Baurecht

Erschließungsbeitragsrecht, Erstmalige endgültige Herstellung, Festsetzungsverjährung

Aktenzeichen  6 ZB 21.2279

Datum:
24.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13307
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 und 3
BauGB § 133 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 3 K 19.531 2021-07-12 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 12. Juli 2021 – AN 3 K 19.00531 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 28.379,01 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, hat keinen Erfolg. Der innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO allein geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Die Beklagte zog den Kläger mit Bescheid vom 13. Dezember 2016 als Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. 154/8 für „die Straßenbaumaßnahme O.straße zwischen D* … straße und Bahnlinie N* …-Ost-D* …“ zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 28.379,01 Euro heran. Das nach erfolglosem Widerspruch angerufene Verwaltungsgericht hat die Klage gegen diesen Bescheid abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die streitgegenständliche Teilstrecke der O.straße sei als selbständige Anlage zu qualifizieren. Im Hinblick darauf, dass ausweislich der Akten das gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 13 der Erschließungsbeitragssatzung (EBS) zum abrechenbaren Erschließungsaufwand gehörende südliche Straßenbegleitgrün erstmals 2012 bauprogrammäßig hergestellt worden sei (unabhängig davon, dass die dazugehörige Rechnung, aus welcher sich auch bei Anwendung satzungsgemäßer Einheitssätze der tatsächliche Maßnahmeumfang ergebe, vom 2.11.2012 datiere), sei die vierjährige Festsetzungsfrist zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch nicht abgelaufen gewesen. Verjährung stehe somit der Geltendmachung der Beitragsforderung nicht entgegen.
2. Mit dem Zulassungsantrag werden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geweckt, denen in einem Berufungsverfahren nachgegangen werden müsste.
Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Die vom Kläger hiergegen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.
a) Der Kläger bringt im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht sei unzutreffend davon ausgegangen, das südliche Straßenbegleitgrün sei erstmals im Jahr 2012 bauprogrammäßig hergestellt worden. Die Gesamtmaßnahme sei bereits im Jahr 2009 abgeschlossen worden. Den Akten („blaue Heftung II“, Bl. 19) lasse sich eindeutig eine Bauzeit vom 2. März 2009 bis 11. Dezember 2009 entnehmen. Zudem habe die Regierung von Mittelfranken in ihrem Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2019 bestandskräftig festgestellt, dass die Baumaßnahme im Jahr 2009 ausgeführt und fertiggestellt worden sei. Mit der Abnahme der Gesamtmaßnahme im Dezember 2009 wäre diese auch abrechenbar gewesen. Da zudem der Erschließungsbeitrag nicht von einer Schlussrechnung abhängig sei, sondern die Abrechnung nach Einheitssätzen erfolge, wäre die Beklagte ab dem 11. Dezember 2009 in der Lage gewesen, die zu diesem Zeitpunkt fällig gewordene Beitragsforderung abzurechnen. Soweit sich die Beklagte auf die letzte Teilrechnung für das Straßenbegleitgrün aus dem Jahr 2012 berufe, möge es zwar sein, dass Gegenstand des Vertrags mit dem diesbezüglichen Unternehmen auch Pflegeleistungen über einen Zeitraum von drei Jahren gewesen seien. Dies habe aber nichts damit zu tun, dass die Herstellung der entsprechenden Teilfläche, wie den Akten zu entnehmen sei, bereits im Jahr 2009 erfolgt sei.
Die Behördenakten geben für die Argumentation des Klägers jedoch nichts Greifbares her. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr in Übereinstimmung mit der Aktenlage angenommen, dass die streitgegenständliche Erschließungsanlage nicht schon im Jahr 2009, sondern erst im Jahr 2012 mit der Herstellung des Straßenbegleitgrüns endgültig hergestellt und die Beitragsforderung damit zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 13. Dezember 2016 noch nicht verjährt war.
