Beitragsfähigkeit der Kosten für den Regenwasserkanal (Straßenentwässerung) gegeben sein. Zu Recht weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass dieser allein der Entwässerung der Straße dient und der Vorteil für den Antragsteller darin besteht, dass das Niederschlagswasser von der Straße nicht auf die angrenzenden Privatgrundstücke fließt. Dafür ist es unerheblich, ob das Grundstück des Antragstellers an diese Entwässerungseinrichtung angeschlossen ist.
c) Im Hinblick auf den von Antragstellerseite gerügten „sehr teuren Posten Rand 39 steine“ ist davon auszugehen, dass die Gemeinde sowohl bei der Entscheidung, welche Ausbaumaßnahme vorgenommen werden soll, als auch bei der Entscheidung über den Inhalt des Bauprogramms einen weiten, gerichtlich nicht voll überprüfbaren Beurteilungsspielraum hat. Bei der Entscheidung, ob eine Straße nach Art und Umfang erforderlich im Sinne von § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist, ist der Gemeinde ein weiter Beurteilungsspielraum zuzubilligen (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 1. Aufl. 2018, § 9 Rn. 4 m.w.N.).
d) Soweit der Antragsteller moniert, dass in der Schlussrechnung der Firma * vom 2. Juni 2020 ein Betrag in Höhe von 412,34 EUR für den EA 2 Teilbereich „*Straße“ in Rechnung gestellt werde, vermag dieser geringfügige Teilbetrag keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Erschließungsbeitragsbescheids zu begründen. Allerdings hat die Antragsgegnerin einen nachvollziehbaren Nachweis zu ihrer Behauptung, dass es um Leistungen geht, die tatsächlich für die Anlage A erbracht wurden und es sich insoweit nur um ein versehentliches Kopieren dieses Textteils aus dem Leistungsverzeichnis handele, bislang nicht vollständig erbracht.
Dem Antrag war daher letztlich (nur) wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit hinsichtlich des mit dem streitgegenständlichen Bescheid geltend gemachten über den Betrag von 17.520,00 EUR hinausgehenden Erschließungsbeitrags stattzugeben.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist ein Viertel des Streitwerts der Hauptsache festzusetzen (vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.5/1.6.2012 und am 18.7.2013 beschlossenen Änderungen).


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