Die Festsetzungsverjährung einer Erschließungsbeitragsforderung richtet sich nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb bis dd, Abs. 2 KAG i.V.m. §§ 169 ff. AO. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre (Art 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 3 KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitragsforderung nach dem materiellen Erschließungsbeitragsrecht entstanden ist (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc, Abs. 2 KAG i.V.m. § 170 Abs. 1 AO), in dem also – erstens – sämtliche anlagenbezogenen Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflichten erfüllt sind und – zweitens – das jeweilige Grundstück beitragspflichtig ist (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 16 Rn. 10).
Die sachlichen Beitragspflichten für die erschlossenen Grundstücke entstehen gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – „mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen“. Die gesetzlich ausdrücklich genannte Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragspflichten bezieht sich auf § 132 Nr. 4 BauGB. Sie knüpft an die Merkmale der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage an, welche die Gemeinde in Umsetzung des gesetzlichen Regelungsauftrags in ihrer Erschließungsbeitragssatzung festgelegt hat. Um im Rechtssinn „endgültig hergestellt“ zu sein, muss die Erschließungsanlage zunächst technisch endgültig fertiggestellt und damit erstmalig hergestellt sein. Dazu muss sie dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm (für Beleuchtung und Entwässerung), dem auch formlos möglichen konkreten Bauprogramm (für die flächenmäßigen Teileinrichtungen) und schließlich in bautechnischer Hinsicht dem satzungsmäßigen Ausbauprogramm entsprechen (Schmitz a.a.O. § 15 Rn. 5).
Der bloße Abschluss der Bauarbeiten (der „letzte Spatenstich“ oder genauer: die programmgemäße Fertigstellung der Anlage in bautechnischer Hinsicht) reicht allerdings noch nicht aus, um die sachlichen Beitragspflichten nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach vollständig und unveränderbar entstehen zu lassen. Denn um die Beitragshöhe für die erschlossenen Grundstücke berechnen zu können, müssen auch die Berechnungsfaktoren feststehen. Eine Erschließungsanlage ist mit anderen Worten in dem Zeitpunkt endgültig hergestellt, in dem der Gemeinde alle Grundlagen für die Abrechenbarkeit vorliegen. Die Höhe des umzulegenden Aufwands ist in aller Regel feststellbar, wenn „die letzte Unternehmerrechnung“ („Schlussrechnung“) bei der Gemeinde eingegangen ist (VGH BW, U.v. 10.7.2014 – 2 S 2228/13 – juris Rn. 51 f.; BayVGH, U.v. 28.8.2014 – 6 ZB 14.481 – juris Rn. 7; U.v. 19.8.2021 – 6 B 21.797 – juris Rn. 32 jeweils m.w.N.; vgl. zum Ganzen Schmitz a.a.O. § 15 Rn. 7 ff.).
Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass das – als unselbständige Grünfläche zum Bestandteil der streitgegenständlichen A.straße und nach der Erschließungsbeitragssatzung zum beitragsfähigen Erschließungsaufwand gehörende – sog. südliche Straßenbegleitgrün erstmals 2012 hergestellt worden ist. Dies hat der Kläger nicht hinreichend substantiiert in Frage gestellt. Vielmehr sprechen die Aktenlage und die Erläuterungen der Beklagten hierzu für die vom Verwaltungsgericht angenommene erstmalige bautechnische Fertigstellung im Jahr 2012. So hat die Beklagte nachvollziehbar erläutert, dass das vom Kläger in Bezug genommene Bl. 19 der Akte („blaue Heftung II“) die Herstellung der reinen Straßenbaumaßnahme betreffe („SÖR/1-S“, d.h. „Planung und Bau Straße“). Zu der Baumaßnahme gehöre aber auch die Herstellung des Straßenbegleitgrüns, die ebenfalls Gegenstand der Akten sei (Bl. 20 derselben Heftung, „SÖR/1-G“, d.h. „Planung und Bau Grün“). Dort ist als Ausführungszeit der Zeitraum vom 15. März 2010 bis 9. Oktober 2012 und als Datum des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung der 2. November 2012 angegeben. Dass die Herstellung der Grünfläche erst im Jahr 2012 abgeschlossen wurde, lässt sich zudem auch anderen Stellen der Akten entnehmen: So wird mehrfach als Datum der „erstmaligen Herstellung“ der streitgegenständlichen Straße bzw. als „Baujahr“ für die Ausführung der Rasenfläche der 9. Oktober 2012 (Bl. 1, 6 „blaue Heftung II“) bzw. das Jahr 2012 (Bl. 10 der „Heftung (gelb)“) angegeben. Zudem entspricht auch der im Rahmen der Aufwandsermittlung für die Herstellung der Rasenfläche angesetzte Einheitswert von 14,28 Euro demjenigen für das Jahr 2012 (vgl. Bl. 1 der „Heftung (gelb)“; Anlage 4 zur EBS i.d.F. v. 3.12.2018, ABl 2018, 498). In der Gesamtschau all dieser Umstände ist daher davon auszugehen, dass das südliche Straßenbegleitgrün als Teil der streitgegenständlichen Anbaustraße erst im Jahr 2012 bautechnisch fertiggestellt und damit endgültig hergestellt worden ist. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der abgerechneten Maßnahme nicht um die erstmalige Herstellung, sondern lediglich die Pflege der bereits hergestellten Grünfläche handelt, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Ausführungen der Widerspruchsbehörde in ihrem Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2019 führen zu keinem anderen Ergebnis. Zwar heißt es in den Gründen des Widerspruchsbescheids u.a., die streitgegenständliche Strecke sei erst mit den vorliegend abgerechneten Baumaßnahmen „vom März bis Dezember 2009 (südlicher Gehweg mit Bordsteinen, südlicher Kanal, südliches Straßenbegleitgrün und Teil der Beleuchtung/ gemäß Bebauungsplan von 1998)“ und dem Eingang der letzten Rechnung am 2. November 2012 für das Straßenbegleitgrün endgültig hergestellt und abgeschlossen gewesen. Mag diese Formulierung auch dafür sprechen, dass die Widerspruchsbehörde offenbar (unzutreffend, s.o.) davon ausgegangen ist, dass die Baumaßnahme bereits im Jahr 2009 insgesamt bautechnisch fertiggestellt, aber erst 2012 mit dem Eingang der letzten Teilrechnung im Rechtssinne endgültig hergestellt worden sei, so führt dies – entgegen der Ansicht des Klägers – nicht zu einer Bindungswirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen. Die Bindungswirkung der materiellen Bestandskraft (sog. Tatbestandswirkung) erstreckt sich nur auf den Tenor und nicht auf die Gründe der Entscheidung (Goldhammer in Schoch/Schneider, Verwaltungsverfahrensrecht, VwVfG, 1 EL. August 2021, § 43 Rn. 77, 81; Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Auflage 2021, VwVfG § 43 Rn. 24).
Wurde die streitgegenständliche Straße aber ausweislich der Akten nicht schon im Jahr 2009, sondern erst im Oktober 2012 bautechnisch endgültig fertiggestellt, hat die vierjährige Festsetzungsfrist ohnehin erst mit Ablauf des Jahres 2012 zu laufen begonnen. Auf die Frage, ob die Grundlagen der Abrechenbarkeit auch im vorliegenden Fall – in dem der Erschließungsaufwand für die Herstellung der Grünfläche nach Einheitssätzen ermittelt wird (vgl. § 4 EBS i.V.m. Nr. 7 der Anlage zu § 4 EBS) – bereits „mit dem letzten Spatenstich“ oder erst mit Eingang der letzten Unternehmerrechnung vom 2. November 2012 vorlagen, kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an. Im Übrigen dürften selbst dann, wenn die Anlage bereits 2009 endgültig hergestellt worden wäre – wovon hier nicht auszugehen ist – alle Berechnungsfaktoren erst mit Eingang der letzten Unternehmerrechnung vorgelegen haben. Denn auch bei der Ermittlung des Erschließungsaufwands anhand von Einheitssätzen – wie hier für die Herstellung der Rasenfläche – dürfte sich die Höhe des Erschließungsbeitrags erst dann ermitteln lassen, wenn die Größe der hergestellten Teilfläche bestimmbar ist. Dies dürfte – wie vom Verwaltungsgericht angenommen (vgl. UA Seite 10 unter 3.) – erst mit Eingang der Rechnung der Fall gewesen sein.
b) Soweit der Kläger meint, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. November 2021 (1 BvL 1/19) streite für ihn, kann er damit ebenfalls nicht durchdringen. Der Kläger irrt, wenn er meint, das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass es für die Entstehung der Beitragspflicht und den Beginn der Verjährungsfrist auf den Eingang der letzten Unternehmerrechnung nicht ankomme. Auf die Frage, ob diese Rüge rechtzeitig erhoben wurde, kommt es daher nicht an.
Das Bundesverfassungsgericht hat – wie schon 2013 (U.v. 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08 – juris) – entschieden, dass das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor schütze, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, sei der Gesetzgeber daher verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass Beiträge nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei stehe ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (U.v. 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08 – juris Rn. 41 ff.; U.v. 3.11.2021 – 1 BvL 1/19 – juris Rn. 61 ff.).
Mit seiner Forderung nach einer zeitlichen Begrenzung der Heranziehung des Bürgers zu Abgaben zum Vorteilsausgleich knüpfe das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit an den Eintritt der tatsächlichen Vorteilslage an. Nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung komme es für die abzugeltende Vorteilslage (allein) auf die tatsächliche bautechnische Durchführung der jeweiligen Erschließungsmaßnahme an. Eine derartige Vorteilslage sei für das Erschließungsbeitragsrecht anzunehmen, wenn eine beitragsfähige Erschließungsanlage den an sie zu stellenden technischen Anforderungen entspreche und dies für den Beitragspflichtigen erkennbar sei. Diese fachgerichtliche Rechtsprechung konkretisiert die Anforderungen an die Entstehung der erschließungsrechtlichen Vorteilslage aus der Perspektive des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise. Damit sei hinreichend gewährleistet, dass die Entstehung der tatsächlichen Vorteilslage für die Betroffenen erkennbar ist. Denn es komme hierfür weder auf die wirksame Widmung der Erschließungsanlage noch auf die Wirksamkeit der Beitragssatzung, die planungsrechtliche Rechtmäßigkeit ihrer Herstellung, den Eingang der letzten Unternehmerrechnung, die Mängelfreiheit der technischen Ausführung oder den vollständigen Grunderwerb an (BVerfG, U.v. 3.11.2021 – a.a.O. Rn. 67 ff.).
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2013 hat der bayerische Landesgesetzgeber umgesetzt und durch Gesetz vom 11. März 2014 (GVBl. S. 70) in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 Halbsatz 1 KAG angeordnet, § 169 AO sei mit der Maßgabe (entsprechend) anwendbar, „dass über Abs. 1 Satz 1 hinaus die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist“. (Erst) Nach Ablauf dieser Frist scheidet die Gesamtbaumaßnahme und der dafür entstandene Aufwand mithin als Anknüpfungspunkt für eine Beitragserhebung aus.
Diese äußerste Grenze ist hier bei weitem nicht erreicht. Die Ausschlussfrist von 20 Jahren – deren Bemessung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet – ist im vorliegenden Fall noch nicht abgelaufen. Denn die Vorteilslage ist erst im Jahre 2012 eingetreten, als die zur streitgegenständlichen Anbaustraße gehörende Grünfläche – das sog. Straßenbegleitgrün – und damit die streitgegenständliche Erschließungsanlage technisch fertiggestellt worden ist. Erst mit Ablauf des Jahres 2012 hat die zwanzigjährige Frist daher zu laufen begonnen. Selbst wenn die Erschließungsanlage – wie der Kläger meint – bereits im Jahr 2009 den technischen Anforderungen entsprochen hätte – was nicht der Fall ist – wäre die Ausschlussfrist noch nicht abgelaufen und stünde der Beitragserhebung mithin nicht entgegen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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